Sonja musste ihren Beruf der Friseurin wegen Allergien aufgeben. Sie machte eine Umschulung zur Bürokauffrau und fand eine tolle Stelle mit netten Kolleginnen. Die Arbeit am Computer macht ihr immer mehr Spaß. Doch seit ein paar Monaten hat sie dauernd verspannte Schultern und Rückenschmerzen. Ob das etwas mit der Büroarbeit zu tun hat?
Bettina Brucker
Keine schwere Lasten, keine Gefahrstoffe: Büroarbeit scheint ein leichter Job zu sein. Es ist eine Arbeit, die körperlich wenig beansprucht und bei der man die meiste Zeit sitzen kann. Doch genau daran liegt es, dass so viele sich unwohl fühlen oder krank werden. Sie sitzen zu lange und bewegen sich zu wenig. Die Folge sind verspannte Schultern, Nacken- oder Rückenschmerzen als typische Büroleiden.
Als Friseurin hat Sonja früher häufig über schwere und müde Beine geklagt. Deshalb hat sie zeitweise mit einer Stehhilfe gearbeitet. Wenn keine Kundschaft da war, hat sie in der Pause die Schuhe ausgezogen, die Füße hochgelegt und ein bisschen Gymnastik gemacht. Der Wechsel aus Stehen und Sitzen tat ihr gut.
Und jetzt im Büroalltag? Sonja kommt mit Bus und Bahn zur Arbeit. Das ist schön bequem, da kann sie sitzen und lesen. Der Aufzug bringt sie in ihr Büro in der fünften Etage. Dort nimmt sie auf ihrem Schreibtischstuhl Platz. Oft sitzt sie bis zur Mittagspause. Zum Essen fährt sie mit einer Kollegin mit dem Aufzug in die Kantine. Wenn noch etwas Zeit ist, gönnen sich die zwei noch gemütlich einen Kaffee im Clubsessel. Danach geht es zurück an den Schreibtisch. Bis zum Feierabend. Dann fährt sie mit Fahrstuhl, Bus und Bahn nach Hause.
Die größte Gefahr am Computer ist die Bewegungslosigkeit. Beschäftigte im Büro nehmen beim Dauersitzen stundenlang eine Zwangshaltung ein und bewegen sich so gut wie nicht. Dadurch ist der Körper unterfordert. Die Muskeln verkümmern. Dieses Verhalten verursacht etwa jede vierte Krankschreibung wegen Erkrankungen am Muskel- und Skelettapparat, so die Statistik der Betriebskrankenkassen (BKK): Ellenbogen oder Handgelenke schmerzen, Muskeln sind verspannt, Sehnen im Unterarm entzünden sich, Kopfschmerzen plagen ständig. Aber auch das Herz-Kreislaufsystem wird negativ belastet. Die Liste der Leiden durch Bewegungsmangel ist groß.
Die schlimmsten Fehler
Wer täglich am Computer sitzt, muss aufpassen. Gefährlich sind vor allem:
- ständiges Sitzen,
- langes Sitzen,
- hochgezogene Schultern,
- starre Konzentration auf den Bildschirm,
- falsche Nutzung von Maus und Tastatur und
- übereinandergeschlagene Beine bei der PC-Arbeit.
Der Rücken – von Kopf bis Steißbein
Wenn wir vom Rücken sprechen, meinen wir den gesamten hinteren Bereich des Körpers, am Kopf beginnend und am Steißbein endend. Getragen wird der Rücken von der Wirbelsäule. Sie besteht aus 24 Wirbeln, dem Kreuzbein und dem Steißbein. Sie hat eine doppelte S‑Form.
Eine falsche Sitzhaltung vor dem Computer beansprucht den Brustwirbel- oder den Lendenbereich sehr. Hier besteht die Gefahr, einen Hexenschuss oder Bandscheibenvorfall zu erleiden oder die Gelenke so zu verschleißen, dass sie ständig schmerzen.
Doch noch viel häufiger schmerzen die Muskeln, Sehnen und Bänder in der Rückenpartie. Die Ursachen für Muskelverspannungen sind dabei sehr vielfältig: Zugluft kann einen steifen Hals bewirken, Ärger oder Stress die Schulter hart werden lassen. Verspannt sich die Muskulatur über einen langen Zeitraum, können Gelenke und Wirbel verschoben werden. Das kann wiederum dazu führen, dass ein Nerv eingeklemmt wird. Verspannungen können aber auch die Durchblutung herabsetzen, so dass zum Beispiel die Hände kribbeln.
Eine Störung im Haltungs- und Bewegungsapparat löst immer eine Kettenreaktion aus. Wird die Störung nicht behoben, kann die Folge chronisch werden. Um die Störung zu beheben, muss aber deren Ursache bekannt sein. Rückenschmerzen können auch durch seelisches Ungleichgewicht verursacht werden.
