Im Zuge der Veränderungen in der Arbeitswelt hat Telearbeit enorm an Bedeutung ‧gewonnen. Dank moderner Kommunikationsmittel müssen viele Beschäftigte nicht mehr ständig im Büro anwesend sein. Deshalb richten immer mehr Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Arbeitsplätze zu Hause ein.
Das hat für beide Seiten Vorteile. Die Arbeitszeit kann flexibler gestaltet werden, Wegezeiten fallen weg, Familie und Beruf können besser vereinbart werden und es werden Kosten für Büromieten und Infrastruktur gespart, wenn sich mehrere Mitarbeiter einen Schreibtisch teilen. Doch wie sieht es mit dem Versicherungsschutz aus, wenn im Home-Office etwas passiert?
Beschäftigte an Telearbeitsplätzen sind genauso wie ihre Kollegen in den Betrieben durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt. Der Versicherungsschutz besteht aber auch bei der Arbeit im eigenen Zuhause nicht „rund um die Uhr“. Versichert sind nur solche Tätigkeiten, die in einem inneren Zusammenhang mit der Arbeit stehen. Welche Tätigkeiten dienstlich sind, ergibt sich aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag.
Weg zur Küche nicht versichert
Generell gilt: Der Versicherungsschutz greift, wenn man seine dienstlichen Aufgaben wahrnimmt. Das ist in der Regel im Arbeitszimmer der Fall und in anderen Räumen, in denen zum Beispiel aus technischen Gründen ein für die Arbeit benötigtes Gerät aufgestellt ist. Nicht versichert ist der Arbeitnehmer hingegen in der restlichen Wohnung, also außerhalb des häuslichen Arbeitsbereichs – etwa im Badezimmer. Auch Wege innerhalb der Wohnung sind grundsätzlich nicht versichert. Davon ausgenommen sind „Betriebswege“, zum Beispiel zwischen Schreibtisch und Drucker, nicht jedoch der Weg zwischen Arbeitszimmer und Küche zur Nahrungsaufnahme. Wer seine Arbeit für private Erledigungen unterbricht, ist ebenfalls nicht mehr durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt. Versichert sind auch Dienstreisen und die direkten Wege vom Home-Office zum Betrieb, um beispielsweise an einer Besprechung teilzunehmen.
Treppenstürze vor Gericht
Zum wiederholten Male musste sich das Bundessozialgericht (BSG) mit der Frage beschäftigen, ob ein Unfall im häuslichen Bereich einen Arbeitsunfall darstellt, wenn der Versicherte ein Home-Office unterhält. Im ersten Fall hatte ein Versicherungsmakler nachts ein Softwareupdate auf den Firmenserver aufgespielt. Der Server stand im Keller, Büro und Computer befanden sich im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses. Während des Updates musste der Mann mehrfach hin und her laufen. Dabei stürzte er im Treppenhaus und brach sich das Kahnbein an der linken Hand (Urteil vom 27.11.2018, Az. B 2 U 8/17 R).
Im zweiten Fall ging es um eine Mitarbeiterin eines Münchner Unternehmens, die ihr Büro im Keller ihres Wohnhauses hatte. Am Unfalltag besuchte sie eine Messe und sollte am Nachmittag den Geschäftsführer ihres Arbeitgebers anrufen. Bepackt mit Laptop und einer Tasche mit Arbeitsmaterial rutschte sie beim Hinabsteigen der Kellertreppe auf dem Weg zu ihrem Büro auf einer Stufe ab, stürzte und verletzte sich im Wirbelsäulenbereich (Urteil vom 27.11.2018, Az. B 2 U 28/17 R).
Handlungstendenz entscheidend
Die Berufsgenossenschaften argumentierten in beiden Fällen, dass auf Treppen zwischen privat und geschäftlich genutzten Räumen kein Versicherungsschutz bestehe. Das BSG hat nun entschieden, dass es bei Unfällen im häuslichen Bereich keine Rolle mehr spiele, ob die Treppe überwiegend privat oder beruflich genutzt werde. Ausschlaggebend sei künftig vielmehr die sogenannte objektivierte Handlungstendenz. Diese bestimmt sich danach, ob der Versicherte „eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit subjektiv ausüben wollte“. Im zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob dies durch die „objektiven Umstände des Einzelfalls“ bestätigt wird. Im ersten Fall muss das Landessozialgericht nun nochmals prüfen, ob der Versicherungsmakler tatsächlich die Installation des Softwareupdates überwachen musste. Im zweiten Fall ging das BSG davon aus, dass der Weg vom Messegelände zum häuslichen Arbeitsplatz ein versicherter Betriebsweg war.
Bald gesetzlicher Anspruch?
Im Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt es offenbar Pläne für ein Gesetz, das Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch auf ein Home-Office einräumen soll. Das meldete Anfang Januar das Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Nach dem geplanten Gesetz sollen Unternehmen Telearbeit erlauben oder aber darlegen müssen, warum dies bei ihnen nicht möglich sei. In den Niederlanden gibt es bereits ein solches Gesetz.