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1×1 des Vorschriften- und Regelwerks im Arbeitsschutz (Teil 1)

Licht im Dschungel der gesetzlichen Grundlagen
1x1 des Vorschriften- und Regelwerks im Arbeitsschutz (Teil 1)

Geset­ze, Richtlin­ien, Vorschriften, Verord­nun­gen, Regeln – das Arbeitss­chutzrecht ist zweifel­los eine kom­plizierte Angele­gen­heit. Eine dre­it­eilige Serie in der Fachzeitschrift “Sicher­heits­beauf­tragter” sorgt für Auf­schluss: Zum Auf­takt erfahren Sie, was im europäis­chen und staatlichen Recht ver­ankert ist.

Die Auf­gabe, für die Ver­hü­tung von Arbeit­sun­fällen, Beruf­skrankheit­en und arbeits­be­d­ingten Gesund­heits­ge­fahren zu sor­gen, nehmen in Deutsch­land Staat und Unfal­lver­sicherungsträger wahr. Dieses Zwei-Säulen-Prinzip im Arbeitss­chutz, das soge­nan­nte duale Sys­tem, ist his­torisch gewach­sen. Die Ursprünge des Arbeitss­chutzrechts reichen dabei zurück bis in die Zeit der begin­nen­den Industrialisierung.

Wechselwirkung mit EU-Recht

Das umfassende Arbeitss­chutzrecht in der heuti­gen Form hat sich auf Grund­lage des inter­na­tionalen und europäis­chen Rechts entwick­elt. Es wird ins­beson­dere durch das Recht der Europäis­chen Union entschei­dend gestal­tet, hat aber auch sein­er­seits das europäis­che Recht geprägt.

Verord­nun­gen und Richtlin­ien sind verbindliche Recht­sak­te der Europäis­chen Union.

Europäis­che Richtlin­ien müssen von allen Mit­glied­staat­en inner­halb ein­er fest­gelegten Frist in einzel­staatlich­es Recht umge­set­zt wer­den. In europäis­chen Richtlin­ien sind Min­destanforderun­gen und Grund­prinzip­i­en, zum Beispiel zur Präven­tion und zur Gefährdungs­beurteilung, sowie die Pflicht­en von Arbeit­ge­bern und Arbeit­nehmern festgehalten.

EU-Verord­nun­gen sind Recht­sak­te der Europäis­chen Union mit all­ge­mein­er Gültigkeit und unmit­tel­bar­er Wirk­samkeit in den Mit­glied­staat­en, wie zum Beispiel die europäis­che Chemikalien­verord­nung REACH.

Die Europäis­che Union ist dazu ermächtigt, Richtlin­ien in Form von Min­dest­stan­dards für sozialpoli­tis­che Bere­iche zu erlassen, darunter auch für den Arbeitss­chutz (Artikel 153 AEUV – Ver­trag über die Arbeitsweise der Europäis­chen Union). Wichtig­ste Grund­lage ist die EU-Rah­men­richtlin­ie zum Arbeitss­chutz (89/391/EWG), die durch das Arbeitss­chutzge­setz (Arb­SchG) in deutsches Recht umge­set­zt wor­den ist. Auf diese Rah­men­richtlin­ie stützen sich viele Einzel­richtlin­ien zu speziellen Arbeitsschutzbereichen.

Richtlinien zur Produktsicherheit

Die pro­duk­t­be­zo­ge­nen Bin­nen­markt-Richtlin­ien regeln den freien Waren­verkehr in Europa. Sie leg­en Sicher­heits- und Gesund­heit­san­forderun­gen für Pro­duk­te fest. Da Pro­duk­te auch als Arbeitsmit­tel einge­set­zt wer­den kön­nen, wirken sich die Richtlin­ien zu ihren tech­nis­chen Voraus­set­zun­gen auf den Arbeitss­chutz aus. In der Umset­zung dieser Richtlin­ien beste­ht kein­er­lei Spiel­raum; sie sind für alle Mit­gliedsstaat­en zwin­gend (Art. 114 AEUV).

Sozialstaatsprinzip und Grundrechte

Der Arbeitss­chutz ist im Grundge­setz der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land ver­ankert. Er basiert auf fol­gen­den Artikeln:

  • dem Sozial­staat­sprinzip (Art. 20 GG): Schutz sozial beson­ders schwach­er Per­so­n­en, Auf­trag zur Schaf­fung von sozialen Sicherungssystemen
  • den Grun­drecht­en, ins­beson­dere dem Schutz der Men­schen­würde sowie dem Schutz von Leben und kör­per­lich­er Unversehrtheit (Art. 1 und 2 GG)

Auf der anderen Seite markieren die Grun­drechte aber auch Gren­zen staatlich­er Arbeitss­chutzregelun­gen. Dies zeigt sich zum Beispiel in der aktuellen Diskus­sion um die Ein­rich­tung von Telear­beit­splätzen: Wegen der im Grundge­setz fest­geschriebe­nen Unver­let­zlichkeit der Woh­nung (Art. 13 GG) kann der Arbeit­ge­ber beziehungsweise die von ihm beauf­tragte Per­son die Arbeits­be­din­gun­gen in pri­vat­en Woh­nun­gen von Beschäftigten nur dann über­prüfen, wenn ihnen diese ein Zutrittsrecht eingeräumt haben.

