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Wenn Knochen brechen

Gabelstaplerunfälle: Ursachen und Präventionsmaßnahmen
Wenn Knochen brechen

Wenn Knochen brechen
Es gibt vielfältige Ursachen für Unfälle mit Gabelstaplern, Unachtsamkeit von Fahrern und Fußgängern ist ein Unfallschwerpunkt. Foto: ©Zelfit – stock.adobe.com
Gabel­sta­pler sind starke und unent­behrliche Helfer in Lager- und Lade­bere­ichen. Sie sind aber auch Maschi­nen mit hohem Gefährdungspoten­zial. Jährlich ereignen sich rund 12.000 Sta­plerun­fälle in Deutsch­land. In den meis­ten Fällen wer­den Fußgänger ange­fahren – mit oft drama­tis­chen Fol­gen. Die Unfal­lur­sachen sind vielfältig, aber es gibt geeignete präven­tive Maßnahmen.

Weigand Nau­mann

Ange­fahren, über­fahren oder einge­quetscht. So ver­laufen die meis­ten Gabel­sta­plerun­fälle im Betrieb, bei denen sich Fußgänger und Sta­pler in die Quere kom­men. Wer auf Video­por­tal­en die Stich­worte „Gabel­sta­pler“ und „Unfall“ ein­gibt, kann sich dazu teils „lustige“, teils grausame Videos aus aller Welt anschauen. Die Filme sind nicht wirk­lich als Schu­lungs­filme geeignet, verdeut­lichen aber, dass die Präven­tion von Gabel­sta­plerun­fällen ein ern­stzunehmendes The­ma ist.

Gefährdungsbeurteilung wichtig

Detail­lierte Unfal­lun­ter­suchun­gen zeigen: Unfal­lur­sachen sind zumeist ein Fehlver­hal­ten des Fahrers oder eine man­gel­hafte betriebliche Organ­i­sa­tion. Aber auch inner­be­triebliche Fußgänger acht­en viel zu oft nicht auf die Regeln und brin­gen sich dadurch in Gefahr.

Vielfach fehlt auch die nach Arbeitss­chutzge­setz vorgeschriebene Gefährdungs­beurteilung. Neben dem Erken­nen und der Besei­t­i­gung von Unfall- und Gesund­heits­ge­fahren kön­nen betrieb­sspez­i­fis­che Schutz­maß­nah­men konzip­iert wer­den, die auch dabei helfen, die Arbeit und die Arbeit­splätze bess­er zu organ­isieren. Übri­gens: Im Falle eines schw­er­wiegen­den Unfalls fragt der Staat­san­walt als erstes nach der Gefährdungs­beurteilung! Ganz schlechte Karten haben dann Arbeit­ge­ber und Ver­ant­wortliche, die nichts vor­weisen kön­nen. Wichtig bei Gefährdungs­beurteilun­gen ist, dass diese nicht nur vom Arbeit­ge­ber erstellt wer­den, son­dern die betrieblichen Führungskräfte, die Mitar­beit­er vor Ort und im Speziellen die Sicher­heits­beauf­tragten sowie der Betrieb­srat informiert und einge­bun­den sind.

Die fol­gen­den aktuellen Unfall­beispiele aus dem Bere­ich der Beruf­sgenossen­schaft Nahrung und Gast­stät­ten (BGN) verdeut­lichen, wie die Präven­tion in den Bere­ichen Lager und Ver­ladung verbessert wer­den kann:

Unfall 1: Rück­wärts ohne Sicht

Lager­meis­ter F. wurde in der Ver­lade­halle von einem rück­wärts­fahren­den Sta­pler erfasst. Sein recht­es Fußge­lenk wurde unter der Gelenkwelle der linken Hin­ter­achse eingek­lemmt. Um ihn zu befreien, mussten mehrere Kol­le­gen den Sta­pler anheben. F. zog sich eine Ris­s­wunde am recht­en Unter­schenkel zu. Der Lager­meis­ter hat­te dem Sta­pler­fahrer in der Halle einen Kom­mis­sion­ier­auf­trag übergeben und war auf dem Rück­weg zu seinem Büro.

Unfall 2: Im toten Winkel

Ein Sta­pler­fahrer lud eine Palet­ten­charge ab und wollte weit­ere Palet­ten holen. Während­dessen scan­nte Ver­sand­mi­tar­beit­er J. die zu ver­laden­den Palet­ten. Als der Sta­pler­fahrer zügig anfuhr und direkt nach rechts abbog, über­rollte ein Hin­ter­rad des Sta­plers den Fuß von J. Er hat­te direkt neben dem anfahren­den Sta­pler ges­tanden. Fuß und Sprungge­lenk wur­den zertrüm­mert. Es mussten drei Zehen amputiert werden.

Unfall 3: Abgelenkt

Lager­ar­beit­er G. zählte im Außen­bere­ich Leergut, als er von einem Sta­pler ange­fahren und zu Boden gestoßen wurde. Der Sta­pler­fahrer hat­te ihn überse­hen, weil er sich auf einen ent­ge­genk­om­menden Sta­pler konzen­tri­ert hat­te, der gehupt hat­te und rechts an ihm vor­bei­fuhr. G. erlitt bei dem Unfall Prel­lun­gen am ganzen Körper.

