Der erste Teil dieses Artikels (Sicherheitsingenieur 10/2016) behandelte Probleme, die durch die von nichtlinearen elektronischen Verbrauchern hervorgerufenen Oberschwingungen entstehen können. Solche Verbraucher weisen aber oft noch andere problematische Eigenschaften auf: Ableitströme durch elektronische Beschaltungen, die über den Schutzleiter abgeführt werden und die zu Strömen an solchen Stellen führen, an denen sie eigentlich weder erwartet noch erwünscht sind. Diese und andere Probleme führen zu der Frage, wie die elektrischen Netze der Zukunft gestaltet werden können. Weiterhin soll in diesem Teil des Artikels auch ein besonderes Augenmerk auf die Qualifikation der Elektrofachkräfte und ihre notwendige Ausstattung gelegt werden.
„Ein heute gekaufter Computer ist morgen bereits veraltet!“ – Diese Behauptung ist sicherlich etwas überspitzt, trifft aber im Kern das Thema: Um wettbewerbsfähig bleiben zu können, muss gerade in der IT-Technologie in immer kürzeren Abständen technisch nachgerüstet werden. Dabei ist in der Regel vorrangig die Rechenleistung und Speicherkapazität von Interesse. Oder war je die Höhe des durch einen elektronischen Verbraucher verursachten Ableitstroms ein Kaufargument? Das Angebot neuer Technologien im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsdruck führte jedoch nach Ansicht des Verfassers in den letzten Jahren allgemein zu einer gewissen Unbedarftheit gegenüber der Anwendung dieser Technologien. Solange sie sicher funktionieren, ist die Welt der Anwender doch in Ordnung, oder?
Leider ist dem nicht unbedingt so, denn die bestehenden Stromversorgungsnetze werden üblicherweise nicht in dem Maße ertüchtigt, wie es für den Betrieb neuer Verbraucher mit geändertem Betriebsverhalten eigentlich notwendig wäre. Anders ausgedrückt: Die Vorbehaltlosigkeit führt zu „neuen Lasten in alten Netzen“ (Quelle: Deutsches Kupferinstitut, Düsseldorf).
Die Probleme bedingen sich dabei gegenseitig. Einhergehend mit der zunehmenden Verbreitung elektronischer Verbraucher mehrten sich auch die Probleme durch elektromagnetische Unverträglichkeit. Insbesondere Geräte der Informationstechnologie erwiesen sich durch den Umstieg von Analog- auf Digitaltechnik als besonders störanfällig. Der Trend zur Miniaturisierung bewirkt aber, dass auch kleinste Ströme bereits elektromagnetische Felder hervorrufen, welche die Funktion benachbarter Bauteile beeinflussen.
Als Reaktion auf diese Entwicklungen wurde die europäische EMV-Richtlinie erlassen, welche durch das „Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln“ (EMVG) in nationales Recht umgesetzt wurde. Seitdem müssen Elektrogeräte nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik so entworfen und gefertigt sein, dass die von ihnen verursachten elektromagnetischen Störungen kein Niveau erreichen können, bei dem ein Betrieb anderer Geräte nicht mehr möglich ist. Auch müssen die Geräte selbst gegen die zu erwartenden elektromagnetischen Störungen hinreichend unempfindlich ausgelegt sein, um ohne unzumutbare Beeinträchtigung arbeiten zu können.
Um diese Anforderungen erfüllen zu können, werden heute elektrische Verbraucher mit Filterbeschaltungen versehen. Diese und andere elektronische Baugruppen verursachen jedoch Ströme, die oft über den Schutzleiter abgeführt werden. Leider ist aber gerade das in Deutschland sehr weit verbreitete TN-Netzsystem hierfür nicht unbedingt ausgelegt, wie die nachfolgenden Erläuterungen aufzeigen sollen.
