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Unfall im Homeoffice – Bin ich gesetzlich unfallversichert?

Unfall im Homeoffice
Bin ich gesetzlich unfallversichert?

Bin ich gesetzlich unfallversichert?
Inwiefern ein Unfall im Homeoffice von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt ist hängt davon ab, ob er einer Tätigkeit des Arbeitslebens oder des Privatlebens zuzuordnen ist. Foto: © Andrey Popov - stock.adobe.com

Im Zuge der Coro­na-Pan­demie ist die Zahl der Beschäftigten zu, die einen großen Teil ihrer Arbeit­szeit im Home­of­fice ver­brin­gen, rapi­de angestiegen. Der Geset­zge­ber hat die Arbeit­ge­ber mit der Coro­na-Arbeitss­chutzverord­nung verpflichtet, ihren Mitar­beit­ern diese Möglichkeit anzu­bi­eten, sofern deren Tätigkeit das Arbeit­en von zuhause aus erlaubt. Bei Home­of­fice haben betriebliche Arbeitss­chützer deut­lich weniger Ein­flussmöglichkeit­en, für ein sicher­heits­gerecht­es Arbeit­en zu sor­gen als am Büroar­beit­splatz in der Fir­ma oder öffentlichen Ein­rich­tung. Doch auch im eige­nen Haushalt kann ein Unfall passieren. Dann stellt sich sehr schnell die Frage, wie es mit dem Ver­sicherungss­chutz aussieht.

Wer sich am Arbeit­splatz bei ein­er beru­flichen Tätigkeit ver­let­zt, ist grund­sät­zlich über seinen Arbeit­ge­ber – ob Betrieb, Schule oder Behörde – unfal­lver­sichert. Die Kosten für die medi­zinis­che Ver­sorgung, Ther­a­pi­en, Hil­f­s­mit­tel, Maß­nah­men zur Reha­bil­i­ta­tion usw. übernehmen die Beruf­sgenossen­schaften und Unfal­lka­ssen als soge­nan­nte Unfal­lver­sicherungsträger. Rechts­grund­lage dieser geset­zlichen Unfal­lver­sicherung ist das Siebte Buch Sozialge­set­zbuch (SGB VII). Sie gilt nicht für das Pri­vatleben, son­dern auss­chließlich für die ver­sicherte beru­fliche Tätigkeit.

Arbeitsunfall oder nicht?

Dieser wichtige Zweig der Sozialver­sicherung scheint klar geregelt, und doch lan­den immer wieder Stre­it­fälle vor Gericht. In den Ver­hand­lun­gen geht es meist um die Frage, ob eine Ver­let­zung als Arbeit­sun­fall anerkan­nt wird oder nicht. Dies hat für das Unfal­lopfer eine hohe Bedeu­tung, denn die Fol­gen von Arbeit­sun­fällen kön­nen lang­wierig sein, teuer wer­den oder zu per­ma­nen­ter Arbeit­sun­fähigkeit führen. Ins­beson­dere bei den soge­nan­nten Wege­un­fällen – Unfälle auf dem Weg von oder zum Arbeit­splatz – kommt es zu vie­len strit­ti­gen Sit­u­a­tio­nen. Wer etwa die Fahrt von der Arbeit nach Hause unter­bricht, um einzukaufen oder pri­vate Besuche zu machen, riskiert seinen Ver­sicherungss­chutz. Er bleibt jedoch in aller Regel erhal­ten, wenn man einen Umweg macht, um sein Kind von der Schule oder der Kita abzuholen.

Maßge­blich für die in solchen Fra­gen zuständi­gen Sozial­gerichte ist – vere­in­facht aus­ge­drückt – inwiefern ein Unfall ein­er (ver­sicherten) Tätigkeit des Arbeit­slebens oder ein­er (unver­sicherten) Tätigkeit des Pri­vatlebens zuzuord­nen ist. Als Kri­teri­um für die Grenzziehung zwis­chen ver­sichert­er und pri­vater Tätigkeit wurde häu­fig die Außen­haustür genan­nt. Danach gilt, was im Haus oder in der eige­nen Woh­nung passiert, als pri­vat, der direk­te Weg von der Außen­haustür bis zur Arbeitsstelle jedoch als Arbeitsweg und somit als unfal­lver­sichert. Bei Home­of­fice fällt dieses Kri­teri­um jedoch weg. Denn zen­trales Merk­mal von Home­of­fice ist, dass das Arbeit­en inner­halb des eige­nen Pri­vat­bere­ichs stat­tfind­et. Somit müssen neue Kri­te­rien gefun­den wer­den, ob und wann eine Ver­let­zung im Home­of­fice als Arbeit­sun­fall gew­ertet wird oder nicht.