Rückenschmerzen als Alarmsignal
Rückenschmerzen sind zunächst meist nichts Schlimmes. Der Schmerz signalisiert dem Gehirn, dass der Körper in Gefahr ist. Zeit also, Stopp zu sagen und etwas zu verändern. Deshalb sollte man Schmerzen ernst nehmen, sie beachten und beobachten.
- Wann sind die Schmerzen das erste Mal aufgetreten?
- Was war in der Situation anders als sonst?
Treten Rückenschmerzen auf, sollte man als Erstes dafür sorgen, dass sich die Rückenmuskulatur entspannen kann. Warme Bäder oder wärmewirksame Salben sorgen am Feierabend für Entspannung und lindern die Schmerzen.
Auch Schmerzmittel können kurzfristig helfen, locker zu lassen. Langfristig sollte man aber besser auf Aktivität setzen. Auch wenn das anfangs schmerzhaft ist. Die meisten Rückenschmerzen verschwinden schon bei leichter Aktivität. Bewegung verringert die Schmerzen nachhaltig.
Damit aus Rückenschmerzen keine Rückenerkrankungen werden, heißt es also aktiv werden und aktiv bleiben. Mehr Bewegung bedeutet weniger Schmerzen, weniger Erkrankungen, weniger Rückfälle und folglich auch weniger Arbeitsunfähigkeitstage.
Typische Auslöser für Rückenschmerzen im Büro können sein:
- einseitige körperliche Belastungen durch zu langes Sitzen,
- Muskelverspannungen durch Fehlhaltungen etwa beim Telefonieren oder einseitige Belastung,
- Verrenkungen durch plötzliche Dreh- oder Bückbewegungen,
- falsches Heben und Tragen von Lasten wie etwa Aktenordnern,
- psychische Belastungen wie Zeitdruck und Stress am Arbeitsplatz,
- private Sorgen und Nöte.
Rückenleiden kosten Geld und zwar richtig viel. Erkrankungen der Wirbelsäule sind die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Fehlzeiten in Deutschland. Der Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Wirbelsäulenerkrankungen beträgt in Unternehmen zwischen 20 und 30 Prozent. Rückenerkrankungen ziehen mit die höchsten Aufwendungen für Folgeleistungen nach sich.
Prävention
„Rückenprävention beginnt nicht beim Rücken. Denn der Rücken ist, wenn man es so will, die Endstation. Wenn der zwickt, ist schon an anderer Stelle etwas schief gelaufen“, so ErgoPhysConsult Ulrike Lübbert. Zwei Faktoren spielen eine entscheidende Rolle, wenn bei der Büroarbeit die Muskeln verspannen. Das ist einerseits zu wenig Bewegung und das sind andererseits falsch eingestellte Büromöbel. Gegen beide Fehlbelastungsquellen lässt sich etwas machen.
Damit Büroarbeit auf Dauer nicht zum Arbeitsausfall führt, muss der Arbeitsplatz passen und der Mitarbeiter auf sich aufpassen. Dabei unterstützt etwa:
- ein ergonomischer Stuhl mit Rückenlehne bis zu den Schulterblättern und Armlehnen
- eine gute Sitzposition und aufrechte Körperhaltung
- ein höhenverstellbarer Tisch oder eine Kombination mit Stehpult
- die korrekte Einstellung von Sehabstand, Bildschirmhöhe und Schriftgröße
- der Einsatz eines Vorlagehalters
- der Drucker in einem separaten Raum
- der Wechsel zum Stehen und Bewegen alle 45 Minuten,
- Dehn- und Stretchübungen für die Nacken- und Schultermuskulatur
- ein Spaziergang in der Mittagspause.
Dass sich ein optimal gestalteter Arbeitsplatz positiv auswirken kann, belegt eine holländisch-kanadische Studie, an der 134 Rückenpatienten im Alter zwischen 18 und 65 Jahren teilnahmen. Sie hatten wegen ihren Krankheitsbeschwerden Arbeitsunfähigkeitstage von durchschnittlich sechs Monaten. Ein Teil der Gruppe wurde traditionell mit Medikamenten und Physiotherapie behandelt. Bei den anderen Patienten optimierte ein Experte den Arbeitsplatz nach ergonomischen Gesichtspunkten wie Abstände, Sitzhöhen und Lichtverhältnisse. Außerdem absolvierten diese Teilnehmer ein körperliches Trainingsprogramm. Die konventionell Behandelten waren nach durchschnittlich 208 Tagen wieder arbeitsfähig. Die Rückenpatienten, die integrativ behandelt wurden, kamen bereits nach rund 88 Tagen wieder an den Arbeitsplatz zurück. Sie waren im Schnitt vier Monate früher gesund und fühlten sich körperlich fitter.
