Mineralische Stäube, Abgase von Baumaschinen, Lösemittel oder Dämpfe aus Bitumen: Die Mitarbeiter am Bau sind vielen Gefahrstoffen ausgesetzt. Risiken birgt das auch dadurch, dass mehrere Gewerke gleichzeitig tätig sind. Eine Fachtagung der BG Bau zeigte Gefährdungen und Lösungen auf.
Wenn die Beschäftigten eines Gewerbezweiges auf einer Baustelle mit Gefahrstoffen umgehen, können auch für die Mitarbeiter anderer Gewerbezweige Gefährdungen entstehen. So wird zum Beispiel bei jedem Bohrvorgang – um nur eine Tätigkeit zu nennen – Quarzstaub frei. Wenn Gefahrstoffe freigesetzt werden, verbreiten sie sich unkontrolliert. Darauf wies Dr. Harald Wilhelm hin, Leiter des Fachreferates Arbeitsschutzorganisation der Abteilung Prävention der BG BAU. Die BG Bau hatte am 30. Oktober 2012 über 200 Gefahrstoffexperten aus Verbänden, Unternehmen und Regierungsstellen zu einer Fachtagung in Hannover eingeladen. Die Veranstaltung richtete sich vor allem an die Zielgruppe der Sicherheits- und Gesundheitsschutz Koordinatoren (SiGeKo), die als Beauftragter des Bauherrn die Planung des Bauvorhabens und den Bauablauf in der gesamten Ausführungsphase einer Baustelle begleiten. Auf der Tagung wollte die BG BAU den SiGeKo mehr Wissen zu Gewerbezweige übergreifende Gesundheitsgefahren, etwa durch mineralische Stäube, Abgase von Baumaschinen, Lösemittel, Dämpfe aus Bitumen sowie Mineralwolle-Dämmstoffe an die Hand geben. Die Teilnehmer erfuhren etwas über mögliche Alternativen und notwendige Schutzmaßnahmen.
Falscher Umgang mit Gefahrstoffen kann zu erheblichen Gesundheitsschäden führen. Mögliche Auswirkungen reichen etwa von leichten Haut- oder Augenreizungen über chronische Lungenerkrankungen bis hin zu Nervenschädigungen und Krebs.
Staubbelastung reduzieren
1.663 Anzeigen auf Verdacht einer staubbedingten Berufskrankheit – Silikose, Siliko-Tuberkulose und Lungenkrebs auf Grund von Quarz – registrierten die gewerblichen Berufsgenossenschaften im Jahr 2011. Baustellen und Staub sind für viele Menschen untrennbar miteinander verbunden. Baustaub ist aber nicht ungefährlich. Selbst Staub, dem keine giftigen, krebserzeugenden oder ätzenden Eigenschaften zugesprochen werden, kann zu Beschwerden der Atemwege führen.
Es ist jedoch möglich, die Belastungen durch Staub auf Baustellen deutlich zu reduzieren. Deshalb hat die Berufsgenossenschaft Listen von geprüften handgeführten Baumaschinen mit Geräten zum Entstauben angefertigt. Auch gibt es Produkte wie Fliesenkleber und Spachtelmassen, die beim Anmischen gar keinen Staub mehr verursachen. Darauf wies Walter Gunregen, Fachreferat Gefahrstoffe, in der Abteilung Prävention der BG Bau hin. Viel Staub wird zudem aufgewirbelt, wenn Säcke aufgerissen, zum Anmischen von Estrich, Mörtel oder Putz ausgeschüttet und die leeren Säcke beim Zusammenlegen verdichtet werden. Ein Ausweg ist es hier, Kleinst-Silos statt Sackware einzusetzen. Ebenso gibt es Methoden gegen Staub, der von den Fahrwegen der Baustellen aufgewirbelt wird, etwa im Hoch- und Straßenbau. So können Straßen bewässert und Staubbindemittel eingesetzt werden. Bei Verdichtungsarbeiten in Gräben lassen sich durch Flüssigboden Abgas- und Staubbelastungen vermeiden.
