Mindestens ein Drittel aller Arbeitnehmer in Deutschland leidet unter Stress. Dies haben diverse Umfragen in den letzten Jahren ergeben. Die Ursachen für den Stress können dabei sehr unterschiedlich sein:
- zu hohe körperliche Anstrengungen
- zu viel Lärm am Arbeitsplatz oder
- zu hoher Leistungsdruck.
Wenn man sich ständig überlastet fühlt und sich auch am Feierabend, an Wochenenden oder gar im Urlaub nicht mehr vollständig erholen kann, ist es höchste Zeit, das Problem ernst zu nehmen. Ohne Gegenmaßnahmen können langfristige Erschöpfungszustände (Burn-out) und andere schwere körperliche und psychische Gesundheitsschäden entstehen. Zu den ernsthaften körperlichen Beeinträchtigungen gehören insbesondere die Schwächung der Immunabwehr und in deren Folge eine höhere Anfälligkeit für Infektionskrankheiten.
Auch negative Auswirkungen auf den Verlauf von Krankheiten, die ursächlich nichts mit Stress zu tun haben, wie beispielsweise Allergien, treten auf. Vor allem aber leidet bei übermäßigem Stress die Seele: Depressionen und ernste psychosomatische Erkrankungen sind in vielen Fällen die Folge. Stress ist jedoch nicht der Auslöser für alle psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. Auch das Gegenteil von Stress, nämlich Unterforderung, kann zu erschöpfungsähnlichen Zuständen führen. Dies ist im Arbeitsleben aber wesentlich seltener.
Wie entsteht Stress?
Was aber ist Stress eigentlich? Stress ist der Begriff für die natürliche Reaktion unseres Körpers auf eine Herausforderung und hat seinen Ursprung in der Evolution des Menschen: Früher war es überlebenswichtig, dass unser Körper bei Gefahr mobil machte und sich auf Kampf oder Flucht vorbereitete, denn überall lauerten tödliche Gefahren. Deshalb wurde unser Körper so programmiert, dass wir in all diesen Situationen zur Höchstform auflaufen: Puls und Blutdruck steigen, alle Sinne sind geschärft, die Atmung wird schneller, die Muskeln spannen sich an. Der Körper schüttet Stresshormone aus und stellt in Sekundenbruchteilen zusätzliche Energie zur Verfügung – wir können somit blitzschnell je nachdem mit Flucht oder Aggression reagieren.
Das Problem für den modernen Menschen: Unser Körper ist an das heutige, vergleichsweise harmlose Leben nicht angepasst. Im tiefsten Innern sind wir immer noch Steinzeitmenschen und unser Körper reagiert bei Stress im Job genauso wie früher bei der Jagd, dem Angriff eines Säbelzahntigers oder eines feindlichen Stammes.
Doch in der heutigen Zeit haben wir kein Ventil mehr, um den durch Stresshormone verursachten inneren Druck wieder abzubauen. Der Körper und die Psyche geraten daher in einen dauerhaften Alarmzustand, der zu allen oben erwähnten organischen und psychischen Erkrankungen führen kann.
Ganz wichtig ist es deshalb, ein Ventil zu finden, mit dem sich unser Körper abreagieren kann. Ideal ist daher zum Beispiel körperliche Anstrengung in Form von Sport oder Freunde treffen, um sich von Belastungen am Arbeitsplatz abzulenken.
Über das Thema reden
Zurück in die Betriebspraxis. Was kann der Sicherheitsbeauftragte dort tun, um Kollegen zu helfen, die sichtlich unter Stress leiden? Zunächst einmal sollten Sicherheitsbeauftragte wachsam sein und das Stress-Empfinden der Kolleginnen und Kollegen genau beobachten (siehe Kasten: Wie erkennen Sie, dass Ihr Kollege Hilfe braucht?). Doch gleichzeitig gilt: Vorsicht bei Amateur-Diagnosen!
Sicherheitsbeauftragte sind keine Psychotherapeuten, eine Laiendiagnostik stimmt längst nicht immer! Es gilt wie bei anderen psychischen Problemen: Man kann anderen Menschen mitteilen, dass sie verändert wirken, und dass man sich darüber Sorgen macht. Dann kann und sollte man auch noch die Hand reichen und ganz allgemein Hilfe anbieten. Aber eine wirkliche Diagnostik und Therapie muss man dem Betriebsarzt oder sogar externen Psychotherapeuten überlassen.
