Worin unterscheiden sich PSA‑R und PSA‑V noch? Zunächst fällt die deutlich ungleiche Struktur auf: Die PSA‑V besitzt 48 Artikel und zehn Anhänge, während die PSA‑R 17 Artikel und sechs Anhänge aufweist. Neben der Verwendung einer modernen Rechtssprache passt die PSA‑V unter anderem die inhaltliche Darstellung der PSA‑R an den neuen europäischen gesetzlichen Rahmen „NLF“ (New Legislative Framework, 2008) [3] an.
Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich in Artikel 2 der PSA‑V wurde überarbeitet und modernisiert; insbesondere ist der Bereich, der nicht von der Verordnung erfasst wird, genauer beschrieben als in der PSA‑R. Waren ursprünglich im Kommissionsentwurf [4] noch die Spül- und Ofenhandschuhe auch zur privaten Verwendung im Anwendungsbereich der PSA‑V enthalten, so wurden im Gesetzgebungsverfahren die Spülhandschuhe zur privaten Verwendung im Artikel 2 (2) c) ii) aus dem Anwendungsbereich der PSA‑V wieder herausgenommen. Außerdem finden sich im Erwägungsgrund (10) der PSA‑V interessante Hinweise zur Abgrenzung von PSA zu Nicht-PSA (zum Beispiel „Produkte für dekorative Zwecke“), die sich aus den Erfahrungen und Interpretationen bezüglich Anwendung der PSA‑R ergaben.
Festlegung der Begriffe
Was genau eine PSA ist, wird unter anderem im Artikel 3 „Begriffsbestimmungen“ festgelegt. Die PSA‑V versteht unter „Inverkehrbringen“ – wie im NLF festgelegt – die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt der Europäischen Union [1, 3]. Das Inverkehrbringen bezieht sich nicht auf eine Produktart, sondern auf jedes einzelne Produkt, unabhängig davon, ob es als Einzelstück oder in Serie hergestellt wurde [5]. Mit „Bereitstellung auf dem Markt“ ist nach PSA‑V „jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Markt der Union im Rahmen einer Geschäftstätigkeit“ gemeint. Befindet sich der Hersteller zum Beispiel in der Europäischen Union, so stellt das Inverkehrbringen durch ihn den Startpunkt der Lieferkette dar.
Unter „Verbindungssysteme für Ausrüstungen“ findet sich der Terminus „sicherer Ankerpunkt“, der den Experten für PSA gegen Absturz durch das Urteil des Gerichtshofs [6] und die Auswirkungen auf die entsprechenden Normen noch erinnerlich sein dürfte.
„Wirtschaftsakteure“ sind nach Artikel 3, 8. (dem NLF entnommen) „Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer und Händler“, die wiederum in Artikel 3, 4. bis 7. genau beschrieben werden.
Im Artikel 3 finden sich insgesamt 18 Termini, die für die Anwendung der Verordnung genau bestimmt werden.
In der PSA‑V steht außerdem im Artikel 19, c), im Anhang III, m) und Anhang V, 3. d), 4. b) und c), 6.2. h) die Umschreibungen „serienmäßig hergestellte PSA, bei der jedes Einzelstück an einen individuellen Nutzer angepasst wird“, die zum Beispiel Otoplastiken erfassen, und „PSA, die als Einzelfertigung für einen individuellen Nutzer maßgefertigt werden“, die zum Beispiel orthopädischen Fußschutz und Korrektionsschutzbrillen miteinbezieht. Die unterschiedliche Behandlung dieser Produktgruppen durch die PSA‑V ergibt sich aus der Prüfung des jeweiligen Schutzniveaus: Können bei Otoplastiken zerstörungsfreie Prüfverfahren eingesetzt werden, so ist dies bei Korrektionsschutzbrillen und orthopädischem Fußschutz nicht möglich. Dementsprechend haben sich schon in der Vergangenheit bei Otoplastiken Einzelprüfungen der Schalldämmung bei Auslieferung und bei den anderen PSA-Produkten Verfahren wie zum Beispiel „Zusammenstellen eines Schuhs im vom Hersteller bereitgestellten Baukastensystem/handwerkliche Umsetzung durch autorisierte Fachkräfte (zum Beispiel Orthopädieschuhmacher/-in)“ [7] etabliert. Die entsprechenden Verfahrensweisen wurden in der PSA‑V grob umschrieben berücksichtigt.
