Schutzhandschuhe sollen den Anwender vor definierten Gefahren, wie Chemikalien oder auch Schnitten, Hitze oder Kälte, schützen. Leider wird immer wieder kommuniziert, dass Handschuhe gesundheitsschädliche Stoffe enthalten oder Allergien verursachen können. Dies führt natürlich zu Verunsicherungen bei den Anwendern. Der Autor möchte zu einer Versachlichung und Aufklärung beitragen.
Herrn Frank Zuther Skagerrakstr. 72 46149 Oberhausen
Für die Produktion von Schutzhandschuhen sind Chemikalien notwendig. Leder kann beispielsweise nur dann hergestellt werden, wenn es mit Chemikalien gegerbt wurde. Elastomere benötigen Vulkanisationsbeschleuniger, Alterungsschutzstoffe, Farbpigmente etc., und Thermoplaste, wie beispielsweise Vinyl (PVC), enthalten Weichmacher. Die Verwendung von Chemikalien in Produktionsprozessen oder das ausschließliche Vorhandensein eines Stoffes in einem Produkt reicht jedoch für eine Bewertung der Schädlichkeit nicht aus! Eine Schädigung kann nur dann stattfinden, wenn gewisse Stoffe unter bestimmungsgemäßer Verwendung in ausreichender Menge aus dem Handschuhmaterial freigesetzt und über die Haut in den Körper aufgenommen werden.
Welche Inhaltsstoffe spielen eine Rolle?
Schutzhandschuhe müssen für die Anwender entsprechend der Gesetzgebung sicher sein. Experten haben dies als Forderung in der DIN EN 420 (Schutzhandschuhe – Allgemeine Anforderungen und Prüfverfahren) präzisiert. Danach dürfen sich Handschuhmaterial, Zersetzungsprodukte, enthaltene Substanzen, Nähte und Kanten und vor allem solche Teile des Handschuhs, die in engem Kontakt mit dem Anwender stehen, nicht nachteilig auf die Gesundheit und Hygiene des Benutzers auswirken. Zudem muss der Hersteller oder sein autorisierter Repräsentant alle im Handschuh enthaltenen Substanzen angeben, die bekannt sind, Allergien zu verursachen. Eine Liste der im Handschuh enthaltenen Substanzen oder eine Liste der Materialien für die Herstellung des Handschuhs muss laut DIN EN 420, Punkt 7.3.8 auf Nachfrage zur Verfügung stehen. Kann der Hersteller keine Angaben zu derartigen Inhaltsstoffen treffen, sollte der Handschuh nicht zum Einsatz kommen!
Inhaltsstoffe in Elastomeren
Die TRGS 401 verweist auf die Problematik des erhöhten Allergierisikos bei Anwendung von „Gummihandschuhen“. Als Allergene werden Akzeleratoren (Thiurame, Benzothiazole, Dithiocarbamate etc.) und Naturlatex angegeben.
Tatsächlich können gewisse Zusatzstoffe in Handschuhen Allergien hervorrufen. Dazu zählen neben gewissen Naturlatexproteinen die in Tab. 1 aufgeführten Substanzen. Handschuhe aus Naturlatex können unter bestimmten Voraussetzungen Allergien hervorrufen. Nur wenige Latexproteine (wasserlösliche) wirken sensibilisierend. Weiterhin ist eine dermale Aufnahme von Naturlatexproteinen nur dann möglich, wenn die Hautbarriere geschädigt ist. Das große Latexprotein-Molekül kann die intakte Hautbarriere nicht passieren.
Latexproteine gelangen überwiegend über die Atemwege in den Körper, zum Beispiel bei der Verwendung gepuderter Latexhandschuhe, bei denen das Allergen an den Puder gebunden ist. In der TRGS 401 „Gefährdung durch Hautkontakt“ wird daher der Proteingehalt auf 30 μg/g pro Handschuh begrenzt.
