In der Ausgabe 4/2013 des Sicherheitsingenieur wurden im Fachbeitrag „Anforderungen an das Betreiben raumlufttechnischer Anlagen (RLT-Anlagen) und Geräte in Arbeitsstätten“ die grundlegenden Pflichten und normativen Regeln für dieses gebäudetechnische Gewerk zusammenfassend dargestellt.
Quintessenz des Beitrags war, dass es konkrete Pflichten zu Betrieb und Instandhaltung von RLT-Anlagen gibt, die in Arbeitsstätten betrieben werden. Gemäß §4 der ArbStättV sind diese in regelmäßigen Abständen sachgerecht zu warten und auf ihre Funktionsfähigkeit zu prüfen.
Ein weiteres Ergebnis des Beitrages war die Feststellung, dass die Gefährdungsbeurteilung nach §3 ArbStättV die Basis für die Festlegung von Wartungsmaßnahmen sowie die Prüfungen von Anlagen ist, welche in den Anwendungsbereich der ArbStättV fallen. Dort heißt es; „Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber zunächst festzustellen, ob die Beschäftigten Gefährdungen beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können. ..“
An dieser Stelle stellt sich die im o.g. Fachbeitrag offen gebliebene Frage nach der Verantwortungszuordnung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung an RLT-Anlagen. Wer ist also der jeweilige Normadressat. Diese Frage ist heute speziell im Facility Management, welches in Unternehmen im zunehmenden Maße von externen Dienstleistern übernommen wird, von besonderer Bedeutung.
Im Facility Management werden verschiedene Rollen von verschiedenen Arbeitgebern ausgefüllt. Leider ist das Rollenverständnis, speziell auf Auftraggeberseite, von zahlreichen Missverständnissen geprägt. In der Praxis führt das auf Seiten der Auftraggeber von FM-Unternehmen nicht selten zu der Annahme, die Verantwortung beim Betrieb gebäudetechnischer Anlagen, so auch den RLT-Anlagen, gänzlich auf den FM-Dienstleister delegieren zu können. Das ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Anforderungen des Arbeitsschutzes ein Irrtum.
Eine Rollenklärung
Für Verwirrung sorgt bei den Beteiligten speziell die Vermengung der Begriffe „Betreiber“ und „Arbeitgeber“. Während letzterer in den gesetzlichen Regelwerken fest verankert und auch definiert ist, gibt es für den „Betreiber“ keine Definition im Gesetz. Hier liegen lediglich Konkretisierungen aus technischen Regelwerken (z.B. der VDI 3810 Blatt 1) sowie der Rechtsprechung vor. Aus Letzterer lässt sich ableiten, dass Betreiber ist, wer die tatsächliche oder rechtliche Möglichkeit hat, die notwendigen Entscheidungen im Hinblick auf die Sicherheit einer Anlage zu treffen (siehe VGH Bad. Württ. DVBl. 1988, 542; VG Gießen BVwZ 1991, 914). Wer Betreiber ist kann also nicht aus den Eigentumsverhältnissen an der Anlage geschlossen werden. Maßgeblich ist daher die vertragliche Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen dem Eigentümer und dem Gebäudenutzer (diese können natürlich identisch sein) sowie gegebenenfalls dem mit der Instandhaltung beauftragten FM-Unternehmen. Aus dieser Gemengelage wird die mögliche Komplexizität der Verantwortungszuordnung schon deutlich.
Unabhängig von der Betreiberrolle ist allen oben genannten gemeinsam, dass sie eine Arbeitgeberrolle inne haben. Für die im Gebäude tätigen Mitarbeiter des Gebäudenutzers (ganz gleich ob Eigentümer oder Mieter) und des FM-Unternehmen stellt dieses daher eine Arbeitsstätte gemäß Arbeitsstättenverordnung dar.
Wer macht welche GB?
Grundsätzlich ist jeder Arbeitgeber verpflichtet für seine eigenen Mitarbeiter eine Gefährdungsbeurteilung gemäß §5 ArbSchG durchzuführen. Aus diesem Grund hat der Arbeitgeber „FM-Unternehmen“, nennen wir ihn der Einfachheit halber in der Folge Betreiber, auch nur für seine Beschäftigten, die z.B. die Wartung an den RLT-Anlagen durchführen, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Für seine Beschäftigten ist die RLT-Anlage naturgemäß kein Arbeitsmittel, sondern allenfalls ein Arbeitsgegenstand des Kunden. Stattdessen arbeiten sie an der RLT-Anlage. Dementsprechend kann es sich nur um eine tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung i. S. des §5 ArbSchG für die jeweiligen Betriebs- und Instandhaltungsarbeiten handeln. In der Regel wird es eine Gefährdungsbeurteilung „Betreiben und Instandhalten von RLT-Anlagen“ geben, die nicht anlagenspezifisch ist, sondern auf die Befähigungen der Beschäftigten abzielen.
