Die Akzeptanz von Sicherheitsschuhen hängt wesentlich von ihrem Tragekomfort ab. Defizite beim Komfort erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass auf den Fußschutz verzichtet wird. Dieser Beitrag zeigt am Beispiel von Berufsanfängern, dass viele Probleme der Füße und des Bewegungsapparates mit nicht passenden oder minderwertigen Schuhen korrelieren. Bezüglich des gesetzlich vorgeschriebenen Fußschutzes gibt es große Wissens- und Informationsdefizite.
Prof. Dr. Manfred Betz
Sicherheitsschuhe sollen am Arbeitsplatz die Füße vor Schädigungen schützen. Die Akzeptanz von Sicherheitsschuhen beim Träger hängt von ihrem Tragekomfort ab. Der Tragekomfort wird unter anderem bestimmt durch die Passgenauigkeit, die Bequemlichkeit, das Gewicht sowie die Wärme- und Feuchteregulation der Schuhe. Schlecht angepasste Schuhe begünstigen die Entwicklung von Fußfehlstellungen und anderen Beschwerden. Inwieweit Sicherheitsschuhe passen und vom Träger akzeptiert werden, wurde bei Berufsanfängern überprüft.
Insgesamt 1.672 Auszubildende im Alter von 16 bis 25 Jahren (mittleres Lebensalter: 19,2 Jahre) wurden mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens hinsichtlich ihrer Zufriedenheit mit ihren Sicherheitsschuhen, schuhbedingter gesundheitlicher Beschwerden und ergonomischer Aspekte untersucht. Des Weiteren wurden Daten über die Schuhmarke, die Sicherheitseinstufung, die Anzahl und Art der genutzten Schuhe, die Tragedauer, den Preis und die Art der Beschaffung der Schuhe sowie über Einlagen und orthopädische Zurichtungen erhoben. Die Daten stammen aus betrieblichen, überbetrieblichen und schulischen Gesundheitsprojekten, die zwischen 2013 und 2016 durchgeführt wurden. Etwa drei Viertel der befragten Auszubildenden kamen aus kleinen und Kleinstbetrieben.
Angaben zu den Sicherheitsschuhen
Insgesamt 72 Prozent der befragten Auszubildenden tragen Halbschuhe, 26 Prozent Stiefel und zwei Prozent Sandalen. Die durchschnittliche Tragedauer liegt bei knapp elf Monaten. Mehr als jeder vierte Schuh ist älter als ein Jahr. Der mittlere Preis lag bei 66 Euro. Insgesamt neun Prozent der Schuhe haben mehr als 100 Euro gekostet, 40 Prozent waren für 50 Euro und weniger erhältlich.
Mehr als die Hälfte der Auszubildenden (54 Prozent) bekommen ihre Sicherheitsschuhe von ihrem Betrieb gestellt. Die anderen kaufen sich ihre Sicherheitsschuhe selbst, 35 Prozent ohne Zuschuss und elf Prozent mit Zuschuss des Arbeitgebers.
Geringes Problembewusstsein
Mehr als jeder zweite Auszubildende kennt weder Marke noch Modell der Schuhe. Dies liegt zum einen am relativ geringen Interesse am Thema „Sicherheitsschuhe“ und zum anderen auch daran, dass die Schuhe überwiegend über den Betrieb bezogen werden. Die Auszubildenden haben also kaum Einfluss auf die Beschaffung der Schuhe.
Die Kenntnisse der Auszubildenden bezüglich des gesetzlich vorgeschriebenen Fußschutzes am Arbeitsplatz sind gering. Mehr als jeder zweite (55 Prozent) kennt die Sicherheitsklasse seiner Schuhe nicht. Zwölf Prozent der Befragten tragen Einlagen. Dabei handelt es sich überwiegend um private orthopädische Einlagen, geruchshemmende Einlegesohlen oder Geleinlagen, die nicht baumustergeprüft sind. Dass dies nicht zulässig ist, da die Schutzfunktion des Sicherheitsschuhs eingeschränkt werden kann, ist in der Regel nicht bekannt.
Geringe Zufriedenheit
Nur 46 Prozent sind mit ihren Schuhen zufrieden, 35 Prozent sind teilweise und 19 Prozent sind nicht zufrieden.