Das TN-System
Strom fließt nur in einem geschlossenen Stromkreis. Diese einfache Grundregel gilt auch für den Fehlerfall. Um eine Sicherung im Falle eines Falles möglichst schnell und zuverlässig zur Auslösung bringen zu können, muss im TN-Netzsystem eine dauerhaft gut leitfähige Verbindung zum Erdpotenzial bestehen. Der Fehlerstrom soll hierbei möglichst schnell so hohe Werte annehmen, dass die Sicherung kurzfristig auslösen kann. Nebenbei kann durch diese Maßnahme auch die sich einstellende Berührungsspannung in ihrer Höhe beschränkt werden.
In einem TN-Netzsystem sind die aktiven Leiter des speisenden elektrischen Netzes in der Regel über den Sternpunkt des Transformators direkt mit dem Erdpotenzial verbunden, während die angeschlossenen elektrischen Verbraucher auf zwei verschiedene Arten mit diesem Punkt verbunden werden: Im TN-C-System (französich: Terre Neutre Combiné, siehe Abb. 1) erfolgt dies über den PEN-Leiter, welcher die Funktion des Schutzleiters (PE) und des Neutralleiters (N) in sich vereint, während im TN-S-System (französich: Terre Neutre Séparé, siehe Abb. 2) Neutral- und Schutzleiter separat geführt werden.
Abb. 1: TN-C-Netzsystem
Abb. 2: TN-S-Netzsystem
Da die gemeinsame Nutzung der Neutral- und Schutzleiterfunktion in einem PEN-Leiter aus Gründen der Drahtbruchsicherheit erst ab einem Querschnitt von 10 mm² Kupfer beziehungsweise 16 mm² Aluminium zulässig ist, existiert in Gebäuden oftmals auch eine Kombination aus beiden Systemen, das TN-C-S-System (französisch: Terre Neutre Combiné Separé, siehe Abb. 3).
Abb. 3: TN-C-S-Netzsystem
Im TN-C-S-System sind zumeist nur die Endstromkreise mit einem separaten Schutzleiter versehen, während vom Hausanschlusskasten bis zu den Unterverteilungen ein gemeinsamer PEN-Leiter geführt wird, was in früheren Zeiten normalerweise kein Problem darstellte.
Heutzutage sieht die Sache jedoch anders aus.
Im Physikunterricht wird gern der Merksatz „Der Strom ist faul: Er geht immer den Weg des geringsten Widerstands“ genutzt, um zu verdeutlichen, dass zum Beispiel Blitze den kürzesten (also den bestleitfähigen) Weg zum Erdreich nehmen. Durch Merksätze wie diesen verfestigt sich allerdings die allgemeine Vorstellung, dass eine „gute Erdung“ allein schon dafür sorgen würde, dass gegebenenfalls auf geerdeten Leitern fließende Ströme immer unmittelbar unschädlich in die Erde abgeleitet werden.
Diese Vorstellung lässt sich aber nicht unbedingt auf die in der Realität gegebenen Verhältnisse in elektrischen Installationen übertragen: Strom fließt dort, wo eine leitfähige Verbindung zwischen unterschiedlichen Potenzialen besteht. Existieren mehrere leitfähige Verbindungen, teilt sich der Strom entsprechend auf.
Solche Verbindungen bestehen vielerorts in Gebäuden, da leitfähige Bestandteile der Gebäudeinfrastruktur, wie zum Beispiel Wasserleitungen, Lüftungs- und Heizungssysteme, Blitzschutzeinrichtungen, metallische Fassadenelemente und so weiter, über den Potenzialausgleich mit dem PEN-Leiter des einspeisenden Anschlusskabels verbunden sind. Hinzu kommen die geschirmten Datenleitungen von EDV-Geräten und andere für den Betrieb bestimmter Verbraucher notwendige Erdverbindungen.
