Es gibt Berufe, bei denen gehört schweres Heben und Tragen zum Alltag. Wer in solch einem Beruf tätig ist, lernt schon in der Ausbildung, sicher und gesund mit Lasten umzugehen. Doch wie sieht es in den anderen Berufen aus? Wie kann man Rücken und Gelenke schonen?
Bettina Brucker
Nicole F. ist Auszubildende in einer Kommunalverwaltung. Üblicherweise sitzt sie am Schreibtisch und arbeitet mit dem Computer. Übermorgen findet eine Versammlung im Rathaus statt. Der Hausmeister ist kurzfristig krank geworden und der Saal muss gerichtet werden. 100 Stühle und 20 Tische müssen aufgestellt werden. Nicole soll dabei zwei Mitarbeiterinnen helfen. Die drei Frauen placken sich ab. Die Hilfsmittel des Hausmeisters wissen sie nicht richtig zu nutzen. So dauert es lange und kostet viel Kraft, bis der Raum eingerichtet ist.
Die körperlichen Belastungen und Aktivitäten des Alltags sind normalerweise nicht besonders belastend für die Wirbelsäule. Im Gegenteil: Die Wirbelsäule ist sehr beweglich und braucht Bewegung, um gesund zu bleiben. Wer jedoch nicht häufig körperlich arbeitet, kann seinen Rücken schon einmal spüren, wenn viel zu tragen ist. Doch dabei handelt es sich meist um „Muskelkater“ oder Muskelverspannung. Ein warmes Bad am Feierabend kann da entspannend wirken.
Allerdings schaden dem Rücken ungünstige Körperhaltungen oder sehr lang andauernde und extreme körperliche Belastungen wie zum Beispiel häufiges Heben und/oder Tragen sehr schwerer Lasten. Deshalb sollte man schwere Lasten am besten so selten wie möglich und nur wenn unbedingt notwendig per Hand heben und tragen. Um den Körper dann zu schützen, sollte man unbedingt auf eine gesunde Körperhaltung achten.
Gewichtheber imponieren durch ihre tadellose Körperhaltung und ‑spannung. Sie schulen ihren Haltungs- und Bewegungsapparat durch dosiertes und altersgemäßes Training. Gewichtheben ist eine Ganzkörpersportart. Studien haben gezeigt, dass zwei- bis dreimal Gewichthebetraining pro Woche die Bewältigung der täglichen Aufgaben bis ins hohe Alter erleichtert. Von den Sportlern und ihrer „Gewichtheber-Regel“ lässt sich ein wichtiger Aspekt zur Schonung der Bandscheiben für den Alltag lernen: Die Kraft zum Anheben eines Gegenstands kommt immer aus den Beinen und Armen und nie aus dem Rücken!
Für Ältere ist die Last eine Last
Ältere Erwerbstätige fühlen sich von körperlich schwerer Arbeit mehr belastet als jüngere, so das Factsheet „Demografischer Wandel in der Arbeit – körperlich schwere Arbeit belastet Ältere stärker“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). 48 Prozent der 15- bis 34-Jährigen empfinden Heben und Tragen als Belastung, während es bei der Gruppe 55 Jahre und älter 61 Prozent sind. Das liegt daran, dass mit dem Alter die Kräfte nachlassen, beim einen mehr, beim anderen weniger.
Für Ältere gilt deshalb:
- Entwickeln Sie keinen falschen Ehrgeiz.
- Überheben Sie sich nicht.
- Überlassen Sie schwere Dinge lieber den Jüngeren.
- Wer eine gesundheitliche Einschränkung hat und nur noch ein bestimmtes Höchstgewicht heben und tragen darf, sollte sich daran halten. Doch die Einschränkung bedeutet nicht, dass man am besten nur noch sitzen sollte. Im Gegenteil: Wer schon eine Schädigung hat, sollte sich körperlich fit halten. Das bedeutet viel Bewegung und regelmäßiges Kraft- und Beweglichkeitstraining. Nur so lässt sich verhindern, dass sich der körperliche Zustand weiter verschlechtert. Außerdem ist so sicher gestellt, dass durch eine starke und ausgeglichene Muskulatur zum Beispiel eine geschädigte Bandscheibe oder ein geschädigtes Knie gestützt werden.
