Gibt es ihn oder gibt es ihn nicht, den Fachkräftemangel? Während Arbeitsmarktpolitiker Alarm schlagen, sehen manche Wirtschaftsforscher darin nur eine Fata Morgana. Fakt ist: Wirtschaftsunternehmen, Behörden und Unfallversicherungsträgern fällt es schwer, offene Stellen im Arbeitsschutz mit ausreichend qualifizierten Bewerbern zu besetzen. Diese Lücke wird in absehbarer Zeit nicht durch demographische Gegenbewegungen geschlossen. Deshalb setzen Personalchefs auf berufsbegleitende Weiterqualifizierung. Inzwischen entwickeln Universitäten die passenden Angebote zusammen mit den nachfragenden Institutionen und Unternehmen.
Dr. Volker Didier
Neben dem Beruf studieren
Im April 2011 hält auf dem Campus des Instituts für Arbeit und Gesundheit (IAG) in Dresden universitäres Leben Einzug. Rund 25 Präventionsexperten aus Unternehmen und der gesetzlichen Unfallversicherung haben für ein zweijähriges Studium „Management Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit M.Sc.“ Interesse bekundet. In vier Semestern mit insgesamt zwölf Modulen vertiefen die Studierenden ihr bereits vorhandenes Fachwissen über die Zusammenhänge von Wirtschaft, Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit (siehe Tabelle). Am Ende steht die Graduierung zum „Master of Science“ – der im Zuge der Bologna-Reform den Diplomingenieur abgelöst hat. Mit diesem Abschluss erwirbt man sogar das Recht zur Promotion. Der auffälligste Unterschied zum „klassischen“ Universitätsstudium ist aber ein anderer. Alle absolvieren die Vorlesungen und Prüfungen neben einer regulären Berufstätigkeit und wissen: Das ist nur zu schaffen, wenn man klar auf ein berufliches Ziel fixiert ist und zwei Jahre lang auf einen großen Teil seiner Freizeit verzichtet. Immerhin stehen dann ein- bis zweimal im Monat von Mittwoch bis Samstag Vorlesungen in Dresden auf dem Programm.
Initiative der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen
Entstanden ist der Studiengang auf Initiative der Mitglieder der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), also der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Mit über 3000 speziell ausgebildeten Aufsichtspersonen und Spezialisten für die Prävention von Arbeitsunfällen und beruflich bedingten Erkrankungen haben diese Organisationen großes Interesse an Spitzenqualifikationen im Arbeitsschutz. Deshalb wurde das Dresdner Institut für Arbeit und Gesundheit zunächst mit einer Vorstudie beauftragt. Es galt herauszufinden,
- mit welchen Qualifizierungsinstrumenten der berufliche Aufstieg ermöglicht und die gezielte Förderung von Führungsnachwuchs betrieben werden kann,
- wie die Attraktivität einer Laufbahn im Arbeitsschutz für akademisch qualifizierten Nachwuchs gesteigert werden kann und
- wie der Bedarf der Wirtschaft an Spitzenqualifikationen im Arbeitschutz unterstützt werden kann.
In die Studie sind die Erkenntnisse und Wünsche von Führungskräften, Personalentwicklern und Fachverbänden ebenso eingegangen wie Untersuchungsergebnisse zu gegenwärtigen und künftigen Berufsbildern in der Prävention. Das Ergebnis war, dass dem mittleren Bereich (z.B. mit der Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit) kaum höhere Qualifikationsmöglichkeiten mit dem unmittelbaren Fokus auf Sicherheit und Gesundheit in der Arbeitswelt gegenüber stehen. Die Studie befasste sich auch mit Umsetzungsmöglichkeiten und kam zu dem Schluss, dass die Ziele der DGUV-Initiative am besten in Zusammenarbeit mit einer renommierten Hochschule zu erreichen sind.
Partner aus Wirtschaft und Verwaltung kooperieren
Das Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV in Dresden bietet mit seinen Praxislabors und seiner großzügigen Infrastruktur ideale Voraussetzungen für den Studienbetrieb. Zugleich gilt die sächsische Hochschullandschaft heute in Qualität und Quantität als Deutschlands Ingenieurschmiede Nummer eins, was die neueste Bildungsstudie 2010 der arbeitgebernahen „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ jüngst wieder bestätigt hat. In diesem anspruchsvollen Umfeld hat sich in den vergangenen Jahren die private Dresden International University (DIU) einen besonderen Namen gemacht, indem sie innovative und stark nachgefragte Studiengänge zur Weiterqualifikation für Bewerber mit akademischer Vorbildung aufgelegt hat. Die DIU ist eng mit der Technischen Universität Dresden verbunden und kooperiert mit dieser in Lehre und Forschung.
Im Oktober 2010 wurde die Kooperation zwischen DGUV und DIU in Form einer Vereinbarung schriftlich besiegelt. Darin erhielt das IAG den Auftrag, das Projekt im Auftrag der Unfallversicherungsträger zu führen und den Studiengang gemeinsam mit der Universität an den Start zu bringen.
Für eine private Hochschule bedeutet die Entwicklung eines neuen Studiengangs neben der fachlichen Herausforderung regelmäßig auch ein hohes wirtschaftliches Risiko. Dieses lässt sich am besten begrenzen, wenn dem Angebot eine gründliche Bedarfsermittlung vorausgeht und eine ständige Verbindung zu potenziellen Auftraggebern gehalten wird. Zur Entwicklung und Begleitung des Studiums hat die DIU deshalb einen Fachbeirat berufen, dem Vertreter großer Wirtschaftsunternehmen, der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und der Fachverbände angehören. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Martin Schmauder, Arbeitswissenschaftler an der TU Dresden, haben die Beteiligten die Studiendokumente planmäßig im Dezember 2010 fertig gestellt und beim Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst eingereicht.
