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Elektrofachkraft - Ausbildung, Erhalt und Erlangung der Qualifikation

Erlangung und Erhalt der Elektrofachkraft-Qualifikation
Mythen und Fakten zur Elektrofachkraft

Ralf Ensmann; Markus Klar
In der Prax­is herrscht bei Führungskräften und selb­st bei ver­ant­wortlichen Elek­tro­fachkräften große Unsicher­heit, unter welchen Umstän­den Mitar­beit­er – mit oder ohne absolvierte Elek­tro-Aus­bil­dung – als Elek­tro­fachkraft einzustufen sind. Beim The­ma Erlan­gung und Erhalt der Fachkunde im Bere­ich der Elek­trotech­nik gibt es ver­schieden­ste Aspek­te, die beachtet wer­den soll­ten, wenn man eine möglichst rechtssichere Betrieb­sorgan­i­sa­tion anstrebt. Die Diskus­sion wird in den Betrieben häu­fig nur an der Ober­fläche geführt, elek­trotech­nis­che Fach­be­griffe wer­den unscharf ver­wen­det und ver­schieden­ste Aspek­te häu­fig in einen Topf geworfen.

Irrtümer zum Thema Elektrofachkraft-Qualifikation 

  • „Der Mitar­beit­er hat doch mal Stark­stromelek­trik­er gel­ernt, der muss das doch können!“
  • „Jed­er Mitar­beit­er mit elek­trotech­nis­ch­er Beruf­saus­bil­dung ist grund­sät­zlich Elektrofachkraft!“
  • „Ein Mitar­beit­er ohne elek­trotech­nis­che Beruf­saus­bil­dung im klas­sis­chen Sinne kann nie Elek­tro­fachkraft sein!“
  • „Mitar­beit­er mit Aus­bil­dungs­berufen wie Mecha­tron­iker, Fer­n­melde­tech­niker oder Mess- und Regel­tech­niker kön­nen den Elek­tro­fachkraft­sta­tus nicht erreichen!“
  • „Es ist unnötig Elek­tro­fachkräfte schriftlich zu bestellen, die haben ihren Beruf doch gel­ernt und sind somit Elektrofachkräfte!“
  • „Unsere Mitar­beit­er im Elek­trobere­ich sind so qual­i­fiziert, dass jed­er Mitar­beit­er alle vork­om­menden elek­trotech­nis­chen Tätigkeit­en ver­richt­en und mögliche Gefahren erken­nen kann!“
Die inhaltlichen Aus­sagen der „Hitliste der Irrtümer“ wer­den bei dem einen oder anderen Leser zu spon­tan­er Ablehnung (wün­schenswert…) oder zu spon­tan­er Zus­tim­mung (nicht wün­schenswert…) führen. Ins­beson­dere Let­ztere soll­ten unbe­d­ingt weiterlesen.

Ursprung des Begriffs Elektrofachkraft

Der Begriff „Elek­tro­fachkraft“ entspringt unter­schiedlichen und voneinan­der unab­hängi­gen Quellen. Hier sei zuerst das Vorschriften­werk des Ver­ban­des der Elek­trotech­nik, Elek­tron­ik und Infor­ma­tion­stech­nik (VDE) e.V. genan­nt, das den Begriff mehrfach in ver­schiede­nen Bes­tim­mungen gle­ich­lau­t­end definiert. Hier wurde die Notwendigkeit gese­hen, dass (gefahrgeneigte) Tätigkeit­en in der Elek­trotech­nik, die bei Errich­tung, Betrieb, Instand­hal­tung etc. von elek­trischen Anla­gen und Betrieb­smit­teln vorkom­men, speziellen Fachkräften vor­be­hal­ten sein sollen. Auch die geset­zliche Unfal­lver­sicherung in Form von Beruf­sgenossen­schaften und Unfal­lka­ssen hat diese Notwendigkeit gese­hen und daher in ihr Vorschriftenwerk[1] „DGUV-Vorschrift 3 bzw. 4 – früher: BGV A3/GUV‑V A3 – Elek­trische Anla­gen und Betrieb­smit­tel“ eine gle­ich­lau­t­ende Forderung neb­st Def­i­n­i­tion aufgenommen.[2]

Quellen der Elektrofachkraft-Definition

Nach­fol­gend sind die wichtig­sten Vorschriften, die die „Elek­tro­fachkraft-Def­i­n­i­tion“ seit vie­len Jahren nen­nen, aufgeführt:[3]
Sowohl die Unfal­lver­sicher­er als auch der pri­vate Nor­menge­ber im Bere­ich der Elek­trotech­nik sahen es als notwendig und wichtig an, nicht zulet­zt im Kon­text eines immer stärk­er lib­er­al­isierten europäis­chen Mark­tes auf die Bedeu­tung ein­er elek­trotech­nis­chen Fachaus­bil­dung in ihren jew­eils zen­tralen Werken hinzuweisen.