Kein Ehrgeiz ist auch nicht gesund
Männer sind oft Technik-Freaks. Gabelstapler fahren, einen Kran oder Bagger bedienen sie mit Leidenschaft. Durch den Umgang mit der Maschine lässt sich einiges zur Lastenverteilung lernen. Leider übertragen die Wenigsten diese technischen Gesetze auf ihre körperlichen Tätigkeiten. Hängt nämlich eine zu große Last am äußersten Ende des Kranarms, besteht die Gefahr, dass er umfällt. Oder ist ein Gabelstapler falsch beladen, hat er ein miserables Kurvenverhalten. Und ein Bagger geht sogar in die Knie, wenn sich zu viel Gewicht in seiner Schaufel befindet. Übertragen auf das Heben und Tragen mit Körperkraft bedeutet das:
- Lasten nah am Körper anheben und tragen.
- Sich nicht seitlich verdrehen.
- Große Lasten in kleine Portionen einteilen.
- Große Lasten, die sich nicht aufteilen lassen, zu zweit oder mit mehreren Personen bewegen.
- Wer nicht täglich heben und tragen muss, unterschätzt gerne einmal eine Last. Ein paar einfache Aufgaben, die sich zum Beispiel für eine Schulung eignen, lassen den Ausführenden schnell spüren, was mit gesundem Heben und Tragen gemeint ist. Es braucht dafür wenig Material und der Aufwand ist gering.
Praktische Schulung
Der Wasserträger: Füllen Sie eine 1 Liter-Kanne oder eine Flasche mit Wasser. Diese Last soll nun mit ausgestrecktem Arm gehalten werden. Die Aufgabe lässt sich auch als Wettkampf durchführen: Wer hält am längsten durch? Jeder wird erkennen, dass in dieser Körperhaltung die recht geringe Last nur für kurze Zeit gehalten werden kann.
Der Dauerläufer: Die Faustformel für den schädigungsfreien Umgang mit Lasten sagt, dass 15 Prozent der Maximalkräfte bei länger andauernden Belastungen nicht überschritten werden dürfen. Das bedeutet: Müssen Gegenstände längere Zeit getragen werden, dürfen sie für durchschnittlich kräftige Frauen maximal 5 kg und für Männer maximal 7,5 kg wiegen. Die Übung: Packen Sie in einen Rucksack 5 kg beziehungsweise 7,5 kg Bücher. Mit dem Rucksack sollte nun etwa 30 bis 60 Minuten zügig gegangen werden. Nach etwa 15 Minuten sowie am Ende der Aufgabe wird der Rucksack abgestellt und eine kurze Wegstrecke ohne das Gewicht gegangen, um bewusst den Unterschied zu spüren.
Mit der Dauerläufer-Aufgabe wird schnell deutlich, wie belastend diese gering erscheinende Last auf Dauer werden kann. Sie eignet sich, um Beschäftigte auf geeignete Hilfsmittel wie zum Beispiel Rollwagen aufmerksam zu machen. Außerdem lässt sich mit dieser Aufgabe auch erleben, wie belastend körperliches Übergewicht sein kann.
Hilfsmittel: schieben statt tragen
Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass seine Mitarbeiter keine zu schweren Lasten tragen. Lässt sich dies nicht vermeiden, müssen geeignete Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden.
Außerdem muss der Arbeitgeber laut Arbeitsschutzgesetz sowie Lastenhand- habungsverordnung die Mitarbeiter unterweisen, wie sie Arbeitsabläufe rückenschonend ausführen können.
Doch jeder ist auch für sich selbst verantwortlich. Der Blick auf unterschiedliche Alltagssituationen oder in andere Berufsbranchen lohnt sich. Dort finden sich zahlreiche Anregungen, wie das Bewegen von Lasten mit Hilfsmitteln leichter fällt. Inzwischen nutzen auch jüngere Frauen immer öfter einen Rollwagen – den so genannten Hacken-Shopper –, um ihre Einkäufe bequem nach Hause zu bringen. In den Geschäften gibt es mehr Einkaufswagen als Körbe. Der Gärtner belädt seine Schubkarre und fährt mit Blumenerde, Werkzeug und Pflanzgefäßen entspannt durchs Gelände. Viele Fahrräder haben einen Fahrradkorb und oft sogar noch eine Lastentragfläche vor dem Lenker. Diese Beispiele zeigen, dass das Schieben von Lasten leichter ist als das Tragen. Probieren Sie’s aus!
Weitere Informationen erhalten Sie …
- in der Broschüre „Lasten bewegen von Hand“ der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM), www.bgetem.de unter Medien — Broschüren und Faltblätter.
- im interaktiven Lernmodul zu „Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz interAKTIV“ der BG ETEM unter www.bgetem.de (Webcode 13955977)
- im Factsheet „Hart im Nehmen“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), www.baua.de
- in der Broschüre „Heben und Tragen ohne Schaden“ der BAuA
Teilen: