Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die sich am Arbeitsplatz wohlfühlen und integriert sind. Betriebliche Abläufe müssen transparent gestaltet werden. Umso stärker die Beschäftigten in die Entscheidungen eingebunden sind, desto höher ist deren Motivation. Bei der Beteiligung der Mitarbeiter an der Gestaltung von Sicherheit und Gesundheit haben die Sicherheitsbeauftragten eine Schlüsselrolle.
Ein Unternehmen durch die raue See des Wettbewerbs zu steuern wird immer schwieriger. Es stellt hohe Anforderungen an die Konzentration und Leistungsfähigkeit des Kapitäns und seiner ganzen Besatzung. Dabei sind es nicht nur der aufkommende Sturm und die (haus)hohen Wellen, die die Fahrt beeinträchtigen, auch ohrenbetäubende Donnerschläge und grelle Blitze erschweren das Manövrieren. Hinzu kommen immer mehr Schiffe, die ihm die sichere Fahrrinne streitig machen oder gar das Schiff zum Sinken bringen wollen. Aber auch der beste Kapitän versucht erst gar nicht, das Schiff alleine zu steuern. Um die hohen Anforderungen zu bewältigen ist er auf das funktionierende Zusammenspiel mit seiner motivierten Besatzung angewiesen. Nur gemeinsam kommen sie auf dem schnellsten Weg und ohne Schäden an Schiff oder Besatzung sicher im Hafen an.
Engagement und Motivation
Unternehmen brauchen in unserer globalisierten Wirtschaft – insbesondere in Zeiten von Krisen – nicht nur engagierte und kundige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie brauchen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich am Arbeitsplatz wohlfühlen und im Unternehmen integriert sind. Für den langfristigen Erfolg sind das Vertrauen und die Partizipation der Mitarbeiter wichtig. Das Vertrauen entsteht nur, wenn ein Unternehmen eine Kultur entwickelt, die auf ethischen Werten basiert. Forschungsergebnisse und Erfahrungswerte belegen dies. Je mehr die Mitarbeiter durch die Führungskräfte in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden, je mehr sie partizipieren und ihre Kenntnisse und Erfahrungen einbringen können, umso höher ist deren Motivation. Das Ergebnis ist ein effizient arbeitendes Unternehmen.
Arbeit und Gesundheit
Die Themenbereiche des Arbeitsschutzes sind sehr umfangreich und mitentscheidend für die Compliance des Unternehmens, da viele Vorschriften und Gesetze beachtet werden müssen. Es lässt sich daher folgern, dass ein betriebliches Arbeitsschutzmanagementsystem zweifellos das effektivste Instrument ist, Arbeitsschutz planmäßig, zielorientiert und systematisch in die betriebliche Gesamtorganisation zu integrieren, dies in geeigneter Weise zu dokumentieren und im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zu pflegen und weiter zu entwickeln. Es besteht weiterhin allgemeiner Konsens darüber, dass das Management von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit als Teil der allgemeinen Managementstruktur betrachtet werden sollte, nicht als getrennter Geschäftsprozess.
Eine aktuelle Studie der European Agency for Safety and Health at Work (2010) enthält in einer Literaturübersicht Beispiele für ein möglichst wirksames Management von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in einer Organisation und zeigt auf, in welchem Ausmaß eine Integration dieses Themas in die allgemeine Geschäftsführung und ‑struktur einer Organisation erfolgen sollte.
