Die folgenden Ergebnisse des AGS im Rahmen der Frühjahrsitzung in Berlin wurden im Internet veröffentlicht (Link siehe Infokasten).
Neu VSK/Informationen:
- VSK „Manuelles Kolbenlöten mit bleifreien Lotlegierungen in der Elektro- und Elektronikindustrie“
- VSK „Vergießen elektronischer Bauteile mit Vergussmassen, die Methylendiphenyldiisocyanat (MDI) enthalten“
- VSK „Quecksilberexpositionen bei der Demontage von Flachbildschirmen“
- VSK „Quecksilberexpositionen bei der Sammlung von Leuchtmitteln“
- Praxisbeispiele zur TRGS 460
Neufassungen:
- TRGS 460 „Vorgehensweise zur Ermittlung des Standes der Technik“
- TRGS 552 „N‑Nitrosamine“
Änderungen und Ergänzungen:
- TRGS 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte“
- Handlungsanleitung zu VSK
Überarbeitung der TRGS 910 beschlossen
Der AGS hat zudem eine Überarbeitung der TRGS 910 „Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ beschlossen. Ziel ist insbesondere die Darstellung der Umsetzung des Minimierungsgebotes sowie des Stellenwertes und der Bedeutung der TK und angestrebten AK. Die TRGS 910 soll auch stärker praxisorientiert und an den Pflichten des Arbeitgebers ausgerichtet werden. Die Arbeiten sollen 2019 abgeschlossen sein.
Mehrere Arten von Grenzwerten für krebserzeugende Gefahrstoffe
In Deutschland gibt es für krebserzeugende Gefahrstoffe
- (a) gesundheitsbasierte AGW aus der TRGS 900 und
- (b) seit 2010 risikobasierte AK und TK aus der TRGS 910.
Auf europäischer Ebene gibt es unter anderem EU-weit verbindliche Grenzwerte – oft auch als B‑OEL bezeichnet.
Bei der Ableitung von (a) und (b) werden nur Risiken für die menschliche Gesundheit bewertet, meistens aus Tierversuchen.
Bei der Ableitung von B‑OEL werden auch wirtschaftliche Auswirkungen berücksichtigt, weshalb sich unterschiedlich hohe Grenzwerte ergeben können.
Neue EU-weit verbindliche Grenzwerte
Ende 2017 wurden in Anhang III der Richtlinie (EU) 2017/2398 insgesamt 14 B‑OEL für krebserzeugende Gefahrstoffe veröffentlicht (11 neue, 2 abgesenkte, 1 unverändert).
Alle Mitgliedstaaten müssen diese Richtlinie bis spätestens zum 17. Januar 2020 national umgesetzt haben, indem die B‑OEL in die jeweiligen nationalen Grenzwertlisten übernommen worden sind. In Deutschland erfolgt das über die Aufnahme in die beiden Grenzwertlisten-TRGS 900 bzw. 910 oder andere stoffspezifische TRGS.
Da es sich bei den B‑OEL um verbindliche Werte handelt, darf bei der nationalen Übernahme nur „nach unten“ abgewichen werden (also strengere Werte), nicht aber nach oben (weniger strenge Werte).
Aus diesem Grund musste bei Propylenoxid der AGW von 4,8 mg/m³ auf 2,4 mg/m³ abgesenkt werden und entspricht jetzt dem B‑OEL (siehe Tabelle 1).
AK und TK aus der TRGS 910 für viele krebserzeugende Gefahrstoffe
Für die meisten anderen Stoffe gibt es bereits nationale Grenzwerte aus verschiedenen TRGS (meistens TRGS 910).
Die Säulengraphiken auf Seite 18 (Anm.: siehe Sicherheitsingenieur 8/2018; hier: siehe unten) zeigen in der oberen Reihe alle Stoffe aus der o.g. EU-Richtlinie für die es risikobasierte Grenzwerte aus der TRGS 910 gibt mit den drei Risikobereichen rot, gelb und grün gemäß des sog. „Ampelmodells“: Die Grenze zwischen dem grünen und gelben Säulenbereich entspricht der AK, die Grenze zwischen dem gelben und roten Säulenbereich entspricht der TK.
In der unteren Reihe sind die Stoffe abgebildet bei denen es nur zwei Bereiche (rot und grün) gibt wie zum Beispiel bei AGW aus der TRGS 900 oder anderen Arten von Grenzwerten wie zum Beispiel Beurteilungsmaßstäben.
Die Position der EU-Flagge symbolisiert die jeweilige Höhe des B‑OEL.
Alle Zahlenwerte finden sich im Internet – siehe „Infokasten Links“.
Neue Grenzwerte für Bromethylen, Chlorethylen und o‑Toluidin
Nur für Bromethylen, Chlorethylen und o‑Toluidin gab es bisher noch keine nationalen Grenzwerte, weshalb diese B‑OEL jetzt in der TRGS 900 neu aufgenommen worden (erkennbar an der Bemerkung (28), siehe Tabelle 1).
