Der Arbeits- und Gesundheitsschutz einschließlich der Förderung von Gesundheit in Unternehmen und Organisationen wird unter anderem aufgrund des Demographischen Wandels, dem Fach- und Führungskräftemangel, der Zunahme von Erkrankungen sowie der Digitalisierung und Beschleunigung der Arbeits- und Freizeitwelt immer wichtiger. Die effektivste Form, Themen in Organisationen zu managen, ist das Implementieren, regelmäßige Auditieren und ständige Verbessern (KVP) von zuvor definierten Aufbaustrukturen und Prozessen, in Form von Managementsystemen. Dies gilt für Qualität, Umwelt und Energie ebenso, wie für Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit.
Dr. Christian Weigl
Arbeitsschutzmanagementsysteme
Schon 1999 wurde die BS OHSAS 18001 von der British Standards Institution (BSI) entwickelt und 2007 revidiert. Die BS OHSAS 18001 gilt mittlerweile als internationaler Standard. Nach ihm ließen sich zahlreiche Unternehmen und Organisationen zertifizieren, um den Nachweis zu erbringen, in Besitz eines wirksamen und effektiven Arbeitsschutzmanagementsystems zu sein.
Daneben gibt es internationale Leitfäden wie die ILO-OSH (Internationalen Labour Organisation) sowie die SCC (Safety Certifikat Contraktoren). Natio-nal existieren wiederum Standards wie OHRIS (Occupational Health and Risk Managementsystem) oder ASCA (Arbeitsschutz und Sicherheitstechnischer Check in Anlagen) sowie branchenspezifische Arbeitsschutzmanagementsysteme wie zum Beispiel MAAS-BGW oder „Mit System zu Erfolg“, herausgegeben von den Berufsgenossenschaften (siehe Tabelle 1 auf Seite 16).
Die Entwicklung der ISO 45001
Im März 2013 reichte die BSI bei der ISO (International Organisation for Standardisation) einen Vorschlag zur Erarbeitung einer internationalen Arbeitsschutz-Norm auf Basis der BS OHSAS 18001 ein. Im Juli 2013 wurde dieser Vorschlag von den ISO-Mitgliedern mehrheitlich angenommen. Das Projektkomitee ISO/PC 283 entwickelte im Oktober 2013 einen Arbeitsentwurf, in dem unter anderem die Namensgebung (ISO 45001) beschlossen wurde. Als Rahmen für die Erarbeitung der ISO 45001 diente die High Level Structure (HLS, überge-ordnete Struktur, die die Grundlage für eine Managementnorm liefert), um die Integration des Arbeitsschutzmanage-mentsystems (AMS) in andere Managementsysteme wie zum Beispiel Qualität, Energie und Umwelt zu ermöglichen.
Das zur ISO/PC 283 gegründete Spiegelgremium in Deutschland (NA AA 175 00–02) entwickelte parallel zu anderen Gremien Kommentare, die in den weiteren Sitzungen des ISO/PC 283 berücksichtigt wurden. Im Juli 2014 wurde der erste Entwurf für das Komitee, welcher sich unter anderem aus dem Arbeitsentwurf (Working Draft) ergab, bekannt gegeben. Im Februar 2015 folgte der zweite. Die relativ langen Bearbeitungszeiten ergaben sich, da unter den mitwirkenden Akteuren differenzierte Sichtweisen zu Begrifflichkeiten wie zum Beispiel „Well-being“ oder „Wellness“ aufkamen.
Seit November 2015 liegt ein Entwurf für die Norm vor, der bis Herbst 2016 als ISO 45001:2016 veröffentlich werden soll, vorausgesetzt es wird kein endgültiger Entwurf für die Norm mehr erstellt.
Inhalte der ISO 45001
Folgende Neuerungen und Spezifizierungen sind nach dem zweiten Entwurf für das Komitee in der ISO 45001 festgelegt:
- Definitionen zu Begriffen, wie zum Beispiel „Gefährdungen“, „Risiken“, „Arbeitnehmer/innen“ und „Vorfall“ sind festgelegt.
- Dem Kontext der Organisation wird mehr Beachtung geschenkt und in den wesentlichen Kriterien des Managementsystems berücksichtig (Politik, Ziele, Prozesse, Aufbauorganisation). Insbesondere gilt dies bei Veränderungen des Marktes (z.B. Kundenanforderun-gen) oder der Produktionsprozesse (z.B. verändertes Material).
- Die oberste Führung muss Verantwortung und Engagement im Arbeits- und Gesundheitsschutz tragen und ihre Führungskräfte ausreichend einbinden. Das Bewusstsein der Führungskräfte hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes muss gestärkt werden.
- Nicht nur Risiken werden ermittelt und bewertet, sondern auch Chancen für mehr Sicherheit und Gesundheit identifiziert und gefördert. Arbeitsbelastungen sind nicht per se ungesund für alle Beschäf-tigten. Es existieren auch gesundheitsfördernde Faktoren.
