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Pflicht und Freiheit bei der Gefährdungsbeurteilung

Anspruch von Arbeitnehmern
Pflicht und Freiheit bei der Gefährdungsbeurteilung

Pflicht und Freiheit bei der Gefährdungsbeurteilung
Der Gesetzgeber bemüht sich, Rechte und Pflichten im ausgewogenen Verhältnis zu gestalten. Auch im Arbeitsschutz. Foto: © Leigh Prather – stock.adobe.com
Arbeit­ge­ber müssen Gefährdun­gen der Arbeit beurteilen und auf dieser Grund­lage ermit­teln, welche Arbeitss­chutz­maß­nah­men erforder­lich sind. So regelt es § 5 Abs. 1 Arbeitss­chutzge­setz (Arb­SchG), aber wer kann diese Pflicht durch­set­zen – nur die zuständi­gen Behör­den oder auch die Beschäftigten?

Mit dieser Frage musste sich in let­zter Instanz das Bun­de­sar­beits­gericht (BAG) beschäfti­gen und entsch­ied: Die Gefährdungs­beurteilung ist, auch ohne dass dies aus­drück­lich vere­in­bart sein muss, geset­zlich­er Bestandteil jedes Arbeitsver­trags. Arbeit­ge­ber sind näm­lich gemäß § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, den Arbeit­splatz so einzuricht­en, dass hin­re­ichen­der Schutz vor Gefahren beste­ht – und von dieser Pflicht lässt sich in den Augen des BAG die Gefährdungs­beurteilung nicht trennen.

Zwar gibt es einen Unter­schied zwis­chen ein­er Gefährdung und ein­er Gefahr; let­ztere ist konkreter als das, was in ein­er Gefährdungs­beurteilung betra­chtet wer­den muss. Aber die Gefährdungs­beurteilung ist ein „zen­trales Ele­ment des tech­nis­chen Arbeitss­chutzes“, mit welch­er „der Schutz der Gesund­heit als der kör­per­lichen und geistig­psy­chis­chen Integrität des Arbeit­nehmers“ anfängt. Sie dient also mit­tel­bar nicht nur staatlichen Vor­gaben, son­dern auch der Pflicht aus § 618 Abs. 1 BGB. Der § 5 Abs. 1 Arb­SchG zielt auf Präven­tion und damit auch dem indi­vidu­ellen Schutz jedes Arbeit­nehmers. In der Kon­se­quenz kann nicht nur die staatliche Arbeitss­chutzbe­hörde durch­set­zen, dass ein Arbeit­ge­ber Gefährdungs­beurteilun­gen anstellt, son­dern auch jed­er Arbeit­nehmer kann seinen Arbeit­ge­ber darauf verklagen.

Allerd­ings kön­nen Beschäftigte nicht ver­lan­gen, dass Arbeit­ge­ber die Gefährdungs­beurteilung nach Meth­o­d­en oder Kri­te­rien durch­führen, welche die Arbeit­nehmer auswählen. § 5 Abs. 1 Arb­SchG gibt dem Arbeit­ge­ber näm­lich keine exak­ten Hand­lungsan­weisun­gen vor, son­dern lässt ihm einen Beurteilungs- und Ermessensspiel­raum. Kon­se­quenter­weise kön­nen Arbeit­nehmer dann unter Beru­fung auf § 5 Abs. 1 Arb­SchG keine engere Bindung fordern als die Recht­snorm über­haupt enthält. Deshalb scheit­erte der Kläger, der behauptete, infolge der Beschäf­ti­gung einen Hörschaden erlit­ten zu haben, mit seinem Begehren, der Arbeit­ge­ber müsse bei der Gefährdungs­beurteilung die Kri­te­rien der ISO 9241 Teil 2, der Humankri­te­rien sowie der son­sti­gen gesicherten arbeitswis­senschaftlichen Erken­nt­nisse über die men­schen­gerechte Gestal­tung der Arbeit anwen­den und soge­nan­nte Beobach­tungsin­ter­views durch eine arbeitswis­senschaftlich bzw. arbeit­spsy­chol­o­gisch qual­i­fizierte Per­son durchführen.

Dafür sprach nach Auf­fas­sung des BAG auch das Mitbes­tim­mungsrecht des Betrieb­srats – wenn der Arbeit­ge­ber nicht alleine über das Ver­fahren der Gefährdungs­beurteilung bes­tim­men kann, kann er auch nicht rechtlich auf ein konkretes Vorge­hen verpflichtet wer­den. Entschei­dend ist also, dass der Arbeit­ge­ber im Ergeb­nis eine Gefährdungs­beurteilung erstellt, welche den Anforderun­gen des § 5 Arb­SchG in Verbindung mit § 3 Arb­StättV genügt. Dies kön­nen Beschäftigte ein­fordern, aber nicht eine bes­timmte gutachter­liche Methode.

BAG, Urteil vom 12.08.2008 – 9 AZR 1117/06, NZA 2009, 102


Autor: Dr. Michael Neupert
Recht­san­walt

Küm­mer­lein, Simon & Partner
Recht­san­wälte mbB

Michael.Neupert@kuemmerlein.de


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