Schnittstelle zur PSA-Anwender-Richtlinie
Artikel 6 bemüht sich um eine Klärung der Schnittstelle zwischen der PSA‑V und der „PSA-Anwender-Richtlinie“ (89/656/ EWG). Hier können sich Änderungen bezüglich der Unterweisung über die sicherheitsgerechte Benutzung von PSA ergeben, zu denen ein Arbeitgeber nach § 3 PSA-Benutzungsverordnung in Verbindung mit § 12 Arbeitsschutzgesetz verpflichtet ist: Ändert sich die Kategorisierung einer PSA von Kategorie II auf III (siehe Kapitel „PSA-Kategorien“), so werden „Besondere Unterweisungen“ nach
§ 31, „DGUV Vorschrift 1 – Unfallverhütungsvorschrift – Grundsätze der Prävention“ [8] erforderlich:
„Für persönliche Schutzausrüstungen, die gegen tödliche Gefahren oder bleibende Gesundheitsschäden schützen sollen, hat der Unternehmer die nach § 3 Abs. 2 der PSA Benutzungsverordnung bereitzuhaltende Benutzungsinformation den Versicherten im Rahmen von Unterweisungen mit Übungen zu vermitteln.“ Die Entwicklungen in der PSA‑V wurden allerdings hinsichtlich PSA-Benutzung schon teilweise durch die DGUV-Information 212–515 „Persönliche Schutzausrüstungen“ vorweggenommen; die „Besondere Unterweisung“ ist nach dieser Information zum Beispiel für PSA gegen Ertrinken schon seit vielen Jahren vorgesehen.
Pflichten der Wirtschaftsakteure
Kapitel II legt umfänglich die Pflichten der Wirtschaftsakteure fest; insbesondere für den „Einführer“ und den „Händler“ ergeben sich neue Pflichten, denn in der PSA‑R gab es nur den „Hersteller“ und den „Bevollmächtigten“. „Einführer“ und „Händler“ haben zum Beispiel bestimmte Überprüfungen an der PSA (zum Beispiel Kennzeichnung, erforderliche Unterlagen, Anleitungen, Informationen) vorzunehmen, bevor sie sie auf dem Markt bereitstellen. Das heißt, sie haben unter anderem die Pflicht dafür zu sorgen, dass der PSA die richtige Sprachfassung der Benutzerinformation beiliegt. Während Lagerung und Transport unter ihrer Verantwortung gewährleisten sie, dass die Konformität der PSA mit den anwendbaren Anforderungen des Anhangs II der PSA‑V nicht beeinträchtigt wird. Artikel 12 beschreibt die Umstände, unter denen die Pflichten des Herstellers auch für Einführer und Händler gelten:
„Ein Einführer oder Händler gilt als Hersteller für die Zwecke dieser Verordnung und unterliegt den Pflichten eines Herstellers nach Artikel 8, wenn er PSA unter seinem eigenen Namen oder seiner eigenen Marke in Verkehr bringt oder bereits in den Verkehr gebrachte PSA so verändert, dass die Konformität mit dieser Verordnung beeinträchtigt werden kann.“
Konformitätserklärung der PSA
Kapitel III enthält im Wesentlichen Anforderungen an die Konformitätserklärung des Herstellers und die CE-Kennzeichnung. Falls seine PSA mehreren Rechtsvorschriften der Union unterliegt und demnach sonst mehrere Konformitätserklärungen erforderlich wären, braucht er nach Artikel 15 (3) nur eine Konformitätserklärung auszustellen, in der er die Konformität mit mehreren Rechtsvorschriften der Union erklärt. Im Anhang IX finden sich Angaben zu Struktur und Inhalt der Konformitätserklärung. Er basiert auf dem NLF und unterscheidet sich vom entsprechenden Anhang VI der PSA‑R.
Gegenüber der PSA‑R ist für den Hersteller nach PSA‑V, Artikel 8 (8), neu, dass er die EU-Konformitätserklärung entweder der PSA beifügen oder in seiner Anleitung und den Hinweisen nach Anhang II Nummer 1.4 die Internet-Adresse angeben muss, unter der auf die EU-Konformitätserklärung zugegriffen werden kann. Außerdem wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Hersteller nach PSA‑V, Artikel 8 (4), Änderungen am Entwurf der PSA oder an deren Merkmalen sowie Änderungen der harmonisierten Normen oder der sonstigen technischen Spezifikationen, auf die bei Erklärung der Konformität einer PSA verwiesen wird, angemessen berücksichtigen muss.