Manager für Sicherheit und Gesundheit
In den klassischen Betrachtungsweisen wurde relativ klar getrennt zwischen Management und Führung. Demnach würden sich Manager mehr mit operativen Dingen wie Planung, Kontrolle und Organisation beschäftigen, während die obere Führungsebene eher visionäre, inspirierende und motivierende Veränderungen im Blickfeld hätte (Zaleznik 1977, Bennis & Nanus 1985, Kotter 1990). Diese Diskussion gilt inzwischen als überholt, weil die Grenzen im betrieblichen Alltag verwischen und erfolgreiches Management ohne Führung gar nicht möglich ist (und umgekehrt). Mit anderen Worten: Manager müssen führen und Führungskräfte müssen managen können (Yukl 2006). Je nach Ebene verschiebt sich aber die Verteilung zwischen den notwendigen Kompetenzen (s. Abb. 1). Nach Ziemen (2009) und Vorweg & Schröder (1980) stellen Kompetenzen das Verhältnis zwischen Anforderungsstruktur und verfügbaren Funktionspotenzen dar, wobei man letztere auch erlernen kann.
Der Begriff „Management“ hat zwei Bedeutungen:
- Zum einen steht er für die Aufgaben, die „Manager“ zu erfüllen haben. Diese richten sich nach den jeweiligen Zuständigkeiten (s. Abb. 1) und erfordern entsprechende Fachkompetenzen. Um ein Arbeitsschutzmanagementsystem zu leiten, sich also in der Managementebene auf Augenhöhe zu bewegen, bedarf es somit eines fachkompetenten Managers für Sicherheit und Gesundheit. Zu diesen Kompetenzen zählen z.B. Fachwissen, Methodenwissen, Branchenwissen, Fähigkeiten etc..
- Die zweite Bedeutung des Begriffs beschreibt die Personen, die diese Aufgaben wahrnehmen und die damit verbundenen Rollen ausüben. Betrachtet man die etymologische Wurzel des Begriffs „Management“, die sich aus dem lateinischen „manus agere: an der Hand führen“ ableiten lässt, ist schon hieraus zu folgern, dass ein Manager für Sicherheit und Gesundheit neben seiner Fachkompetenz auch Führungskompetenzen benötigt. Zu diesen Führungskompetenzen zählen nach Masing (2007) sowohl ethische Kompetenzen (Werte, Visionen, Verantwortlichkeit, Ganzheitlichkeit, Bewusstsein, Vorbild) als auch soziale Kompetenzen (Kommunikation, Konfliktlösung, Entwicklung, Begeisterung, Integrität).
Bzgl. der Persönlichkeitsmerkmale, die mit Führungserfolg verbunden sind, konnte das Modell von Bass und Avolio der „Transformationalen Führung“ (Erweiterung des Konzeptes der Transaktionalen Führung) empirisch validiert werden (Börner et al. 2007, Judge & Piccolo 2004, Keller 2006). Demnach muss eine erfolgreiche Führungskraft folgende Aufgaben erfüllen:
- Führungskräfte werden als Vorbilder wahrgenommen. Sie werden respektiert und bewundert; sie genießen das volle Vertrauen ihrer Mitarbeiter; man kann sich auf sie verlassen, und sie werden hohen moralischen Ansprüchen gerecht. All das müssen sie sich aber zunächst erarbeiten (“Idealized Influence“).
- Transformationale Führungskräfte motivieren und inspirieren, indem sie ihre Mitarbeiter durch anspruchsvolle Ziele herausfordern, Sinn und Zuversicht vermitteln und für Teamgeist sorgen (“Inspirational Motivation“).
- Transformationale Manager regen die kreativen und innovativen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter an und ermuntern sie zu eigenständigem Problemlösen und zum kritischen Hinterfragen von Gewohnheiten (“Intellectual Stimulation“).
- Transformationale Führungspersonen betätigen sich als Mentor oder Coach und gehen auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ein. Sie können gut zuhören und entwickeln gezielt die Fähigkeiten und Stärken ihrer Mitarbeiter (“Individual Consideration“).
Jedes Unternehmen sollte dies bei der Führungskräfteentwicklung berücksichtigen. Eine Studie der Harvard University (Nohria et al. 2003) konnte keine weiteren Persönlichkeitsmerkmale für den Führungserfolg belegen.