Auch die Berufs­frei­heit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigen­tums­garantie (Art. 14 GG) set­zen dem Arbeitss­chutzge­setz Gren­zen. Von großer Bedeu­tung sind zudem der all­ge­meine Gle­ich­heitssatz sowie die speziellen Gle­ich­heitssätze (Art. 3 GG): Durch diese Vorschriften soll die Gle­ich­be­hand­lung von Per­so­n­en in ver­gle­ich­baren Sachver­hal­ten sichergestellt werden.

Land – Bund – Regierung

Die Geset­zge­bungszuständigkeit­en für das Arbeitss­chutzrecht liegen zunächst beim Bund. Die Län­der haben die Befug­nis zur Geset­zge­bung, solange und soweit der Bund nicht von sein­er Geset­zge­bungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat (konkur­ri­erende Geset­zge­bung nach Art. 74 Nr. 12 GG). Inner­halb der Bun­desregierung ist das Bun­desmin­is­teri­um für Arbeit und Soziales (BMAS) zuständig. Es wird unter­stützt durch die Bun­de­sanstalt für Arbeitss­chutz und Arbeitsmedi­zin (BAuA).

Im Gesetz über Betrieb­särzte, Sicher­heitsin­ge­nieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicher­heit (Arbeitssich­erheits­ge­setz – ASiG) aus dem Jahr 1973 sind zen­trale Pflicht­en in der Organ­i­sa­tion des Arbeitss­chutzes geregelt. Der Arbeit­ge­ber ist nach dem ASiG verpflichtet, durch die Bestel­lung von Betrieb­särzten und Fachkräften für Arbeitssicher­heit eine betriebliche Sicher­heit­sor­gan­i­sa­tion zu schaf­fen. Diese Fach­leute haben grund­sät­zlich unter­stützende und bera­tende Funktion.

Die Ver­ant­wor­tung des Arbeit­ge­bers für die Maß­nah­men des Arbeitss­chutzes ist im Arbeitss­chutzge­setz (Arb­SchG) geregelt. Es enthält die all­ge­meinen und grundle­gen­den Vorschriften des betrieblichen Arbeitss­chutzes. Sein Inkraft­treten im Jahr 1996 war ein Meilen­stein für die Neuord­nung des Arbeitss­chutzsys­tems in Deutsch­land: Erst­mals wur­den die in ver­schiede­nen Geset­zen geregel­ten Grund­sätze und Pflicht­en zum Arbeitss­chutz in einem Gesetz gebündelt.

Zeit­gle­ich wur­den die für den Arbeitss­chutz rel­e­van­ten Bes­tim­mungen des Unfal­lver­sicherungsrechts in ein neu
geschaf­fenes Siebtes Sozialge­set­zbuch (SGB VII) über­führt. Dadurch wurde ein ganzheitlich­es präven­tives Konzept von Sicher­heit und Gesund­heit im Betrieb geset­zlich verankert.

Weit­ere wichtige Geset­ze für den Arbeitss­chutz sind zum Beispiel:

  • das Arbeit­szeit­ge­setz für den betrieblichen Arbeitsschutz
  • das Mut­ter­schutzge­setz, Jugen­dar­beitss­chutzge­setz und das Gesetz zur Reha­bil­i­ta­tion und Teil­habe von Men­schen mit Behin­derun­gen (SGB IX) im sozialen Arbeitsschutz
  • das Pro­duk­t­sicher­heits­ge­setz und das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stof­fen (Chemikalienge­setz) im pro­duk­t­be­zo­ge­nen Arbeitsschutz

Die Pflichten im Detail

Um die Pflicht­en von Arbeit­ge­bern, ver­ant­wortlichen Per­so­n­en und Beschäftigten zu konkretisieren, hat die Bun­desregierung zahlre­iche Verord­nun­gen erlassen. Sie set­zt damit EU-Richtlin­ien in nationales Recht um. Diese Recht­snor­men sind all­ge­mein verbindlich­es Recht: Arbeit­ge­ber und andere Adres­sat­en müssen die darin enthal­te­nen Vorschriften ein­hal­ten, auch die Gerichte sind daran gebunden.