Eine Sensibilisierung gegenüber Latexproteinen ist heute aufgrund der Bemühungen seitens der Unfallversicherungsträger, aber auch der Hersteller von Schutzhandschuhen, die entsprechend reagiert haben, vergleichsweise selten. Abb. 3 zeigt die häufigsten Auslöser von Hauterkrankungen im beruflichen Bereich mit Naturkautschuk in einer Häufigkeit von nur 2,8 Prozent der bestätigten Fälle.
Ungepuderte Latexhandschuhe mit einem niedrigen Proteingehalt stellen nach Expertenmeinung bei hautgesunden Anwendern kein Problem mehr dar! Personen, bei denen bereits eine Sensibilisierung gegenüber Naturlatexproteinen besteht, sollten auf andere Handschuhmaterialien, z.B. Nitril, zurückgreifen. Abzulehnen sind Handschuhe aus Naturlatex, die die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllen. Bereits sensibilisierte Personen sollten auf Naturlatexhandschuhe verzichten.
Noch viel seltener sind Unverträglichkeiten auf Akzeleratoren (Abb. 2), wobei sich die Zahlen nicht nur auf Handschuhe, sondern auch auf andere Gummiprodukte, z.B. Schläuche und Reifen beziehen. Das bedeutet: Unverträglichkeiten können auftreten, sind aber selten.
Zwar sollte bei bestehenden Sensibilisierungen auf Handschuhinhaltsstoffe auf Produkte ausgewichen werden, die das Allergen nicht enthalten. Jedoch hat sich in der Praxis schon oft gezeigt, dass selbst bei bestehender Sensibilisierung (z.B. auf Dithiocarbamate) qualitativ hochwertige Handschuhe, die diesen Stoff als Akzelerator nutzen, gut vertragen werden, da er in gebundener Form vorliegt und nicht herausgelöst werden kann.
Schutzhandschuhe aus Vinyl
Bekannt ist die Problematik der Löslichkeit von Weichmachern aus dem Thermoplast Vinyl (PVC). Ein Vinylhandschuh enthält bis zu 55 Prozent Weichmacher, da diese erst die notwendige Dehnbarkeit, Weichheit und Biegsamkeit des Materials ermöglichen. Oft werden dazu toxische Phthalate eingesetzt. Sie können bis zu 35 Prozent im Handschuh enthalten sein!
Weichmacher können leicht, z.B. durch Fette oder Lösungsmittel, aus dem Handschuhmaterial herausgelöst werden. Der Handschuh reagiert mit einer Materialverhärtung und drastisch verringerter mechanischer Belastbarkeit als Resultat einer Degradation. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Schutzhandschuh reißt, ist hoch.
Im Lebensmittelbereich wird von dem Umgang mit Vinylhandschuhen abgeraten, sofern der Hersteller keine anderen Angaben trifft. Denn: werden sie beim Umgang mit fetthaltigen Lebensmitteln getragen, so können sich die Weichmacher in den Lebensmitteln anreichern und über die Nahrung in den Körper gelangen. Wegen ihrer teilweise hohen Toxizität können sie damit eine latente Gesundheitsgefahr darstellen.
Dieses ist ein Beispiel dafür, dass Schutzhandschuhe generell nur in geeigneter Umgebung eingesetzt werden dürfen.
Schutzhandschuhe aus Leder
Lederhandschuhe sind in der Arbeitswelt nicht wegzudenken. Leder ist atmungsaktiv und hat durch sein dreidimensionales Fasergeflecht eine große innere Oberfläche, so dass relativ große Mengen an Feuchtigkeit aufgenommen werden können. Trotz vieler weiterer Vorteile dieses Naturproduktes kommen immer wieder Diskussionen zum Einsatz chromgegerbter Handschuhe auf – hauptsächlich wegen einer möglichen Toxizität des Gerbstoffs Chrom. Daneben wird über Allergien berichtet, die mit Chrom-(VI) in Zusammenhang stehen sollen.
Chromsalze sind abhängig von ihrer Wertigkeitsstufe in unterschiedlichem Maße toxisch. So ist die Toxizität von Chrom-(III)-Salzen vergleichbar mit herkömmlichem Speisesalz. Chrom-(VI)-Verbindungen wirken jedoch in hohem Maße toxisch und können nach Sensibilisierung auch schwerwiegende Allergien hervorrufen. Gerbwirksam ist nur Chrom-(III).