Inzwischen stellt also ein Gebäude ein komplexes Netzwerk von geerdeten Komponenten dar, was auch gut ist, solange nicht mehr als eine Verbindung zum PEN-Leiter besteht. Diese als „zentraler Erdungspunkt“ (ZEP) bezeichnete Verbindung ist notwendig, da das Hausanschlusskabel üblicherweise nur vieradrig (also mit PEN-Leiter) ausgeführt ist. Durch eine bereits möglichst nah an dem elektrischen Hausanschluss geschaffene Aufteilung des PEN-Leiters in Schutz- und Neutralleiter erhält man das für heutige Anwendungen gut geeignete TN-S-System. In der betrieblichen Realität werden diese Erkenntnisse jedoch noch allzu selten berücksichtigt: Nach wie vor werden bewusst oder unbewusst viele Verbindungen zwischen Schutz- und Neutralleiter geschaffen. Werden dann EDV-Geräte und andere elektronische Verbraucher angeschlossen, die betriebsbedingt (z.B. aufgrund der Filterbeschaltungen) Ströme über den Schutzleiter ableiten, kann dies sehr schnell zu vagabundierenden Streuströmen im gesamten Gebäude führen (siehe Abb. 4 und 5).
Abb. 4: „Sauberes“ TN-S-Netz mit isoliert verlegtem PEN-Leiter ohne vagabundierende Ströme
Abb. 5: Durch vagabundierende Ströme verunreinigtes TN-C-S-Netzsystem
Weil das TN-C-Netzsystem vielerorts nicht mehr den heutigen Anforderungen genügt, spricht man auch gern von der verPENnten Elektroinstallation (Quelle: Karl-Heinz Otto, Sachverständiger). Ähnlich wie bei den bereits im ersten Teil dieses Artikels beschriebenen Oberschwingungsbelastungen können die Folgen vagabundierender Ableitströme sehr vielfältig sein.
Elektromagnetische Störausbreitung
Jeder Stromfluss durch einen elektrischen Leiter bedingt ein Magnetfeld um den Leiter herum. Dies betrifft auch solche Komponenten eines Gebäudes, die eigentlich nicht als elektrische Leiter vorgesehen sind, auf denen jedoch vagabundierende Ströme fließen können, wie zum Beispiel tragende Stahlstrukturen, Wasserleitungen, Lüftungskanäle, metallische Gebäudefassaden und so weiter. Abhängig von der Stromstärke können sich somit mehr oder weniger starke Magnetfelder im gesamten Gebäude ausbreiten, was sowohl technische Einrichtungen als auch Menschen beeinflussen kann. Auf geerdeten Datenleitungen können schon kleine Ströme zu Fehlfunktionen und Betriebsstörungen (insbesondere Systemabstürze), zur Verlangsamung der Datenübertragung, zu Schreib-/Lesefehlern sowie zu Störungen im Telefonnetz führen.
Außerkraftsetzung von Schutzeinrichtungen
Wechselspannungsstromkreise können durch elektronische Verbraucher auch mit Gleichströmen überlagert werden. Dieses Phänomen tritt heutzutage häufig bei den üblicherweise zur Drehzahlregelung von Maschinen verwendeten Frequenzumrichtern (siehe Abb. 6) auf.
Abb. 6: Frequenzumrichter
Die Versorgungsspannung (ein- oder dreiphasig) wird hierfür zunächst gleichgerichtet und geglättet. Diese Gleichspannung wird dann im Zwischenkreis in „Pakete“ passender Frequenz und Amplitude getaktet und anschließend in einem Wechselrichter wieder in eine Wechselspannung überführt. Insbesondere durch den Gleichspannungszwischenkreis wird der Stromkreis mit Gleichstromanteilen überlagert.
Überlagerte Gleichstromanteile von mehr als 6 mA können jedoch dazu führen, dass die in Fehlerstromschutzschaltern herkömmlicher Bauart (Typ A) enthaltenen Summenstromwandler magnetisch gesättigt werden. Aus Fehlerströmen resultierende Änderungen in der Stärke der Magnetfelder können so nicht mehr detektiert werden, weshalb beim Anschluss von Frequenzumrichtern mit glatten Gleichstromanteilen im Ableitstrom ein allstromsensitiver Fehlerstromschutzschalter (Typ B oder B+) als vorgeschaltete Schutzeinrichtung vorzusehen ist.