Benzinmotoren: Gefahr durch giftiges Kohlenmonoxid
Über die Gefahr durch Motorabgase auf Baustellen sprach Corinne Ziegler, ebenfalls vom BG-Bau-Fachreferat Gefahrstoffe. Problematisch an Benzinmotoren ist vor allem das giftige Kohlenmonoxid. Der Grenzwert von Kohlenmonoxid wird zum Beispiel bei Estrichglättarbeiten deutlich überschritten, wenn die benzinbetriebenen Glättmaschinen keinen Katalysator haben. Diese Arbeiten werden meist in Hallen durchgeführt, oft sind gleichzeitig andere Gewerke tätig. Eine mögliche Schutzmaßnahme gegen Kohlenmonoxid ist der Einsatz von Elektro-Glättmaschinen, dabei entstehen keine Abgase. Weiterhin ist der Einsatz von gasbetriebenen Estrichglättern möglich, sowie von benzinbetriebenen Glättern mit Katalysatoren, bei denen zwar auch Kohlenmonoxid entsteht, der Arbeitsplatzgrenzwert jedoch nicht überschritten wird.
Bei Dieselmotoren geht die Gefahr überwiegend von den krebserzeugenden Dieselmotorenemissionen aus. Wenn schadstofffreie (Elektroantrieb) oder schadstoffarme (Gasantrieb) Antriebstechniken nicht möglich sind, erlaubt die TRGS den Einsatz von dieselbetriebenen Maschinen in Hallen und Räumen ausschließlich mit Dieselpartikelfiltern. Dabei können fest montierte oder aufsteckbare Dieselpartikelfilter verwendet werden.
Zu Kohlenmonoxidvergiftungen kann es auch bei Arbeiten in Tiefgaragen kommen. Detlev Opara, Leiter Fachreferat Hochbau der Abteilung Prävention der BG BAU nannte einen Fall aus der Praxis.
Bei Reinigungsarbeiten in einer geschlossenen Tiefgarage mittels Hochdruckreinigern mit ölbefeuerten Erhitzern hatten Mitarbeiter einer Gebäudereinigungsfirma Kohlenmonoxidvergiftungen erlitten. Grundsätzlich seien offene Garagen anzustreben. Sei dies nicht möglich, könnte die Reinigung der Tiefgarage zum Beispiel mittels Hochdruckreiniger mit elektrischer Beheizung des Wassers erfolgen, wenn die entsprechenden Speisepunkte eingeplant wären oder es könnten Hochdruckreiniger zum Einsatz kommen, die das Wasser mit Gas erhitzen. Für stationäre mit einer separaten Lüftung versehene Arbeitsplätze könnte der Hochdruckreiniger mit ölbefeuertem Erhitzer an die Abgasanlage des Gebäudes angeschlossen werden.
Wenn der Funke überspringt: Brände und Explosionen
Dr. Kerstin Rathmann, vom Gefahrstoff Informationssystem der BG Bau (GISBAU) wies auf Brand- und Explosionsgefahren auf Baustellen hin. Gerade wenn mehrere Gewerke gleichzeitig tätig sind, muss beachtet werden, dass Brände oder Explosionen erst durch Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen auftreten können. Wird beispielsweise in einem Rohbau mit lösemittelhaltigen Produkten gearbeitet, dann werden brennbare Lösemitteldämpfe freigesetzt. Diese sind schwerer als Luft, reichern sich daher am Boden an und können sich in benachbarte oder tiefer liegende Bereiche ausbreiten. Dort können sie durch geeignete Zündquellen wie zum Beispiel durch Schweißfunken, die bis zu zehn Meter weit fliegen können, entzündet werden.
Unfälle mit brennbaren Bauchemikalien wie hochentzündliche Bauschäume, lösemittelhaltige Bitumenvoranstriche oder Schweißgase, deren Dämpfe bzw. Gase durch Heizluftföne, Schweißbrenner, Halogenstrahler, brennende Zigaretten oder Heizkörper entzündet werden, sind keine Seltenheit. Eine Alternative ist der Einsatz nicht brennbarer Produkte. So gehören Unfälle durch Verpuffungen bei der Verwendung von stark lösemittelhaltigen Vorstrichen und Klebstoffen im Bodenbereich der Vergangenheit an. Heute werden lösemittelfreie Produkte, wie in der TRGS 610 beschrieben, verwendet.
Häufig treten auch Brände beim Auftragen von Bitumen im Heizverfahren oder beim Verschweißen von Bitumenbahnen auf Flachdächern auf. Hier ist es zum Beispiel wichtig, die Menge an entzündlichen Gefahrstoffen zu begrenzen, Feuerlöscher mitzuführen, Schutzmaßnahmen in einem Erlaubnisschein für Feuerarbeiten festzulegen und eine Brandwache aufzustellen.
