Dieser Fall der unterlassenen Hilfeleistung sorgte im Oktober 2016 für Aufsehen. Der Mann sei den Angeklagten einfach gleichgültig gewesen, heißt es in der Urteilsbegründung. Aber nicht nur aus Gleichgültigkeit, sondern auch aus Angst und Unsicherheit schrecken viele Menschen davor zurück, einem Verunglückten zu helfen – aus Angst, etwas falsch zu machen und den Zustand des Unfallopfers womöglich damit noch zu verschlechtern. Doch die Befürchtung, den Betroffenen zu verletzen und dafür hinterher haftbar gemacht zu werden, ist unbegründet. Denn Strafe droht nur demjenigen, der bewusst wegschaut.
Was genau unter unterlassener Hilfeleistung zu verstehen ist, regelt § 323c Absatz 1 Strafgesetzbuch. Dort heißt es: „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“
Ausnahmen von der Pflicht
Von der Pflicht zur Hilfeleistung befreien weder körperliche Einschränkungen, noch Behinderungen oder Altersgebrechlichkeit. Die Pflicht entfällt nur, wenn die Hilfeleistung nicht zumutbar ist. Beispielsweise muss ein Nichtschwimmer nicht in tiefes Wasser springen, um einen Ertrinkenden zu retten. Selbst wenn weitere Maßnahmen dem Helfer zum Beispiel wegen Eigengefährdung nicht möglich sind – einen Notruf abzusetzen beziehungsweise die Unglücksstelle abzusichern, ist jedem zumutbar. Die Pflicht zur Hilfeleistung entfällt ebenfalls, wenn bereits Hilfe erfolgt, zum Beispiel durch einen am Unfallort anwesenden Arzt.
Handelt der Ersthelfer mit der gebotenen Sorgfalt, das heißt, ergreift er seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten und den Umständen entsprechende Maßnahmen, und kommt es dennoch zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder gar zum Tod des Verletzten, so macht sich ein Ersthelfer grundsätzlich nicht wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung strafbar. Ist mit der Hilfeleistung zugunsten Verletzter ein Eigenschaden verbunden, kann der Ersthelfer den Ersatz seiner Schäden und Aufwendungen vom Unfallopfer verlangen. Im Übrigen gilt: Wer in der Freizeit, zu Hause oder im Urlaub Erste Hilfe leistet, steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. In diesen Fällen ist der Ersthelfer kraft Gesetzes gegen erlittene Personen- und Sachschäden versichert, die ihm bei der Hilfeleistung widerfahren.
Ersthelfer müssen also grundsätzlich nicht mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn sie ihren Fähigkeiten entsprechend die bestmögliche Hilfe leisten. Das gilt selbst dann, wenn bei der Hilfeleistung Fehler passieren. Bestraft wird also nur das bewusste Wegschauen, nicht der unbeabsichtigte Fehler.