Wie kann der Sicherheitsbeauftragte aber dennoch einem gestressten Kollegen durch eigenes Tun und Initiative helfen? Dazu folgende Ratschläge:
- Das Stress-Problem sollte in Betriebsversammlungen und vor allem im Arbeitsschutzausschuss (ASA) durch den Sicherheitsbeauftragten thematisiert werden, wenn sich hierzu noch keine anderen Arbeitsschutzverantwortlichen geäußert haben.
- Das Thema sollte im Vorfeld von Sitzungen bereits auf persönlicher Ebene bei dem Betriebsrat, unmittelbaren Vorgesetzten und der Geschäftsleitung angesprochen werden.
- Der Sicherheitsbeauftrage sollte anregen, dass die Mitarbeiter über betriebliche Veränderungen, die zu neuen „Stress-Auslösern“ werden könnten, rechtzeitig informiert werden und ihnen mitgeteilt wird, was genau diese Veränderungen für jeden einzelnen Beschäftigten bedeuten.
- Im Arbeitsschutzausschuss kann der Sicherheitsbeauftragte eine Mitarbeiterbefragung zum Thema Stress anregen (siehe nächster Abschnitt).
- Die Kollegen aus dem eigenen Betriebsbereich kann der Sicherheitsbeauftragte über Unterstützungsangebote im Unternehmen näher informieren, zum Beispiel über den Betriebsarzt, den Sozialdienst oder die betriebliche Gesundheitsförderung.
Erkennen und Helfen durch Befragung
Im Arbeitsschutzausschuss (ASA) hat der Sicherheitsbeauftragte ein ideales Forum, um in Sachen Stressbekämpfung aktiv zu werden. Hierzu kann er zunächst einmal anregen, im Betrieb eine Mitarbeiterbefragung zum Thema durchzuführen. Gemeinsam mit den anderen Teilnehmern des ASA können dann Fragen überlegt werden, mit denen man in einem ersten Schritt die Stress-Situation für die Mitarbeiter genau einschätzen und darauf aufbauend in einem zweiten Schritt Präventivmaßnahmen konzipieren kann. Die Mitarbeiterbefragungen können entweder schriftlich oder mittels Interview vorgenommen werden. Dazu müssen aber die Mitarbeiter rechtzeitig über Zweck und Ziel der Befragung informiert werden. Darüber hinaus sind sie darüber aufzuklären, welche Auswertungen konkret vorgesehen sind und sie müssen sich darauf verlassen können, dass Anonymität und Datenschutz streng beachtet werden. Selbstverständlich sollten Beschäftigte bei Nichtteilnahme keine Nachteile, geschweige denn Sanktionen befürchten müssen.
Ein Fragenkatalog kann sehr umfangreich sein, denn viele Daten müssen erhoben werden. Zu den Anforderungen, die zu Stress durch psychische Belastungen führen, sind vor allem folgende Fragen zu empfehlen:
- Sind die Anforderungen zu komplex?
- Entsprechen die Informationen, Hilfen und Unterweisungen den gestellten Anforderungen?
- Ist die Aufgabenstellung zu kompliziert?
- Sind Anforderungen und Terminvorgaben in Einklang zu bringen?
- Müssen Entscheidungen zu häufig unter Zeitdruck und ohne ausreichende Information zur Entscheidungsfindung getroffen werden?
- Kommt es zur Überforderung durch die Kombination verschiedener Aufgaben?
- Werden widersprüchliche Anforderungen gestellt?
- Werden zu hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit gestellt?
So erkennen Sie, dass Ihr Kollege Hilfe braucht
Machen Sie sich Sorgen, weil Ihre Kollegin oder Ihr Kollege sichtbar unter Stress leider und Ihrer Meinung nach kurz vor der Erschöpfung, neudeutsch Burnout, steht? An welchen Anzeichen erkennen Sie dies aber? Dafür gibt es vor allem folgende drei Hinweise:
- Einen besorgniserregend gestressten Kollegen erkennt man am ehesten, wenn man sieht, wie dieser aus Regenerationszeiten wiederkommt. Ist eine gute Erholung nach einem Wochenende oder einem Urlaub noch möglich, ist der Mitarbeiter noch regenerationsfähig und daher (noch) nicht ausgebrannt. Ist das nicht der Fall, besteht Handlungsbedarf.
