Sie kommen morgens zur Arbeit und ihr Kollege schnappt Ihnen den Parkplatz weg. Sie kommen in den Pausenraum und das Gespräch verstummt schlagartig. Ihr Chef gibt Ihnen einen Arbeitsauftrag, der weit unter Ihrer Qualifikation liegt. Ist das Mobbing? Nein. Einzelne Gemeinheiten, ein Streit zwischen Kollegen, Ermahnungen oder barsche Anweisungen können zwar Anzeichen für ein schlechtes Arbeits- und Betriebsklima sein, doch diesen Einzelaktionen fehlen bestimmte Merkmale, die ausschlaggebend dafür sind, dass man von Mobbing spricht. Mobbing meint nicht ein schlechtes Betriebsklima oder einen gelegentlich ungerechten Vorgesetzten. Bei Mobbing wird eine Person mit dem Ziel der Ausgrenzung systematisch oft und während einer längeren Zeit angegriffen.
Auslöser für Mobbing
Mobbing beginnt schleichend und ist ein langwieriger Prozess. Durchschnittlich 15 Monate sind Mobbing-Opfer dem Psycho-Terror am Arbeitsplatz ausgesetzt. Häufig werden die Attacken hinter „Scherzen“ versteckt, anonym durchgeführt oder mit „objektiven Daten“ unterfüttert. So ist die Böswilligkeit nur schwer zu beweisen.
Doch warum kommt es immer wieder dazu, dass Beschäftigte Kollegen schikanieren, bis diese krank werden? Was treibt einen Chef dazu, seinen Mitarbeiter zu drangsalieren, bis er kündigt? Zu den wichtigsten Auslösern zählen
- unbesetzte Stellen oder schlechtes Zeitmanagement, also Mängel in der Arbeitsorganisation.
- Schwächen im Führungsverhalten wie mangelnde Vorbildfunktion der Vorgesetzten oder Vernachlässigung der Fürsorgepflicht.
- eine besondere soziale Stellung der Betroffenen etwa aufgrund von Geschlecht, Nationalität oder Behinderung.
- Wegschauen sowie Ignorieren oder Dulden von Fehlverhalten.
Hinzu kommt, dass man sich seine Arbeitskollegen nicht aussuchen kann. Man arbeitet nicht primär zusammen, weil man sich gern hat. Die Teams sind fast immer „Zwangsgemeinschaften“: Sie werden vom Arbeitgeber oder Vorgesetzten zusammengesetzt, um im Auftrag des Betriebs bestimmte Aufgaben zu lösen. Wer sich im Team nicht wohl fühlt, kann nicht einfach gehen und sich somit der Situation entziehen.
Was passiert beim Mobbing?
Mobbinghandlungen können Angriffe, Ausgrenzungen oder Verletzungen sein: Da wird beispielsweise ein Kollege mundtot gemacht, alle verlassen den Raum, wenn die Kollegin ihn betritt, oder jemand wird ständig als Versager bezeichnet. Je länger der Mobbingprozess dauert, desto geringer sind die Chancen, sich zur Wehr zu setzen. Der Betroffene gerät immer mehr unter Druck, seine Leistung lässt nach, er wird krank oder kündigt. Doch nicht nur der Einzelne leidet, sondern auch sein Umfeld, also zum Beispiel seine Familie.
Mobbing ist aber auch ein Thema für das Unternehmen und die Gesellschaft. Denn durch krankheitsbedingte Arbeitsausfälle entsteht ein großer betriebs- und volkswirtschaftlicher Schaden. Jeder dritte Erwachsene in Deutschland wurde schon einmal gemobbt. Jedes Jahr trifft es über eine Million Beschäftigte. Einem Betrieb entstehen pro gemobbter Person Kosten in Höhe von 15.000 bis 50.000 Euro pro Jahr. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) beziffert den mobbingbedingten betriebswirtschaftlichen Schaden auf jährlich bis zu 25 Milliarden Euro. Der volkswirtschaftliche Schaden (Behandlungskosten, Frühverrentungen et cetera) wird auf bis zu 80 Milliarden Euro geschätzt.