Definition des Begriffs Elektrofachkraft

Obwohl die Def­i­n­i­tion der Elek­tro­fachkraft eigentlich als bekan­nt voraus­ge­set­zt wer­den sollte, wird sie im Fol­gen­den noch ein­mal kurz vorgestellt: Gemäß § 2 Absatz 3 der Unfal­lver­hü­tungsvorschrift DGUV-Vorschrift 3 bzw. 4 gilt – seit dem Jahr 1979 – als Elek­tro­fachkraft, wer auf Grund seiner
  • fach­lichen Ausbildung,
  • Ken­nt­nisse und Erfahrun­gen sowie
  • Ken­nt­nis der ein­schlägi­gen Bestimmungen[4]
die ihm über­tra­ge­nen Arbeit­en beurteilen und mögliche Gefahren erken­nen kann. Dieser seit Jahrzehn­ten bekan­nte „Dreik­lang“ aus the­o­retis­ch­er und prak­tis­ch­er Qual­i­fika­tion zuzüglich der Ken­nt­nis des Regel­w­erks für das über­tra­gene Arbeits­ge­bi­et stellt die „Mess­lat­te“ für die Qual­i­fika­tion der Elek­tro­fachkraft dar.
 
Die Def­i­n­i­tion geht davon aus, dass die Qual­i­fika­tion im Regelfall auf dem erfol­gre­ichen Abschluss ein­er ein­schlägi­gen Aus­bil­dung oder eines Studi­ums der Elek­trotech­nik grün­det. Es wird aber in den Durch­führungsan­weisun­gen bzw. Hin­weisen zum Vorschriften­werk auch deut­lich gemacht, dass es – qua­si im Sinne ein­er Öff­nungsklausel – möglich ist, zur Beurteilung der fach­lichen Aus­bil­dung auch eine mehrjährige Tätigkeit auf dem betr­e­f­fend­en Arbeits­ge­bi­et heranzuziehen.[5] Um die Öff­nungsklausel sin­nvoll anwen­den zu kön­nen, muss der Fokus auf ein­er „mehrjähri­gen Tätigkeit“ im „betr­e­f­fend­en Arbeits­ge­bi­et“ liegen. Zudem sollte die Befähi­gung eines der­art an das Tätigkeits­feld herange­führten Mitar­beit­ers in The­o­rie und Prax­is über­prüft und doku­men­tiert wer­den. Damit wird deut­lich, dass ein Schloss­er, der dem Elek­trik­er mal zwei Wochen über die Schul­ter geschaut oder einen E‑Tech­nik-Crashkurs besucht hat, noch lange keine Elek­tro­fachkraft ist.
 
Es gibt eine Vielfalt an Berufen, die in den Bere­ich der Elek­trotech­nik fall­en. Wann im Einzelfall die erforder­lichen Ken­nt­nisse für die Auf­gaben, die in dem jew­eili­gen Unternehmen, an eine Elek­tro­fachkraft gestellt wer­den, damit bew­erk­stel­ligt sind, kann nicht glob­al beant­wortet wer­den. Hier muss der Unternehmer nach entsprechen­den Über­prü­fun­gen im Rah­men sein­er Auswahlver­ant­wor­tung eine indi­vidu­elle Entschei­dung treffen.

Angewandte Bedeutung des Begriffs Elektrofachkraft

Der Begriff „Elek­tro­fachkraft“ ist zu allererst von ein­er Fach- oder Abschluss­beze­ich­nung abzu­gren­zen, wie sie durch eine Berufs- oder höhere Schu­laus­bil­dung erwor­ben wer­den kann. Solche Abschlüsse wer­den in der Regel nach dem Durch­laufen ein­er Aus­bil­dung und dem Nach­weis der Fähig- und Fer­tigkeit­en in einem Prü­fungsver­fahren erwor­ben und in einem Abschlussz­er­ti­fikat doku­men­tiert. Dieses Abschlussz­er­ti­fikat in Form eines Gesellen‑, Fachar­beit­er- oder Meis­ter­briefes testiert dann zunächst lediglich, dass man einen Beruf­s­ab­schluss erre­icht hat, ana­log gilt das Gle­iche für Stu­di­en­ab­schlüsse, Tech­niker- Ingenieur‑, Bach­e­lor- oder Mas­ter­ab­schlüsse. Sie doku­men­tieren das erfol­gre­iche Ende ein­er Fach- oder Hochschulausbildung.

Keine Abschlussbezeichnung, sondern Qualifikationsstatus

Elek­tro­fachkraft ist jedoch keine solche Abschluss­beze­ich­nung, son­dern ein „Qual­i­fika­tion­ssta­tus“, der nach dem eigentlichen Aus­bil­dungsab­schluss erwor­ben wer­den muss und unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen auch wieder ver­loren gehen kann. Insofern kann man die Beze­ich­nung mit ein­er Per­son­alz­er­ti­fizierung ver­gle­ichen, die nach ein­er bes­timmten Zeit abläuft bzw. neu erwor­ben wer­den muss.
 
Die oben genan­nten Schul- und Beruf­saus­bil­dungsab­schlüsse sind sozusagen nur die „Ein­trittskarte“ in den Job. Die Qual­i­fika­tion zur Elek­tro­fachkraft vol­lzieht sich dann im Laufe ein­er mehr oder weniger lan­gen Einar­beitungszeit vor Ort im Unternehmen. Zur Doku­men­ta­tion der Einar­beitung bietet sich ein Prax­is­pass an, in den die aus­ge­führten Tätigkeit­en schriftlich einge­tra­gen werden.[6] Hier arbeit­et die zukün­ftige Elek­tro­fachkraft dann unter der fach­lichen Leitung von über­ge­ord­neten (ver­ant­wortlichen) Elektrofachkräften.

Individuelle Beurteilung erforderlich

Nach Unfal­lver­hü­tungsvorschrift DGUV-Vorschrift 3 bzw. 4 § 3 hat der Unternehmer dafür zu sor­gen, dass seine elek­trischen Geräte, Maschi­nen und Anla­gen durch oder unter Auf­sicht von Elek­tro­fachkräften instand gehal­ten wer­den. Für die Tätigkeit­en in den elek­trotech­nis­chen Betrieb­steilen sind daher Elek­tro­fachkräfte einzuset­zen. Da es keine „Beruf­saus­bil­dung zur Elek­tro­fachkraft“ gibt und sich dieser Beruf­ssta­tus aus mehreren Teilaspek­ten entsprechend der Norm DIN VDE 1000-10:2009 Kap. 3.1[7] zusam­menset­zt, ist die Qual­i­fika­tion durch die zuständi­ge ver­ant­wortliche Elek­tro­fachkraft oder den näch­sthöheren fach­lichen Vorge­set­zten zu beurteilen. Dabei sollte sie in alle Auf­gaben einge­führt wer­den, die kün­ftig in ihrem Arbeits­bere­ich anfall­en. Die Anforderung „Ken­nt­nisse und Erfahrun­gen“ vor­weisen zu kön­nen, wird so erfüllt.

Schriftliche Bestellung

Über das Ergeb­nis der fach­lichen und per­sön­lichen Beurteilung emp­fiehlt es sich, ein kurzes Dokument[8] anzufer­ti­gen. Die Bestellung[9] zur Elek­tro­fachkraft sollte in ein­er Bestel­lung­surkunde doku­men­tiert wer­den. Für bei­de Doku­mente gibt es keine geset­zlichen oder nor­ma­tiv­en Vor­gaben bezüglich des Inhalts. Aus Grün­den der Beweis­sicherung gibt es jedoch kein besseres Mit­tel als die schriftliche Auf­gabenüber­tra­gung in Form ein­er Bestel­lung. Ein­er­seits doku­men­tiert der Arbeit­ge­ber bzw. der Unternehmer seine Auswahlver­ant­wor­tung in Bezug auf die Anforderungskri­te­rien. Ander­er­seits gibt man dem Mitar­beit­er durch Aushändi­gung der Bestel­lung zu ver­ste­hen, dass er eine wichtige Rolle zur Gewährleis­tung der elek­trotech­nis­chen Sicher­heit wahrn­immt. Es nützt nichts, wenn sich der Arbeit­ge­ber „im stillen Käm­mer­lein“ der Illu­sion hin­gibt, seine Mitar­beit­er seien Elek­tro­fachkräfte, ohne dass Let­ztere dieses über­haupt wis­sen – oder umgekehrt.

