Menschen handeln erfahrungsbasiert und sind Veränderungen gegenüber eher skeptisch eingestellt, sie geben ungern Gewohnheiten auf. Gleichzeitig richten sie in Organisationen ihr Handeln nach den Prioritäten der jeweiligen Führungskräfte aus. Wenn also ein Unternehmen eine Änderung der Sicherheitskultur als wichtig ansieht, so muss dies von den Führungskräften verstanden und mitgetragen werden.
Das Management in großen Unternehmen ist nicht homogen und auch in seinem Wissen, Wollen und Können nicht einheitlich. Der Prozess der bewussten Willensbildung innerhalb des Managements eines Unternehmens oder Betriebs muss im Hinblick auf definierte Ziele, wie die Erfahrung guter Beispiele zeigt, allem anderen vorangehen. Insbesondere das mittlere Management muss überzeugt werden, zusätzlich zu den bereits vorhandenen Zwängen wie zum Beispiel wirtschaftliche Effizienz, Qualität, Kundenorientierung und Mitarbeiterzufriedenheit zusätzlich noch das Thema Arbeitssicherheit hoch oben auf die eigene Agenda zu nehmen. Hierfür entscheidend (und erfolgskritisch!) ist der nachhaltig ausgesprochene Wille des obersten Managements. Damit betriebliches Denken und Handeln Arbeitsschutz immer prioritär mit einschließt, kann dies unter anderem in Form von persönlichen Zielvereinbarungen durch die Berichtslinie in die gesamte Organisation getragen werden.
Einfach und klar kommunizieren
Grundlage zum Erfolg ist weiterhin, dass der Wille zur Veränderung in Form einer einfachen Botschaft deutlich und kontinuierlich in die Belegschaft kommuniziert wird. Viele Unternehmen haben damit gute Erfahrungen gemacht, wenn die angestrebte Änderung ihrer Sicherheitskultur in ein Programm gebettet wird, das einen Namen und ein Logo zur Wiedererkennung sowie ein kurzes, knackiges Leitmotto bekommt. So wird gleichzeitig ein detaillierteres Zielbild kommuniziert, das die Kultur der Zukunft beschreibt. Es beinhaltet Ansprüche, die je nach Art und Umfang der Kulturveränderung das Verhalten des Einzelnen, aber auch verbesserte Ablaufprozesse oder den Aufbau der Organisation betreffen. In der Summe ergibt sich dabei das Bild einer Arbeitswelt, in der jedes Mitglied der Organisation Verantwortung für seine eigene Sicherheit sowie für die Sicherheit der Kollegen übernimmt.
Nur gemeinsam erfolgreich
Unternehmen mit einer gelebten und erfolgreichen Sicherheitskultur haben verstanden, dass sie die Sicherheitsarbeit in der Vergangenheit zu sehr auf die Schultern der Fachexperten wie Sicherheitsfachkräfte und Sicherheitsbeauftragte gelegt hatten. Unfälle von Mitarbeitern passieren aber im Arbeitsumfeld bei bestimmten Bedingungen, und diese werden von Führungskräften geprägt. Um die Entfremdung der Hauptakteure der Arbeitssicherheit rückgängig zu machen, ist es sehr wichtig, diese besser einzubinden, und als Vorbilder in eine gelebte Sicherheitskultur zu integrieren.
Auch wenn es sich dabei um die Wiederholung von alten Ansprüchen handelt: Es ist wichtig, dass Führungskräfte Vorbilder für ihre Mitarbeitenden sind und diese sich an bestehende Regeln halten müssen. Hierzu gehört auch die Forderung nach Präsenz von Führungskräften an der operativen Basis. Gleichzeitig wird die Stellung der Arbeitsschutzfachexperten adjustiert. Sie sollten zukünftig vom Einzelkämpfer in Sachen Sicherheit zunehmend zum Berater, Unterstützer und Vertreter des Managements werden.
Kritische Selbstbewertung
Ein Zielbild und Ansprüche zu formulieren ist vergleichsweise leicht. Doch schon ihre Kommunikation in das Unternehmen hinein ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die einen nicht zu unterschätzenden Zeitaufwand benötigt. Dazu ist die Einbeziehung der Unternehmenskommunikation und der Personalabteilung sehr sinnvoll. Die Einführung eines Veränderungsprogramms und seine Inhalte müssen aufeinander abgestimmt kommuniziert werden. Idealerweise werden die Inhalte auch in bestehende Weiterbildungsprogramme für Nachwuchskräfte integriert und auf Führungskräfteversammlungen vorgestellt.