Auch beim Arbeiten im Homeoffice ist man unfallversichert

Grund­sät­zlich gilt, dass der Schutz der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung nicht orts­ge­bun­den ist, son­dern sich auf die ver­sicherte Tätigkeit bezieht. Genau­so wie beim Arbeit­en auf ein­er Baustelle oder auf Mon­tage beim Kun­den oder – etwa bei Beruf­skraft­fahrern – im Verkehr gilt der Ver­sicherungss­chutz somit auch beim Arbeit­en von zuhause aus. Wer pan­demiebe­d­ingt oder aus anderen Grün­den seine beru­fliche Arbeit in Absprache mit seinem Arbeit­ge­ber aus dem Home­of­fice erledigt, ste­ht in gle­ich­er Weise unter dem Schutz der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung wie der Kol­lege, der im Büro in der Fir­ma die Stel­lung hält.

Aus diesem Grund­satz kann jedoch nicht geschlossen wer­den, dass jed­er Unfall, der zuhause passiert, auch als Arbeit­sun­fall anerkan­nt würde. Denn im heimis­chen Umfeld wer­den viele Tätigkeit­en erledigt, die pri­vat­en Charak­ter haben, ob kochen, Wäsche aufhän­gen oder den Hund füt­tern. Da solche Tätigkeit­en nichts mit dem Arbeit­sauf­trag des Arbeit­ge­bers zu tun haben und auch nicht in dessen Ver­ant­wor­tungs­bere­ich liegen, gel­ten sie auch nicht als ver­sicherte Tätigkeit­en. Somit sind Beruf­sgenossen­schaft oder Unfal­lka­sse hier nicht zuständig und ein Unfall oder eine Ver­let­zung fall­en nicht unter den Schutz der geset­zlichen Unfallversicherung.

Wenn der gleiche Ort privat wie dienstlich genutzt wird

bare Sachver­halt ist im konkreten Fall nicht immer so ein­fach einzuord­nen. Denn beim Arbeit­en in der heimis­chen Umge­bung kön­nen ver­sicherte beru­fliche Tätigkeit­en und nicht-ver­sicherte pri­vate Hand­lun­gen nahe beieinan­der liegen. Das ist qua­si automa­tisch der Fall, wenn am gle­ichen Büroar­beit­splatz dien­stliche Auf­gaben wie auch pri­vate Dinge erledigt wer­den. Und klin­gelt es an der Tür, weiß zunächst nicht mal der Home­of­fice-Work­er selb­st, ob er dien­stlich oder pri­vat unter­wegs ist. Denn es kön­nte der Nach­bar sein mit ein­er Bitte oder auch der Paket­di­enst mit den drin­gend benötigten Akten aus der Firma.

Stolpert man nun auf dem Weg vom Home­of­fice-Arbeit­splatz zur Haustür und ver­let­zt sich dabei, stellt sich die Frage, ob die geset­zliche Unfal­lver­sicherung greift oder nicht. Nicht immer ist die Unfall­si­t­u­a­tion und die Zuord­nung pri­vat oder beru­flich so ver­gle­ich­sweise über­schaubar wie im geschilderten Beispiel. Solche Unfälle im häus­lichen Umfeld lan­den dann oft vor Gericht. Dass einige Fälle über mehrere Instanzen gehen, zeigt, dass die Sach­lage kom­plex wer­den kann und sich auch die Experten und Juris­ten in ihren Ein­schätzun­gen nicht immer einig sind.

Unfall im Homeoffice: Entscheidend ist die Handlungstendenz

Als maßge­blich für das Bew­erten eines Unfalls im Zusam­men­hang mit Home­of­fice gilt ein Sturz auf der Kellertreppe, der nach mehreren Instanzen im Novem­ber 2018 vor dem Bun­dessozial­gerichts (BSG) ver­han­delt wurde.

