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Wenn die Krätze grassiert, wird es unangenehm

Gesundheitsrisiken im Rettungsdienst
Wenn die Krätze grassiert, wird es unangenehm

Die Mitar­beit­er des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) befördern Kranke und ret­ten Leben. Mit eingeschal­tetem Mar­tin­shorn rasen sie über rote Ampeln – so ist die Wahrnehmung in der Bevölkerung. Dass sich Ret­tungsas­sis­ten­ten und ‑san­itäter per­ma­nent Gesund­heits­ge­fahren aus­set­zen, wis­sen die wenigsten.

DRK Her­rn Sascha Kauf Eulen­burgstraße 12 67547 Worms DRK Her­rn Jörn Müller Eulen­burgstraße 12 67547 Worms

Die Wache des Deutschen Roten Kreuzes in Worms wirkt ver­waist – alle sechs Kranken­wa­gen sowie ein Ret­tungswa­gen sind aus­gerückt. Nur das Mehrzweck­fahrzeug (MZF) ste­ht noch im Hof. Die bei­den Fahrer, die Ret­tungsas­sis­ten­ten Sascha Kauf und Jörn Müller, warten. Da meldet sich auch schon per Funk die Leit­stelle aus Mainz. „Ein Rou­ti­neein­satz“, meint Kauf, „wir müssen einen älteren Her­rn vom Auge­narzt abholen und nach Hause fahren.“ Die Fahrt ver­läuft ruhig. Beifahrer Müller wirft einen Blick in die Straßenkarte, nen­nt den kürzesten Weg und los geht’s. „Solche Kranken­trans­porte von über­wiegend älteren Per­so­n­en machen den Haupt­teil unser­er Arbeit aus“, sagt Kauf. An zweit­er Stelle ste­ht die Beförderung von Men­schen mit Schla­gan­fällen und Herz­in­fark­ten, gefol­gt von Verkehrsun­fällen. Kauf ist 31 Jahre alt, er hat vor zehn Jahren beim DRK seinen Zivil­dienst geleis­tet und ließ sich anschließend zum Ret­tungsas­sis­ten­ten aus­bilden. In sein­er Freizeit arbeit­et er in einem Pflege­heim. „Wir haben in erster Lin­ie einen helfend­en Beruf“, erk­lärt er. Spek­takuläre Ret­tung­sein­sätze, wie sie in zahlre­ichen TV-Serien vorkom­men, seien eher sel­ten. „Ich schaue mir solche wirk­lichkeits­fer­nen Pro­duk­tio­nen erst gar nicht an“, echauffiert sich Kol­lege Müller.
Zurück zur Real­ität: Kauf lenkt den Wagen auf den Park­platz der Auge­narzt­prax­is. Bevor die bei­den Ret­tungssan­itäter aussteigen, streifen sie sich Ein­weghand­schuhe über, die sie ein­er Box in der Mit­telkon­sole des Wagens ent­nehmen. Die Hand­schuhe schützen die DRK-Mitar­beit­er nicht nur vor möglichen Viren, sie ver­hin­dern vor allem eine Infek­tion der Patien­ten. Kauf öffnet die Tür des MZF, das wie ein Ret­tungswa­gen aus­ges­tat­tet ist, klappt die Belader­ampe um und fährt den Roll­stuhl runter. Ein älter­er Herr, dessen Motorik und Sprachver­mö­gen durch mehrere Schla­gan­fälle stark beein­trächtigt ist, wird im Roll­stuhl sitzend in den Ret­tungswa­gen getra­gen. Seine Frau nimmt eben­so wie ein Assis­tent im hin­teren Teil des Fahrzeuges Platz. Beim rhein­land-pfälzis­chen DRK wird der Erkrank­te während der Fahrt nie alleine gelassen, son­dern immer von einem Ret­tungsas­sis­ten­ten oder einem ‑san­itäter begleit­et. Die DRKler sprechen von einem qual­i­fizierten Kranken­trans­port. Zu Hause angekom­men, begleit­en Kauf und Müller den Mann bis zur Woh­nungstür. Dann desin­fizieren sie den Roll­stuhl, auch das ist eine Rou­tine­maß­nahme. In der Nach­barschaft des Patien­ten erweckt das Ret­tungs­fahrzeug Neugierde, vere­inzelt reck­en Leute ihre Köpfe aus den Fen­stern. „Wir genießen keinen beson­ders guten Ruf“, meint Kauf. Kranken­wa­gen seien laut, fahren über rote Ampeln und tre­f­fen oft zu spät am Unfal­lort ein, so der Tenor in der Bevölkerung.
Dabei set­zen sich die Helfer per­ma­nent unter­schiedlichen Gefahren aus. Bei ein­er Ein­satz­fahrt mit Blaulicht und Mar­tin­shorn schnellt das Unfall­risiko angesichts der hohen Geschwindigkeit in die Höhe. Doch das mit Abstand höch­ste Gesund­heit­srisiko für die Ret­tungsas­sis­ten­ten liegt in der Infek­tion mit Erregern. Deshalb legt das DRK beson­deres Augen­merk auf vor­beu­gende Hygien­e­maß­nah­men. So sind Schutz­imp­fun­gen gegen Hepati­tis A und B Pflicht. Mund-zu-Mund-Beat­mungen sind schon lange obso­let, zur Rean­i­ma­tion wer­den Beat­mungs­beu­tel ver­wen­det. Seit einiger Zeit gibt es zudem Kanülen mit speziellen Sicher­heitssys­te­men, durch die Nadel­stichver­let­zun­gen reduziert wer­den. Den­noch ist die Gefahr, sich über Kör­per­flüs­sigkeit­en zu infizieren, nicht vol­lkom­men gebannt.
Vollschutz bei MRSA-Einsatz
„Befördern wir Patien­ten, die sich mit dem Kranken­hausvirus MRSA infiziert haben, tra­gen wir einen Vollschutz“, berichtet Müller. Dieser beste­ht aus einem Over­all, Schuhüberzieher sowie ein­er Maske. Nach ein­er MRSA-Fahrt wird der Kranken­wa­gen vorüberge­hend aus dem Verkehr gezo­gen. Das Fahrzeug wird kom­plett desin­fiziert, sprich alles, was kon­t­a­miniert sein kön­nte, wird mit ein­er alko­hol­halti­gen Lösung gere­inigt. Die Ver­ant­wor­tung für die Reini­gung der Fahrzeuge trägt ein staatlich geprüfter Desin­fek­tor. Jede DRK-Wache beschäftigt einen solchen Experten, der die Durch­führung der Hygien­e­maß­nah­men überwacht. „Für gesunde Men­schen ist das MRSA-Virus, das die Wund­heilung ver­hin­dert, unge­fährlich“, weiß der Assis­tent. „Bei kranken und alten Men­schen, deren Immun­sys­tem prak­tisch nicht mehr vorhan­den ist, kann eine Infek­tion mit dem Virus jedoch lebens­bedrohlich enden“, ergänzt er. Die Män­ner nehmen die Infek­tion­s­ge­fahren gelassen hin. Vieles werde kün­stlich hochgekocht, sagen sie im Hin­blick auf die Schweine­grippe im ver­gan­genen Herb­st. Kür­zlich sei jedoch in der Dom­stadt die Krätze – eine ansteck­ende Hautkrankheit, die durch Mil­ben her­vorgerufen wird – im Umlauf gewe­sen. „Das war weniger angenehm“, erin­nert sich Müller, „zur Desin­fek­tion unser­er Fahrzeuge musste sog­ar der Kam­mer­jäger kom­men.“ Eine Über­sicht über die zu ergreifend­en Maß­nah­men je nach Erreger gibt das so genan­nte Ampelmod­ell, das 2009 erstellt wurde. In Form ein­er ein­laminierten Dop­pel­seite befind­et es sich in jedem DRK-Fahrzeug. (siehe Abb. 1)
Eine eher psy­chis­che als physis­che Belas­tung bringt der näch­ste Ein­satz mit sich. Die Män­ner in Weiß mit den orange­far­be­nen Schutzwest­en wer­den zu ein­er alten Dame gerufen. Laut der Leit­stelle in Mainz han­delt es sich um eine liegende Ent­las­sung aus einem Kranken­haus in ein Altenheim. Die Ret­tungsas­sis­ten­ten lenken ihr Fahrzeug zum Wormser Klinikum. Dort wartet eine 95-Jährige auf die bei­den. Die Frau ist lediglich mit einem dün­nen Nachthemd bek­lei­det, weit­eres Gepäck – wie Zahn­bürste oder Jacke – besitzt sie nicht. Sie ist zwar ansprech­bar, macht jedoch einen wirren und des­o­lat­en Ein­druck. „Sicher­lich haben mich solche Ein­sätze zu Beginn mein­er Beruf­stätigkeit mehr mitgenom­men. Aber mit­tler­weile sind sie ein Stück weit zur Gewohn­heit gewor­den. Zumal der Anteil der Greise an der Gesamt­bevölkerung und somit der Trans­port alter Men­schen stetig steigt. In Worms wird zurzeit ein Senioren­heim nach dem anderen gebaut“, so Kauf.
Die 95-Jährige beste­ht nur noch aus Haut und Knochen. Ihr Gewicht macht den Helfern nicht zu schaf­fen. Das sei jedoch nicht die Regel, beto­nen sie. Wenn man bedenkt, dass der Stan­dard­men­sch 80 Kilo wiegt und der Roll­stuhl weit­ere 20 Kilo auf die Waage bringt, sind die kör­per­lichen Belas­tun­gen für die Helfer hoch. Einige der älteren Kol­le­gen lei­den unter Muskel-Skelett-Erkrankun­gen. Die Umrüs­tung der Fahrzeuge hin zur Klapp­bühne anstelle der herkömm­lichen Ladetableaus habe bere­its eine spür­bare Erle­ichterung gebracht, sind sich die Kol­le­gen einig. Auf eini­gen Wachen, ins­beson­dere dort, wo viele Frauen beschäftigt sind, wur­den spezielle Stüh­le für das Trep­pen­steigen einge­führt. „Dabei zieht eine Raupe den Stuhl Stufe um Stufe die Treppe hin­auf“, verdeut­licht Müller. Der 31-jährige Kauf macht in sein­er Freizeit Aus­gle­ichss­port und trainiert die Rück­en­musku­latur. Finanzielle Vergün­s­ti­gun­gen erhal­ten die DRK-Mitar­beit­er im Reha Zen­trum Worms. Außer­dem kön­nen sie die Sporträume der Frei­willi­gen Feuer­wehr kosten­los nutzen – denn in gewiss­er Weise sitzen doch alle Ers­thelfer im sel­ben Boot. Beim DRK arbeit­en die Angestell­ten im Schicht­sys­tem, schließlich richt­en sich Infark­te und Verkehrsun­fälle nach kein­er Uhrzeit. Müller und Kauf been­den ihren Dienst um 15.30 Uhr, ins­ge­samt sind sie an diesem Tag sechs Ein­sätze gefahren.