So wichtig wie der Wille zur Veränderung, die Zielformulierung und deren Kommunikation sind, zu den notwendigen Handwerkszeugen der Veränderung gehören die Bestimmung des aktuellen Standes der Sicherheitskultur und, ausgehend von der Ist-Situation, die Festlegung von Maßnahmen zur Erreichung des Zielbildes. Die Ausgangssituation kann, je nach Unternehmen, auf verschiedenen Arten bestimmt werden. Kleinere Unternehmen können zum Beispiel auf die Kurzanalyse eines Beraters vertrauen, bei größeren Firmen mit einer homogeneren Sicherheitskultur ist eine eingehende Fremdanalyse angemessen. Bei größeren, jedoch heterogenen Konzernen ergeben diese Werkzeuge nicht die nötigen Differenzierungen oder sind schlicht zu aufwendig. Bei diesen haben sich Selbsteinschätzungen bewährt, die in moderierter Form von den einzelnen Konzerneinheiten in Eigenregie durchgeführt werden. Sie führen auf der einen Seite sofort zu einer kritischen Auseinandersetzung der Organisation mit der eigenen Situation, auf der anderen Seite werden die Ergebnisse schnell akzeptiert, da sie von der Organisation selbst erarbeitet wurden.
Es hat sich bewährt, diese Analyse in Form eines Workshops durchzuführen. Ein Vertreter des Managements eröffnet den Workshop und führt in das Thema ein, um dessen Wichtigkeit zu unterstreichen. Ein Berater erläutert die Aufgabe und kann über entsprechende Fragen ein Korrektiv darstellen, wenn die Ergebnisse offensichtlich nicht mit der Realität übereinstimmen. Das von etalon verwendete Werkzeug der Selbstbewertung ergibt am Ende der Analyse automatisch einen Überblick über notwendige Einzelmaßnahmen für die Verbesserung, aus denen sich die Einheit selbst die relevantesten Maßnahmen in einen Maßnahmenplan für die folgenden zwölf Monate schreibt und diese abarbeitet. Ein Jahr später wird die Analyse wiederholt und ein neuer Maßnahmenplan erstellt.
Fachexperten sind in diesen Programmen mehr im Hintergrund tätig, haben allerdings wichtige Aufgaben. Sie müssen sich unter anderem in die Rolle der Führungskräfte hineinversetzen und ihnen mit Rat und Tat Unterstützung geben. Das umfasst zum Beispiel das Erstellen von Ablaufregeln für Begehungen durch eine Führungskraft. Diese Regeln beinhalten Dos und Don‘ts genauso wie Beispiele für anzusprechende Themen oder Eisbrecherfragen. Dabei müssen sich die Sicherheitsfachkräfte in das derzeitige Fachwissen und Können der Führungskräfte hineindenken. Letztlich ist dies eine völlig neue Herausforderung für jemanden, der bisher hauptsächlich die gesetzlichen Regeln kennen und vermitteln musste. Darüber hinaus haben Sicherheitsfachkräfte die Aufgabe, Werkzeuge zu erarbeiten, mit denen die Mitarbeiter ihre
Verantwortung leichter übernehmen können. Nicht zu überschätzen ist die Fähigkeit, die jeweilige Grundeinstellung der Belegschaft zu erspüren. Wird Arbeitsschutz als langweilig angesehen, so kann zum Beispiel ein quasi sportlicher Wettkampf zwischen einzelnen Abteilungen oder Gruppen ausgerufen werden. Gewinner ist die Gruppe mit der besten Leistung bei der Unfallprävention. Die Regeln dazu stellt die Sicherheitsfachkraft auf, während die Moderation und die Preisübergabe Aufgabe der Führungskraft sein sollte. Wird zum Beispiel das Weglassen von persönlicher Schutzausrüstung im Betriebsalltag von einzelnen Mitarbeitern als heldenhaft angesehen und so auch gearbeitet, sollte eine Kommunikationskampagne entworfen werden, mit der das Tragen der Schutzausrüstung als Teil der professionellen Arbeit dargestellt wird.
Zum Schluss
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass eine Veränderung der Sicherheitskultur dann erfolgreich stattfinden kann, wenn der Wille dazu im Management vorhanden ist und Werkzeuge angewandt werden, mit denen das Verhalten der gesamten Belegschaft zu mehr Sicherheit beeinflusst wird. Zu Beginn des Veränderungsprozesses werden diese Werkzeuge als Bausteine des Managementsystems formalisiert eingeführt, bis ihre Anwendung nach einer gewissen Zeit von den Menschen verinnerlicht ist.
Wer einen solchen Prozesses anfängt, sollte eines immer vor Augen haben: Eine Kulturveränderung braucht Zeit und die, die diese Kulturveränderung vorantreiben, benötigen einen langen Atem und viel Kraft.
Autor: Dr. Volker Koch
Geschäftsführer etalon International GmbH
volker.koch@etalon-international.com
etalon International GmbH
Die in Deutschland beheimatete etalon International GmbH wurde von Elke Werner-Keppner, Dr. Volker Koch und Sarah Oveyssi gegründet. Die Arbeit von etalon basiert auf langjährigen Erfahrungen in der Projektverantwortung und Führung von Kulturveränderungsprozessen in Unternehmen. Etalon arbeitet mit innovativen Methoden, um Wissen, Einstellung und Verhalten von Mitarbeitern in multinationalen Unternehmen langfristig positiv zu verändern. Das Unternehmen bietet eine große Bandbreite an Expertise: von Sicherheit über Gesundheitsschutz und Umweltschutz bis hin zu Führungskräfteentwicklung und Coaching.