Der Unfall: Geklagt hat­te die Man­agerin eines inter­na­tionalen Online-Unternehmens. Sie hat­te sich im Keller ihres Zuhause einen Home­of­fice-Arbeit­splatz ein­gerichtet, an dem sie regelmäßig beru­flichen Auf­gaben nachkam. Am Unfall­t­ag hat­te sie zunächst eine Messe besucht und erhielt dann von ihrem Arbeit­ge­ber die Anweisung, den Geschäfts­führer ihres Unternehmens anzu­rufen. Die Man­agerin fuhr nach Hause und stieg mit ihrem Lap­top die Treppe zu ihrem Arbeit­splatz hin­unter, um dort das Gerät für das vorge­se­hene Übersee-Tele­fonat anzuschließen. Sie rutschte jedoch auf der Kellertreppe aus und zog sich einen kom­plizierten Bruch im Bere­ich der Lenden­wirbel zu.

Das Urteil: Die zuständi­ge Beruf­sgenossen­schaft hat­te die Anerken­nung eines Arbeit­sun­falls abgelehnt. Der Fall war nach unter­schiedlichen Bew­er­tun­gen von Sozial­gericht und Lan­dessozial­gericht beim BSG gelandet. Die ober­sten Sozial­richter kamen zu dem Schluss, dass es sich um einen Arbeit­sun­fall han­delt. Denn der Unfall sei auf einem ver­sicherten Betrieb­sweg passiert. Entschei­dend sei die Hand­lung­s­ten­denz des Unfal­lopfers und das Benutzen der Kellertreppe habe ein­deutig betrieblichen Inter­essen gedi­ent. (Urteil des BSG vom 27.11.2018, Az B 2 U 28/17 R)

Damit wird das Durch­schre­it­en der Haustür als Kri­teri­um zwis­chen ver­sichert­er und nicht-ver­sichert­er Tätigkeit zwar nicht aufge­hoben. Dieses Kri­teri­um ver­liert jedoch an Rel­e­vanz, wenn Woh­nung und Arbeitsstätte sich im sel­ben Haus befind­en. Stattdessen kommt es in ein­er solchen Home­of­fice-Sit­u­a­tion darauf an, „mit welch­er objek­tivierten Hand­lung­s­ten­denz ein Ver­sichert­er Örtlichkeit­en benutze, die sowohl pri­vat als auch betrieblich genutzt wür­den,“ so eine Ein­schätzung der DGUV Hochschule. Entschei­dend sei, „welche konkrete Ver­rich­tung mit welchem Zweck die Klägerin in dem Moment des Unfalls ausübte“.

Fazit: Beim Unfall im Homeoffice kommt es darauf an …

Das BSG-Urteil bestätigt die Auf­fas­sung, dass jew­eils die Umstände des Einzelfalls zu  betra­ch­t­end sind und es darauf ankommt, ob die Tätigkeit, während der es zu dem Unfall gekom­men ist, betrieblichen Zweck­en dient. Wer dem­nach z. B. in seinem eige­nen Haus eine Treppe benutzt, um ein zum Arbeit­en notwendi­ges Doku­ment vom Druck­er im Keller zu holen, tut dies im Inter­esse seines Arbeit­ge­bers, ergo ste­ht er unter dem Schutz der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung. Dieser Gang stellt einen Betrieb­sweg dar und Betrieb­swege sind unfallversichert.

Wer die gle­iche Treppe benutzt, um im Keller nach der Waschmas­chine zu schauen, tut dies jedoch im eige­nen Inter­esse. D. h. ein Sturz auf der Treppe wäre in diesem Fall nicht von der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung gedeckt, da eine soge­nan­nte eigen­wirtschaftliche Tätigkeit vor­liegt. Die DGUV kon­sta­tiert dazu ein­deutig, dass eigen­wirtschaftliche Tätigkeit­en auch im Büro grund­sät­zlich nicht geset­zlich unfal­lver­sichert sind. Hier haben die Gerichte bis­lang eher strikt geurteilt. So gilt bzw. galt (siehe Kas­ten „Neu seit Juni 2021: Ver­sicherungss­chutz im Home­of­fice aus­geweit­et”) es bere­its als eigen­wirtschaftliche Tätigkeit, wenn man seinen Home­of­fice-Arbeit­splatz ver­lässt, um sich aus der Küche einen Tee zu holen oder um auf die Toi­lette zu gehen.

