Noch vor einigen Jahren waren Schutzhandschuhe bei Beschäftigten in der metallverarbeitenden Industrie äußerst unbeliebt, da die verwendeten Handschuhmaterialien wie Leder oder Baumwollstoff mit Lederbesatz kein gutes Handling ermöglichten und Gummi- oder Latexhandschuhe die Hände schwitzen lassen. Das änderte sich schlagartig mit dem Aufkommen neuer Handschuhmaterialien wie zum Beispiel Faserstrickmaterial: Die Handschuhe wurden weicher, erhielten das Tastgefühl und schützten durch die Beschichtungen der Finger und Innenhandflächen vor Feuchtigkeit und Verschmutzungen.
In vielen Bereichen des metallverarbeitenden Gewerbes – auch in der mechanischen Bearbeitung und anderen Tätigkeitsbereichen – wurden Schutzhandschuhe somit immer beliebter. Dabei gerieten die Gefahren durch das Tragen von Handschuhen bei bestimmten Tätigkeiten schnell in Vergessenheit und es kommt immer wieder zu Unfällen, die mit etwas Umsicht und Nachdenken zu vermeiden wären.
Unfallbeispiel eins:
- Zur Instandsetzung einer Pumpe machte sich ein Mitarbeiter daran, die an den Dichtstellen eingelaufene Welle zu glätten und neu zu polieren. Dazu spannte er die Welle in eine Drehmaschine ein und überdrehte sie leicht. Hierbei trug er weiterhin seine Mechaniker-Schutzhandschuhe. Zum anschließenden Polieren drückte er ein Stück Schmirgelleinwand mit der linken Hand an die weiter rotierende Welle. Der Handschuh wurde dabei von der Welle erfasst und eingezogen. Der Beschäftigte erlitt Verletzungen in Form von Hautabschürfungen und Prellungen an der Hand.
Unfallbeispiel zwei:
- Ein Mitarbeiter wollte auf dem Maschinentisch einer Universalfräsmaschine eine Vorrichtung aufbauen, um danach einige Teile bearbeiten zu können. Nach dem Montieren der Vorrichtung musste er die korrekte Ausrichtung prüfen und nahm dazu die Maschine in Betrieb. Für die Montage hatte er Mechaniker-Schutzhandschuhe angezogen und diese auch weiter anbehalten als die Maschine lief. Bei einer notwendigen Korrektur griff er über den Maschinentisch und wurde durch die rotierende Fräswelle (noch ohne Werkzeug) erfasst und der Handschuh der linken Hand eingezogen. Der Mitarbeiter konnte noch die Maschine mit dem NOT-Halt-Schalter abschalten. Er erlitt schwere Verletzungen an der linken Hand und am Unterarm.
Unfallbeispiel drei:
- Ein Mitarbeiter hatte den Auftrag, Werkzeugablagen aus Schichtholzplatten herzustellen. Dazu mussten die Platten mit unterschiedlich großen Bohrungen versehen werden. Er nutzte für diese Arbeiten eine Ständerbohrmaschine und Bohrer verschiedener Ausführungen und Durchmesser. Um sich keine Splitter der Bohrspäne in die Hand einzuziehen, trug der Mitarbeiter Schutzhandschuhe aus einem Fasergestrick mit beschichteter Handinnenfläche. Bei einem notwendigen Bohrerwechsel griff er mit der rechten Hand an die noch laufende Bohrspindel, um den Schnellwechselmechanismus auszulösen. Hier wurde der Handschuh von der Gummibeschichtung des Schnellwechslers erfasst und eingezogen. Der Mitarbeiter erlitt Fingerbrüche und schwere Abschürfungen an der Hand.
All diese Unfälle wären bei richtigem Verhalten der betroffenen Mitarbeiter vermeidbar gewesen: Bei Arbeiten an rotierenden Maschinen dürfen keine Schutzhandschuhe getragen werden beziehungsweise im Fall 1 wären die Schmirgelarbeiten von Hand ganz zu unterlassen gewesen.