Darüber, welcher Führungsstil (mitarbeiter- oder aufgabenorientiert, partizipativ, bürokratisch usw. ) besonders erfolgreich ist, wird viel gestritten. In vielen betrieblichen Bereichen hat sich das Modell der „situativen Führung“ von Hersey und Blanchard (1987) bewährt. Es setzt am Leadership-Quadranten an und unterscheidet die Führungsstile Unterweisen bzw. Anweisen („Telling“), Verkaufen („Selling“), Beteiligen („Partizipating“) und Delegieren („Delegating“). Als Situationsvariablen werden die Fähigkeit der Mitarbeiter bezüglich der zu realisierenden Aufgabe einbezogen. Ausgehend von dem so bestimmten Entwicklungsstand der Mitarbeiter wird der geeignete Führungsstil bestimmt (Zell 2006).
Mitarbeiter beteiligen
Die Erfahrung und die Arbeiten von Malchaire (1999, 2004, 2006, 2007) zeigen, dass es sich speziell im Arbeitsschutz generell bewährt hat, die Mitarbeiter partizipieren zu lassen. Der Manager für Sicherheit und Gesundheit sollte daher einen partizipativen Führungsstil wählen.
Ein Veränderungsprozess, wie z.B. der Aufbau eines Betriebssicherheitsmanagements als integriertes Management-System, ist nur dann effizient und nachhaltig, wenn es gelingt, die Mitarbeiter „mitzunehmen“. Dies bedingt eine hohe Identifikation und Motivation. Ebenso fließen alle betrieblichen Erkenntnisse und Erfahrungen der Mitarbeiter unmittelbar in den Prozess ein. Dazu ist eine partizipative Managementstrategie zu wählen (Siegmann & Tenckhoff, 2009).
Wegge et al. (2009) beschreiben in einem Beitrag die positiven Effekte der Partizipation:
- Förderung des unternehmerischen Denkens der Mitarbeiter,
- Förderung höherer Arbeitsmotivation und Entscheidungsgüte,
- Förderung wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Ziele (Herstellung von Lohn- und Gehaltsgerechtigkeit).
Die Weltgesundheitsorganisation (1994) und die Internationale Arbeitsorganisation (2001) empfehlen seit langem, die Beschäftigten in die Gestaltung von Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz einzubeziehen. Dies wurde auch in dem Bericht vom Internationalen Arbeitsamt Genf zur 95. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz 2006 und dem Gesetz zu dem Übereinkommen Nr. 187 (2010) unterstrichen, nach denen die innerstaatlichen Arbeitsschutzsysteme Vorkehrungen zur Förderung der Zusammenarbeit auf Unternehmensebene zwischen Geschäftsleitung, Arbeitnehmern und ihren Vertretern als wesentliches Element von Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz umfassen sollen.
Selbiges leitet sich auch aus den Arbeiten von Haines & Wilson (1998) über die Weiterentwicklung der Gesellschaft hin zu einem Mehr an Mitspracherecht in den Organisationen ab. Hignett et al. (2005) kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Malchaire (1999, 2004, 2006, 2007) zeigt in seinen Arbeiten zur partizipativen Managementstrategie SOBANE (Screening, Oberservation, Analysis, Expertise) in ganz hervorragender Weise die Übertragbarkeit des partizipativen Ansatzes gerade auf den Arbeitsschutz. „Partizipation“ im Sinne Malchaires bedeutet dabei nicht nur die „Befragung“ der Mitarbeiter mittels Fragebögen sondern die „direktive, aktive und gleichstellende Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Vorgesetzten bei der Gestaltung des Betriebslebens, wobei hinreichend Informationen und Befugnisse zu erteilen sind, um die Gesundheit, die Sicherheit und das Wohlbefinden des Personals sowie die technische und wirtschaftliche Gesundheit des Unternehmens sicher zu stellen und auf optimalem Niveau zu halten“ (Malchaire 2007). Für den Mitarbeiter bedeutet dies aber auch, dass er die Prävention in erster Linie mitgestalten soll, er steht im Mittelpunkt „seiner“ Prävention und ist nicht „nur“ Zielobjekt. Ein „gesundes Unternehmen“ muss von der Unternehmensleitung gewollt und von den Mitarbeitern gestaltet werden, um Nachhaltigkeit zu erzielen.