Abbildung 1 zeigt die wichtigsten Defizite: 45 Prozent sind mit der Passgenauigkeit unzufrieden, 58 Prozent klagen über Schwitzen im Schuh, 50 Prozent empfinden ihre Schuhe als unbequem, 50 Prozent sind mit dem Gewicht nicht zufrieden und 58 Prozent monieren Defizite beim modischen Aussehen.
Auszubildende, die mit ihren Schuhen, insbesondere mit der Passform, nicht zufrieden waren, hatten signifikant häufiger Fuß‑, Knie- und Rückenbeschwerden als diejenigen, die mit ihren Schuhen zufrieden waren. Nicht passendes Schuhwerk kann die Füße schädigen: Zu kleine wie auch zu große Schuhe begünstigen unter anderem die Entwicklung von Hammerzehen, Krallenzehen und eines Hallux valgus (Schiefstand des Großzehs). Auch die Schutzfunktion kann bei schlecht angepassten Schuhen beeinträchtigt werden. So können beispielsweise bei falscher Passform die Zehenknochen aufgrund des veränderten Sitzes der Zehenschutzkappe nicht ausreichend geschützt sein.
Schuhbedingte Fußprobleme
Nicht passende Schuhe sind häufig Ursache von Beschwerden. Mehr als jeder Dritte (36 Prozent) berichtete über schuhbedingte Fußprobleme: Druckstellen (20 Prozent), Schmerzen (23 Prozent), Blasen (zehn Prozent) und Hautrötungen (acht Prozent). Insgesamt fünf Prozent tragen am Arbeitsplatz aufgrund von Beschwerden keine oder nur selten Sicherheitsschuhe.
Es gibt zahlreiche Ursachen für nicht passende Schuhe. Dazu gehören die folgenden Punkte:
- Unkenntnis der eigenen Schuhgröße: Ein Drittel der Untersuchten kennt die eigene Schuhgröße nicht.
- Schuhkauf nach Fußlänge: Häufig ist der Schuh im Vorfußbereich zu eng und es wird statt eines Schuhes mit größerer Weite ein größerer und längerer Schuh gewählt.
- Schuhkauf per Katalog oder Internet: Schuhe werden oft nur nach Größe mittels Katalog oder Internet bestellt, insbesondere bei Beschaffung durch den Betrieb. Entsprechend passen viele Schuhe nicht optimal.
- Sicherheitsschuhe vom Discounter: Nicht selten müssen Auszubildende ihre Schuhe selbst bezahlen oder sie bekommen vom Arbeitgeber nur einen geringen Zuschuss. In diesen Fällen werden häufig preisgünstige Sicherheitsschuhe vom Discounter gekauft. Diese Schuhe sind oft von geringer Qualität. Beratung und Anprobe sind nicht vorgesehen.
- Frauen werden häufig mit kleinen Männerschuhen versorgt. Aufgrund der anatomischen Unterschiede von Männer- und Frauenfüßen werden aber spezielle Frauen-Sicherheitsschuhe mit eigenem Leisten benötigt.
- Werden Sicherheitsschuhe über den Betrieb bezogen, ist die Schuhauswahl oft eingeschränkt (zum Beispiel wegen der Bindung an bestimmte Hersteller).
Wärme- und Feuchteregulation der Schuhe
Während des Arbeitstags geben die Füße in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur, der körperlichen Aktivität und der Schuhbeschaffenheit Flüssigkeit ab. Das Trocknen der Schuhe kann bis zu 48 Stunden dauern. Da 61 Prozent der Befragten nur ein Paar Schuhe besitzen, sind die Schuhe zu Arbeitsbeginn oft noch feucht. Mikroorganismen lieben ein feuchtes und warmes Klima und vermehren sich. Die Schuhe beginnen unangenehm zu riechen. Entsprechend waren 58 Prozent der befragten Auszubildenden mit der Wärme- und Feuchteregulation ihrer Schuhe nicht zufrieden. 59 Prozent beklagten sich über den unangenehmen Geruch ihrer Sicherheitsschuhe.