Im Unterschied dazu hat der Gebäudenutzer (gleichgültig ob Eigentümer oder Mieter/Pächter) für seine Beschäftigten nach §3 ArbStättV eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen um festzustellen, ob die Beschäftigten Gefährdungen beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können. Dazu gehören auch die Gefährdungen durch den Betrieb der RLT-Anlage, insbesondere die raumklimatischen Bedingungen, wie Temperaturen, Luftfeuchten, Luftgeschwindigkeiten und Luftwechselraten. Diese Gefährdungsbeurteilung unterscheidet sich naturgemäß grundsätzlich von der des Betreibers und ist gemäß der gängigen Definitionen nicht automatisch Teil von Betrieb und Instandhaltung. Eine Delegation dieser Aufgabe „Gefährdungsbeurteilung“ auf den Betreiber als Auftragnehmer bedarf daher einer besonderen vertraglichen Vereinbarung. Voraussetzung für eine rechtssichere Delegation dieser Aufgabe ist dabei u.a. die Auswahl eines geeigneten Betreibers. Ferner sind diesem die notwendigen Informationen für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung, z.B. über die weitere Ausstattung der Arbeitsstätten oder Beschäftigte mit besonderem Risiko, zu übergeben.
Missverständnis mit langer Tradition
Das oben diskutierte Missverständnis im Rollenverständnis zwischen Betreiber und Arbeitgeber (im Sinne von Gebäudenutzer) hat seit Einführung der BetrSichV im Jahr 2002 Tradition. Speziell für die überwachungsbedürftigen Anlagen findet sich in den Leitlinien zur BetrSichV, der LASi LV 35, eine Klarstellung, die sicherlich hier in weiten Teilen zumindest sinngemäß auf RLT-Anlagen übertragbar ist. So heißt es in der LASi LV 35:
„Frage: Welche Verantwortlichkeiten kommen auf den Einzelnen zu, wenn eine überwachungsbedürftige Anlage (z. B. Aufzugsanlage) von den Beschäftigten eines Arbeitgebers bei der Arbeit benutzt wird, dieser Arbeitgeber jedoch nicht als Betreiber der Anlage i. S. der Leitlinie B 12.1 zu betrachten ist?
Antwort: Verantwortlich für die sichere Funktion der Anlage ist der Betreiber. …… Ein Arbeitgeber (nicht Betreiber der überwachungsbedürftigen Anlage), dessen Beschäftigte die überwachungsbedürftige Anlage benutzen, ermittelt im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG alle erforderlichen betrieblichen Maßnahmen für die sichere Benutzung und setzt diese um: z. B. Einweisung und Belehrung der Nutzer, ggf. Einschränkung der Nutzungszeiten, der Nutzungsart oder des Benutzerkreises. …..“.
Im Fall der hier angeführten überwachungsbedürftigen Anlagen hat der Betreiber die notwendigen Maßnahmen zum sicheren Betrieb in einer sicherheitstechnischen Bewertung festzulegen. Da keine überwachungsbedürftige Anlage, lässt sich diese Anforderung nicht auf RLT-Anlagen übertragen. Die im Fachbeitrag aus 4/2013 beschriebene Erst-Hygieneinspektion gemäß der Richtlinie VDI 6022 geht in die gleiche Richtung und definiert die Voraussetzungen für den sicheren Betrieb.
Wir hoffen, mit dieser Ergänzung zum o.g. Fachbeitrag für ein wenig mehr Klarheit bei der Beantwortung dieser wichtigen und regelmäßig sehr kontrovers diskutierten Frage hinsichtlich der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen im Zusammenhang mit RLT-Anlagen gesorgt zu haben.
Autoren
Uwe Dünkel STRABAG Property and Facility Services GmbH Leiter Arbeitsschutzmanagement, Umweltmanagementbeauftragter
Dr. Christoph Sinder DMT GmbH & Co. KG, Geschäftsfeld Gebäudesicherheit, TÜV NORD Gruppe, Dortmund
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