Frequenzumrichter müssen nicht zwangsweise auf industrielle Anwendungen beschränkt sein: So teilen zum Beispiel in einigen Fällen Waschmaschinenhersteller in ihren mitgelieferten Unterlagen mit, dass zwingend ein Fehlerstromschutzschalter Typ B (allstromsensitiv) verwendet werden muss, wenn nach lokalen Vorgaben die Installation eines Fehlerstromschutzschalters (RCD) erforderlich sein sollte. Wohl dem, der dies gelesen und gegebenenfalls schon vor der Anschaffung berücksichtigt hat!
Die Berufung auf den oft bemühten Bestandschutz hat in einem solchen Fall wenig Sinn, denn eine notwendige Schutzeinrichtung muss funktionsfähig sein und bleiben.
Beschädigungen empfindlicher Baugruppen
Moderne elektrische Verbraucher mit elektronischen Baugruppen sind im Allgemeinen durch zwei Merkmale gekennzeichnet: Einem Trend zur Miniaturisierung sowie einem möglichst niedrigen Preis. Das bedeutet aber auch, dass oft an der Qualität der Bauelemente gespart wird und dass die notwendigen Trennungsabstände immer geringer werden. Kommen dann noch zusätzliche Belastungen durch von den vorgesehenen Betriebsparametern abweichende Störgrößen hinzu, werden die Grenzen der Belastbarkeit schnell überschritten.
Brandgefahr
Wird der PEN-Leiter aufgrund der im ersten Teil des Artikels beschriebenen Neutralleiterüberlastung unterbrochen, nimmt der Strom die anderen zur Verfügung stehenden Wege: zur Not auch über geerdete Datenleitungen, die für solche Stromstärken natürlich nicht ausgelegt sind. Viel wahrscheinlicher als eine Neutralleiterunterbrechung ist jedoch ein aus der Summe vieler Ableitströme einzelner Verbraucher resultierender Strom. Dabei kann bereits eine relativ kleine Stromstärke von 300 mA im 230V-Netz einen Brand verursachen. Problematisch ist zudem, dass die Strombahnen solcher vagabundierender Ströme oft nicht über Fehlerstromschutzeinrichtungen überwacht werden. Deshalb werden insbesondere Datenleitungen immer öfter Opfer vagabundierender Ströme.
Korrosion
Die Kombination von Strom und Feuchtigkeit führt zur Korrosion. Deshalb können Ströme auf metallischen Rohrleitungen, die in die Erdung mit einbezogen sind, Wasserschäden hervorrufen. Korrodiert ein in feuchtem Erdreich verlegter Erder, beeinträchtigt dies gegebenenfalls das Auslöseverhalten der Schutzeinrichtungen durch die korrosionsbedingte Erhöhung des Widerstands im Erdungsstromkreis. Korrosion aufgrund abgeleiteter Streuströme ist insbesondere im Bereich von Bahnen seit langem bekannt. Deshalb werden besonders schützenswerte Komponenten, wie zum Beispiel in diesen Bereichen verlegte Rohrleitungen, durch Opferanoden geschützt. Diese korrodieren anstelle der zu schützenden Objekte. Streustromkorrosion in Gebäuden tritt jedoch erst seit einigen Jahren häufiger auf, weshalb diese Schutzmöglichkeit dort noch nicht etabliert ist.
Lagerschäden
Die heutzutage zur Drehzahlregelung elektrischer Antriebe verwendeten Frequenzumrichter verursachen neben den bereits beschriebenen Gleichströmen auch hochfrequente Ableitströme. Werden diese nicht korrekt abgeleitet, können sie sich ihren Weg unter anderem auch über die Wellen der Antriebslager suchen. Da im Gegensatz zu fest angeschlossenen Leitungen in den rotierenden Lagern keine durchgängig leitfähigen Verbindungen bestehen, kommt es zur Funkenbildung (Mikroblitze), die bei einer entsprechend hohen Stromstärke zur sogenannten Funkenerosion führt: Durch die Funkenüberschläge werden nach und nach Metallpartikel aus dem Lager abgetragen (Elektroerosion). Dies bewirkt einen erhöhten Abrieb durch die nun in den Schmierfetten enthaltenen Metallpartikel. Die Schwächung der Lagerbestandteile führt zum unrunden Lauf und schließlich zur frühzeitigen Abnutzung der Lager.
