1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Organisation » Prävention »

Unfall durch manipulierte Schutzeinrichtung

Fatale Verkettung von Fehlern
Unfall durch manipulierte Schutzeinrichtung

Wird die Schutzein­rich­tung an ein­er Mas­chine manip­uliert, kann das lange gut gehen. Kommt aber ein ander­er Fehler dazu, wirkt sich die Manip­u­la­tion oft fatal aus, wie das Beispiel eines Unfalls an ein­er Drehmas­chine zeigt.

Ver­e­na Manek

Ein junger Mann hat die Auf­gabe, an ein­er CNC-ges­teuerten Drehmas­chine ein kleines Werk­stück zu bear­beit­en. Dafür muss er Stan­gen­ma­te­r­i­al mit einem Durchmess­er von cir­ca 15 Mil­lime­ter in das Drehfut­ter einspan­nen. Aus nicht mehr nachvol­lziehbaren Grün­den span­nt er es so ein, dass es viel zu weit aus dem Drehfut­ter in den Arbeit­sraum der Drehmas­chine hineinragt.

Als er den Drehau­to­mat­en in Gang set­zt, knickt das aus dem Drehfut­ter her­ausste­hende Stan­gen­ma­te­r­i­al bei höher­er Drehzahl nicht nur ab, son­dern der abgeknick­te Stan­gen­teil reißt auch noch ab.

Zu diesem Zeit­punkt ist die Mas­chine so manip­uliert, dass die Schutztür bei laufend­er Mas­chine offen­ste­ht. Das Met­all­teil fliegt aus der Mas­chine her­aus und trifft den jun­gen Mann am Kopf – mit tödlichen Fol­gen. Dieser Unfall ist zwar fik­tiv, aber den­noch real­is­tisch. Er set­zt sich aus Einzel­er­fahrun­gen zusam­men, die Ralf Kesselka­ul während sein­er mehr als zwanzigjähri­gen Tätigkeit in der Präven­tion der Beruf­sgenossen­schaft Holz und Met­all (BGHM) machte. In dieser Zeit hat er sich inten­siv mit Drehmaschi­nen beschäftigt und war immer wieder mit Ursachen­analy­sen für Unfälle und Ableitung von Präven­tion­s­maß­nah­men befasst. Auch mit Unfällen, die durch Manip­u­la­tio­nen an Maschi­nen gescha­hen. Wäre bei dem Unfall­beispiel die Schutztür geschlossen gewe­sen, hätte sie das in den Arbeit­sraum wegfliegende Teil zurück­ge­hal­ten und dem jun­gen Mann wäre nichts passiert. Jedoch war der Posi­tion­ss­chal­ter, der die Schutztürstel­lung überwacht, so manip­uliert, dass er der Mas­chine sug­gerierte, die Schutztür sei zu.

Warum wird das gemacht? Ralf Kesselka­ul hat in der Prax­is schon fol­gen­den Grund für eine Manip­u­la­tion erlebt: Viele kleine Risse auf­grund ein­er länger zurück­liegen­den Vorschädi­gung in der Sichtscheibe der Schutzumhausung ver­hin­dern die freie Sicht in den Arbeit­sraum der Mas­chine. Muss dann zum Beispiel ein kleines Werk­stück bear­beit­et wer­den, wird wegen der fehlen­den Sicht die Schutztüre manip­uliert und es wird bei geöffneter Schutzumhausung gearbeitet.

Fehler können schnell passieren

Die wichtig­ste Maß­nahme, um bei der Drehbear­beitung einen Werk­stück­ver­lust zu ver­mei­den, ist das richtige Einspan­nen des Werk­stück­es. Fehler passieren hier­bei zum Beispiel auf­grund man­gel­nder Ken­nt­nis, Erfahrung oder auch fehlen­der Infor­ma­tio­nen zum Werk­stück, wie Ralf Kesselka­ul erk­lärt. So komme es vor, dass abhängig von der Auf­s­pannsi­t­u­a­tion etwa der Span­ndruck zu niedrig eingestellt ist, weiche statt harte Back­en ver­wen­det wer­den, außen statt innen ges­pan­nt wird oder das Werk­stück nicht tief genug im Drehfut­ter sitzt. Eben­falls kann – wie bei dem fik­tiv­en Unfall – Stan­gen­ma­te­r­i­al zu weit aus dem Drehfut­ter her­ausste­hen, weil beispiel­sweise die Struk­tur des Werk­stück­es unter­schätzt wird oder die Mate­ri­aleigen­schaften unbekan­nt sind. Sowohl Geschick und Erfahrung des Drehers als auch die Kon­struk­tionsvor­gaben spie­len dabei eine Rolle.