Chrom-(III) und Chrom-(VI) stehen in einem chemischen Gleichgewicht, das in hohem Maße abhängig ist vom pH-Wert. Im alkalischen Medium können sich in sehr geringen Konzentrationen Chrom-(VI)-Ionen bilden, welche im neutralen bis sauren Bereich wieder in die Wertigkeitsstufe III übergehen. Es ist denkbar, dass ein mit Chrom-(III)-Salzen gegerbter Handschuh bei Kontakt mit alkalischen Lösungen Chrom-(VI)-Ionen bildet – vorausgesetzt, es liegen überschüssige, nicht gebundene Chrom-(III)-Ionen im Leder vor.
Lederhandschuhe sind für den Einsatz in überwiegend nassen Bereichen (z.B. Bauindustrie – Verarbeitung von Zement) nicht geeignet. Dies ist auch vom Hersteller nicht vorgesehen. Wird in wässriger Umgebung ein Lederhandschuh getragen, so wird das falsche Produkt verwendet. Abhilfe könnten hier ggf. hydrophobierte Lederhandschuhe schaffen.
Diskutiert wird auch die Möglichkeit des Herauslösens von Chrom-(III)-Ionen aus Lederhandschuhen durch Schweiß. Eine Studie der BGFA zeigt eine Abnahme der Chromatkonzentration in künstlichem Schweiß in Abhängigkeit von der Zeit. Je länger sich Chrom-(VI) im sauren Milieu befindet, umso geringer wird sein Anteil. Das steht im Gegensatz zu bisherigen Thesen und unterstützt die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur pH-Abhängigkeit des Redoxgleichgewichtes Cr-(III)/Cr-(VI).
Wie dieselbe Studie zeigt, beträgt die Mobilisierbarkeit von Chromat aus chromathaltigen Lederhandschuhen unter Tragebedingungen aus künstlichem Schweiß bei pH 5,5 im Durchschnitt nur 10 Prozent. Das bedeutet: Wenn nach dem normentsprechenden Prüfverfahren nach zwei Stunden alkalischer Extraktion 10 ppm Chrom-(VI) gefunden werden, werden nach der gleichen Zeit des Handschuhtragens selbst bei starkem Schwitzen nur 1 ppm herausgelöst.
Der Gerbprozess ist ohne chemische Zusatzstoffe leider nicht durchführbar – auch andere Gerbverfahren bringen Nachteile. Der Gehalt an Chrom-VI muss bei der Bestimmung nach dem Prüfverfahren gemäß EN ISO 17075 unter 3,0 mg/kg liegen.
Vergessen wird oft, dass minderwertige Lederqualitäten auch andere Schadstoffe beinhalten können. So muss das Leder zur Gewährleistung der Sicherheit von Mensch und Produkt durch Konservierungsstoffe haltbar gemacht werden. Das Fungizid Pentachlorphenol (PCP) darf gemäss der PCP-Verordnung max. 5 mg/kg betragen. Auch für andere Chlorphenole oder Kresole sind Grenzwerte in Leder und Textilien fixiert. Weiterhin dürfen entsprechend der 3. Verordnung zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung vom 16.12.94 keine Azo-Farbstoffe, die sich in krebserzeugende Amine aufspalten können, enthalten sein. Der Qualitätsgedanke spielt im Falle von Lederhandschuhen daher eine besonders wichtige Rolle.
Grenzwerte: Die Menge macht das Gift!
Ob eine Substanz auf den menschlichen Organismus schädlich wirkt oder nicht, ist in hohem Maße abhängig von der Konzentration und der Art der Aufnahme. Für den Umgang mit Gefahrstoffen werden daher Arbeitsplatzgrenzwerte festgelegt (AGW, siehe TRGS 900). Bei einem AGW handelt es sich um die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz in Bezug auf einen gegebenen Referenzzeitraum. Der AGW gibt an, bei welcher Konzentration eines Stoffes akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen nicht zu erwarten sind (§ 3 Abs. 6 GefStoffV). Er wird angegeben in ml/m³ (ppm) oder mg/m³.