Fachliche und persönliche Eignung von Bedeutung

Ziel der Vor­gaben und Nor­men ist eine Risiko­min­imierung auf­grund der fach­lichen Qual­i­fika­tion der täti­gen Per­so­n­en. Eine per­sön­liche Eig­nung der zu bestel­len­den Per­son ist in der Regel nicht aus­drück­lich als wichtiges Kri­teri­um in der Norm erwäh­nt, sollte aber in den meis­ten Fällen gle­ichgewichtet berück­sichtigt wer­den. Das immer weit­ere Vor­drin­gen der Elek­trotech­nik in alle Bere­iche macht es erforder­lich eine im beson­deren Maße qual­i­fizierte Elek­tro­fachkraft einzusetzen.

Risikominimierung durch Qualifikation

Die in der Aus­bil­dung erwor­be­nen Ken­nt­nisse allein reichen hier für viele Tätigkeit­en nicht aus. Hier sind Spezialken­nt­nisse notwendig, um die Gefahren und deren Abwen­dung auf dem Stand der Tech­nik einzuschätzen und bewälti­gen zu kön­nen. Dies kann nur durch geeignete Weit­er­bil­dungs­maß­nah­men in The­o­rie und Prax­is erre­icht wer­den. Als Beispiel wären Spezialaus­bil­dun­gen für Schalt­berech­ti­gung von Hochspan­nun­gen, Arbeit­en unter Span­nung oder Prü­fun­gen von elek­trischen Anla­gen und Arbeitsmit­teln zu nen­nen. Mit der steigen­den fach­lichen Anforderung und/oder der steigen­den Ein­trittswahrschein­lichkeit und Schwere von Gefährdun­gen steigen auch zwin­gend die Anforderun­gen an die per­sön­liche Eig­nung des Mitarbeiters.
 
Ergänzend muss erwäh­nt wer­den, dass es, bed­ingt durch die Bre­ite und Tiefe der heuti­gen elek­trotech­nis­chen Auf­gaben­stel­lun­gen, unmöglich ist, eine umfassend aus­ge­bildete Elek­tro­fachkraft zu sein. Jede Elek­tro­fachkraft kann dem­nach nur für ihren aktuellen Arbeits­bere­ich, indem sie die Qual­i­fika­tion­san­forderun­gen erfüllt, als Fachkraft gelten.

Organisations- und Auswahlpflichten des Arbeitgebers

Der Inhab­er eines Unternehmens haftet dann unmit­tel­bar, wenn er es in vor­w­erf­bar­er Weise unter­lassen hat, Betrieb­svorgänge so zu organ­isieren, dass im Rah­men der Möglichkeit­en nie­mand zu Schaden kommt. Ein Organ­i­sa­tion­s­man­gel liegt auch dann vor, wenn für eine bes­timmte Auf­gabe beispiel­sweise nie­mand vorge­se­hen ist oder wenn die Zahl der Sachkundi­gen zu ger­ing bemessen wird, so dass im Einzelfall auch uner­fahrene Per­so­n­en mitwirken müssen. Die Anspruchs­grund­lage ist im § 823 BGB zu sehen. Bei arbeit­steili­gen Unternehmen (ins­beson­dere Kap­i­talge­sellschaften) wer­den über den § 31 BGB neben den „ver­fas­sungsmäßi­gen Vertretern“ (Vor­stand, Geschäfts­führer) auch Angestellte der mit­tleren Führungsebe­nen, die Hand­lungsvoll­macht haben, erfasst.[10]
Hier kommt die Auswahlver­ant­wor­tung von dem Unternehmer bzw. Arbeit­ge­ber oder ein­er von ihm bestell­ten ver­ant­wortlichen Elek­tro­fachkraft zum Tra­gen; hier sprechen Bürg­er­lich­es Geset­zbuch (BGB), Arbeitss­chutzge­setz (Arb­SchG) wie auch die DGUV-Vorschrift 1 eine klare Sprache.

Auswahl geeigneter Mitarbeiter gefordert

Das Arbeitss­chutzge­setz verpflichtet den Unternehmer aus­drück­lich nur geeignete Mitar­beit­er mit ein­er Auf­gabe zu betrauen. So heißt es im § 7 „Über­tra­gung von Auf­gaben“ im ArbSchG:
  • „Bei der Über­tra­gung von Auf­gaben auf Beschäftigte hat der Arbeit­ge­ber je nach Art der Tätigkeit­en zu berück­sichti­gen, ob die Beschäftigten befähigt sind, die für die Sicher­heit und den Gesund­heitss­chutz bei der Auf­gaben­er­fül­lung zu beach­t­en­den Bes­tim­mungen und Maß­nah­men einzuhalten.“
 