Qualitätsschuhe versus Billigschuhe
15 Prozent der Befragten trugen Schuhe, deren Neupreis zwischen 15 und 30 Euro lag. Bei Sicherheitsschuhträgern mit preiswerten Schuhen traten mehr Beschwerden auf als bei solchen mit Schuhen aus dem hochpreisigen Segment. Studien, die Markenschuhe mit Billigschuhen vergleichen, zeigen, dass Schuhe vom Discounter einen schlechteren Tragekomfort, eine geringere Dämpfung und höhere Druckbelastungen der Fußsohle haben. Besonders problematisch ist, dass die getesteten Billigschuhe einen ungünstigen Einfluss auf den Bewegungsablauf haben. Zudem fühlen sich die Probanden nach einem Arbeitstag mit Qualitätsschuhen wesentlich besser als die mit dem Billigschuh (Noll 2011).
Maßnahmen zur Verbesserung der Akzeptanz
Die Akzeptanz für Sicherheitsschuhe kann durch folgende Maßnahmen optimiert werden:
1. Verbesserung der Sicherheitsschuhversorgung
Wichtigste Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheitsschuhversorgung sind die obligatorische Vermessung der Füße und das Testen von Schuhen unterschiedlicher Weiten und Leisten. Dazu sollte eine fachgerechte Beratung, die auch die spezifischen Arbeitsbedingungen hinreichend berücksichtigt, erfolgen. Sofern ausgeprägte Fußfehlstellungen oder Erkrankungen vorliegen, die eine orthopädietechnische Versorgung erfordern, ist dies bei der Auswahl der Schuhe zu berücksichtigen.
2. Qualitätsschuhe statt minderwertige Billigschuhe
Es gilt über die Unterschiede von ergonomisch hochwertigen Sicherheitsschuhen und den preiswerten Discounter-Schuhen aufzuklären. Es ist außerdem wichtig, dass die Betriebe – wie gesetzlich vorgegeben – die Kosten für die Sicherheitsschuhe übernehmen beziehungsweise einen Zuschuss geben. Dies mindert die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Auszubildenden mit ihren begrenzten finanziellen Mitteln für die preiswerte Variante entscheiden.
3. Modisch ansprechende Sicherheitsschuhe
Das Aussehen der Sicherheitsschuhe spielt besonders für junge Menschen eine große Rolle. Entsprechend ist der modische Aspekt wichtig für die Akzeptanz. Mittlerweile gibt es zunehmend mehr Hersteller, die Sicherheitsschuhe anbieten, die sich kaum von den Alltagsschuhen der Auszubildenden (zum Beispiel Sneaker) unterscheiden.
4. Informationen zum Fußschutz
Zur Optimierung des Fußschutzes am Arbeitsplatz sollen die Auszubildenden über das Thema Sicherheitsschuhe besser informiert werden. Dies kann über spezielle Schulungen, Gesundheitstage sowie Projekte zur Arbeitssicherheit und Gesundheitsförderung erfolgen. Hier erhalten die Auszubildenden Informationen zu den berufsgenossenschaftlichen Bestimmungen, wie zum Beispiel:
- Was bedeutet der Begriff „baumustergeprüft“?
- Sind private Einlagen oder Geleinlegesohlen in Sicherheitsschuhen nutzbar?
- Welche Sicherheitsstufe wird benötigt?
Des Weiteren wird Wissen vermittelt, worauf beim Schuhkauf zu achten ist. So lernen die Auszubildenden beispielsweise, wie sie mit Hilfe des Innensohlentests die Länge und die Weite des Schuhs überprüfen können. Weitere Praxistests sind mehrminütiges Gehen, links und rechts Hinknien sowie Treppensteigen.
Schlussbetrachtungen
Je geringer der Tragekomfort ist, desto mehr Beschwerden treten auf und desto geringer ist die Akzeptanz bei Auszubildenden für ihre Sicherheitsschuhe. Bestehende Defizite wurden aufgezeigt. Für wirksamen und regelkonformen Fußschutz ist es deshalb notwendig, den Tragekomfort bei Sicherheitsschuhen durch geeignete Maßnahmen zu verbessern.
Literatur
Noll, U. (2011): Möglichkeiten der Prävention von Erkrankungen am Stütz- und Bewegungsapparat durch das Sicherheitsschuhwerk bei Mitarbeitern der Automobilindustrie. Dissertation, Aachen
Teilen: