Fremder. Das klingt nach einem, den der Sheriff anspricht, nur mal so, damit der weiß, dass man sich hier bei uns anständig benimmt. Auf den man aufpassen muss, weil er sich in der Stadt nicht gut auskennt und die lokalen Sitten und Gebräuche ungewohnt findet. Der seine Sachen regeln und dabei nichts kaputtmachen soll. Und Stress will man mit ihm auch nicht haben. Damit das auch wirklich klappt, haben viele Unternehmen so einen Sheriff: Den Fremdfirmenkoordinator. Zugegeben, Sheriff klingt markiger, aber der Koordinator braucht keinen Colt und trägt wohl in der Regel auch keinen Ansteckstern. Wichtig ist er auch ohne solche Statussymbole, wie man bei einem Blick in die Rechtsprechung erkennen kann (und die erfasst ja immer nur die Fälle, in denen es Streit gibt, also einen kleinen Ausschnitt der Realität).
Schwere Verletzung
So wurde beispielsweise ein Leiharbeitnehmer schwer verletzt, als er eine Datenleitung im Schaltschrank einer Spritzgussmaschine einziehen wollte. Er stieß laut Unfallanzeige an eine Zange, die fiel in den Schaltschrank, und der wiederum war nicht spannungsfrei, so dass explosionsartig ein Lichtbogen entstand und den Monteur schwer verbrannte. Was sollten wir anders machen, so der Obermonteur, die Spritzgussmaschine war ja im Probebetrieb. Es sei gängige Praxis, bei solchen Arbeiten nicht freizuschalten. Ein bisschen was müsse der Leiharbeitnehmer schon selbst über Arbeitssicherheit wissen. Diese Argumentation ist natürlich nicht zulässig, entschied das Verwaltungsgericht Regensburg (Gerichtsbescheid vom 08.07.2014 – RO 5 K 14.495, BeckRS 2014, 53806). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Unfall sich tatsächlich so zugetragen hat wie in der Unfallanzeige geschildert. Das hatte das betreffende Unternehmen nämlich bestritten und darauf hingewiesen, dass gar nicht klar sei, ob der Unfall hätte verhindert werden können. Mag sein, antwortete das Gericht, aber gegen Unfallverhütungsvorschriften verstieß das Vorgehen so oder so. Es ließ deshalb eine weitgehende Anordnung durch das Gewerbeaufsichtsamt zu: Künftig musste stets spannungsfrei gearbeitet werden.
Formal gesehen ging es dabei nicht um Fremdfirmenkoordination, weil entliehene Mitarbeiter aus Sicht des Arbeitsschutzes rechtlich Mitarbeiter des entleihenden Unternehmens sind. Bei der Arbeitnehmerüberlassung ist der Entleiher sehr weitgehend für das Wohlergehen der Fremden verantwortlich. Geregelt ist das in § 11 Abs. 6 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Für die sicherheitliche Betrachtung ist das allerdings gleichgültig, denn machen wir uns nichts vor: Genausogut hätte der Lehrling eines Dienstleisters verbrennen können. Und auch rechtlich wirkt sich das nicht aus, für Fremde ist nämlich der Auftraggeber mitverantwortlich. Er muss sich, so heißt es in § 8 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz, „vergewissern, dass die Beschäftigten anderer Arbeitgeber, die in seinem Betrieb tätig werden, hinsichtlich der Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit während ihrer Tätigkeit in seinem Betrieb angemessene Anweisungen erhalten haben.“ Das geht beispielsweise durch eine Einweisung (VG Stuttgart, Beschluss vom 13.10.2010 – 7 K 2625/10, BeckRS 2010, 55602).
Noch ein Fall
Gründlich schiefgegangen war dies in einem Fall, über den das Bundesarbeitsgericht entschied. In einem chemischen Betrieb wurden Laugetanks mit einer Spritzpistole lackiert, und zwar so hingebungsvoll, dass die Mitarbeiter des Dienstleisters nicht bemerkten, wie warm es an den Tanks wurde. Bis zu 60 °C nämlich, und das wiederum führte zu kräftiger Thermik: Durch den entstehenden Farbnebel wurden auch die Autos der Mitarbeiter auf dem 200 Meter entfernten Betriebsparkplatz gefärbt. Über das 20 Meter hohe Firmengebäude hinweg.