MRSA
MRSA heißt Methi­cillin-resisten­ter Staphy­lo­coc­cus aureus. Staphy­lo­coc­cus aureus ist ein Bak­teri­um, das bei vie­len Men­schen (20% ständig, bis zu 60% zeitweise) im Nasen/Rachen-Raum vorkommt, ohne dass diese Men­schen krank sind. Man sagt, sie sind kolonisiert (besiedelt). Diese Men­schen stellen kein Risiko für ihre Mit­men­schen dar. Men­schen, die im Kranken­haus liegen, sind empfind­lich­er für Infek­tio­nen. Dann kann Staphy­lo­coc­cus aureus zu ein­er Infek­tion führen, z.B. in ein­er chirur­gis­chen Wunde. Im All­ge­meinen lässt sich diese Infek­tion mit Antibi­otikum behan­deln. Wenn Staphy­lo­coc­cus aureus nicht auf Methi­cillin anspricht, spricht man von Methi­cillin-resisten­tem Staphy­lo­coc­cus aureus oder MRSA. MRSA-Bak­te­rien sind häu­fig gegen viele Antibi­oti­ka unempfind­lich, sodass die Behand­lung schwierig sein kann. MRSA wird fast immer durch kör­per­lichen Kon­takt – ins­beson­dere durch Hän­de­schüt­teln – und nicht durch die Luft auf andere übertragen.
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