Von entscheidender Bedeutung ist es, das die Partizipation in eine nachhaltige Strategie eingebettet ist. Sonst besteht die Gefahr, dass Handlungsressourcen, die durch Partizipation aufgebaut wurden, im täglichen Arbeitshandeln nicht genutzt werden können und vermutlich sogar wieder verloren gehen (Preußner 2003).
Gerade bei der Ein- und Durchführung von Gesundheitsprojekten hängt der Erfolg in entscheidendem Maße von der Unterstützung durch die Unternehmensführung ab. Durch mangelnde Einbeziehung und fehlende Information durch die Unternehmensführung wird das mittlere Management verunsichert und es entwickelt Skepsis gegenüber dem Projekt, die sich auf die Mitarbeiter überträgt (Friczewski et al. 1994).
Das Arbeitsschutzgesetz und gerade die neue DGUV Vorschrift 2 bieten mit ihrer Flexibilität Unternehmen die Chance, einen dynamisierten und umfassenden Arbeits- und Gesundheitsschutz als Katalysator für eine effiziente Personalstrategie und ‑arbeit zu nutzen und in betriebliche Prozesse zu integrieren.
Die Mitarbeiterführung und ‑motivation spielt in jedem Managementsystem eine entscheidende Rolle. So natürlich auch in der Betriebssicherheit. Verfügen die Führungskräfte neben ihrer notwendigen Fachkompetenz über die ebenfalls notwendige hohe Sozialkompetenz, so wird es ihnen gelingen, den Mitarbeitern auch bei diesen so genannten weichen Faktoren Vorbild zu sein und sie sicher durch den betrieblichen Alltag zu führen.
Schlüsselposition „Sicherheitsbeauftragte“
Eine Schlüsselrolle bei der Beteiligung der Mitarbeiter an der Gestaltung von Sicherheit und Gesundheit spielen die Sicherheitsbeauftragten (s. Abb. 3, Siegmann & Tenckhoff 2010). Auch der Gesetzgeber und die Unfallversicherungsträger sehen in den Sicherheitsbeauftragten die Akteure, die in den Unternehmen die Maßnahmen des Präventionsauftrags unterstützen und die in die Organisation des Arbeitsschutzes aktiv einzubinden sind (FA „Organisation des Arbeitsschutzes“, 2005). Die Sicherheitsbeauftragten kennen die Stärken und Schwächen der Kolleginnen und Kollegen, mit denen sie täglich zusammenarbeiten, und die Arbeitsverhältnisse vor Ort. Zur sozialen Kompetenz gehört es, diese Kenntnisse bei verschiedensten Anlässen engagiert zum Wohle ihrer Kollegen einzubringen. Die Sicherheitsbeauftragten sprechen die „Sprache“ der Mitarbeiter, sie verfügen idealerweise über Fingerspitzengefühl im Umgang mit ihren Gesprächspartnern, und sie müssen von diesen anerkannt sein. Sie sind das Bindeglied zwischen dem Managementsystem und den Mitarbeitern in den Fragen von Sicherheit und Gesundheit und füllen die Forderung nach Mitwirkung mit Leben.
Diese Aufgabenbeschreibung wird in der betrieblichen Wirklichkeit hauptsächlich kleiner und mittlerer Unternehmen jedoch nicht überall 1:1 umgesetzt. Der Sicherheitsbeauftragte wird zwar häufig formal bestellt bzw. bestimmt, besitzt allerdings nicht immer die notwendige fachspezifische Aus- und/oder Fortbildung und ist auch häufig nicht so in die Arbeitsschutzorganisation des Betriebes eingebunden, dass er erfolgreich und effizient im Sinne des Arbeitsschutzes wirken kann. In anderen Betrieben – vor allem in größeren Betrieben – besitzen Sicherheitsbeauftragte häufiger als Ansprechpartner für ihre Kollegen im Betrieb Fachkenntnisse im Arbeitsschutz und setzen diese engagiert und tatkräftig zum Wohl aller Beschäftigten um (FA „Organisation des Arbeitsschutzes“, 2005; Wittmann & Siegmann, 2010). Um diesen Zustand in allen Betrieben zu erreichen, bedarf es einer Aufwertung der Rolle des Sicherheitsbeauftragten im betrieblichen Management von Sicherheit und Gesundheit.