Mobbingopfer können sich juristisch wehren: Schwere Mobbinghandlungen wie Beleidigung, Verleumdung, Nötigung oder Körperverletzung sind strafbar. Von Körperverletzung ist die Rede, wenn jemand durch Mobbing krank wird. Dieser Zusammenhang muss jedoch so von einem Arzt attestiert werden.
Mobbingopfer leiden vor allem unter Gerüchten und Unwahrheiten. Eine ideale Plattform dafür ist das Internet. Findet Mobbing beispielsweise per E‑Mail, auf Facebook, Instagram oder auf Videoplattformen wie Youtube statt, spricht man von Cyber-Mobbing. Bei dieser neueren Form von Mobbing sind Beleidigungen und Diffamierungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.
Cyber-Mobbing
Während Mobbing am Arbeitsplatz meist nur Täter und Opfer sowie das nähere Umfeld betrifft und zeitlich auf den Arbeitsalltag begrenzt ist, sind Beleidigungen oder verletzende Fotos oder Filme im Internet von Fremden einsehbar und können jederzeit abgerufen werden.
Außerdem wissen die Opfer oft lange Zeit nicht, was im Netz über sie verbreitet wird. Hinzu kommt: Was einmal online ist, lässt sich sehr schwer wieder löschen. Selbst wenn es gelingt, Fotos und Beleidigungen entfernen zu lassen, sind die Opfer nicht davor geschützt, dass andere Personen die Inhalte gespeichert haben und weiter in Umlauf bringen.
Damit Mobbing nicht um sich greifen kann, sollte im Unternehmen verbindlich festgelegt sein, wie miteinander umgegangen wird. Das lässt sich zum Beispiel schriftlich in einer Mobbingvereinbarung festhalten. Außerdem tragen ein vorbildhafter Führungsstil, Informationsveranstaltungen und ausgebildete Mobbingbeauftragte im Betrieb dazu bei, das Thema aus der dunklen Ecke des „Psychoterrors“ herauszuholen und ohne Tabu präventiv dagegen anzugehen.
Typische Mobbing-Phasen
Mobbing meint die systematische Ausgrenzung einer Person, die zu diesem Zweck über einen längeren Zeitraum regelmäßig gedemütigt, bedroht, beleidigt, herabgewürdigt und schikaniert wird. Typisch für den Verlauf sind die folgenden vier Phasen:
- Ein Konflikt wird nicht geklärt. Es kommt zu Schuldzuweisungen oder ersten einzelnen persönlichen Angriffen.
- Der eigentliche Konflikt gerät in den Hintergrund. Der Psychoterror beginnt: Eine bestimmte Person wird immer häufiger zur Zielscheibe systematischer Schikane. Sie verliert nach und nach ihr Selbstwertgefühl. Die Kollegen grenzen sie mehr und mehr aus.
- Die Angelegenheit eskaliert. Die gemobbte Person verändert sich, kann sich nicht mehr konzentrieren und macht Fehler. Sie wird deshalb abgemahnt, versetzt oder mit Kündigung bedroht. Die arbeitsrechtlichen Sanktionen treffen allerdings den Falschen.
- Der Gemobbte geht oder ihm wird gekündigt.
Weiterführende Informationen
Handlungshilfen und Empfehlungen finden sich unter anderem
- in der Verdi-Broschüre „Gemeinsam gegen Mobbing“, hinterlegt unter www.inqa.de (Suchbegriff „Gemeinsam gegen Mobbing“)
- in der Broschüre „Wenn aus Kollegen Feinde werden“der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter www.baua.de Angebote Publikationen Repositorium (Suchbegriff Mobbing)
Rechtliche Grundlagen
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Arbeitnehmer vor arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu schützen und auf eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit zu achten. Schutz- und Handlungsmöglichkeiten gegen Mobbing ergeben sich unter anderem aus dem
- Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG),
- dem Grundgesetz,
- dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowie
- dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).