1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Arbeitssicherheit » Schutzausrüstung »

Unfälle an Maschinen mit rotierenden Teilen - Handschuhproblematik

Hier werden Handschuhe zum Verhängnis
Unfälle an Maschinen mit rotierenden Teilen

Unfälle an Maschinen mit rotierenden Teilen
Bei Arbeiten mit rotierenden Teilen, so etwa beim Bohren, Drehen oder Fräsen, sollten keine Handschuhe getragen werden. Foto: © Photocreo Bednarek - stock.adobe.com
Das Tra­gen von Schutzhand­schuhen ist durch die verbesserten Eigen­schaften heute ver­füg­bar­er Pro­duk­te schon fast zur Selb­stver­ständlichkeit gewor­den. Doch Schutzhand­schuhe sind nicht immer ein wirk­samer Schutz, son­dern kön­nen bei bes­timmten Tätigkeit­en auch zu ein­er Gefahr werden.

Noch vor eini­gen Jahren waren Schutzhand­schuhe bei Beschäftigten in der met­al­lver­ar­bei­t­en­den Indus­trie äußerst unbe­liebt, da die ver­wen­de­ten Hand­schuh­ma­te­ri­alien wie Led­er oder Baum­woll­stoff mit Lederbe­satz kein gutes Han­dling ermöglicht­en und Gum­mi- oder Latex­hand­schuhe die Hände schwitzen lassen. Das änderte sich schla­gar­tig mit dem Aufkom­men neuer Hand­schuh­ma­te­ri­alien wie zum Beispiel Faser­strick­ma­te­r­i­al: Die Hand­schuhe wur­den weich­er, erhiel­ten das Tast­ge­fühl und schützten durch die Beschich­tun­gen der Fin­ger und Innen­hand­flächen vor Feuchtigkeit und Verschmutzungen.

In vie­len Bere­ichen des met­al­lver­ar­bei­t­en­den Gewerbes – auch in der mech­a­nis­chen Bear­beitung und anderen Tätigkeits­bere­ichen – wur­den Schutzhand­schuhe somit immer beliebter. Dabei geri­eten die Gefahren durch das Tra­gen von Hand­schuhen bei bes­timmten Tätigkeit­en schnell in Vergessen­heit und es kommt immer wieder zu Unfällen, die mit etwas Umsicht und Nach­denken zu ver­mei­den wären.

Unfallbeispiel eins:

  • Zur Instand­set­zung ein­er Pumpe machte sich ein Mitar­beit­er daran, die an den Dicht­stellen ein­ge­laufene Welle zu glät­ten und neu zu polieren. Dazu span­nte er die Welle in eine Drehmas­chine ein und über­drehte sie leicht. Hier­bei trug er weit­er­hin seine Mechaniker-Schutzhand­schuhe. Zum anschließen­den Polieren drück­te er ein Stück Schmirgellein­wand mit der linken Hand an die weit­er rotierende Welle. Der Hand­schuh wurde dabei von der Welle erfasst und einge­zo­gen. Der Beschäftigte erlitt Ver­let­zun­gen in Form von Hautab­schür­fun­gen und Prel­lun­gen an der Hand.

Unfallbeispiel zwei:

  • Ein Mitar­beit­er wollte auf dem Maschi­nen­tisch ein­er Uni­ver­sal­fräs­mas­chine eine Vor­rich­tung auf­bauen, um danach einige Teile bear­beit­en zu kön­nen. Nach dem Mon­tieren der Vor­rich­tung musste er die kor­rek­te Aus­rich­tung prüfen und nahm dazu die Mas­chine in Betrieb. Für die Mon­tage hat­te er Mechaniker-Schutzhand­schuhe ange­zo­gen und diese auch weit­er anbe­hal­ten als die Mas­chine lief. Bei ein­er notwendi­gen Kor­rek­tur griff er über den Maschi­nen­tisch und wurde durch die rotierende Fräswelle (noch ohne Werkzeug) erfasst und der Hand­schuh der linken Hand einge­zo­gen. Der Mitar­beit­er kon­nte noch die Mas­chine mit dem NOT-Halt-Schal­ter abschal­ten. Er erlitt schwere Ver­let­zun­gen an der linken Hand und am Unterarm.

Unfallbeispiel drei:

  • Ein Mitar­beit­er hat­te den Auf­trag, Werkzeu­gabla­gen aus Schichtholz­plat­ten herzustellen. Dazu mussten die Plat­ten mit unter­schiedlich großen Bohrun­gen verse­hen wer­den. Er nutzte für diese Arbeit­en eine Stän­der­bohrmas­chine und Bohrer ver­schieden­er Aus­führun­gen und Durchmess­er. Um sich keine Split­ter der Bohrspäne in die Hand einzuziehen, trug der Mitar­beit­er Schutzhand­schuhe aus einem Fasergestrick mit beschichteter Hand­in­nen­fläche. Bei einem notwendi­gen Bohrerwech­sel griff er mit der recht­en Hand an die noch laufende Bohrspin­del, um den Schnell­wech­selmech­a­nis­mus auszulösen. Hier wurde der Hand­schuh von der Gum­mibeschich­tung des Schnell­wech­slers erfasst und einge­zo­gen. Der Mitar­beit­er erlitt Fin­ger­brüche und schwere Abschür­fun­gen an der Hand.