PSA-Kategorien
Artikel 18 führt neue „Risikokategorien von PSA“ ein und verweist dabei auf Anhang I. In diesem Anhang werden die Kategorien der Risiken festgelegt, vor denen PSA die Nutzer schützen soll. Die abschließende Liste zur Kategorie I enthält geringfügige Risiken, die abschließende Liste zur Kategorie III „die Risiken, die zu sehr schwerwiegenden Folgen wie Tod oder irreversiblen Gesundheitsschäden … führen können“, und die Liste zur Kategorie II umfasst die Risiken, die nicht in den Listen der Kategorie I oder III enthalten sind. In der PSA‑R in Artikel 8 wurden – im Gegensatz dazu – die PSA selbst kategorisiert wie zum Beispiel „vollständig von der Atmosphäre isolierende Atemschutzgeräte, einschließlich Tauchgeräte” statt wie nun in PSA‑V, Anhang I, die Risiken der Kategorie III „a) gesundheitsgefährdende Stoffe und Gemische”, „b) Atmosphären mit Sauerstoffmangel, „c) schädliche biologische Agenzien“ beziehungsweise „i) Ertrinken“.
In der Praxis ergeben sich beim Übergang von der PSA‑R auf die PSA‑V folgende Änderungen hinsichtlich der Kategorien: PSA, die vor den Risiken „i) Ertrinken“, „j) Schnittverletzungen durch handgeführte Kettensägen“, „k) Hochdruckstrahl“, „l) Verletzungen durch Projektile oder Messerstiche“ oder „m) schädlicher Lärm“ schützen sollen, werden nach PSA‑R der Kategorie II zugeordnet; nach PSA‑V werden diese Risiken aber künftig unter Kategorie III gelistet.
Konformitätsbewertung
Nach PSA‑V, Artikel 19, wird unter anderem eine Konformitätsbewertung durch eine „notifizierte Stelle“ (NB: Notified Body) für PSA der Kategorien II und III erforderlich sein (wie auch schon nach PSA‑R), um sie inverkehrbringen zu können. Wird die Konformität des Bau-musters im Rahmen dieser Bewertung festgestellt, so stellt die NB die „EU-Baumusterprüfbescheinigung“ (bisher „EG-Baumusterprüfbescheinigung“ nach PSA‑R) aus.
Die Gültigkeitsdauer einer neu ausgestellten EU-Baumusterprüfbescheinigung und – gegebenenfalls – einer erneuerten Bescheinigung darf nach Anhang V, Abs. 6.1, fünf Jahre nicht überschreiten. Eine Beschränkung der Gültigkeitsdauer der EG-Baumusterprüfbescheinigung war in der PSA‑R nicht enthalten.
Kompetenz von Konformitätsbewertungsstellen
Die Artikel 20 bis 36 beschreiben unter anderem Aufgaben, Anforderungen und Pflichten der NB. Dies wird in der PSA‑V als erforderlich angesehen, um ein einheitliches Qualitätsniveau bei der Durchführung der Konformitätsbewertungen von PSA herzustellen. Artikel 36 schreibt die Teilnahme der NBs am von der Europäischen Kommission zu organisierenden Erfahrungsaustausch der NBs (HCNB-PPE: Horizontal Committee of Notified Bodies-Personal Protective Equipment, www.nbcoordinationppe.eu) vor. In diesem Erfahrungsaustausch werden die „Recommendations for Use“ (RfU) sheets für die praktische Anwendung der PSA‑R und der PSA‑V erarbeitet und verabschiedet. Die „PPE Expert Working Group“ (PPE WG) [9] muss den RfUs zustimmen, bevor sie von der EU Kommission auf ihrer Website veröffentlicht werden können [9].
Die PPE-WG befasst sich mit allen Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung und praktischen Anwendung der PSA‑R und der PSA‑V und nimmt damit die fachlichen Aufgaben des Ausschusses nach Artikel 6 der PSA‑R wahr und ist eine Arbeitsgruppe des Ausschusses nach Artikel 46 der PSA‑V. Nach PSA‑R lag es allein in der Hand der Mitgliedstaaten, ihre NBs hinsichtlich Erfüllung Ihrer Pflichten zu überwachen. Da dies bisher nicht zufriedenstellend funktionierte, ist in Artikel 36, 2. Absatz, zu finden: „Die notifizierten Stellen beteiligen sich direkt oder über benannte Vertreter an der Arbeit dieser Gruppe“ (gemeint ist der Erfahrungsaustausch der NBs: HCNB-PPE).