Was ist zu tun?
Nach wie vor stellen das TN-C- sowie das TN-C-S-Systeme die wohl in Deutschland am weitesten verbreiteten elektrischen Netzsysteme dar, obwohl die elektrotechnischen Normen bereits seit einigen Jahren insbesondere für datentechnische Anwendungen und andere für elektromagnetische Störgrößen besonders empfindliche Anwendungen das TN-S-Netzsystem fordern.
Das Problem besteht aber zum einen darin, dass die Normen nur auf neu errichtete oder erweiterte elektrische Netze anzuwenden sind. Solange man sich also auf den viel zitierten Bestandsschutz berufen kann und die elektrische Anlage weitestgehend funktioniert, ist der Handlungsdruck zur Anpassung relativ gering. Wer nimmt schon gern die Kosten und den Aufwand für eine Modernisierung in Kauf? Andererseits besteht aber auch bei vielen Planern und elektrotechnischen Fachbetrieben leider immer noch eine weit verbreitete Unkenntnis hinsichtlich der durch elektronische Verbraucher verursachten Probleme, weshalb elektrische Netze in gewohnter Manier errichtet, geändert und in Stand gehalten werden.
Ziel muss es also sein, die Netze für die anstehenden Belastungen fit zu machen. Aber in welcher Form soll dies geschehen?
Umstellung von TN‑C auf TN-S-Systeme
Vor dem Hintergrund der weiter zunehmenden Verbreitung elektronischer Verbraucher und den damit verbundenen Auswirkungen auf die elektrischen Netze ist gemäß den „Technischen Anschlussbedingungen für den Anschluss an das Niederspannungsnetz“ (TAB 2007) das TN-S-System für neu zu errichtende Gebäude heutzutage bereits praktisch verpflichtend anzuwenden. Für Bestandsgebäude wäre die Umstellung vorhandener TN‑C und TN-C-S-Systeme auf das TN-S-System wünschenswert (entweder durch den Austausch der zumeist nur zwischen den Verteilern vorhandenen vieradrigen Leitungen oder – als Behelfsmaßnahme – durch einen nachträglich verlegten zusätzlichen Schutzleiter). Darüber hinaus müssen auch alle Brücken zwischen Neutral- und Schutzleiter (bis auf die notwendige am zentralen Erdungspunkt in der Nähe des Hausanschlusses) entfernt werden. Ein Aufwand, der gewiss Kosten verursacht, durch den aber auch eine deutliche Verbesserung des Brand- und Personenschutzes sowie eine Verringerung der Einflüsse durch vagabundierende Störströme erreicht werden kann, was letztlich auch der Ausfallsicherheit zugute kommt.
Zunehmende Bedeutung der Erdungsverhältnisse
In TN-Systemen hängt die Wirksamkeit des Schutzes im Wesentlichen von der Erdverbindung ab, welche einerseits die Berührungsspannung begrenzt und andererseits für einen ausreichend großen Fehlerstrom sorgt, so dass möglichst kurzfristig die vorgeschaltete Schutzeinrichtung („Sicherung“) auslösen kann.