Gewisse Selbstüberschätzung

Im fik­tiv­en Unfall hätte die fehler­hafte Auf­s­pannsi­t­u­a­tion nicht zum Tod des jun­gen Mannes geführt, wenn das Unternehmen die Sichtscheibe unverzüglich aus­gewech­selt hätte, nach­dem der Bedi­ener den Defekt gemeldet hat­te. Es hätte keinen Grund mehr gegeben, die Mas­chine zu manip­ulieren. Schutzein­rich­tun­gen seien ja für die Funk­tion der Mas­chine nicht notwendig und kön­nen bisweilen hin­der­lich sein, wen­det Ralf Kesselka­ul auf die Frage ein, warum manip­uliert wird. So könne zum Beispiel auch eine gewisse Selb­stüber­schätzung dazu führen, dass Beschäftigte denken: „Ich bin so gut in meinem Job, ich brauche die Schutzein­rich­tung nicht“.

Maschinenhersteller in der Pflicht

Von großer Bedeu­tung sei auch, wie ergonomisch Maschi­nen kon­stru­iert seien. Wenn Schutzein­rich­tun­gen dazu führen, dass Bedi­enende ungün­stige Kör­per­hal­tun­gen ein­nehmen müssen, könne dies zu Manip­u­la­tio­nen ver­leit­en. Der Fach­mann der BGHM rät Unternehmen deshalb, bere­its bei der Anschaf­fung von Maschi­nen die Sicher­heits­fachkraft, die Sicher­heits­beauf­tragten und die kün­fti­gen Bedi­ener der Mas­chine hinzuzuziehen.

Anreiz für Manipulationen senken

Die Maschi­nen­her­steller sind eben­falls in der Pflicht. Laut Maschi­nen­richtlin­ie, die in Deutsch­land über das Pro­duk­t­sicher­heits­ge­setz sowie die 9. Pro­duk­t­sicher­heitsverord­nung gilt, müssen sie ergonomis­che Aspek­te berück­sichti­gen. „Außer­dem haben sie auch durch ihren Kon­takt zu den Unternehmen Zugang zu Infor­ma­tio­nen, ob an den Maschi­nen im prak­tis­chen Betrieb manip­uliert wird und kön­nen den Anreiz dazu durch Verbesserun­gen wirk­sam senken“, betont Ralf Kesselkaul.

Kollegen auf Gefahr hinweisen

Sicher­heits­beauf­tragte soll­ten ihre Kol­legin­nen und Kol­le­gen immer darauf hin­weisen, wie gefährlich es ist, Schutzein­rich­tun­gen an Maschi­nen zu umge­hen und sie davon abhal­ten. Hat das keinen Erfolg, müssen sie die Manip­u­la­tion den Vorge­set­zten melden.

Auch Defizite an Maschi­nen, die einen Anreiz für Manip­u­la­tio­nen darstellen, soll­ten sie weit­ergeben. Mit diesen Infor­ma­tio­nen ermöglichen sie es den Vorge­set­zten und dem Unternehmen, entsprechend ihrer Ver­ant­wor­tung zu han­deln, also den Grund für eine Manip­u­la­tion, wie zum Beispiel eine defek­te Sichtscheibe, auszuwechseln.


Internetseite klärt auf

Viele Infor­ma­tio­nen zum The­ma „Manip­u­la­tion an Maschi­nen“ ste­hen auf
ein­er von Beruf­sgenossen­schaften und Arbeitss­chut­zor­gan­i­sa­tio­nen mehrerer Län­der veröf­fentlicht­en Iner­net­seite. Her­steller, Händler und Betreiber von Maschi­nen find­en dort nüt­zliche Hin­weise und Prax­ishil­fen. Das reicht von der „Check­liste Maschineneinkauf“ über die „Inter­ven­tion bei Fehlver­hal­ten“ bis zu Lehrmod­ulen für die Unfallprävention.

www.stop-defeating-org.de

Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de