Für die beiden erstgenannten Stoffe wird es in den nächsten Monaten noch zu einer Änderung kommen: Sobald die Ableitungen der AK und TK für diese beiden Stoffe vorliegen, werden die Einträge aus der TRGS 900 gestrichen und die neuen AK und TK in die TRGS 910 aufgenommen werden. Diese Vorgehensweise wird durch die Bemerkung (29) verdeutlicht.
Nicht nur gesundheitsbasierte Grenzwerte in der TRGS 900
Der neue AGW für o‑Toluidin stammt ebenfalls aus der o.g. EU-Richtlinie (ebenfalls Bemerkung (28)). Die Bemerkung (30) besagt, dass dieser Stoff nur in geschlossenen Anlagen hergestellt oder verwendet werden darf.
Das geschlossene System wird in der TRGS 500 definiert: In der Regel besteht während des Produktionsvorgangs zwischen dem Gefahrstoffe enthaltenden Innenraum und der Umgebung keine betriebsmäßig offene Verbindung oder es wird strömungsbedingt ein Stoffaustritt sicher verhindert und beim betriebsmäßigen Öffnen des Systems können keine Gefahrstoffe austreten und zu einer Gefährdung der Beschäftigten führen. Bei diesen strengen Anforderungen, die an ein geschlossenes System gestellt werden, dürfte eine Grenzwertmessung in der betrieblichen Praxis wohl ohne Bedeutung sein.
Praxistipps: Gesamtliste mit allen Grenzwerten, TRGS-Newsletter
Für alle Praktiker empfiehlt sich ein Blick in die Excel-Liste „Luftgrenzwerte nach GefStoffV“ die alle Grenzwerte der GefStoffV zusammenfasst (TRGS 900, 910 sowie stoffspezifische TRGS und EU-Richtlinien) – siehe Infokasten. Diese Liste wird regelmäßig aktualisiert.
Um automatisch und zeitnah über die neue Version der kommenden TRGS 910 informiert zu werden, ist das Abo des „E‑Mail-Service: Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)“ der BAuA hilfreich – siehe Infokasten.
Handlungsbedarf: Einhaltung aller Grenzwerte (weiter) überprüfen
Überprüfen Sie daher in Ihrem Betrieb, ob insbesondere die neuen bzw. abgesenkten Grenzwerte (siehe Tabelle 1) eingehalten werden können, denn kommen werden diese Grenzwerte auf jeden Fall!
Für die Stoffe mit bereits vorhandenen deutschen Grenzwerten (siehe Säulengraphiken) ergibt sich kein neuer Handlungsbedarf:
- Für Stoffe mit (a) sind bei einer AGW-Überschreitung – wie bisher in der GefStoffV beschrieben – geeignete zusätzliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
- Für Stoffe mit (b) ist weiterhin das risikobezogene Maßnahmenkonzept der TRGS 910 anzuwenden, um das Minimierungsgebot der GefStoffV umzusetzen.
Eine Überprüfung von Grenzwerten muss nicht zwingend durch eine Arbeitsplatzmessung erfolgen. Auch sogenannte „nicht-messtechnische“ Methoden wie zum Beispiel das EMKG-Konzept der BAuA sind hier zielführend.
Wie geht es (auch im AGS) weiter?
Die EU-Richtlinie (EU) 2017/2398 war nur die erste Auswirkung der Krebs-Richtlinie (2004/37/EG) aus dem Jahr 2004.
In den nächsten Jahren werden noch mehrere weitere Änderungen mit neuen B‑OEL auf uns zukommen.
Allein schon aus diesem Grund wird der Stellenwert der TRGS 910, die sich gerade in Überarbeitung befindet, weiter zunehmen und bestimmt noch für einige Diskussionen im AGS und auch in der betrieblichen Umsetzung sorgen.
Links und Downloads
- Beschlüsse des AGS: www.baua.de → Aufgaben → Geschäftsführung von Ausschüssen → Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) → Neues vom Ausschuss für Gefahrstoffe
- Excel-Liste „Luftgrenzwerte nach GefStoffV“: www.baua.de → Aufgaben → Geschäftsführung von Ausschüssen → Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) → Informationen aus dem AGS → Luftgrenzwerte.
- B‑OEL-Werte und nationale Werte: https://www.dguv.de/ifa → Fachinfos → Arbeitsplatzgrenzwerte → Verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte der EU-Kommission
- E‑Mail-Service: Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS): www.baua.de/trgs (unten auf der Seite, siehe: Weitere Informationen)
Glossar:
- AGS: Ausschuss für Gefahrstoffe
- AGW: Arbeitsplatzgrenzwert
- AK: Akzeptanzkonzentration
- BAuA: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
- B‑OEL: binding OEL (EU)
- EMKG: Einfaches Maßnahmenkonzept
- GefStoffV: Gefahrstoffverordnung
- OEL: occupational exposure limit
- TRGS: Technische Regel für Gefahrstoffe
- TK: Toleranzkonzentration
- UAII: Unterausschuss 2 („Schutzmaßnahmen“) des AGS
- VSK: Verfahrens- und stoffspezifische Kriterien (siehe TRGS 420)
Autorin: Dr. Birgit Stöffler
Sicherheitsingenieurin, stellv. Mitglied im Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS), Mitglied im UA II