Erleiden Versicherte durch die berufliche Tätigkeit eine Erkrankung, haben sie Anspruch auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings kann nicht jede Erkrankung, die auf eine berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden kann, ohne Weiteres als Berufskrankheit anerkannt werden. Vielmehr muss die Erkrankung in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen sein oder zumindest kurz davorstehen. Als Berufskrankheit kommen dabei nur solche Erkrankungen in Frage, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht werden. Diesen Einwirkungen müssen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sein.
Schlechte Arbeitsbedingungen
Ob psychische Erkrankungen aufgrund von Stress als Berufskrankheiten gelten, hatte kürzlich das Bayerische Landessozialgericht (LSG) zu entscheiden. Geklagt hatte ein selbstständiger Versicherungsfachwirt, der an wiederkehrenden schweren Depressionen und Nervenschwäche (Neurasthenie) litt. Weil er dies er auf seine Tätigkeit, lange Arbeitszeiten, den Umgang mit teils schwierigen Kunden und Kollegen, mangelnden Rückhalt durch Vorgesetzte sowie schlechte technische Softwareausstattung zurückführte, zeigte er den Verdacht einer Berufskrankheit an.
Anerkennung abgelehnt
Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung einer Berufskrankheit jedoch ab, weil die geltend gemachten Erkrankungen nicht in die Berufskrankheiten-Liste aufgenommen seien. Darüber hinaus gäbe es auch keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse darüber, welche Krankheitsbilder durch Stress verursacht würden und welcher Personenkreis hiervon besonders betroffen wäre. Insbesondere lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die Tätigkeit als Versicherungsfachwirt im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ein höheres Risiko berge, an Depressionen oder Neurasthenie zu erkranken.
Das LSG bestätigte die Entscheidung. Nach Einholung von zwei Sachverständigengutachten auf psychiatrischem und psychotherapeutischem Fachgebiet stellte das Gericht fest, dass beim Kläger keine in der Berufskrankheiten-Liste erfasste Erkrankung vorliege. Die vom Kläger geltend gemachten Depressionen, aber auch das Burnout-Syndrom sowie die Neurasthenie seien daher nicht als Berufskrankheiten aufgrund von Stress anzuerkennen.
Kein außerordentlicher Stresslevel
Es lägen auch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die eine Entschädigung als sogenannte „Wie-Berufskrankheit“ nach § 9 Abs. 2 SGB VII ermöglichen würden. Die gesetzliche Regelung beinhalte weder einen Auffangtatbestand noch eine allgemeine Härteklausel. Daher genüge es nicht, wenn in einem Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der Berufskrankheiten-Liste enthaltenen Krankheit sei. Vielmehr müssten zumindest die Voraussetzungen für die Aufnahme in diese Liste erfüllt sein. Hierfür fehle es aber im Falle von Erkrankungen, die womöglich auf Stress zurückzuführen seien, an den erforderlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Insbesondere werde im Zusammenhang mit Depressionen eine Vielzahl von möglichen Ursachen diskutiert. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sei keine gruppentypische Risikoerhöhung bei der Tätigkeit als Versicherungsfachwirt festzustellen.
(Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27.04.2018, Az. L 3 U 233/1