Auch in populistischen Verbrauchermagazinen erscheinen regelmäßig Ergebnisse von Schadstoffprüfungen in Handschuhen. Dabei werden oft Grenzwerte zugrunde gelegt, die kritisch hinterfragt werden sollten, da es nur wenige Fakten aus geeigneten Prüfverfahren von tatsächlichen Experten gibt. Aufgrund der Unerfahrenheit bezüglich der Freisetzung aus Produkten und dem Ausmaß einer Hautresorption ist es fraglich, welche Relevanz die Ergebnisse derartiger Prüfungen für den Menschen beim Tragen von Handschuhen haben.
In der Praxis kommt es nicht darauf an, wie viel einer Substanz im Handschuh enthalten ist (Gesamtmenge), sondern welche Menge beim Tragen von Handschuhen freigesetzt werden kann. Denn nur diese Menge kann ggf. schädlich wirken. Leider werden oft gezielt Prüfverfahren angewendet, die einerseits durch extreme Bedingungen selbst fest gebundene Stoffe aus dem Handschuh herauslösen oder durch die sich andererseits die tatsächlich enthaltenen Mengen nicht feststellen lassen – eine leider oft bestätigte Wahrheit.
Zur Bestimmung von Chemikalien sollten keine Prüfverfahren verwendet werden, die fern jeglicher Realität sind und mit der Praxis nichts gemeinsam haben. „Detektion“ ist keineswegs gleichbedeutend mit gesundheitlicher Schädigung!
Zudem muss beachtet werden, dass im Falle von Schutzhandschuhen ein „Luftgrenzwert“ nicht relevant ist. Vielmehr spielt dabei die dermale Aufnahme von Stoffen eine Rolle. Dabei gilt zu beachten, dass die gesunde Haut eine wirksame Barriere gegen viele Substanzen bildet. Ob ein Stoff über die Haut aufgenommen wird oder nicht, ist dabei von vielen Faktoren, wie dem Löslichkeitsverhalten und der Molekülgröße, abhängig.
Es gibt unterschiedliche Prüfsiegel, wie Textiles Vertrauen (Öko-Tex Standard 100), SG-Schadstoffgeprüft, TÜV-GS oder das Prüfsiegel der Gerberschule Reutlingen, die entsprechende Schadstoffprüfungen für Persönliche Schutzausrüstungen durchführen. Hier sind Grenzwerte und Prüfverfahren definiert, mit denen die Produktsicherheit auch für Kategorie-II-Handschuhe gegeben ist. Viele dieser Untersuchungen machen Sinn, wenn die Produkte in unabhängigen Prüfinstituten regelmäßig durchgeführt werden. Fragen Sie nach den Herstellerzertifikaten! Hintergründe dazu werden in einer weiteren Publikation vermittelt.
Fazit
Schutzhandschuhe schützen vor Verletzungen und Erkrankungen. Wichtig ist dabei die Auswahl des geeigneten Produktes in guter Qualität. Einen qualitativ guten Handschuh erkennt man ebenso, wie ein hochwertiges Kleidungsstück, z.B. an
- korrekter Kennzeichnung auf dem Handschuh, der Verpackung und der Herstellerinformation
- guter Verarbeitung (z.B. Nähte, gleichmäßige Beschichtung / Tauchung)
- guter Passform und exzellentem Sitz
- Vorhandensein verschiedener Größen
- Vorhandensein der Benutzerinformation
- Gütesiegel (z.B. SG, GS, Öko-Tex Standard 100) bei Kat.-II-Handschuhen
Fragen zu Handschuhinhaltsstoffen, Gefährdungsbeurteilung und Handschuhempfehlungen beantwortet die AG Handschuhinhaltsstoffe des Bundesverbandes Handschutz (BVH) e.V. gerne unter:
E‑Mail: handschuhinhaltsstoffe@bvh.de
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