Zu diesen Recht­snor­men zählen zum Beispiel:

  • Arbeitsstät­ten­verord­nung (Arb­StättV)
  • Betrieb­ssicher­heitsverord­nung (Betr­SichV)
  • Gefahrstof­fverord­nung (Gef­Stof­fV)
  • PSA-Benutzungsverord­nung (PSA-BV)
  • die Biostof­fverord­nung (BioStof­fV)
  • Baustel­len­verord­nung (Baustel­lV)
  • Arbeitss­chutzverord­nung zur kün­stlichen optis­chen Strahlung (OStrV)
  • Verord­nung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdun­gen durch Lärm und Vibra­tio­nen (Lär­mVi­bra­tionsArb­SchV).

Arbeitsschutz in der Praxis

Noch einen Schritt detail­liert­er sind die Tech­nis­chen Regeln, die von den Arbeitss­chutzauss­chüssen erar­beit­et wer­den (siehe tabel­lar­ische Darstel­lung): Sie konkretisieren die Anforderun­gen der Arbeitss­chutzverord­nun­gen für die betriebliche Prax­is. Die tech­nis­chen Regeln haben daher eine hohe prak­tis­che Bedeu­tung für den Arbeitsalltag.

Tech­nis­che Regeln sind kein zwin­gen­des Recht, sie ent­fal­ten aber Ver­mu­tungswirkung. Das bedeutet, dass Arbeit­ge­ber, die ihre Arbeitss­chutz­maß­nah­men entsprechend den Inhal­ten staatlich­er Regeln gestal­ten beziehungsweise umset­zen, davon aus­ge­hen kön­nen, dass sie damit die Anforderun­gen der jew­eili­gen Verord­nung rechtssich­er erfüllen.

Weicht der Arbeit­ge­ber hier­von ab, so hat er im Wege der Gefährdungs­beurteilung festzustellen, dass die von ihm gewählten Maß­nah­men das gle­iche Schutzniveau gewährleisten.


Teil 2 und Teil 3 der Serie erscheinen im Novem­ber und Dezem­ber 2018 online. Damit Sie nichts ver­passen, melden Sie sich am besten für unseren Newslet­ter hier an.


 

Autorin: Mar­ti­na Nethen-Samimy

Deutsche Geset­zliche Unfal­lver­sicherung, Abteilung Sicher­heit und Gesund­heit, Refer­at Vorschriften und Regeln

Foto: Nethen-Samimy
 
 
 
 
 
 
 
Schema­tis­che Darstel­lung der Struk­tur des Arbeitss­chutzrechts: Teil eins der Serie erläutert den geset­zlichen Über­bau. In der näch­sten Aus­gabe geht es dann um das Vorschriften- und Regel­w­erk der Unfal­lver­sicherungsträger. Teil 3 befasst sich schließlich mit der Nor­mung und pri­va­trechtlichen Vorschriften.
Grafik: © Mar­ti­na Nethen-Samimy
 

Die rechtlichen Grundlagen im Überblick

  • Deutsch­land hat eine Rei­he von Abkom­men der Inter­na­tionalen Arbeitss­chut­zor­gan­i­sa­tion (ILO) rat­i­fiziert: Beson­ders wichtig sind das Abkom­men Nr. 155 über Arbeitss­chutz und Arbeit­sumwelt und das Abkom­men Nr. 187 über den Förderungsrah­men für den Arbeitsschutz.
  • Art. 31 Abs. 1 Char­ta der Grun­drechte der europäis­chen Union (EU-GRC) gewährt allen Beschäftigten das Recht auf gesunde, sichere und würdi­ge Arbeitsbedingungen.
  • Der Arbeitss­chutz ist im Grundge­setz der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land ver­ankert. Der Schutza­uf­trag des Staates fol­gt aus dem Sozial­staat­sprinzip (Art. 20 GG) sowie aus den Grundrechten.
  • Zen­trale primär­rechtliche Grund­la­gen des europäis­chen Arbeitss­chutzrechts sind Art. 153 Abs. 1 Buch­stabe a AEUV (Ver­trag über die Arbeitsweise der Europäis­chen Union) und Art. 114 AEUV.
  • Wichtig­ste sekundär­rechtliche Grund­lage ist die EU Rah­men­richtlin­ie zum Arbeitss­chutz 89/391/EWG. Sie wurde durch das Arbeitss­chutzge­setz (Arb­SchG) in deutsches Recht umgesetzt.
  • Die Bin­nen­markt-Richtlin­ien leg­en verbindliche Sicher­heits- und Gesund­heit­san­forderun­gen für Pro­duk­te fest.
  • Auf Grund­lage der Verord­nungser­mäch­ti­gung in § 18 Arb­SchG hat die Bun­desregierung zahlre­iche Verord­nun­gen erlassen.
  • Tech­nis­che Regeln konkretisieren die Verord­nun­gen. Die Ein­rich­tung der Auss­chüsse, die diese erar­beit­en, ist in § 18 Abs. 2 Nr. 5 Arb­SchG geregelt. Weit­ere Infor­ma­tio­nen dazu unter: www.baua.de Ange­bote Recht­s­texte und Tech­nis­che Regeln
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