 

All diese Unfälle wären bei richtigem Ver­hal­ten der betrof­fe­nen Mitar­beit­er ver­mei­d­bar gewe­sen: Bei Arbeit­en an rotieren­den Maschi­nen dür­fen keine Schutzhand­schuhe getra­gen wer­den beziehungsweise im Fall 1 wären die Schmirge­lar­beit­en von Hand ganz zu unter­lassen gewesen.

Die beson­dere Gefahr bei Arbeit­en mit rotieren­den Teilen ist seit Beginn der Unfal­lver­hü­tung bekan­nt und wird auch immer wieder in Unter­weisun­gen und Schu­lun­gen the­ma­tisiert. Bei den Veröf­fentlichun­gen der Beruf­sgenossen­schaften und Unfal­lka­ssen find­et sich ins­beson­dere in der DGUV Infor­ma­tion 209–066 (alt: BGI 5003) „Maschi­nen der Zerspanung“ im Kapi­tel 2.5 „Beson­dere Gefährdun­gen und Schutz­maß­nah­men beim Betreiben“ der Hin­weis auf das Ver­bot des Tra­gens von Schutzhand­schuhen bei Arbeit­en mit rotieren­den Teilen.

Warum wird das Verbot missachtet?

Viele Beschäftigte sind sich der Gefährdun­gen, die durch das Tra­gen von Schutzhand­schuhen bei diesen Tätigkeit­en auftreten kön­nen, nicht bewusst. Auch wird in Betrieb­san­weisun­gen für diese Tätigkeit­en oder in Unter­weisun­gen nicht deut­lich genug darauf hingewiesen – ins­beson­dere auf die Gefahr, dass das Hand­schuh­ma­te­r­i­al einge­zo­gen wer­den kön­nte. Es ist kaum bekan­nt, dass die feinen Gestricke und die Beschich­tun­gen der Fin­ger und Hand­in­nen­flächen bere­its von kle­in­sten Rauigkeit­en der Teileober­flächen erfasst und dann mit hoher Geschwindigkeit aufgewick­elt wer­den. Der Betrof­fene hat in diesem Fall kaum eine Möglichkeit, sich dem Vor­gang zu entziehen.

Inzwis­chen haben auch die Her­steller von Schutzhand­schuhen auf das Prob­lem reagiert und die ersten Mechaniker-Schutzhand­schuhe mit Soll­bruch­stellen (Abrissstellen) im Bere­ich der Fin­ger auf den Markt gebracht. Diese Schutzhand­schuhe sind aber nur für bes­timmte, in den Bedi­en­an­leitun­gen des Her­stellers beschriebene Anwen­dungs­fälle, so zum Beispiel beim Benutzen von Schraubern, sich­er. Für den Ein­satz an Bohrmaschi­nen, Dreh- und Fräs­maschi­nen oder Schleif­maschi­nen sind sie weit­er­hin ungeeignet!

Weit­ere Maß­nah­men sind der Ein­satz von Schutz­ab­deck­un­gen und Schnell­stop-Ein­rich­tun­gen an den Maschinen.

Die sich­er­ste Meth­ode, Unfälle an Maschi­nen mit rotieren­den Teilen zu ver­mei­den, ist aber immer noch der Verzicht auf das Tra­gen von Schutzhandschuhen.


Autor:

Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann

Sicher­heitsin­ge­nieur VDSI

SIMEBU Thürin­gen GmbH

Foto: © Foto­stu­dio City Col­or Mun­schke, Weimar

Tipps für die Praxis: Das können Sie tun

  • Kon­trol­lieren Sie regelmäßig, ob das Trage­ver­bot von Schutzhand­schuhen bei Tätigkeit­en mit rotieren­den Maschi­nen einge­hal­ten wird.
  • Sprechen Sie Mitar­beit­er, die Schutzhand­schuhe bei Tätigkeit­en mit rotieren­den Teilen tra­gen, umge­hend darauf an. Weisen Sie darauf hin, wie gefährlich dieses Ver­hal­ten ist, indem Sie die Schwere möglich­er Ver­let­zun­gen aufzeigen.
  • Machen Sie mit prak­tis­chen Demon­stra­tio­nen die Gefahr erkennbar und begreif­bar: Die ver­heerende Wirkung lässt sich zum Beispiel vor­führen, indem Sie einen Mechaniker-Schutzhand­schuh an ein­er Leiste mit ein­er Klam­mer befes­ti­gen und an ein rotieren­des Teil in ein­er Dreh- oder Bohrmas­chine halten.
  • Sprechen Sie das The­ma im Rah­men von Unter­weisun­gen und Sicher­heit­skurzge­sprächen an und tra­gen Sie so dazu bei, dass sich richtiges Ver­hal­ten ein­prägt und durchsetzt.

Literaturhinweise

Unsere Webi­nar-Empfehlung
Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de