Natürlich musste der Dienstleister den Schaden ersetzen, aber man kann bekanntlich einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen – der Dienstleister und sein sprühfreudiger Mitarbeiter waren pleite. Also fragte man sich, ob nun das Chemieunternehmen zahlen musste. Auf den ersten Blick eine überraschende Frage, auf den zweiten nicht so sehr, denn dass Arbeitgeber Schutzpflichten für Eigentum ihrer Arbeitnehmer haben, ist nichts Neues. Und wo eigentlich der Sheriff ist, wenn man ihn braucht, war bei dem Spektakel sicher eine Frage, die mehr als einem Mitarbeiter durch den Kopf ging. Der hätte da doch zwischenhauen können! Können schon, aber müssen nicht, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 25. 5. 2000 – 8 AZR 518/99, NZA 2000, 1052). Denn beim Arbeitsschutz geht es aus rechtlicher Sicht nicht um Eigentum, sondern um Leben und Gesundheit. Und davon abgesehen ist Arbeitsschutz bei Fremdarbeitern in erster Linie Aufgabe deren Arbeitgebers, hier also der Lackierfirma. § 8 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz half hier sowieso nicht weiter: Er zielt nicht auf den Schutz der eigenen Mitarbeiter, sondern der Fremden.
Anders als bei der Arbeitnehmerüberlassung muss der Auftraggeber Fremdfirmen über betriebsspezifische Gefahren informieren, damit diese ihre eigene Verantwortung in Sachen Arbeitsschutz wahrnehmen können – übernehmen muss der Auftraggeber die Verantwortung nicht. Die grundlegende Regelung hierfür findet sich in § 8 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz:
Werden Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig, sind die Arbeitgeber verpflichtet, bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten. Soweit dies für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit erforderlich ist, haben die Arbeitgeber je nach Art der Tätigkeiten insbesondere sich gegenseitig und ihre Beschäftigten über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu unterrichten und Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren abzustimmen.
Flankiert wird das durch § 13 Betriebssicherheitsverordnung in der aktuell geltenden Fassung, und in dessen Absatz 3 taucht nach dem Vorbild von § 3 Baustellenverordnung die Bestimmung auf, gegebenenfalls einen Koordinator zu bestellen – das rechtliche Zuhause des Sheriffs. Ein guter Rat für Unternehmen ist deshalb, die eigenen Tätigkeiten von denen fremder Unternehmen sauber zu trennen. Ansonsten entsteht eine Gemengelage der Verantwortung für Arbeitsorganisation und Arbeitsmittel. Der Sheriff hat die Fremden zu informieren und auf sie zu achten. Eine freundliche Ansprache beim Hereinreiten in die Stadt also. Erledigen müssen sie ihre Sachen selbst.
Außerdem ein Zunicken beim Vorbeireiten, hallo, ich bin auch hier. Damit es kein Durcheinander auf der Straße gibt, denn für die Ordnung auf der Straße ist nicht die Fremdfirma verantwortlich. Die muss sich so benehmen, wie man es ihr sagt und wie es sich allgemein gehört. Um das Miteinander muss sich der Auftraggeber kümmern. Denn die organisatorischen Schnittstellen sind risikoträchtig. Mangelnde Informationsflüsse haben schon Mitarbeiter das Leben gekostet, wie die anwaltliche Praxis zeigt. Eindrucksvoll auch ein Fall des Oberlandesgerichts Rostock (Urteil vom 08.07.2011 – 5 U 174/10, BeckRS 2011, 19707): Ein Fremdmitarbeiter wird schwer verletzt, als der Betriebsmeister eine Förderbandanlage einschaltet, weil er meinte, dazu ohne weitere Abstimmung berechtigt zu sein. Ein Warnschild hatte er beiseite geräumt.
Für so etwas braucht man einen, der den Überblick hat. Der seine Straßen kennt und darauf achtet. Auf die geschäftigen Eselskarren, die spielenden Kinder, die alten Mütterchen und die jugendlichen Rowdies. Freunde macht man sich dabei nicht unbedingt. Das wissen auch Arbeitsschützer. Am Ende reitet der Held eben singend in den Sonnenuntergang: ein armer einsamer Cowboy.
Autor:
Dr. Michael Neupert
Rechtsanwalt
Kümmerlein, Simon & Partner
Rechtsanwälte mbB
Michael.Neupert@kuemmerlein.de