§ 9 Arb­SchG führt dann bezüglich „beson­der­er Gefahren“ weit­er aus:
  • „(1) Der Arbeit­ge­ber hat Maß­nah­men zu tre­f­fen, damit nur Beschäftigte Zugang zu beson­ders gefährlichen Arbeits­bere­ichen haben, die zuvor geeignete Anweisun­gen erhal­ten haben.
  • (2) Der Arbeit­ge­ber hat Vorkehrun­gen zu tre­f­fen, dass alle Beschäftigten, die ein­er unmit­tel­baren erhe­blichen Gefahr aus­ge­set­zt sind oder sein kön­nen, möglichst frühzeit­ig über diese Gefahr und die getrof­fe­nen oder zu tre­f­fend­en Schutz­maß­nah­men unter­richtet sind. Bei unmit­tel­bar­er erhe­blich­er Gefahr für die eigene Sicher­heit oder die Sicher­heit ander­er Per­so­n­en müssen die Beschäftigten die geeigneten Maß­nah­men zur Gefahren­ab­wehr und Schadens­be­gren­zung selb­st tre­f­fen kön­nen, wenn der zuständi­ge Vorge­set­zte nicht erre­ich­bar ist; dabei sind die Ken­nt­nisse der Beschäftigten und die vorhan­de­nen tech­nis­chen Mit­tel zu berück­sichti­gen. Den Beschäftigten dür­fen aus ihrem Han­deln keine Nachteile entste­hen, es sei denn, sie haben vorsät­zlich oder grob fahrläs­sig ungeeignete Maß­nah­men getroffen.“
Lei­der zeigt es sich sehr häu­fig in der Prax­is, dass diese Auswahlver­ant­wor­tung auf die leichte Schul­ter genom­men wird. Das geht so lange gut bis es zu einem Unfall kommt. Let­ztlich organ­isiert man näm­lich sowohl für sich selb­st, für den unter­stell­ten Mitar­beit­er und nicht zulet­zt für die Gerichtsbarkeit.

Organisation des Elektrobereichs

Eine Elek­tro­fachkraft kann nicht im „luftleeren“ Raum, das heißt ohne jegliche Anleitung arbeit­en. Wer gibt ihr Aufträge und Weisun­gen? Wer unter­richtet über Neuerun­gen und Gefahren? Wer­den in einem Unternehmen Elek­tro­fachkräfte beschäftigt, besitzt dieses Unternehmen zweifel­sohne einen elek­trotech­nis­chen Betrieb­steil – und sei er noch so klein (z.B. der Instand­hal­tungswerk­statt zuge­ord­nete Elek­trik­er). Wird bejaht, dass elek­trotech­nis­che Arbeit­en anfall­en und man deshalb nach DGUV-Vorschrift 3 bzw. 4 Elek­tro­fachkräfte ein­set­zen muss, liegt ein solch­er elek­trotech­nis­ch­er Betrieb­steil vor. Wird nun arbeit­steilig – das heißt durch Inter­ak­tion von mehreren Mitar­beit­ern – gear­beit­et, benötigt man eine Organ­i­sa­tion mit Struk­turen und Regeln. Die Elek­tro­fachkraft benötigt einen Chef, der sagt, wo es lang geht.
 
Natür­lich kann die Elek­tro­fachkraft durch entsprechende Ausbildung[11] diese Funk­tion auch in Per­son­alu­nion übernehmen. Jedoch wird man für weniger kom­plexe elek­trotech­nis­che Arbeit­en nicht den Inge­nieur beschäfti­gen und bezahlen wollen. Es muss also eingeschätzt wer­den, welche Arbeit­en anfall­en und welche Qual­i­fika­tio­nen benötigt wer­den. Zur Anleitung der Elek­tro­fachkräfte und zur ver­ant­wortlichen Leitung ist also eine Per­son erforder­lich, die dies fach­lich leis­ten kann. Der Unternehmer selb­st ist dafür der soge­nan­nte „geborene“ Ver­ant­wortliche. Kraft sein­er Stel­lung obliegt ihm die Organ­i­sa­tions- und Regelungskom­pe­tenz. Ist der Unternehmer selb­st fach­lich in der Lage, leit­et er den elek­trotech­nis­chen Betrieb­steil ein­fach mit. Dabei muss ihm noch nicht ein­mal bewusst sein, einen der­ar­ti­gen Betrieb­steil zu besitzen. Fehlt dem Unternehmer die fach­liche Qual­i­fika­tion für den Elek­trobere­ich, ist er trotz­dem dafür ver­ant­wortlich. Hier muss er allerd­ings die fach­lichen Defizite erken­nen und ist verpflichtet zu han­deln (Stich­wort: Organisationsverschulden).
 
Eine Per­son mit der erforder­lichen fach­lichen Qual­i­fika­tion muss an sein­er Stelle die ver­ant­wortliche Leitung der Elek­trotech­nik übernehmen: die ver­ant­wortliche Elek­tro­fachkraft. Diese wird aus­gewählt und schriftlich bestellt. Sie nimmt als soge­nan­nter „geko­ren­er“ Ver­ant­wortlich­er die Auf­gaben des Unternehmers für den elek­trotech­nis­chen Betrieb­steil wahr.[12] Ins­beson­dere obliegt der ver­ant­wortlichen Elek­tro­fachkraft die Organisation‑, Auswahl- und Kon­trol­lver­ant­wor­tung im elek­trotech­nis­chen Betrieb­steil. Da es nicht sel­ten einen Wider­stre­it zwis­chen Wirtschaftlichkeit und Sicher­heit­san­forderun­gen gibt, wird die ver­ant­wortliche Elek­tro­fachkraft auf dem Gebi­et der Elek­trotech­nik weisungs­frei gestellt, das heißt ein diszi­pli­nar­isch­er Vorge­set­zter, der elek­trotech­nis­ch­er Laie ist, kann und darf ein­er (ver­ant­wortlichen) Elek­tro­fachkraft kein­er­lei Weisun­gen auf dem Fachge­bi­et der Elek­trotech­nik erteilen.
 
In welch­er Form die Organ­i­sa­tion des Elek­trobere­ichs erfol­gt, ist für deren Auf­gaben­erledi­gung ohne Belang: „Je nach Anforderun­gen und Größe des Unternehmens kön­nen von sehr ein­fachen Struk­turen bis hin zu sehr kom­plex­en Organ­i­sa­tions­for­men alle Vari­anten angetrof­fen wer­den. Von beson­der­er Wichtigkeit für alle Vari­anten ist dabei, dass die Ver­ant­wortlichkeit­en nicht nur „auf dem Papi­er„ über­tra­gen wur­den, son­dern in der täglichen Prax­is auch so ‚gelebt‘ und umge­set­zt wer­den und die fach­lich ver­ant­wortlichen Per­so­n­en mit den für die Auf­gaben­erledi­gung notwendi­gen Kom­pe­ten­zen aus­ges­tat­tet werden.“

Wann gilt ein Mitarbeiter als Elektrofachkraft?

Die vor­ange­gan­genen Aus­führun­gen haben verdeut­licht, dass man nicht automa­tisch durch den Abschluss ein­er Aus­bil­dung oder eines Stu­di­en­gangs die Qual­i­fika­tion ein­er Elek­tro­fachkraft besitzt. Man muss in der Regel zunächst Praxis­er­fahrung und Vorschriftenken­nt­nis auf dem über­tra­ge­nen Auf­gabenge­bi­et sam­meln, um anschließend als Elek­tro­fachkraft zu gel­ten. Für neue Mitar­beit­er in einem Unternehmen gilt übri­gens das gle­iche: Erst nach erfol­gre­ich­er Einar­beitung in das neue Auf­gabenge­bi­et kön­nen sie als Elek­tro­fachkräfte ange­se­hen werden.
 
Die Dauer von Einar­beitungsphasen hängt in der Prax­is neben anderen Randbe­din­gun­gen wesentlich von der Kom­plex­ität des Auf­gabenge­bi­ets sowie von den Fähigkeit­en und der Moti­va­tion des einzuar­bei­t­en­den Mitar­beit­ers ab. Von Unternehmen wer­den in der Prax­is häu­fig Zeiträume genan­nt, die zwis­chen sechs und 24 Monat­en vari­ieren. In Einzelfällen kön­nen sehr gut aus­ge­bildete und motivierte Mitar­beit­er (im Sinne ein­er abgestuften Freiga­be) für bes­timmte Tätigkeit­en, für die die prak­tis­che Einar­beitung bere­its abgeschlossen ist, auch schon früher als Elek­tro­fachkraft einge­set­zt wer­den. Eine gute betriebliche Prax­is ist es in diesem Zusam­men­hang auch, neue Mitar­beit­er im elek­trotech­nis­chen Betrieb­steil nach dem Abschluss der doku­men­tierten Einar­beitungsphase schriftlich zur Elek­tro­fachkraft für ihr konkretes Arbeits­ge­bi­et zu bestellen.
 