 

 
Neu seit Juni 2021: Ver­sicherungss­chutz im Home­of­fice ausgeweitet
 
Mit dem am 18. Juni 2021 in Kraft getrete­nen Betrieb­sräte-Mod­ernisierungs­ge­setz hat der Geset­zge­ber fest­gelegt, dass für Unfälle eines Ver­sicherten im Home­of­fice der gle­iche Umfang an Ver­sicherungss­chutz gilt wie beim Unfall inner­halb sein­er Arbeits- oder Betrieb­sstätte. Damit sind nun beim Arbeit­en von zuhause aus nicht länger nur die eigentliche Tätigkeit sowie die soge­nan­nten Betrieb­swege – etwa vom Sitz­platz zum Druck­er – unfal­lver­sichert, son­dern auch Wege zur Kaf­feemas­chine in der Küche oder der Gang auf die Toilette.
 

Auch Homeoffice-Unfälle melden

Empfehlenswert für Betrof­fene ist, auch bei ein­er Ver­let­zung zuhause den Unfall­her­gang zu doku­men­tieren. Aus den Noti­zen sollte her­vorge­hen was man ger­ade erledigt hat und wie es zum Unfall kam. Der Unfall sollte mit Ort, Zeit­punkt und Unfall­her­gang zeit­nah dem Arbeit­ge­ber mit­geteilt wer­den. Dieser muss ihn dann – gemäß den gle­ichen Kri­te­rien wie für betrieb­sin­terne Unfälle – der zuständi­gen Beruf­sgenossen­schaft oder Unfal­lka­sse melden. Sucht man ärztliche Betreu­ung auf, sollte man auch in der Prax­is oder bei der Auf­nahme im Kranken­haus angeben, dass sich der Unfall beim Arbeit­en von zuhause aus ereignet hat.

Unfallprävention ist auch zuhause möglich

Last, but not least muss die betriebliche Präven­tion im Home­of­fice keineswegs außen vor bleiben. Im Gegen­teil, Arbeitss­chützer sind aufgerufen, betrof­fene Kol­legin­nen und Kol­le­gen zu Gesund­heits­ge­fährdun­gen beim Arbeit­en im Home­of­fice zu informieren und zu unter­weisen. Auch bei einem pan­demiebe­d­ingten Arbeit­en von zuhause sollte ein möglichst störungs­freier und ergonomisch hochw­er­tiger Arbeit­splatz mit guter Ausleuch­tung selb­stver­ständlich sein. Klas­sis­che Unfal­laus­lös­er wie quer über Laufwege liegende Ver­längerungsk­a­bel oder auf Trep­pen­stufen abgestellte Gegen­stände sind zuhause genau­so zu ver­mei­den wie an jedem anderen Arbeitsplatz.

Die Unter­weisung sollte auch Möglichkeit­en aufzuzeigen, wie man Stress und Hek­tik ver­mei­det. So haben sich z. B. in vie­len Fällen fest vere­in­barte Zeit­en für Tele­fonate oder Videokon­feren­zen bewährt. Ger­ade bei ein­er Mehrfach­be­las­tung zuhause durch Kleinkinder oder Home­school­ing kön­nen feste Rou­ti­nen hil­fre­ich sein, um seine diverse Pflicht­en im Tagesablauf zu pla­nen. Wer in das Gefühl ver­fällt, an Home­of­fice-Tagen rund um die Uhr für den Chef oder die Kol­le­gen erre­ich­bar sein zu müssen, belastet sich unnötig und sollte auf klare Absprachen drängen.

Autor: Fried­helm Kring


Download-Tipps

Die Unfal­lver­sicherungsträger und Krankenkassen und andere Organ­i­sa­tio­nen haben eine Fülle von Mate­ri­alien und Leit­fä­den her­aus­gegeben, die anleit­en, wie man sein Arbeit­en im Home­of­fice sich­er und gesund gestal­ten kann, z. B.:


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