Ziele des Studiums
Das Masterstudium eignet sich als eine Personalentwicklungsmaßnahme für ausgewählten Führungsnachwuchs in der Prävention. Es ist für Mitarbeiter der Unfallversicherungsträger, des öffentlichen Dienstes und der gewerblichen Wirtschaft geeignet. Gegenüber den klassischen Ausbildungen (Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger und der staatlichen Arbeitsschutzverwaltung, Fachkräfte für Arbeitssicherheit) wird ein höheres fachlich-wissenschaftliches Niveau erreicht, inhaltliche Überschneidungen werden vermieden. Das Studium vermittelt Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen auf Niveau 7 im Sinne des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR). Die erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen sind eine gute Grundlage, Führungsaufgaben in den Präventionsabteilungen der Unfallversicherungsträger, in überbetrieblichen arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Diensten, der staatlichen Arbeitsschutzverwaltung sowie in vergleichbaren Abteilungen von Betrieben zu übernehmen. Das Studium ist interdisziplinär ausgerichtet. Es werden teilnehmeraktivierende Lehrmethoden wie z. B. Fallstudien und Referate eingesetzt.
Die Studierenden erwerben spezialisiertes Wissen auf dem Gebiet der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Sie erhalten insbesondere umfassende Kenntnisse über den Zusammenhang zwischen technischen und sozialen Arbeitsbedingungen, Unfall- und Gesundheitsrisiken und deren wirtschaftlichen Auswirkungen. Sie lernen den Stand der Technik und der Wissenschaft, der Organisations- und Führungslehre und der nationalen und internationalen rechtlichen Standards kennen. Sie erlangen Kenntnisse zu Forschungsmethoden, zu den Methoden der Personalführung und zur Organisationsentwicklung. Als Absolventen beherrschen sie die Zusammenstellung und Leitung großer, auch internationaler Teams und können diese im Sinne der Unternehmens- bzw. Organisationsziele motivieren.
Zulassungsvoraussetzungen und Studienordnung
Für den Hochschulzugang gelten die Regelungen des § 17 SächsHSG. Interessenten müssen sich bei der DIU schriftlich mit den Bewerbungsunterlagen bewerben. Zum Studium im Masterstudiengang „Management Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit M.Sc.” kann zugelassen werden, wer
- einen ersten berufsqualifizierenden Fachhochschul- oder Hochschulabschluss im Rahmen eines in der Regel vierjährigen Studiums in der Bundesrepublik Deutschland (gleichwertig zu 240 Leistungspunkten) vorzugsweise auf dem Gebiet der Natur- und Ingenieurwissenschaften
- sowie zusätzlich eine staatlich anerkannte Qualifizierung im Arbeitsschutz oder einen zu 240 Leistungspunkten gleichwertigen Abschluss auf diesen Gebieten an einer ausländischen Bildungseinrichtung oder äquivalente Leistungen aus verschiedenen Studienrichtungen vorweisen kann, die die Kompetenzen und Fähigkeiten beinhalten, die Fragen des Arbeitsschutzes reflektieren und dazu
- mindestens einjährige Berufspraxis mit Bezug zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit nachweisen kann.
Die Qualifikation einer Aufsichtsperson der gesetzlichen Unfallversicherung oder der staatlichen Arbeitsschutzaufsicht, einer Fachkraft für Arbeitssicherheit oder eines Facharztes für Arbeitsmedizin gilt als zusätzliche Qualifizierung im Sinne dieses Absatzes.
Für Bewerber, die nicht über die entsprechende Zusatzqualifikation verfügen, bietet die DIU die Möglichkeit, andere Tätigkeitsnachweise zur Begutachtung einzureichen bzw. ein Äquivalent von 60 ECTS-Punkten in einem Vorbereitungskurs zu erwerben. Näheres dazu steht in der Prüfungsordnung.
Der Studienablaufplan der Module des Masterstudiums umfasst Lehrveranstaltungen im Umfang von 525 Präsenzstunden. Eine Präsenzstunde entspricht 60 Minuten Lehre. Die Gesamtzahl der durch das Studium zu erzielenden ECTS-Punkte beträgt unter Einbeziehung der Masterarbeit 60 ECTS. Entsprechend der Prüfungsordnung kann die Masterarbeit begonnen werden, wenn mindestens 35 der in den Modulen erwerbbaren 45 Leistungspunkte erworben wurden.
Das Studium ist gebührenfinanziert und kostet pro Semester 3.750,- Euro. Studieninteressenten sollten sich zweckmäßigerweise mit ihrem Arbeitgeber über Zuschuss- und Fördermöglichkeit verständigen. Das Einvernehmen mit dem Arbeitgeber über die Studienpläne ist ohnehin von Vorteil, wenn für das Studium für einige Tage pro Monat Freistellung von der regulären Arbeitszeit erforderlich wird. Hinzu gerechnet werden muss, je nach Wohnort, ein nicht unerheblicher Aufwand für Reise und Unterbringung am Studienort. Die Praxis zeigt, dass bei qualitativ hochwertigen Bildungsangeboten auch Privatbanken zu einer Kreditfinanzierung der Studiengebühren bereit sind – nicht zuletzt aufgrund der Erfahrung, dass sich eine Investition in Bildung schnell und sicher amortisiert.
Studieninformationen unter:
Autor
Dr. Volker Didier
Projektleitung IAG
E‑Mail: volker.didier@dguv.de
Der Autor ist Projektleiter des IAG und Mitglied der Zulassungskommission für den Masterstudiengang. Hauptberuflich leitet er die Bereiche Bildungsmarketing und Qualifizierung für Personal der Unfallversicherungsträger am IAG.
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