Computertechnik und Roboter sind immer häufiger in deutschen Unternehmen anzutreffen – bisher ohne gravierende Veränderungen in der Arbeitswelt, wie eine Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung ergab. Dennoch legte die Auswertung der WSI-Betriebsrätebefragung 2016 einige kritische Entwicklungen zu Tage; und neue Möglichkeiten, mit denen sich beispielsweise Arbeit und Familienleben besser vereinbaren ließen, werden oftmals nicht genutzt.
Neue Technologien beeinflussen die Arbeitsbedingungen und ‑organisation stark
Übernehmen Roboter gefährliche, anstrengende oder schmutzige Arbeiten, entlasten sie Beschäftigte. Schlechter für Beschäftigte ist die computergestützte Rationalisierung. „Sie ist eine Entwicklung, die Betriebsräte seit längerem beobachten und begleiten“, schreibt Dr. Elke Ahlers, die für die vorliegende Studie die WSI-Betriebsrätebefragung 2016 ausgewertet hat. Die Befragung ist repräsentativ für mitbestimmte Betriebe aus allen Branchen mit mehr als 20 Beschäftigten. Zwar hätten die wesentlichen Arbeitnehmervertreter betreffenden Problemfelder – Arbeitsverdichtung und zu wenig Personal – keineswegs immer mit der Digitalisierung zu tun, so Ahlers. Dennoch zeigten die Ergebnisse der Betriebsrätebefragung, dass neue Technologien die Arbeitsbedingungen und ‑organisation stark beeinflussen.
Verbreitung von digitaler Technik in Betrieben
In 98 Prozent der Betriebe wird mit dem Internet gearbeitet, 88 Prozent setzen Diensthandys ein, 50 Prozent Tablets. 38 Prozent führen elektronische Personalakten, ein Drittel nutzt Social Media und ein Fünftel Roboter. Wobei Letztere nur in sechs Prozent der Fälle die menschliche Arbeit komplett ersetzen, in 14 Prozent der Betriebe aber als Unterstützung der Beschäftigten wahrgenommen werden. In beinahe jedem dritten Betrieb ist es „verbreitet“ oder „sehr verbreitet“, dass Arbeit durch Computer erfasst wird, rund 20 Prozent arbeiten mit computergesteuerten Zeit- oder Kennziffernvorgaben, ebenso viele haben virtuelle Dienstbesprechungen oder Videokonferenzen.
Finanzdienstleistungen und Versicherungen – Verlierer der Digitalisierung
Gerade die Finanzdienstleistungen und Versicherungen erweisen sich der Betriebsrätebefragung zufolge „im Branchenvergleich als ein Verlierer der Digitalisierung“. Hier gingen durch neue Computersysteme zwischen 2011 und 2016 in jedem dritten Betrieb Arbeitsplätze verloren. 87 Prozent der Betriebsräte von Banken und Versicherungen konstatieren eine Zunahme der Arbeitsintensität in den vergangenen Jahren. Das sind neun Prozentpunkte mehr als in der Gesamtwirtschaft, wo 78 Prozent eine Verdichtung konstatieren.
Mehr standardisierte Tätigkeiten trotz Computer
Häufiger als in anderen Branchen sehen Arbeitnehmervertreter in der Finanzwirtschaft die gewachsenen Belastungen als unmittelbare Folge der Digitalisierung. Außerdem wird gerade im Arbeitsalltag von Bank- und Versicherungskaufleuten deutlich: Es ist nicht so, dass die Computer alles Stupide übernehmen und für die Menschen nur noch die interessanten Aufgaben übrig bleiben. In 61 Prozent der Betriebe ist der Anteil standardisierter Tätigkeiten sogar gestiegen. Im Durchschnitt aller Branchen hat immerhin noch ein Viertel der Betriebsräte diesen Eindruck.
Mehr Kontrolle durch Digitalisierung
Zudem verringert die fortschreitende digitale Kontrolle der Arbeit im Finanzsektor die Autonomie vieler Beschäftigter empfindlich. 54 Prozent der Betriebsräte in dieser Branche berichten von computergesteuerter Überwachung der einzelnen Arbeitsschritte – beispielsweise in Call-Centern. Im Durchschnitt aller Branchen sind es 32 Prozent.
Insgesamt mehr Jobs
Dennoch verweisen die befragten Betriebsräte nicht nur auf die schlechten Seiten der Digitalisierung. Während es nach Auskunft der Arbeitnehmervertreter in 16 Prozent aller Betriebe zu technologisch bedingtem Personalabbau kam, verzeichneten 36 Prozent einen Stellenzuwachs. Lediglich bei Banken und Versicherungen sehen die befragten Betriebsräte unter dem Strich ein deutliches Minus.
Allerdings ist laut Ahlers unklar, ob diese Veränderungen wirklich nur der Digitalisierung zuzuschreiben sind oder auch konjunkturelle Faktoren hineinspielen, die sich in verschiedenen Branchen unterschiedlich auswirken. In 36 Prozent der Betriebe führte der technische Fortschritt zu Versetzungen von Beschäftigten und in 19 Prozent zur Auslagerung von Aufgaben.
Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben bleibt Problem
Die mögliche bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben durch individuelle flexible Arbeitsgestaltung bleibt jedoch im Zuge der Digitalisierung aus. Die Betriebsrätebefragung des WSI ergab, dass Homeoffice nur in 13 Prozent der Betriebe vorkommt; nur 15 Prozent der Betriebsräte berichten von einer infolge der Digitalisierung „gestiegenen Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf“.
Wie gehen Betriebsräte vor?
Laut Dr. Elke Ahlers macht die Befragungsergebnisse deutlich, „dass die Arbeitszeit als solche in Zeiten der digitalen Vernetzung und ständigen Erreichbarkeit zu entgleisen droht“. Die Betriebsräte können diesen Entwicklungen durchaus etwas entgegensetzen. Durch Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit, zum Gesundheitsschutz oder zum Datenschutz versuchen sie, der neuen Probleme Herr zu werden.
So gibt es etwa in jedem zweiten Betrieb, in dem die Arbeit mit computergesteuerten Zeit- oder Kennziffervorgaben verbreitet ist, Regelungen zur Begrenzung von Verhaltens- und Leistungskontrollen. 64 beziehungsweise 54 Prozent haben Regelungen zur Nutzung von Internet und E‑Mail getroffen, Großbetriebe häufiger als kleine.
In einem Drittel der Betriebe kommt es jedoch laut Studie regelmäßig vor, dass der Arbeitgeber die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung neuer Technik missachtet. Zudem brauchen Betriebsräte Ahlers zufolge mehr Fachexpertise. Eine Herausforderung ist außerdem das hohe Innovationstempo im IT-Bereich: Kaum ist eine Betriebsvereinbarung durchgesetzt, sind schon wieder neue Programme und Geräte mit potenziell problematischen Eigenschaften im Einsatz.
Zur Studie:
Elke Ahlers: Die Digitalisierung der Arbeit – Verbreitung und Einschätzung aus Sicht der Betriebsräte, WSI-Report Nr. 40, Juni 2018, Download unter http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_40_2018.pdf