Um durchsetzen zu können, dass jede NB über die notwendige Kompetenz verfügt, wird mit Artikel 31 die „Anfechtung der Kompetenz von notifizierten Stellen“ ermöglicht. Dies kann – falls erforderlich – mittels Erlass eines Durchführungsrechtsaktes durch die EU-Kommission erfolgen. Nach Artikel 291 des „Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ wird im Artikel 31 der PSA‑V die EU-Kommission mit entsprechenden Durchführungsbefugnissen versehen. Dies kann nach dem genannten Artikel 291 vorgesehen werden, wenn es einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union bedarf. Im Erwägungsgrund (32) findet sich außerdem der Hinweis auf faire Wettbewerbsbedingungen der NBs, da mit der Teilnahme am NB-Erfahrungsaustausch und der Verfolgung der Normungsarbeiten Zeit und Kosten verbunden sind, deren Vermeidung nicht nur Pflichtverletzung, sondern auch unfairen Wettbewerb mit sich bringt. Auch Anforderungen an die Vergabe von Teilen der NB-Arbeit im Zusammenhang mit der Konformitätsbewertung an Unterauftragnehmer oder der Übertragung an Zweigstellen werden nun mit Artikel 26 festgelegt.
Marktüberwachung
Regelungen zur Marktüberwachung finden sich in Kapitel VI. Zusätzlich gelten nach Artikel 37 die dort genannten Inhalte der Verordnung 765/2008 [10] auch für PSA. Des Weiteren sind Artikel 38 „Verfahren zur Behandlung von PSA, mit denen ein Risiko verbunden ist, auf nationaler Ebene“, Artikel 39 „Schutzklauselverfahren der Union“, Artikel 40 „Risiko durch konforme PSA“ und Artikel 41 „Formale Nichtkonformität“ für Interessierte aufschlussreich. So kann die Kommission nach Artikel 40 sofort geltende Durchführungsrechtsakte erlassen, wenn das in hinreichend begründeten Fällen im Zusammenhang mit konformen PSAen, die ein Risiko für die Gesundheit oder Sicherheit von Personen darstellen, aus Gründen äußerster Dringlichkeit erforderlich ist.
Befugnisübertragung und PSA-V-Ausschuss
Mit Kapitel VII „Delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte“ werden der EU-Kommission auch Befugnisse bezüglich der Kategorisierung von Risiken (PSA‑V, Anhang I) übertragen (Artikel 42). So kann die EU-Kommission in Zukunft ohne langwierige direkte Beteiligung von Europäischem Parlament und Rat im festgelegten Umfang delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte selbst erlassen. In Artikel 43 „Ausübung der Befugnisübertragung“ ist festgehalten, dass die EU-Kommission vor Erlass derartiger Rechtsakte Konsultationen mit Sachverständigen – auch mit Sachverständigen der Mitgliedstaaten – durchführen wird.
Mit Artikel 44 schließlich wird ein eigener Ausschuss verankert, der die EU-Kommission bezüglich der PSA‑V unterstützen soll. Das Konstrukt der „PPE WG“, die fachlich zwar für die PSA‑R zuständig war, aber rein rechtlich an den Ausschuss zur Maschinen-RL angehängt war (PSA‑R, Artikel 6, Abs. 2), wird somit beseitigt. Die „PPE WG“ wird somit unter der PSA‑V eine Arbeitsgruppe des PSA-V-Auschusses nach Artikel 44 der PSA‑V.
Sanktionen
In Artikel 45 der PSA‑V wird gefordert, dass die Mitgliedstaaten für Verstöße gegen diese Verordnung Regeln über Sanktionen festlegen und gewährleisten, dass diese durchgesetzt werden. Diese Regeln müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und müssen der EU-Kommission von den Mitgliedstaaten fristgerecht mitgeteilt werden. Ende 2017 existierte in Deutschland ein entsprechender Entwurf auf nationaler Ebene.