Strenge Schutzmaßnahmen bei „alten“ Mineralwolle-Dämmstoffen
Mineralwolle wird in großem Umgang zur Wärme- und Schalldämmung im Hochbau sowie in der technischen Isolierung eingesetzt. Bei Tätigkeiten mit diesen Produkten werden jedoch zwangsläufig einatembare Faserstäube freigesetzt. Darauf wies Norbert Kluger hin, Leiter Gefahrstoff-Informationssystem der BG BAU. Die vor 1996 eingebauten „alten“ Mineralwolle-Produkte werden in Deutschland als krebserzeugend bewertet. Bei den nach wie vor notwendigen Tätigkeiten mit eingebauten „alten“ Mineralwolle-Dämmstoffen im Zuge von Abbruch‑, Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten gelten strenge Arbeitsschutzmaßnahmen. Diese sind in der Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 521 beschrieben, die im Frühjahr 2008 in einer Neufassung veröffentlicht wurde.
Die bereits seit Jahren bewährte Handlungsanleitung „Umgang mit Mineralwolle-Dämmstoffen (Glaswolle, Steinwolle) wurde auf Basis der TRGS 521 von den beteiligten Verbänden und Institutionen überarbeitet und liegt seit Mai 2010 in der aktuellen Version vor. Die Broschüre beschreibt verständlich die notwendigen Schutzmaßnahmen bei unterschiedlichen Tätigkeiten mit den „gelben Matten“ und kann im Internet unter www.gisbau.de heruntergeladen werden. Die Handlungsanleitung kann unter der Abrufnummer 341 auch bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft – BG BAU bestellt werden.
Gussasphalt: temperaturabgesenkt einbauen
Dass Arbeiter im Tiefbau beim Einbau von Asphalt heute weniger Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen ausgesetzt sind, erläuterte Dr. Reinhold Rühl, Leiter des Fachreferates Gefahrstoffe der Abteilung Prävention der BG BAU. Bis zum Jahr 2008 wurde Gussasphalt bei Temperaturen bis über 250°C eingebaut. Dabei lagen Expositionen der Beschäftigten bis zu 60 mg/m³ Dämpfe und Aerosole aus Bitumen vor. Werden dem Gussasphalt geringe Anteile von Wachsen zugesetzt, kann er bei niedrigeren Temperaturen eingebaut werden und die Expositionen sind deutlich geringer. „Wir haben schon Einbautemperaturen von unter 200°C beobachtet, üblich sind Temperaturen um 230°C. Die Expositionen liegen dann unter 10 mg/m³. Das ist seit 2008 Stand der Technik“, sagte Dr. Reinhold Rühl. Wenn es unklar ist, ob der Gussasphalt in der Tiefgarage oder als Estrich im Wohnungs- oder Industriebau nach dem Stand der Technik eingebaut wird, sollte nach der Einbautemperatur gefragt werden und ggf. nach dem Lieferschein. Darauf kann man erkennen, ob viskositätsverändernde Additive eingesetzt werden. Auch bei Walzasphalt ist eine temperaturabgesenkte Bauweise möglich. Im Tunnel muss Walzasphalt temperaturabgesenkt eingebaut werden.
BG BAU-Software WINGIS unterstützt Baubetriebe
Die Gefahrstoff-Software WINGIS. liefert verlässliche und verständliche Informationen für die Anwender von Bau-Chemikalien. Sie nennt Gesundheitsgefahren, Schutz- und Erste-Hilfe-Maßnahmen. WINGIS wird regelmäßig aktualisiert und ist als CD-ROM für Mitgliedsbetriebe der BG BAU kostenfrei erhältlich. Zudem ist die Software unter www.wingis-online.de verfügbar und seit kurzem auch als WINGISmobile für jedes SmartPhone.
Unsere Webinar-Empfehlung
Es gibt viele Fälle, in denen die Fallhöhe für eine herkömmliche Absturzsicherung nicht ausreicht. Beispiele für Arbeiten in geringer Höhe sind z.B. der Auf- und Abbau von Gerüsten, die Wartung von Industrieanlagen und Arbeiten in Verladehallen sowie Anwendungen in der Bahn und…
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