Startseite » Akademie » Akademie-Meldungen »

Arbeitszeiten müssen erfasst werden

Rechtsanwalt Matthias Klagge im Interview
Arbeitszeiten müssen erfasst werden

Arbeitszeiten müssen erfasst werden
Matthias Klagge (Foto: privat)

Der Europäis­che Gericht­shof (EuGH) hat in einem Urteil Arbeit­ge­ber dazu verpflichtet, die Arbeit­szeit ihrer Beschäftigten zu reg­istri­eren. Welche Fol­gen das hat, schildert Recht­san­walt Matthias Klagge im Inter­view. Auch in seinem Vor­trag beim „2. Praxiskongress Recht“ wird er auf das EuGH-Urteil eingehen.

Herr Klagge, was ist so bemerkenswert an dem EuGH-Urteil?

Matthias Klagge: Der Arbeit­ge­ber muss kün­ftig alle erforder­lichen Maß­nah­men tre­f­fen, um die Arbeit­szeit­en sein­er Beschäftigten zu reg­istri­eren und jede Über­schre­itung der wöchentlichen Arbeit­szeit zu ver­hin­dern. Nun stellt sich die Frage, wie sich das umset­zen lässt. Hierzu sagt der EuGH, dass es ein objek­tives, ver­lässlich­es und zugänglich­es Sys­tem braucht, mit dem die Arbeit­nehmer ihre täglichen Arbeit­szeit­en messen kön­nen. Das Gericht erken­nt allerd­ings an, dass die Mit­glied­staat­en einen gewis­sen Spiel­raum benöti­gen: So kön­nen tätigkeits­be­zo­gen – je nach Branche und Größe der Unternehmen – bes­timmte Aus­nah­meregelun­gen in den einzel­nen Mit­glied­staat­en möglich sein.

Was bedeutet das Urteil für die bish­erige Recht­slage in Deutschland?

Matthias Klagge: Es gilt die europäis­che Arbeit­szeitrichtlin­ie als har­mon­isiertes Recht. Diese wird in Deutsch­land über das Arbeit­szeit­ge­setz umge­set­zt. Darin ste­ht expliz­it, dass der Arbeit­ge­ber nur die Über­stun­den zu erfassen hat, nicht aber die tägliche Arbeit­szeit. Hier bedarf es nun ein­er entsprechen­den Geset­zesän­derung. Eine Aufze­ich­nungspflicht gibt es bish­er nur für Ger­ingver­di­ener nach dem Min­dest­lohnge­setz für Branchen, die im Schwarzarbeits­bekämp­fungs­ge­setz genan­nt werden.

In Ihrem Vor­trag beim „2. Praxiskongress Recht“ wer­den Sie unter anderem den Rah­men für mobiles Arbeit­en und die Agilität von Unternehmen absteck­en. Was bedeutet denn das Urteil für agile Unternehmen?

Matthias Klagge: Agile Unternehmen set­zen auf selb­stor­gan­isierte Teams, die pro­jekt- und ergeb­nisori­en­tiert arbeit­en. Dabei ste­ht die Erledi­gung bes­timmter Auf­gaben im Vorder­grund. Die Teams acht­en selb­st darauf, dass die Kol­le­gen nicht zu viel arbeit­en. Die Frage ist, ob die Auf­gaben unter den beste­hen­den Arbeit­szeitregelun­gen auch zu schaf­fen sind. Wenn utopis­che Ziele geset­zt wer­den, ist ein Ver­stoß gegen die Arbeit­szeit­en vor­pro­gram­miert. Gute Vorge­set­zte wis­sen, dass nur gesunde Mitar­beit­er effiziente Arbeit leis­ten. Es gibt zum Beispiel agile Unternehmen, in denen abends der Serv­er abgestellt wird, sodass die Mitar­beit­er nicht zu viel arbeit­en. Auch die Vor­bild­funk­tion der Führungskräfte ist nicht zu unter­schätzen. Wer regelmäßig abends oder an den Woch­enen­den Mails an sein Team ver­schickt, baut damit einen Druck auf die Arbeit­nehmer auf. In meinem Vor­trag werde ich anhand von prak­tis­chen Beispie­len zeigen, wie agile Unternehmen unter Berück­sich­ti­gung geset­zlich­er Arbeit­szeitvor­gaben ihre Arbeit aus rechtlich­er Sicht organ­isieren können.

Wie lange wird es dauern, bis das EuGH-Urteil in Deutsch­land umge­set­zt wird?

Matthias Klagge: Zunächst ein­mal ist festzuhal­ten, dass das Urteil in einem Rechtsstre­it zwis­chen ein­er spanis­chen Gew­erkschaft und ein­er Tochter der Deutschen Bank erg­ing. Es wirkt daher unmit­tel­bar erst ein­mal nur zwis­chen diesen Parteien. Ich rechne allerd­ings damit, dass die Umset­zung des EuGH-Urteils in Deutsch­land rel­a­tiv schnell in Angriff genom­men und das Arbeit­szeit­ge­setz angepasst wird, denn das Urteil ist ein „heißes Eisen“, das die gesamte Arbeitswelt bet­rifft. Die Geset­zesän­derung kön­nte also schon inner­halb eines Jahres umge­set­zt wer­den. Bis dahin müssen Arbeit­ge­ber keine Bußgelder oder ähn­lich­es befürcht­en. Das Urteil wird aber sicher­lich schon jet­zt zivil­rechtliche Wirkun­gen zeigen, sei es bei der Ausle­gung von arbeitsver­traglichen Pflicht­en oder sei es bei dem Zusam­men­spiel zwis­chen Arbeit­ge­bern und Arbeit­nehmervertretern bei der Regelung von betrieblich­er Arbeitszeiterfassung.

Vie­len Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Nina Gruber.


Die aus­führliche Ver­sion dieses Inter­views erscheint in der Juli-Aus­gabe der Zeitschrift „Sicher­heitsin­ge­nieur“. Darin schildert Recht­san­walt Matthias Klagge die Auswirkun­gen des EuGH-Urteils auf die Ver­trauen­sar­beit­szeit und den Daten­schutz. Er erläutert auch, warum Arbeit­nehmer und Arbeit­ge­ber von dem Urteil prof­i­tieren. Eine Anmel­dung zum „2. Praxiskongress Recht“ ist noch bis zum 15. Juli zu Früh­bucherkon­di­tio­nen möglich. Der Kongress find­et am 10. Dezem­ber 2019 in Hei­del­berg statt.


2. Praxiskongress Recht

Ter­min: 10. Dezem­ber 2019 in Heidelberg

Teil­nah­me­ge­bühr: 395,00 Euro netto

Früh­bu­cher bis zum 15.07.2019: 345,00 Euro netto

In der Teil­nah­me­ge­bühr ist ein Cate­ring (Imbiss, Kaffee­pau­sen) enthalten.

Weit­ere Infos und Anmel­dung unter www.praxiskongress-recht.de

Unsere Webi­nar-Empfehlung
Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de