Grundlegende Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen
Im Anhang II der PSA‑V finden sich nur geringfügige Änderungen in Bezug auf den Anhang II der PSA‑R. So wurden zum Beispiel
- der „Komfortindex“ für Gehörschützer (PSA‑R, Anhang II, 3.5),
- die Anforderung, dass die Grenzwerte, die in den Rechtsvorschriften der Union über die Gefährdung von Arbeitnehmern durch Vibrationen festgelegt sind, bei Verwendung von PSA nicht überschritten werden dürfen (PSA‑R, Anhang II, 3.1.3) und
- die Transmissionskurven in den Betriebsanleitungen des Herstellers für PSA zum Schutz vor Strahlung (PSA‑R, Anhang II,3.9.1)
gestrichen.
Zeitplan zur PSA-Verordnung
Kapitel VIII enthält unter anderem die Übergangs- und Schlussbestimmungen:
- 20 Tage nach Veröffentlichung der PSA‑V (das heißt am 21. April 2016) trat die Verordnung in Kraft. Das erste halbe Jahr bereiteten sich die Akkreditierungs- und Notifizierungsstellen auf ihre Aufgaben im Rahmen der PSA‑V vor. Danach begann die Phase der Akkreditierung und Notifizierung der Stellen, die nach ihrer Notifizierung die Konformitätsbewertungen nach PSA‑V durchführen können und dann „Notifizierte Stellen“ (NB: „Notified Body“, nach PSA‑V) genannt werden. Sie sind in der NB-Datenbank der Europäischen Kommission zu finden („Nando“ [9]). Anfang Dezember 2017 waren dort 40 NB nach PSA‑V gelistet.
Der weitere zeitliche Ablauf des Übergangs von der PSA‑R zur PSA‑V ist für die große Gruppe der betroffenen Wirtschaftsakteure, NBs, Marktüberwachungsbehörden und auch PSA-Nutzer von besonderem Interesse und durch das Studium des Verordnungstextes nicht leicht zu erschließen. Außerdem befanden sich einige, wenige Details des Übergangs bis zur Erstellung dieses Artikels (Ende 2017) noch in der Diskussion. Zur besseren Übersicht ist daher der Übergang in Abbildung 1 dargestellt.
Zwei Jahre nach Inkrafttreten der PSA‑V wird die PSA‑R aufgehoben (Artikel 46 der PSA‑V). Für einige Bereiche ergeben sich nach Artikel 47 der PSA‑V noch bestimmte Nachwirkungen der PSA‑R: Der Hersteller darf im Übergangsjahr (21.4.18 bis 20.4.19) seine Produkte sowohl nach PSA‑R als auch nach PSA‑V inverkehrbringen – vorausgesetzt er hat alle jeweiligen Anforderungen erfüllt. Ob allerdings auch die NB Prüfung, Zertifizierung und EG-Qualitätssicherung nach Artikel 11 der PSA‑R im Übergangsjahr durchführen dürfen, war Ende 2017 unter den Mitgliedsstaaten noch umstritten: Die einen sagen, dass es für die dafür notwendige Notifizierung der Stellen keine gesetzliche Grundlage gäbe. Die anderen gehen davon aus, dass das Recht während des Übergangsjahrs PSA nach PSA‑R noch inverkehrbringen zu dürfen vollumfänglich auch Prüfung, Zertifizierung, EG-Qualitätssicherung nach Artikel 11 der PSA‑R und die dazu erforderliche Notifizierung umfasst.
Mit der Mitteilung an die PPE WG „NOTE TO THE MEMBERS OF THE PPE WORKING GROUP – Provisions applicable to Notified bodies as of 21 October 2016“ der Europäischen Kommission wurde Ende 2016 klargestellt, dass für die PSA‑V notifizierte Stellen auch schon vor dem 21.4.2018 Prüfungen auf der Grundlage der PSA‑V durchführen und entsprechende EU-Baumusterprüfzertifikate ausstellen dürfen; allerdings ist als Gültigkeitsbeginn der Zertifikate frühestens der 21.4.2018 festzusetzten.
Am 7.12.2017 wurde von der EU-Kommission die PPE-WG-Interpretation des Artikels 47 [11] veröffentlicht: Danach ist dem Hersteller die Inverkehrbringung von PSA nach PSA‑R bis maximal 20.4.2023 erlaubt, sofern
- sich keine grundlegenden Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen beim Übergang von PSA‑R zu PSA‑V für die betreffende PSA geändert haben,
- Entwurf und/oder Fertigung seit der letzten Baumusterprüfung unverändert sind,
- sich der Stand der Technik nicht so verändert hat, dass die PSA nicht mehr konform ist, und
- die Zertifikate und die bei Kategorie III PSA benötigten Artikel 11 (A oder B)-Berichte nach PSA‑R nicht abgelaufen sind.