Die besondere Gefahr bei Arbeiten mit rotierenden Teilen ist seit Beginn der Unfallverhütung bekannt und wird auch immer wieder in Unterweisungen und Schulungen thematisiert. Bei den Veröffentlichungen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen findet sich insbesondere in der DGUV Information 209–066 (alt: BGI 5003) „Maschinen der Zerspanung“ im Kapitel 2.5 „Besondere Gefährdungen und Schutzmaßnahmen beim Betreiben“ der Hinweis auf das Verbot des Tragens von Schutzhandschuhen bei Arbeiten mit rotierenden Teilen.
Warum wird das Verbot missachtet?
Viele Beschäftigte sind sich der Gefährdungen, die durch das Tragen von Schutzhandschuhen bei diesen Tätigkeiten auftreten können, nicht bewusst. Auch wird in Betriebsanweisungen für diese Tätigkeiten oder in Unterweisungen nicht deutlich genug darauf hingewiesen – insbesondere auf die Gefahr, dass das Handschuhmaterial eingezogen werden könnte. Es ist kaum bekannt, dass die feinen Gestricke und die Beschichtungen der Finger und Handinnenflächen bereits von kleinsten Rauigkeiten der Teileoberflächen erfasst und dann mit hoher Geschwindigkeit aufgewickelt werden. Der Betroffene hat in diesem Fall kaum eine Möglichkeit, sich dem Vorgang zu entziehen.
Inzwischen haben auch die Hersteller von Schutzhandschuhen auf das Problem reagiert und die ersten Mechaniker-Schutzhandschuhe mit Sollbruchstellen (Abrissstellen) im Bereich der Finger auf den Markt gebracht. Diese Schutzhandschuhe sind aber nur für bestimmte, in den Bedienanleitungen des Herstellers beschriebene Anwendungsfälle, so zum Beispiel beim Benutzen von Schraubern, sicher. Für den Einsatz an Bohrmaschinen, Dreh- und Fräsmaschinen oder Schleifmaschinen sind sie weiterhin ungeeignet!
Weitere Maßnahmen sind der Einsatz von Schutzabdeckungen und Schnellstop-Einrichtungen an den Maschinen.
Die sicherste Methode, Unfälle an Maschinen mit rotierenden Teilen zu vermeiden, ist aber immer noch der Verzicht auf das Tragen von Schutzhandschuhen.
Autor:
Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann
Sicherheitsingenieur VDSI
SIMEBU Thüringen GmbH
Tipps für die Praxis: Das können Sie tun
- Kontrollieren Sie regelmäßig, ob das Trageverbot von Schutzhandschuhen bei Tätigkeiten mit rotierenden Maschinen eingehalten wird.
- Sprechen Sie Mitarbeiter, die Schutzhandschuhe bei Tätigkeiten mit rotierenden Teilen tragen, umgehend darauf an. Weisen Sie darauf hin, wie gefährlich dieses Verhalten ist, indem Sie die Schwere möglicher Verletzungen aufzeigen.
- Machen Sie mit praktischen Demonstrationen die Gefahr erkennbar und begreifbar: Die verheerende Wirkung lässt sich zum Beispiel vorführen, indem Sie einen Mechaniker-Schutzhandschuh an einer Leiste mit einer Klammer befestigen und an ein rotierendes Teil in einer Dreh- oder Bohrmaschine halten.
- Sprechen Sie das Thema im Rahmen von Unterweisungen und Sicherheitskurzgesprächen an und tragen Sie so dazu bei, dass sich richtiges Verhalten einprägt und durchsetzt.
Literaturhinweise
- DGUV Regel 112–195 (alt: BGR 195) „Benutzung von Schutzhandschuhen“
- DGUV Information 209–066 (alt: BGI 5003) „Maschinen der Zerspanung“