Sieben von zehn Beschäftigten im Groß- und Einzelhandel gehen bei der Arbeit an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Bezogen auf die 4,9 Millionen Beschäftigten der Branche sind das 3,4 Millionen Menschen bundesweit. Das schlägt sich auch im Krankenstand nieder: So sind im Einzelhandel beispielsweise psychische Erkrankungen die Ursache für jeden sechsten Fehltag. Das geht aus dem Branchenreport Handel der DAK-Gesundheit und der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) hervor.
Der Branchenreport Handel von DAK Gesundheit und BGHW weist neben der großen Belastung der Mitarbeiter im Groß- und Einzelhandel auch nach, dass die Unternehmenskultur eine nachhaltige Wirkung auf das Sicherheits- und Gesundheitsgeschehen im Betrieb hat. Sie zeigt außerdem, welche Faktoren für eine positive Sicherheits- und Gesundheitskultur gegeben sein müssen.
Für den Branchenreport wertete das IGES Institut die Unfalldaten von rund 3,6 Millionen Vollarbeitern im Groß- und Einzelhandel aus sowie die Fehlzeiten aller in der Branche erwerbstätigen Mitglieder der DAK-Gesundheit. Es wurden zudem bundesweit mehr als 4.000 Beschäftigte aus dem Handel sowie Vertreter der Geschäftsleitung und Verantwortliche im Gesundheitsschutz befragt. Die Ergebnisse dokumentieren, dass die Sicherheits- und Gesundheitskultur in vielen Unternehmen nur mittelmäßig ausgeprägt ist: So berichten die Befragten von mangelnder Ernsthaftigkeit bei Sicherheitsunterweisungen, von unzureichenden Chancen der Mitgestaltung und fehlender Information über einschneidende Veränderungen und Zukunftspläne.
Chefs würden gute Leistungen nicht regelmäßig genug lobend anerkennen und das Thema Sicherheit und Gesundheit im Personalgespräch gerne meiden. Dabei zeigt sich, dass Beschäftigte in Betrieben mit einer schlechteren Sicherheits- und Gesundheitskultur auch eine geringere Arbeitsfähigkeit haben. „Sie leiden unter mehr Beschwerden und sind häufiger krankgeschrieben“, sagt Thomas Bodmer, Mitglied des Vorstandes der DAK-Gesundheit.
Im Einzelhandel arbeiten neun von zehn Beschäftigten ausschließlich oder überwiegend mit Kunden (87 Prozent). Im Großhandel sind es etwa zwei Drittel (65 Prozent). Im Kundenkontakt zählt Schnelligkeit und eine positive Grundhaltung. Die Beschäftigten müssen immer freundlich bleiben, auch bei hoher Arbeitsbelastung. In der Auseinandersetzung mit anspruchsvollen Kunden entstehen Situationen, die emotional sehr belastend sein können. Zwei Drittel der befragten Beschäftigten (69 Prozent) gehen bei der Arbeit häufig oder manchmal bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit. Bei 4,9 Millionen Beschäftigten in der Branche sind das rund 3,4 Millionen Männer und Frauen bundesweit. Etwa die Hälfte der Beschäftigten mit viel Kundenkontakt (46 Prozent) kann selten oder nie entscheiden, wann sie Pausen macht. Der Report zeigt auch, dass fast jeder Dritte keinen angemessenen Aufenthaltsraum hat.
Die Last der emotional fordernden Arbeit mit Kunden kann durch ein gutes Umfeld abgefedert werden. Es hilft den Mitarbeitern beispielsweise, wenn ein Chef klare Anweisungen gibt und ihnen in Auseinandersetzungen mit schwierigen Kunden den Rücken stärkt. Allerdings fühlen sich drei von zehn Befragten nie oder nur selten von ihrem direkten Vorgesetzten unterstützt. Vom Führungsstil des Chefs ist auch der Umgang der Mitarbeiter mit Fehlern abhängig. Wenn eine gute Fehlerkultur vorherrscht, muss niemand Fehler verschweigen. Tatsächlich meldet aber jeder siebte Mitarbeiter Unfälle oder Beinaheunfälle nur widerwillig, weil er befürchten muss, für Fehler beschuldigt zu werden.
„Sicherheit und Gesundheit müssen als Teil der Unternehmenskultur selbstverständlich werden“, sagt BGHW-Geschäftsführer Udo Schöpf. „Je genauer ein Unternehmer weiß, was eine gute Sicherheits- und Gesundheitskultur ausmacht, desto gezielter kann er an den richtigen Stellschrauben im Betrieb ansetzen und positive Veränderungen erzielen.“ Die BGHW und die DAK-Gesundheit stehen den Unternehmen im Handel bei der Entwicklung von kultursensiblen Präventions- und Sicherheitsmaßnahmen kompetent zur Seite.
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