Komplexe Ursachen

Die Auswer­tung der geschilderten Unfälle fördert mehrere Ursachen zu Tage, die über das reine Fehlver­hal­ten der Beteiligten hin­aus­ge­hen. Diese Ursachen lassen sich als man­gel­hafte betriebliche Organ­i­sa­tion zusam­men­fassen. Im Einzel­nen lässt sich feststellen:

  • In den drei geschilderten Fällen befind­en sich Per­so­n­en im Lade- und Rang­ier­bere­ich. Sie hal­ten sich dort nicht verse­hentlich auf, son­dern sind mit dem Scan­nen der Ladung, dem Zählen von Leergut oder mit der Arbeit­sein­teilung beschäftigt.
  • Die Tätigkeit­en der Fußgänger und Sta­pler­fahrer sind nicht räum­lich voneinan­der getrennt.
  • Schlechte Sichtver­hält­nisse auf dem Sta­pler und am Sta­pler oder durch im Verkehr­sweg abgestellte Palet­ten sind unfall­begün­sti­gende Faktoren.
  • Nicht angepasste Geschwindigkeit spielt eben­falls eine Rolle.

Organisation und Technik

Eine Gefährdungs­beurteilung muss auch für den Betrieb von Gabel­sta­plern erstellt und immer wieder aktu­al­isiert wer­den. Hier­bei müssen die Sichtver­hält­nisse des Sta­pler­fahrers einge­hend unter­sucht und beurteilt sowie entsprechende Maß­nah­men für den sicheren Betrieb­sall­t­ag fest­gelegt wer­den. Natür­lich müssen diese Maß­nah­men und das The­ma „Gabel­sta­plerun­fälle“ den Mitar­beit­ern auch bekan­nt sein. Ver­ständlich ver­mit­telt wird dies den Mitar­beit­ern am besten von Vorge­set­zten und Sicher­heits­beauf­tragten gemein­sam. Dabei kön­nen Vorge­set­zte auch darauf hin­weisen, welche Sank­tion­s­maß­nah­men bei Mis­sach­tung der Arbeitss­chutzregeln vorge­se­hen sind.

Generell gilt: Um Unfälle zwis­chen Fußgängern und Gabel­sta­plern zu ver­mei­den, muss das betriebliche Umfeld organ­isatorisch und tech­nisch so gestal­tet sein, dass Sta­pler und Fußgänger möglichst nicht aufeinan­dertr­e­f­fen. Das heißt: getren­nte Verkehr­swege für Sta­pler und Fußgänger sowie eine Tren­nung von Ver­lade­tätigkeit­en und Fußgängerverkehr. Sind getren­nte Verkehr­swege betrieblich bed­ingt nicht möglich, soll­ten Gabel­sta­pler­fahrer und Fußgänger regelmäßig über sicheres Arbeit­en und Ver­hal­ten im Betrieb informiert wer­den. Nur so lassen sich Betrieb­s­blind­heit und gefährliche Rou­tine verhindern.

Prämienpunkte für Extras

Viele Beruf­sgenossen­schaften vergeben Prämien­punk­te für Zusatzausstat­tun­gen an Sta­plern, die Fahrern möglichst uneingeschränk­te Sicht ver­schaf­fen. Hierzu gehören Kam­era-Mon­i­tor-Sys­teme, Radar‑, Infrarot- oder Ultra­schall­sys­teme zur Rück­raumüberwachung. Außer­dem ein blauer Licht­punkt (Blue Spot), der einem rück­wärts­fahren­den Sta­pler vorau­seilt und her­an­na­hende Fußgänger auf die Gefahr aufmerk­sam macht.

Immer wieder ereignen sich schlimme Unfälle mit Gabel­sta­plern, die abso­lut unnötig sind. Alle, die mit Sta­plern oder in deren Nähe arbeit­en, soll­ten und müssen über den sicheren Umgang mit diesen Flur­förderzeu­gen Bescheid wis­sen. Scheuen Sie sich nicht, unsichere Ver­hal­tensweisen anzus­prechen – denn kein­er möchte, dass Knochen brechen.


Hohe Anzahl von Arbeitsunfällen

216.906 Arbeit­sun­fälle beim inner­be­trieblichen Trans­port wur­den 2015 der Deutschen Geset­zlichen Unfal­lver­sicherung (DGUV) gemeldet. Flur­för­der­mit­tel, also Gabel­sta­pler und Mate­ri­al­trans­port­wa­gen, sind dabei mit 31.876 die Spitzen­re­it­er. Gabel­sta­pler waren daran in 11.687 Fällen beteiligt, die zu 349 neuen Unfall­renten sowie neun Todes­fällen führten.


Sicherheitstipps für den Umgang mit Gabelstaplern

  • Die Deutsche Geset­zliche Unfal­lver­sicherung (DGUV) empiehlt, nur Fahrer einzuset­zen, die aus­ge­bildet und befähigt sind, einen Gabel­sta­pler zu steuern. Der Fahrer muss min­destens 18 Jahre alt und kör­per­lich und geistig geeignet sein. Außer­dem muss er vom Betrieb schriftlich mit dem Fahren eines Sta­plers beauf­tragt werden.
  • Beim Fahren auf aus­re­ichende Sicht acht­en und, wenn nötig, ein­weisen lassen.
  • Gabel­sta­pler immer gegen unbefugte Benutzung sich­ern, zum Beispiel durch Abziehen des Schlüssels.
  • Beim Abstellen des Sta­plers die Gabelzinken absenken und Gabel­spitzen auf den Boden neigen.
  • Gabel­sta­pler so fahren, dass ihre Stand­sicher­heit gewährleis­tet bleibt. Das heißt: angemessene Geschwindigkeit, kein Wen­den und Schräg­fahren auf Gefäll­streck­en und Stei­gun­gen; Las­ten in möglichst tiefer Stel­lung transportieren.
  • Gabel­sta­pler nicht über­las­ten und Last gegen Her­ab­fall­en sichern.
  • Fahrerrück­hal­teein­rich­tung nutzen, zum Beispiel Bügeltür schließen oder Beck­en­gurt anlegen.
  • Gabel­sta­pler regelmäßig auf Män­gel prüfen.
  • Inner­be­triebliche Verkehr­swege einhalten.
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