Eine Gefährdungsbeurteilung ist Voraussetzung für sicheres und gesundes Arbeiten. Mit ihr lassen sich Gefahren bei der Arbeit erkennen und vermeiden. Eine logische Konsequenz aus der Gefährdungsbeurteilung und wichtiger Baustein im Arbeitsschutz sind Unterweisungen. Dr. Evelyn Zingrefe, Dozentin für Arbeitsschutzorganisation bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), erklärt im Interview, worauf die Verantwortlichen im Betrieb achten sollten, wenn sie die Beschäftigten über die bei ihrer Tätigkeit auftretenden Gefährdungen und sicherheitsgerechte Verhaltensweisen unterweisen.
Frau Dr. Zingrefe, was ist bei betrieblichen Unterweisungen zu beachten?
Dr. Evelyn Zingrefe: Zuerst sollten immer folgende Fragen berücksichtigt werden: Welche Gefährdungen gibt es im Arbeitsbereich der zu Unterweisenden? Was kann passieren? Und wie kann man sich schützen? Außerdem ist die Zielgruppe entscheidend: Neue Betriebsangehörige benötigen bei Arbeitsschutz-Unterweisungen beispielsweise mehr grundlegende Informationen zu betrieblichen Besonderheiten als erfahrene Beschäftigte. Gerade bei erfahrenen Beschäftigten gilt es, einerseits dazu zu motivieren, gewohnte, aber unsichere Verhaltensweisen sicherheitsgerecht zu verändern. Andererseits sollte man den Erfahrungsschatz dieser Beschäftigten nutzen und sie an der Durchführung von Unterweisungen aktiv beteiligen. Das stärkt ihre Selbstverpflichtung und vermittelt gleichzeitig eine Wertschätzung ihres Wissens und ihrer Fertigkeiten.
Wie können Unterweisungen ansprechend gestaltet werden?
Zingrefe: Damit Unterweisungen nachhaltig sind und nicht zu langweiligen Pflichtveranstaltungen werden, ist eine systematische Vorbereitung entscheidend. Unterweisende sollten sich daher stets fragen, was sie vermitteln wollen und wie sie die Beschäftigten erreichen. Interesse wecken, erklären, überzeugen, vormachen, einüben lassen und den Erfolg kontrollieren sind wichtige methodische Bausteine im Rahmen eines Unterweisungskonzeptes.
Haben Sie konkrete Beispiele?
Zingrefe: Eine gute Wirkung erzielt man, wenn Beschäftigte gemeinsam über ein Thema sprechen und im Dialog miteinander Lösungen finden. Das fördert die Eigenverantwortung. Auch Fragen sind ein geeignetes Mittel, um Interesse zu wecken und den Nutzen von Unterweisungen hervorzuheben: Was gehört zur Sichtkontrolle am Stapler? Wofür dient diese Sicherung? So werden Diskussionen angeregt, aus denen sich viel Optimierungspotenzial ableiten lässt. Inhalte bleiben besonders gut im Kopf, wenn während der Unterweisung mehrere Sinne angesprochen werden. Deswegen sollten auch Medien gezielt als Hilfsmittel eingesetzt werden: Bilder oder Filmsequenzen – beispielsweise Alltagssituationen aus dem eigenen Betrieb – wecken die Neugier der Beschäftigten. Auch E‑Learning-Programme können die mündliche Wissensvermittlung ergänzen, eignen sich aber nicht zur alleinigen Nutzung, da sie die Komplexität des betrieblichen Umfeldes nicht abdecken können. Besonders nachhaltig sind Unterweisungen, wenn zum Abschluss gemeinsam Verhaltensregeln vereinbart werden, die dabei helfen, künftig sicher und gesund zu arbeiten. Daneben tragen Betriebsanweisungen, beispielsweise an Maschinen, dazu bei, die getroffenen Maßnahmen zu unterstützen und ihre Wirksamkeit zu erhalten. Sie informieren die Beschäftigten über Gefährdungen und fassen geforderte Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln in schriftlicher Form zusammen. Sie müssen stets aktuell und für alle an den Arbeitsplätzen zugänglich sein.
Nun zu den Pflichten: Wie oft müssen Beschäftigte unterwiesen werden?
Zingrefe: Unterweisungen müssen grundsätzlich immer vor der Aufnahme einer neuen Tätigkeit durchgeführt werden. Das gilt bei Neueinstellungen ebenso wie beim Arbeitsplatzwechsel oder bei der Einführung neuer Verfahren, Maschinen und Arbeitsmittel. Auszubildende sind halbjährlich zu unterweisen, alle anderen Beschäftigten mindestens einmal im Jahr. Unterweisungen können auch einen bestimmten Anlass haben: Zum Beispiel nach Unfällen, bei Störungen im Arbeitsablauf oder wenn sich Angestellte sicherheitswidrig verhalten haben.
Wer führt die Unterweisungen durch?
Zingrefe: Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben die gesetzliche Pflicht, ihre Beschäftigten über den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz während der Arbeitszeit zu unterweisen. Dies ist angemessen zu dokumentieren, indem der jeweilige Betriebsbereich, Datum und Inhalt der Unterweisung sowie die Namen der Unterwiesenen sowie Unterweisenden Personen belegt werden. Der Arbeitgeber kann diese Aufgaben aber auch beispielsweise auf die direkten Vorgesetzten übertragen – denn diese kennen die konkreten Arbeitsplätze und ‑abläufe sowie die Beschäftigten. In der Praxis hat sich die Unterstützung durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder den Betriebsarzt ebenfalls bewährt.
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