Gebrochene oder durch Überlastung abgeschmolzene Leiter, gelockerte Anschlüsse, Übergangswiderstände durch Korrosion im Erdungssystem oder andere Fehler, welche die Niederohmigkeit des Erdungssystems negativ beeinflussen, können die Schutzeinrichtungen bei diesen Netzformen außer Kraft setzen, indem sie den Fehlerstrom begrenzen. Wenn die Schutzeinrichtungen hierdurch nicht oder nicht rechtzeitig auslösen, können sowohl Brände als auch Körperdurchströmungen verursacht werden, da geerdete leitfähige und berührbare Teile Spannungen bis zur Außenleiterspannung annehmen können. Leider kommt der Ausführung der Erdung sowie dem Erhalt ihres Zustandes in der Praxis – gemessen an ihrer Wichtigkeit – oftmals nur eine untergeordnete Rolle zu.
Konsequenterweise beginnt dieser Missstand sehr häufig bereits beim Bau eines Gebäudes, da die Erdung zumeist im Fundament integriert ist. Sie wird also zu einem Zeitpunkt erstellt, an dem die zuständigen Elektrofachkräfte normalerweise noch gar nicht auf der Baustelle sind. Der Zustand der Erdungsanlage kann also nach der Fertigstellung des Fundamentes von diesen nicht mehr in Augenschein genommen werden, sondern nur noch messtechnisch eine gewisse Aussage über die Funktionsfähigkeit getroffen werden. Die Elektro-fachkräfte unterzeichnen in der Errichterbescheinigung somit einen ordnungsgemäßen Zustand, den sie in Gänze gar nicht einschätzen können!
Hinzu kommt, dass für die Erstellung der unterirdischen Teile von Gebäuden heute sehr häufig Beton verwendet wird, welcher wasserundurchlässig ist („weiße Wanne“). Wird das Erdungssystem in einem solchen Beton verlegt, liegt es nach dem Austrocknen des Betons praktisch isoliert. Gemessen wird das Erdungssystem jedoch oft vor dem vollständigen Durchtrocknen des Betons, wodurch noch gute Werte ermittelt werden können. Da nachgehende Messungen des Erdungssystems im Rahmen von Wiederholungsprüfungen aber bisher nicht allgemein gefordert sind, können solche Fehler lange unentdeckt bleiben.
Für neu zu erstellende Gebäude ist deshalb von Anfang an die Ausführungsform des Erdungssystems auf die verwendeten Baustoffe hin abzustimmen sowie vor dem Ausgießen des Fundaments das Erdungssystem unbedingt durch eine Elektro- beziehungsweise Blitzschutzfachkraft prüfen und abnehmen zu lassen. Eine Fotodokumentation ist sinnvoll und wird in den aktuellen Normen bereits gefordert. Da das Erdungssystem in besonderem Maße der Korrosion unterworfen ist, sollte es insbesondere bei älteren Gebäuden einer besonders eingehenden messtechnischen Betrachtung unterzogen werden. Gewährleistet die bestehende Erdungsanlage den benötigten Schutzumfang nicht mehr, kann dieser durch zusätzliche um das Gebäude verlaufende Ring- oder durch Staberder wieder hergestellt werden.
Bessere Vernetzung der Disziplinen nötig
Die bisherigen Ausführungen zeigen die zunehmende Verletzlichkeit unserer Stromversorgungssysteme auf. Gleichzeitig ist man sowohl im Beruf als auch im Privatbereich von der ständigen Verfügbarkeit der elektrischen Energie abhängig geworden.
Neben der Anpassung der elektrischen Netze auf die neuen Gegebenheiten ist es also auch erforderlich darauf hinzuwirken, dass Fehler möglichst frühzeitig – am besten noch vor dem Auslösen der Schutzeinrichtungen – erkannt und schnell behoben werden können. Da die Fehlermöglichkeiten aber nun wesentlich umfangreicher und komplexer werden, benötigen die Elektrofachkräfte Hilfsmittel, um die tatsächlichen Fehlerursachen schnell und eindeutig erkennen zu können sowie eine entsprechende Qualifikation. Bei der Fehleranalyse nimmt die enge Vernetzung zwischen der klassischen Elektrotechnik und der Informationstechnik einen besonderen Stellenwert ein: Je nachdem, wo Probleme zuerst auftreten, wird man zunächst entweder eine Elektro- oder eine IT-Fachkraft rufen. Oftmals besteht jedoch noch keine entsprechende Vernetzung zwischen diesen beiden fachlichen Ausrichtungen der Elektrotechnik: Die Elektrofachkraft erhält keine Informationen über die Struktur der Datennetze beziehungsweise die Eigenheiten der daran betriebenen Verbraucher und umgekehrt erhält die IT-Fachkraft keine Informationen über die Struktur des elektrischen Netzsystems.