Bewegung im Büro
Bewegung und bewegtes Sitzen – beides zusammen fördert das Wohlbefinden und die Rückengesundheit am Schreibtisch. Wer in einem Büro arbeitet, sitzt die meiste Zeit, denn fast alle Arbeitsaufgaben sind am Schreibtisch bzw. Computer zu erledigen. Da ist es wichtig, gut und richtig zu sitzen und zwischen den einzelnen Arbeitsaufträgen aufzustehen, so die Aktion Gesunder Rücken (AGR).
Bewegtes Sitzen bedeutet, dass der Bürostuhl Bewegung zulässt oder sogar fördert. Er ist gefedert, schwingt und lässt sich vielfach verstellen. Wer ein bisschen mehr Platz hat, kann sich unterschiedliche Sitzmöglichkeiten ins Büro holen und so beim Sitzen abwechseln. Dafür bietet sich als eine Sitzgelegenheit ein Stuhl mit Rollen sowie verstellbarer Arm- und Rückenlehne an. Dazu passt als Ergänzung ein frei schwingender Hocker, auf dem man zum Beispiel für kürzere Aufgaben Platz nimmt.
Kurze Besprechungen, Telefonate oder die Aktenablage lassen sich gut im Stehen durchführen. Ideal geeignet ist dafür ein Stehpult. Ein solches höhenverstellbares Pult braucht wenig Platz und wenn es Rollen hat, ist es äußerst flexibel einsetzbar.
Zum Aufstehen verhelfen auch höhenverstellbare Schreibtische. Damit sie langfristig und richtig genutzt werden, sollte dazu eine ausführliche und praxisnahe Einführung etwa durch einen Ergonomieberater erfolgen.
Müdigkeit, nachlassende Konzentration oder Rückenschmerzen sind oft auch die Folge schlechter PC-Eingabegeräte. Zunächst merkt man den Unterschied vielleicht nicht. Wer aber viel und lange am Computer arbeitet, sollte auf eine ergonomisch geformte Tastatur und eine AGR-zertifizierte Maus Wert legen.
Zusätzliche Bewegung bringt man laut AGR ganz einfach dadurch ins Büro, dass man die Treppe statt des Aufzuges benutzt oder das Gespräch mit dem Kollegen nebenan persönlich führt statt per E‑Mail.
Faustformel: 60 – 30 – 10
Sie sollten bei der Arbeit im Büro höchstens 60 Prozent der Arbeitszeit sitzen. 30 Prozent sollten Sie stehen und mindestens 10 Prozent sollten Sie in Bewegung sein.
Oft sind es kleine Dinge, die viel bewegen. So bringen Sie mehr Bewegung in Ihren Büroalltag:
- Gehen Sie häufiger zum Drucker.
- Suchen Sie für das kurze Gespräch Ihren Kollegen auf statt ihn anzurufen.
- Nehmen Sie die Treppe statt den Aufzug. Ändern Sie öfter Ihre Sitzhaltung.
- Machen Sie zwischendurch am Arbeitsplatz Lockerungs- und Dehnübungen.
Bewegung in Beruf und Freizeit
Immer wieder zeigen medizinische Untersuchungen, dass der Bewegungsmangel nicht durch Sport in der Freizeit ausgeglichen werden kann. Nur wer sich über den Tag hinweg bewegt und zusätzlich nach Feierabend aktiv ist, bleibt dauerhaft gesund.
Aber, ob vom Unternehmen gefördert oder in Eigeninitiative, jeder einzelne kann und sollte auch in seiner Freizeit darauf achten, dass es ihm und seinem Rücken gut geht. Das beginnt bei einer gesunden Ernährung, dem idealen Körpergewicht, geht über die Kräftigung der Muskeln bis hin zur Entspannung. Jeder kann das Passende finden, ob im Fitness-Center, Yoga-Studio, Sportverein oder in der Volkshochschule. Die meisten Krankenkassen fördern die Gesundheit ihrer Mitglieder und übernehmen einen Teil der Kursgebühren.
Weitere Informationen gibt es unter anderem bei der
- Aktion Gesunder Rücken (AGR) unter www.agr-ev.de
- Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) unter www.vbg.de
- Kampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ der Berufsgenossenschaften, Unfallkassen, der Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung sowie der Knappschaft unter www.deinrücken.de
Unsere Webinar-Empfehlung
Es gibt viele Fälle, in denen die Fallhöhe für eine herkömmliche Absturzsicherung nicht ausreicht. Beispiele für Arbeiten in geringer Höhe sind z.B. der Auf- und Abbau von Gerüsten, die Wartung von Industrieanlagen und Arbeiten in Verladehallen sowie Anwendungen in der Bahn und…
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