- Alle Beteiligten im und außerhalb des Unternehmens, wie zum Beispiel Leiharbeitnehmer, werden berücksichtigt. Das Unternehmen kann sein Risiko nicht einfach auslagern.
- Alle psychischen und physischen Gefährdungen und Belastung werden identifiziert und bewertet.
- Systematische Gefahrenermittlung, Risikobestimmung, Planung, Steuerung und Definition von Maßnah-men sind notwendig, um Gefahren zu vermeiden beziehungsweise zu verringern. Gleichzeitig sind Ermit-tlung, Planung und Steuerung zur Erhöhung der Chancen und somit der Gesundheit durchzuführen.
- Neben dem systematischen Bear-beiten von Verbesserungsmaßnahmen muss auch die Effektivität des Managementsystems ständig überprüft werden.
- Die Bewusstseinsbildung bei allen Akteuren erhält höhere Relevanz und geht über Schulungen und Unterweisungen hinaus (siehe Punkt 3, Politik + Ziele).
- Die Beteiligung der Arbeitnehmer/innen und Arbeitnehmervertreter wird berücksichtigt.
- Für interne Audits wird auf die DIN EN ISO 19011:2013 verwiesen.
- Die Anforderungen an die ISO 45001 sind gesetzliche und ergänzende Bestimmungen.
- Das Wissen der Organisation hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes wird berücksichtigt.
- Die Integration des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in alle Prozesse des Unternehmens ist notwendig. So werden auch „nicht gesundheits- und arbeitsschutzspezifische“ Prozesse, wie zum Beispiel Beschaffung, berücksichtigt (siehe Abbildung 1).
Schnittmengen zwischen der DIN SPEC 91020 und der ISO 45001
Die ISO 45001 hat aufgrund des High Level Structure große Nähe zu anderen Managementsystemen, wie zum Beispiel Qualität, Energie und Umwelt, aber auch zur DIN SPEC 91020 (siehe Tabelle 2 ab Seite 18). Schnittmengen zwischen der DIN SPEC 91020 und der ISO 45001 sind an folgenden Punkten gegeben:
- Nicht nur Risiken, sondern auch Chancen für mehr Sicherheit und Gesundheit werden ermittelt und bewertet. Chancen für mehr Gesundheit können salutogene Faktoren, wie zum Beispiel die Verstehbarkeit von betrieblichen Zusammenhängen, sein.
- Gefährdungen psychischer Faktoren werden, wie auch andere Faktoren, ermittelt und bewertet.
Hier ist die Nähe und insbesondere die Integrationsmöglichkeit der DIN SPEC 91020 in die ISO 45001 deutlich erkennbar. Es ist gelungen, den traditionellen Arbeitsschutz und das betrieb-liche Gesundheitsmanagement in der ISO 45001 zusammenzuführen. Diese Themen werden in der Norm auch als zusammengehörig betrachtet. Die teilweise irrtümliche Trennung ist zumindest in der Norm Vergangenheit. Dies gilt nicht nur für Risiken bei Sicherheit und Gesundheit, sondern auch für Chancen, also mögliche salutogene Faktoren. Die Frage, ob mit der ISO 45001 die DIN SPEC 91020 obsolet erscheint, drängt sich auf. Man sieht jedoch auch bei anderen Managementsystemen wie zum Beispiel Energie- und Umweltmanagement Koexistenzen. Dies erscheint bei der DIN SPEC 91020 und der ISO 45001 ebenfalls möglich.
Tab. 1: Überblick über verschiedene Arbeitsschutzmanagementsysteme
Umstellung von der OHSAS 18001 auf die ISO 45001
Unternehmen, die die Zertifizierung nach 45001 anstreben, aber bereits ein zertifiziertes System nach BS OHSAS 18001 vorweisen können, sollten ihre Prozesse und Aufbaustrukturen noch einmal überprüfen und mögliche Lücken schließen. Nur dann kann eine erfolgreiche Zertifizierung nach ISO 45001 gewährleistet werden.
Nach Inkrafttreten der ISO 45001 werden die internationalen und nationalen Akkreditierungsstellen, nach vorherge-hender Abstimmung, das Außerkrafttreten der BS OHSAS 18001 beschließen. Eine Übergangsfrist wird hierbei sicherlich berücksichtigt, um einen reibungslosen Umstieg zu ermöglichen.
Abb. 1: Integration des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in den Prozess „Beschaffung“
Weitere Informationen zur ISO 45001
- Informationshilfen zur ISO 45001 erhalten Sie in dem Annex A. Diesen können Sie über den Beuth Verlag erwerben.
- Weitere Informationen zur ISO 45001 und DIN SPEC 91020 erhalten Sie unter www.gesundheitsmanagement.com
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