Ganzheitlicher Ansatz gefragt
Beide Fachrichtungen können ihre Systeme entsprechend dem jeweiligen Stand der Technik völlig korrekt aufbauen. Solange sie jedoch nicht die gegenseitige Beeinflussung berücksichtigen, kann der notwendige ganzheitliche Betrachtungsansatz für die Optimierung des Gesamtsystems beziehungsweise für die Fehlersuche nicht zugrunde gelegt werden. Dies zeigt auch die Entwicklung der für diese Thematik zu berücksichtigenden Normen auf: Die Forderung nach einem TN-S- Netzsystem für elektrische Anlagen, an denen überwiegend Geräte der Informationstechnologie betrieben werden, wurde zuerst in der für die Fernmeldetechnik (später unbenannt in Informationstechnik) zuständigen DIN VDE 0800 erhoben und wurde erst danach auch in der für die Errichtung elektrischer Anlagen zuständigen Normenreihe VDE 0100 aufgenommen.
Die Problematik des mangelnden Informationsaustauschs lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen: Im Rahmen der Prüfung elektrischer Betriebsmittel mag vielleicht der Ableitstrom eines Computers allein betrachtet unter dem normativ festgelegten Grenzwert liegen, die Summe aller durch Computer verursachten Ableitströme in einem Rechenzentrum jedoch nicht. Selbst im Rahmen von Prüfungen der elektrischen Anlage würden hierdurch verursachte Probleme messtechnisch nicht unbedingt erkannt werden, da die Messung von Neutral- oder Schutzleiterströmen hier bisher noch nicht gefordert ist. Elektrische Anlage und angeschlossene Verbraucher bedingen sich aber gegenseitig. Für die Betrachtung des Gesamtsystems wäre es also wünschenswert erkennen zu können, wie sich das Betriebsverhalten der Verbraucher auf die elektrische Anlage auswirkt.
Erschwerend kommt hinzu, dass leider allzu häufig auch keine Unterlagen zur Verfügung stehen, die den tatsächlich aktuell gegebenen Stand der elektrischen Anlage widerspiegeln. Wie soll aber eine Elektrofachkraft eine weitläufige, komplexe elektrische Anlage zeitnah überblicken können, wenn Änderungen oder Erweiterungen nicht dokumentiert sind? Es bedarf unter anderem auch der Kenntnis von Einstellwerten oder Leitungslängen, um Prüfergebnisse bewerten zu können. So wichtig diese Angaben für den Betrieb auch sind, so häufig werden sie leider nach wie vor in der Praxis vernachlässigt.
EMV stärker in die Ausbildung integrieren
Für die schnelle Erfassung und Einschätzung dieser neuen Probleme mangelt es letztendlich auch noch vielen Fachkräften an entsprechenden Kenntnissen und Erfahrungen. So wird zum Beispiel nach Ansicht des Verfassers das Thema „elektromagnetische Verträglichkeit“ (EMV) momentan weder in der elektrotechnischen Berufsausbildung noch in der innerbetrieblichen Weiterbildung ausreichend beachtet. Die immer schnellere Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien macht jedoch eine stetige Aktualisierung der Fachkunde zwingend erforderlich!