Zusam­men­fassend ist festzuhal­ten, dass der Mitar­beit­er ab dem Moment als Elek­tro­fachkraft gilt, zu dem es ihm der Arbeitgeber/Unternehmer anhand der drei Kri­te­rien („Dreik­lang“) bescheinigt. Die Ver­ant­wor­tung der Bestel­lung und des richti­gen Bestel­lzeit­punk­tes nimmt dem Arbeit­ge­ber – oder bei entsprechen­der Del­e­ga­tion dem fach­lichen Vorge­set­zten – nie­mand ab; es gibt auch kein fer­tiges „Kochrezept“. Check­lis­ten sind eben­so nur begren­zt ein­set­zbar und dür­fen nicht den gesun­den Men­schen­ver­stand des Bestel­len­den erset­zen. Aus­drück­lich gewarnt sei auch vor „Papi­er-Elek­tro­fachkräften“, deren Bestel­lungs­doku­ment das Papi­er nicht Wert ist, weil hin­ter der „Fas­sade des for­malen Aktes“ der schriftlichen Bestel­lung – ähn­lich wie bei einem Potemkin’schen Dorf, das nur aus aufgestell­ten Haus­fas­saden beste­ht – kein Wis­sen oder keine Erfahrung oder keine Nor­menken­nt­nis vorzufind­en ist.

Wann gilt ein Mitarbeiter nicht mehr als Elektrofachkraft?

Sowohl der Stand der Tech­nik als auch die Nor­mung schre­it­en unaufhalt­sam fort. Dies bed­ingt eine laufende Fort­bil­dung für die tätig wer­den­den Per­so­n­en – sei es zu Neuerun­gen oder nur zum Auf­frischen bere­its erwor­ben­er Kenntnisse.
 
Die ein­mal erwor­bene Elek­tro­fachkraft-Qual­i­fika­tion kann ver­ständlicher­weise durch man­gel­nde Fort­bil­dung oder durch die Ausübung fach­fremder Tätigkeit­en über einen bes­timmten Zeitraum auch wieder ver­loren gehen.[13] Angesichts der Schnel­llebigkeit von Tech­nolo­gien bedeutet dies, dass der Elek­tro­fachkraft-Sta­tus bere­its nach einem Jahr ohne Fort­bil­dung „zu bröck­eln“ beginnt.
 
Bei­de Entschei­dun­gen, sowohl die, ab welchem Zeit­punkt ein Mitar­beit­er als Elek­tro­fachkraft zu betra­cht­en ist, als auch die, ab wann der Mitar­beit­er die Qual­i­fika­tion nicht mehr besitzt, liegt alleine beim Unternehmer bzw. Arbeit­ge­ber oder der von ihm im fach­lichen Bere­ich beauf­tragten Per­son. Um Willkür vorzubeu­gen, soll­ten verbindliche Regelun­gen – in Form ein­er indi­vidu­ellen Betrieb­snorm – aufgestellt wer­den. In schwieri­gen Zeit­en beste­ht son­st die Gefahr, dass Sicher­heit hin­ter Wirtschaftlichkeit zurücktritt.
 
Natür­lich fällt es ein­er „Ex-Elek­tro­fachkraft“ sehr viel leichter und das auch in viel kürz­er­er Zeit, ihren Sta­tus wiederzuer­lan­gen, als dies ein­er Nicht-Elek­tro­fachkraft auf dem Weg dor­thin gelin­gen wird. Generell kann man noch ergänzen, dass eine abgeschlossene Aus­bil­dung auch in einem anderen, also nicht-elek­trotech­nis­chen Bere­ich ver­muten lässt, dass die betr­e­f­fende Per­son generell in der Lage ist Lern­in­halte, Prax­isas­pek­te oder sicher­heits­gerecht­es Ver­hal­ten aufzunehmen und zu ver­ste­hen, als ein voll­ständig ungel­ern­ter Mitarbeiter.

Fazit

Die vor­ange­gan­genen Aus­führun­gen machen deut­lich, dass sich der Arbeit­ge­ber auch bei „aus­ge­bilde­ten Elek­trik­ern“ gehörige Gedanken um deren „Elek­tro­fachkraft-Sta­tus“ machen sollte. Dies gehört zur guten Organ­i­sa­tion und ein­er Poli­tik des „richti­gen Mitar­beit­ers am richti­gen Ort“ ein­fach dazu. Die wichtig­ste Erken­nt­nis dabei ist, dass man den Begriff der Elek­tro­fachkraft von der Beruf­saus­bil­dung entkop­peln und als Beruf­ssta­tus betra­cht­en muss.
 