Da die Artikel 11-Berichte nach PSA‑R im Allgemeinen kürzere Gültigkeitsdauern haben als die Zertifikate, ergibt sich insbesondere im Übergangsjahr, aber auch danach, die Notwendigkeit, Bescheinigungen zu „überwachten Produktprüfungen in unregelmäßigen Abständen“ (Anhang VII der PSA‑V) oder zu „Audits des Herstellerqualitätssicherungssystems“ (Anhang VIII der PSA‑V) auf der Grundlage eines „EG-Baumusters“ (einer EG-Baumusterprüfbescheinigung) nach PSA‑R auszustellen. Ob und wie dies geschehen kann, stand Ende 2017 noch zur Klärung an.
Da die Bereitstellung von PSA nach PSA‑R keiner generellen zeitlichen Begrenzung unterliegt, können noch viele Jahre derartige PSA im Handel zu finden sein. Es dürfen allerdings nur Produkte auf dem Markt bereitgestellt werden, die den Bestimmungen der anzuwendenden Rechtsvorschriften entsprechen. So kann die Bereitstellung von PSA unzulässig werden, falls sie von zum Beispiel Schutzklauselverfahren, formellen Einwänden gegen angewandte, harmonisierte Normen oder von sicherheitsrelevanten Änderungen des Stands der Technik betroffen werden. Insbesondere können auch PSA mit Wechsel der Kategorie (zum Beispiel Gehörschützer) gleichzeitig sowohl als Kategorie II-PSA nach PSA‑R als auch als Kategorie III-PSA nach PSA‑V angeboten werden.
Literatur
- VERORDNUNG (EU) 2016/425 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 9. März 2016 über persönliche Schutzausrüstungen und zur Aufhebung der Richtlinie 89/686/EWG des Rates, http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri= CELEX:32016R0425&from=EN
- Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für persönliche Schutzausrüstungen (89/686/EWG) (konsolidierte Fassung) http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1454330873579&uri=CELEX: 01989L0686–20130101
- Europäischen Kommission: Webseite zum „New Legislative Framework“ http://ec.europa.eu/growth/single-market/goods/new- legislative-framework/index_en.htm
- Europäische Kommission: „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über persönliche Schutzausrüstungen, 27.3.2014 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/en/ALL/?uri=CELEX%3A52014PC0186
- BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 („Blue Guide“), Amtsblatt der Europäischen Union, 2016/C 272, http://ec.europa.eu/DocsRoom/documents/18027/
- Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer), 21. Oktober 2010, In der Rechtssache C‑185/08 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/PDF/?uri=CELEX:62008CJ0185&from=DE
- Informationsblatt „Orthopädischer Fußschutz“, DGUV Fachbereich Persönliche Schutzausrüstungen, Stand 11.4.2016, http://www.dguv.de/medien/fb-psa/de/ sachgebiet/sg_fuss/datenbank_fuss/2015/ info_orth_fuss.pdf
- DGUV Vorschrift 1 – Grundsätze der Prävention, DGUV, Muster UVV, November 2013, http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/1.pdf
- Europäische Kommission: Webseite zu PSA: http://ec.europa.eu/growth/sectors/
mechanical-engineering/personal-protective-
equipment/index_en.htm - Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG)
Nr. 339/93 des Rates, http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=celex%3A32008R0765 - Regulation (EU) 2016/425 on personal protective equipment – Guidance document
on the implementation of Article 47 on
transitional provisions, European Commission, 7.12.2017, http://ec.europa.eu/docsroom/documents/26782
Autor: Dr. Martin Liedtke
PSA-Experte des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen
Unfallversicherung (IFA), Mitglied der PPE WG [9]
Link-Tipp
Zahlreiche Information zur neuen PSA-Verordnung finden Sie unter http://ec.europa.eu/growth Sectors Mechanical Engineering Personal Protective Equipment (PPE)
Künftige Entwicklungen
Im März 2017 wurde erstmals von den Mitgliedstaatenvertretern in der PPE WG die Frage diskutiert, ob Exoskelette PSA sein können. Dazu wurde eine entsprechende Anfrage zu einem konkreten Produkt behandelt. Aus verschiedenen Gründen wurde im November 2017 entschieden, dass zwar das in Frage stehende Produkt keine PSA sei, dadurch aber nicht festgelegt werde, dass Exoskelette grundsätzlich keine PSA seien.