Neben Erfahrungen und Fachkenntnissen bedarf es aber auch des notwendigen Equipments und einer geeigneten Methodik. Die in diesem Teil des Artikels beschriebenen Ableitströme sind nicht das Produkt vorhandener Fehler, sondern treten aufgrund der Konstruktion und des Betriebsverhaltens der angeschlossenen Verbraucher auf. Problematisch ist dabei, dass mit messtechnischen Mitteln allein der aufgrund eines Isolationsfehlers auftretende Fehlerstrom nicht von einem betriebsbedingt auftretenden Ableitstrom unterschieden werden kann. Vielmehr wird nur die Differenz zwischen hin- und rückfließende Strom (Differenzstrom) festgestellt. Dieser kann mehr oder weniger große Fehlerstromanteile enthalten.
Weiter erschwerend kommt hinzu, dass bei einer durchgeführten Überprüfung auch das den Ableitstrom verursachende Betriebsmittel (bzw. die Betriebsmittelkombination) gerade abgeschaltet sein kann, so dass die Quelle der Störung zum Zeitpunkt der Prüfung gar nicht feststellbar ist. So ist es beispielsweise schon seit längerem bekannt, dass viele elektrische Anlagen in der Nähe von Bahnstrecken durch Ableitströme gestört werden. Fährt aber gerade kein Zug vorbei, ist auch keine Störquelle vorhanden.
In den meisten Fällen lassen sich die Störquellen nicht so einfach und eindeutig wie in diesem Beispiel ermitteln. Es bedarf dann entweder besonders vertiefter Fachkenntnisse, eines detektivischen Instinkts oder einfach Glück bei der Fehlersuche. Um sich nicht darauf verlassen zu müssen, sind für zukünftige elektrische Anlagen Monitoringsysteme wünschenswert, mit welchen diese Anlagen permanent und flächendeckend überwacht werden können. Störereignisse können somit auch rückwirkend betrachtet und systematisch analysiert werden beziehungsweise sogar so frühzeitig gemeldet werden, dass noch Maßnahmen zur Vermeidung von schädigenden Auswirkungen getroffen werden können. Die Möglichkeiten und Grenzen solcher Systeme sollen jedoch das Thema des abschließenden Teils dieses Artikels sein.
Fazit
Wie bereits der erste Teil dieses Artikels, so soll auch dieser mit dem Appell enden, nicht gleich in Panik zu verfallen. Die beschriebenen Probleme treten noch nicht flächendeckend auf, doch sie existieren und werden mit Sicherheit in Zukunft noch weiter zunehmen. Grund genug also, auf die beschriebenen Symptome zu achten und sich vorzubereiten. Sollte der Verdacht bestehen, dass das eine oder andere Problem im eigenen Hause auf den Betrieb moderner Verbraucher zurückzuführen ist, empfiehlt es sich, Netzanalysen, Schutz- und Neutralleiterstrommessungen, Thermografien oder EMV-Messungen durchführen zu lassen. Allesamt Messungen also, die bisher nicht zum alltäglichen Repertoire einer Elektrofachkraft gehören und für die auch zum Teil ein spezielles Equipment benötigt wird. Für die Durchführung der Messungen, der Analyse der Gesamtsituation und der Ableitung von Abhilfemaßnahmen sollte man sich deshalb unbedingt des Wissens und der Erfahrung einer entsprechenden Fachkraft (in der Regel eines Sachverständigen) versichern.
Das altehrwürdige TN-C-Netzsystem wird auf absehbare Zeit ausgedient haben. Wer heute neu plant oder Änderungen an der bestehenden Anlage vorsieht, sollte deshalb auf das TN-S-System setzen. Da inzwischen üblicherweise zumindest ab den Unterverteilungen Schutz- und Neutralleiter separat geführt werden, beschränkt sich die Umstellung bestehender Vier- auf Fünfleiternetze in der Regel nur auf die Verbindungen zwischen dem Hauptanschluss und davon gespeisten Verteilungen. Da diese zumeist auf Tragesystemen verlegt und deshalb leichter zugänglich sind als vergleichsweise unter Putz verlegte Leitungen von Endstromkreisen, hält sich der Änderungsaufwand gegenüber dem Nutzen oftmals noch in einem vertretbaren Rahmen.
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