Allerd­ings muss aus Sicht der Ver­fass­er neben den zitierten Vorschriften und Nor­men, die ja immer notwendi­ger­weise Unschärfen[14] und Inter­pre­ta­tion­sspiel­raum bieten, auf jeden Fall der gesunde Men­schen­ver­stand einge­set­zt wer­den, dann klärt sich ein Großteil der Fra­gen fast von alleine. Geht man dabei von einem anzus­treben­den (hof­fentlich hohen) Schutzniveau aus, wird jed­er ver­ant­wortliche Leit­er, ob nun selb­st Arbeit­ge­ber bzw. Unternehmer oder die ver­ant­wortliche Elek­tro­fachkraft den indi­vidu­ell notwendi­gen Hand­lungs­be­darf ableit­en können.
 
Lit­er­atur und Quellen:
  • [1] Auch im beruf­sgenossen­schaftlichen Bere­ich wird der Begriff gle­ich mehrfach definiert. Neben seinem Erscheinen in der DGUV-Vorschrift 3 / DGUV-Vorschrift 4 „Elek­trische Anla­gen und Betrieb­smit­tel“ in § 2 (3) wird er auch in der DGUV-Regel 103–011 „Arbeit­en unter Span­nung an elek­trischen Anla­gen und Betrieb­smit­teln“ in Abschnitt 2 Num­mer 6 definiert.
  • [2] Die früheren BG- und heuti­gen DGUV-Vorschriften find­en ihre Ermäch­ti­gungs­grund­la­gen in § 15 SGB VII.
  • [3] Die deutschen Regel­w­erke ver­wen­den weitest­ge­hend die gle­iche Elek­tro­fachkraft-Def­i­n­i­tion. Die For­mulierun­gen in den inter­na­tionalen Werken laut­en anders, sind aber sehr stark sinnverwandt.
  • [4] Hier sind unter dem Begriff der „ein­schlägi­gen Bes­tim­mungen“ nicht nur der enge Begriff der DIN-Nor­men oder DIN-VDE-Nor­men zu ver­ste­hen, son­dern auch Vorschriften und Bes­tim­mungen ander­er Regelsetzer.
  • [5] Siehe hierzu die Aus­führun­gen in der Durch­führungsan­weisung zum § 2 (3) der DGUV-Vorschrift 3.
  • [6] Siehe hierzu die Beispiele im Kapi­tel 3 des Buchs „Anla­gen­be­treiber Elek­trotech­nik und ver­ant­wortliche Elek­tro­fachkraft – Grundzüge und prak­tis­che Aspek­te beim Auf­bau ein­er rechtssicheren Organ­i­sa­tion­sstruk­tur im Bere­ich der Elek­trotech­nik nach DIN VDE 0105–100 und DIN VDE 1000–10“ (Ens­mann, Euler, Eber; VDE Ver­lag 2016, Schriften­rei­he 135, ISBN 978–3–8007–4162–5), Seite 157 ff.
  • [7] Inhalts­gle­ich mit DIN VDE 0105–100 Kap. 3.2.3.
  • [8] Siehe hierzu die Muster-Gespräch­sleit­fä­den zur Qual­i­fika­tion­süber­prü­fung sowie die Bestel­lun­gen im Kapi­tel 6 des Buchs „Anla­gen­be­treiber Elek­trotech­nik und ver­ant­wortliche Elek­tro­fachkraft – Grundzüge und prak­tis­che Aspek­te beim Auf­bau ein­er rechtssicheren Organ­i­sa­tion­sstruk­tur im Bere­ich der Elek­trotech­nik nach DIN VDE 0105–100 und DIN VDE 1000–10“ (Ens­mann, Euler, Eber; VDE Ver­lag 2016, Schriften­rei­he 135, ISBN 978–3–8007–4162–5).
  • [9] Zum The­ma der schriftlichen Bestel­lung haben die Ver­fass­er ein sep­a­rates Doku­ment erarbeitet.
  • [10] Siehe hierzu auch Däubler, Wolf­gang – BGB kom­pakt, dtv 2008 – S. 980.
  • [11] Wie in DIN VDE 1000-10 Kap. 5.3 i. V. m. Kap. 5.2 beschrieben.
  • [12] siehe auch Kapi­tel 3.7.6 des Buch­es „Ver­ant­wor­tung und Haf­tung in der Elek­trotech­nik“ (Markus Klar, Hüthig-Ver­lag 2016 ISBN 978–3‑8101–0376‑5) Seite 93 f
  • [13] Siehe DIN VDE 1000-10:2009–01 Anhang A (Erläuterung zu 5.2).
  • [14] Dies darf nicht als Unrichtigkeit­en ver­standen wer­den. Vielmehr soll eine Vorschrift oder Norm eine Vielzahl von Lebenssachver­hal­ten erfassen und „unter einen Hut“ brin­gen. Hier ist also zwangsläu­fig ein höher­er Abstrak­tion­s­grad zugrunde zu legen.
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