Im ersten Fall war der Kläger mit mehreren Kollegen auf dem Rückweg von einer Baustelle zurück zum Unternehmen. Nach dem Arbeitstag auf der Baustelle waren alle stark verschwitzt. Es kam zum Streit darüber, ob man die Wagenfenster öffnen oder lieber Zugluft vermeiden solle. Als ein Kollege, der wiederholt das Fenster öffnete und schloss, vom Kläger schließlich abgesetzt wurde, eskalierte der Streit: Der Kollege öffnete die Beifahrertüren und der Fahrer stieg aus, um diese wieder zu schließen. Daraufhin schlug der Kollege ihm mit der Faust ins Gesicht und versetzte dem am Boden Liegenden noch einen Fußtritt an den Kopf. Das Opfer erlitt eine Schädelprellung und Hautabschürfungen. Der Täter wurde später wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.
(K)ein Arbeitsunfall?
Die Berufsgenossenschaft (BG) lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Sie stellte sich auf den Standpunkt, der Streit sei nicht aus betrieblichen Gründen, sondern aus persönlichen beziehungsweise kulturellen Differenzen eskaliert – der Täter stammt aus der Türkei, der Kläger aus dem Kosovo. Das Landessozialgericht (LSG) sah dies jedoch anders und gab dem Kläger Recht: Das versicherte Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte sei die maßgebliche Ursache für die Ausschreitungen. Der Täter wollte den Kläger daran hindern, die Fahrzeugtüren zu schließen, um die Weiterfahrt zu verhindern. Die Ursachen des Streits lagen also nicht im privaten Bereich begründet, sondern in der versicherten Tätigkeit des Klägers als Fahrer. Der Streit über das Lüften hatte auch einen konkreten Bezug zur Arbeit und wirkte in der Straftat unmittelbar nach. Dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt sein Fahrzeug verlassen hatte, um die Türen zu schließen, ändere nichts daran: Dies sei notwendig gewesen, um den restlichen Weg zurücklegen zu können.
(Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.11.2017, Az. L 1 U 1277/17)
Körperverletzung, Fall 2
Anders beurteilte das LSG den Streit in einem mittelständischen Betrieb, bei dem es ebenfalls zu einer Körperverletzung kam. Der Kläger hatte eine hitzige Diskussion mit einem Kollegen über die Arbeitsabläufe in der Firma. Eine halbe Stunde später eskalierte die Situation derart, dass er auf den Kollegen zurannte und ihm den Kopf in den Rumpf rammte. Dabei zog sich der Angreifer einen Halswirbelbruch zu, während der Attackierte mit einer Rippenprellung davonkam. Ausgerechnet der Angreifer wollte seine Verletzung als Arbeitsunfall anerkannt haben, was die BG jedoch ablehnte. In diesem Fall bestätigte das LSG die Entscheidung der BG. Dem Kläger sei es nicht mehr wesentlich um die Klärung des circa 30 Minuten zurückliegenden Konflikts gegangen, sondern darum, den Kollegen umzuwerfen. Ein solches Verhalten könne selbst dann, wenn im Warenlager ein „rauer Ton“ herrschte und wechselseitige Beleidigungen zwischen dem Kläger und Kollegen immer wieder vorkamen, nicht als betriebsdienlich angesehen werden.
(Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.11.2017, Az. L 1 U 1504/17)