Sicherheitsbeauftragte können nur dann erfolgreich tätig sein, wenn sie im Betrieb breite Unterstützung erfahren und geeignete – vom Management zu gestaltende – Rahmenbedingungen vorfinden. Wittke (2006) konnte die Bedeutung der Rahmenbedingungen für den Transfer dessen, was Sicherheitsbeauftragte in ihren Lehrgängen lernen, gut herausarbeiten: Für geringe Transfererfolge waren in der Wahrnehmung der Sicherheitsbeauftragten überwiegend die betrieblichen Bedingungen vor Ort, d.h. im Transferumfeld verantwortlich. Insgesamt waren dies (77%) aller Transferbarrieren. Allein der Faktor Zeit und die Weigerung der Kollegen, den Aufforderungen des Sicherheitsbeauftragten nachzukommen, ergaben rund 50% der Nennungen. Die Präventionskompetenz, die der Sicherheitsbeauftragte für eine erfolgreiche Ausführung seines Amtes benötigt, bezieht auch sein Umfeld, d.h. seinen Arbeitsplatz sowie die Sicherheitskultur mit ein. Eine Sicherheitskultur auf hohem Niveau erhöht nicht nur die Bereitschaft Sicherheitsvorschriften einzuhalten, sie geht auch mit Bedingungen einher, die Stressbelastungen am Arbeitsplatz reduzieren und so die positive Wirkung auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter potenziert (Wittke, 2006).
Die Sicherheitsbeauftragten sind die Ansprechpartner für die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte (Wittmann & Siegmann, 2010). Die Entwicklung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit hin zu „Managern für Sicherheit und Gesundheit“ sowie die Entwicklung der Betriebsärzte hin zu „Betrieblichen Gesundheitsmanagern“ erfordert somit auch eine Entwicklung der Sicherheitsbeauftragten hin zu „Beauftragten für Sicherheit und Gesundheit“. Ansonsten wird eine Lücke entstehen, der Kontakt bricht ab und eine erfolgreiche Partizipation wird nicht mehr möglich sein (s. Abb. 1 und 2). Der Begriff „Beauftragter für Sicherheit und Gesundheit“ konkretisiert seine Aufgabenstellung im Unternehmen und verdeutlicht die fachliche Anbindung an den „Manager für Sicherheit und Gesundheit“ und auch den „Betrieblichen Gesundheitsmanager“ und damit die Einbindung in eine ganzheitliche betriebliche Sicherheits- und Gesundheitsorganisation (s. Abb. 1). So fordert es ja auch die BGV A1 in § 20: „(2) Die Sicherheitsbeauftragten haben den Unternehmer bei der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu unterstützen,…..“ sowie in „(4) Der Unternehmer hat sicherzustellen, dass die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte mit den Sicherheitsbeauftragten eng zusammenwirken.“. Eine Weiterentwicklung des Sicherheitsbeauftragten hin zum „Beauftragten für Sicherheit und Gesundheit“ setzt somit die Forderungen der BGV A1 in idealer Weise um!