- Er geht nicht mehr in die gemeinsame Pause und redet mit anderen viel weniger als zuvor.
- Sein Verhalten ändert sich: Er ist ängstlicher, angespannter, aggressiver oder apathischer als vorher.
- Er raucht mehr als vorher, trinkt öfter Alkohol oder nimmt plötzlich Tabletten ein.
- Er arbeitet auf einmal konstant länger als zuvor. Liegt dies nicht daran, dass er auch mehr Arbeitsaufträge als vorher zu bewältigen hat, ist dies ein Zeichen, dass er mit seinem gewohnten Arbeitsvolumen nicht mehr klar kommt.
Praxis-Tipps: So haben Sie weniger Stress
Diese sechs Tipps helfen Ihnen weniger Stress zu haben:
Den Tag gut einteilen
Setzen Sie bei Ihren Aufgaben klare Prioritäten. Listen Sie auf, welche Aufgaben unbedingt sofort erledigt werden müssen. Dann erstellen Sie einen Arbeitsplan für jeden Tag. Halten Sie rund 20 Prozent der täglichen Arbeitszeit frei, damit Sie genügend Puffer für unerwartete Aufgaben haben.
Mittagspause machen
Egal wie viel Arbeit am Tag anfällt, verzichten Sie nie auf eine Mittagspause. Diese sollte mindestens eine halbe Stunde dauern, besser noch eine ganze Stunde. Nehmen Sie dabei keine schweren Mahlzeiten ein, da diese Ihren Magen zu sehr belasten und Sie müde machen. Machen Sie nach der Mahlzeit noch einen kleinen Verdauungsspaziergang.
Kleine Pausen einlegen
Legen Sie alle zwei Stunden eine kurze Pause ein. Öffnen Sie das Fenster und machen Sie bei frischer Luft etwas Gymnastik. Zum Beispiel zwanzig bis dreißig Knie- und Rumpfbeugen oder Liegestützen.
Abschalten
Verschaffen Sie sich Freiräume, in denen Sie auch über das Handy nicht erreichbar sind. Dies gilt vor allem in der Nacht und an Wochenenden. Besprechen Sie mit Ihren Kollegen und Vorgesetzten diese „Funkpausen“ und werben Sie für deren Verständnis.
Kein Freizeit-Stress
Machen Sie sich neben der Arbeit nicht auch noch Freizeit-Stress, indem Sie viele Termine und Verabredungen planen. Gönnen Sie sich daher alle zwei Wochen ein richtig „faules“ Wochenende.
Hilfe suchen!
Wenn alle diese Maßnahmen zum Stressmanagement keine deutliche Besserung bringen, reden Sie mit Ihrem Chef beziehungsweise unmittelbaren Vorgesetzten. Eventuell lassen sich bei Ihren Qualifikationen und Ihrer Erfahrung auch andere Positionen im Betrieb finden, in denen es weniger terminlichen Druck und nicht ganz so viel Verantwortung gibt.
Filmtipps
Die psychische Belastung als hauptsächlicher Grund für Stress bei der Arbeit ist auch Thema der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Auf deren Internetseite stehen Videoclips, die mit einem Augenzwinkern für das Thema sensibilisieren: Der Weihnachtsmann hat mit Monotonie zu kämpfen, während die gute Fee unter ständiger Erreichbarkeit leidet. Das Video „Superheld“ zeigt, dass selbst Superhelden hohe Arbeitsbelastung und Zeitdruck am Arbeitsplatz nur schwer verkraften. Eine wichtige Botschaft: Nehmen Sie sich auch mal zurück, fühlen Sie sich nicht für alles verantwortlich, die Welt dreht sich manchmal auch ohne Sie! Die Clips sind hier zu finden: www.gda-psyche.de/DE/Downloads/Videoclips/inhalt.html
Noch ein Film-Tipp: Napo in „Stress lass nach“ sehen Sie im Internet unter https://www.napofilm.net