Beauftragter für Sicherheit und Gesundheit
Diese Weiterentwicklung sollte aber auch mit einer angemessenen Position im Betrieb belohnt werden. Bisher sind die klassischen Sicherheitsbeauftragten ehrenamtlich tätig, was ihnen auch einen gewissen Schutz vor Rechtsfolgen bietet. Damit bleibt ihnen aber auch gleichzeitig viel Anerkennung für ihre wichtige Basisarbeit vorenthalten. Durch ihr besonderes betriebliches Interesse, sowie ihre hohe Fach- und Sozialkompetenz werden sie sich als „Beauftragte für Sicherheit und Gesundheit“ zu Spezialisten im Unternehmen entwickeln. Jeder Spezialist im Unternehmen erhält seine besonderen Qualifikationen bezahlt. Warum dann nicht auch die Beauftragten für Sicherheit und Gesundheit ? An dieser Stelle sind auch die Gewerkschaften gefordert. Mitarbeiter mit einer hohen Sozialkompetenz sind in der Lage sich selber zu motivieren und sich für ihre eigene Sicherheit und die der Kollegen einzusetzen. Erfolgt jedoch nicht die notwendige Anerkennung und Unterstützung, so lässt diese Motivation mit der Zeit nach und endet in Frustration. Eine angemessene Entlohnung ist ein geeignetes Mittel, diesem Effekt teilweise entgegen zu wirken. Dazu gehört es auch, dass der „Beauftragte für Sicherheit und Gesundheit“ von seinem derzeit reinen „Ehrenamt“ zu einem anerkannten verantwortlich tätigen Spezialisten vor Ort aufsteigt. Auch wäre es in großen Betrieben denkbar, die Tätigkeit als „Beauftragter von Sicherheit und Gesundheit“ zu einer Voraussetzung zu machen für Mitarbeiter, die mit Unterstützung des Betriebes die Ausbildung zum Meister oder Techniker absolvieren wollen. Die Mitarbeiter könnten damit ihre Sozialkompetenz demonstrieren.
Fazit
Das Betriebssicherheitsmanagement ist ein sich weiter entwickelndes Managementsystem zur Gestaltung, Lenkung und Entwicklung eines Unternehmens – eines zweckgerichteten sozialen Systems – in einer Weise, dass die mit seinen betrieblichen Prozessen verbundenen Risiken als akzeptabel und verantwortbar gelten (Mayer 2008).
Der traditionelle vorschriftenorientierte Ansatz hilft im modernen Arbeitsschutz nicht weiter. Ein auf Prävention ausgerichtetes, zukunftsfähiges Arbeitsschutzverständnis geht vom Wertschöpfungsprozess aus und belegt den Nutzen der präventiven Maßnahmen für den gesamten Wertschöpfungsprozess. Ein modernes, systemisch-evolutionäres Management-System wie das Betriebssicherheitsmanagement verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und erfüllt die zeitgemäße Forderung nach einem optimal strukturierten Vorgehen sowie vernetztem Wirken. Es bildet den Bezugsrahmen für das Verhalten der Mitarbeiter und maximiert die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Ebenso schafft es Rechtssicherheit. Innerhalb des Betriebssicherheitsmanagements werden die verschiedenen betrieblichen Managementsysteme miteinander verknüpft (s. Abb. 3).
Das Betriebssicherheitsmanagement ersetzt keine vorhandenen Managementsysteme. Es ist ein operatives Instrument zur Bündelung und Vernetzung vorhandener Systeme, um Synergien optimal zu nutzen und Effizienzsteigerungen zu erwirken.
Autoren:
Dipl.-Min., M. Sc. BSM Silvester Siegmann E‑Mail: siegmann@ uni-duesseldorf.de
Prof. Dipl.-Ing. Bernhard Tenckhoff E‑Mail: bernd.tenck hoff@m‑r-t.com
Die Literaturangaben können bei den Autoren oder in der Redaktion angefordert werden: sicherheitsingenieur@konradin.de
Unsere Webinar-Empfehlung
29.02.24 | 10:00 Uhr | Spielsucht, Kaufsucht, Arbeitssucht, Mediensucht – was genau verbirgt sich hinter diesen Begriffen? Wie erkennt man stoffungebundene Süchte? Welche Rolle spielt die Führungskraft bei der Erkennung, Vermeidung und Bewältigung von Suchtproblemen am Arbeitsplatz?…
Teilen: