Angefahren, überfahren oder eingequetscht. So verlaufen die meisten Gabelstaplerunfälle im Betrieb, bei denen sich Fußgänger und Stapler in die Quere kommen. Wer auf Videoportalen die Stichworte „Gabelstapler“ und „Unfall“ eingibt, kann sich dazu teils „lustige“, teils grausame Videos aus aller Welt anschauen. Die Filme sind nicht wirklich als Schulungsfilme geeignet, verdeutlichen aber, dass die Prävention von Gabelstaplerunfällen ein ernstzunehmendes Thema ist.
Gefährdungsbeurteilung wichtig
Detaillierte Unfalluntersuchungen zeigen: Unfallursachen sind zumeist ein Fehlverhalten des Fahrers oder eine mangelhafte betriebliche Organisation. Aber auch innerbetriebliche Fußgänger achten viel zu oft nicht auf die Regeln und bringen sich dadurch in Gefahr.
Vielfach fehlt auch die nach Arbeitsschutzgesetz vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung. Neben dem Erkennen und der Beseitigung von Unfall- und Gesundheitsgefahren können betriebsspezifische Schutzmaßnahmen konzipiert werden, die auch dabei helfen, die Arbeit und die Arbeitsplätze besser zu organisieren. Übrigens: Im Falle eines schwerwiegenden Unfalls fragt der Staatsanwalt als erstes nach der Gefährdungsbeurteilung! Ganz schlechte Karten haben dann Arbeitgeber und Verantwortliche, die nichts vorweisen können. Wichtig bei Gefährdungsbeurteilungen ist, dass diese nicht nur vom Arbeitgeber erstellt werden, sondern die betrieblichen Führungskräfte, die Mitarbeiter vor Ort und im Speziellen die Sicherheitsbeauftragten sowie der Betriebsrat informiert und eingebunden sind.
Die folgenden aktuellen Unfallbeispiele aus dem Bereich der Berufsgenossenschaft Nahrung und Gaststätten (BGN) verdeutlichen, wie die Prävention in den Bereichen Lager und Verladung verbessert werden kann:
Unfall 1: Rückwärts ohne Sicht
Lagermeister F. wurde in der Verladehalle von einem rückwärtsfahrenden Stapler erfasst. Sein rechtes Fußgelenk wurde unter der Gelenkwelle der linken Hinterachse eingeklemmt. Um ihn zu befreien, mussten mehrere Kollegen den Stapler anheben. F. zog sich eine Risswunde am rechten Unterschenkel zu. Der Lagermeister hatte dem Staplerfahrer in der Halle einen Kommissionierauftrag übergeben und war auf dem Rückweg zu seinem Büro.
Unfall 2: Im toten Winkel
Ein Staplerfahrer lud eine Palettencharge ab und wollte weitere Paletten holen. Währenddessen scannte Versandmitarbeiter J. die zu verladenden Paletten. Als der Staplerfahrer zügig anfuhr und direkt nach rechts abbog, überrollte ein Hinterrad des Staplers den Fuß von J. Er hatte direkt neben dem anfahrenden Stapler gestanden. Fuß und Sprunggelenk wurden zertrümmert. Es mussten drei Zehen amputiert werden.
Unfall 3: Abgelenkt
Lagerarbeiter G. zählte im Außenbereich Leergut, als er von einem Stapler angefahren und zu Boden gestoßen wurde. Der Staplerfahrer hatte ihn übersehen, weil er sich auf einen entgegenkommenden Stapler konzentriert hatte, der gehupt hatte und rechts an ihm vorbeifuhr. G. erlitt bei dem Unfall Prellungen am ganzen Körper.
Komplexe Ursachen
Die Auswertung der geschilderten Unfälle fördert mehrere Ursachen zu Tage, die über das reine Fehlverhalten der Beteiligten hinausgehen. Diese Ursachen lassen sich als mangelhafte betriebliche Organisation zusammenfassen. Im Einzelnen lässt sich feststellen:
- In den drei geschilderten Fällen befinden sich Personen im Lade- und Rangierbereich. Sie halten sich dort nicht versehentlich auf, sondern sind mit dem Scannen der Ladung, dem Zählen von Leergut oder mit der Arbeitseinteilung beschäftigt.
- Die Tätigkeiten der Fußgänger und Staplerfahrer sind nicht räumlich voneinander getrennt.
- Schlechte Sichtverhältnisse auf dem Stapler und am Stapler oder durch im Verkehrsweg abgestellte Paletten sind unfallbegünstigende Faktoren.
- Nicht angepasste Geschwindigkeit spielt ebenfalls eine Rolle.
Organisation und Technik
Eine Gefährdungsbeurteilung muss auch für den Betrieb von Gabelstaplern erstellt und immer wieder aktualisiert werden. Hierbei müssen die Sichtverhältnisse des Staplerfahrers eingehend untersucht und beurteilt sowie entsprechende Maßnahmen für den sicheren Betriebsalltag festgelegt werden. Natürlich müssen diese Maßnahmen und das Thema „Gabelstaplerunfälle“ den Mitarbeitern auch bekannt sein. Verständlich vermittelt wird dies den Mitarbeitern am besten von Vorgesetzten und Sicherheitsbeauftragten gemeinsam. Dabei können Vorgesetzte auch darauf hinweisen, welche Sanktionsmaßnahmen bei Missachtung der Arbeitsschutzregeln vorgesehen sind.
Generell gilt: Um Unfälle zwischen Fußgängern und Gabelstaplern zu vermeiden, muss das betriebliche Umfeld organisatorisch und technisch so gestaltet sein, dass Stapler und Fußgänger möglichst nicht aufeinandertreffen. Das heißt: getrennte Verkehrswege für Stapler und Fußgänger sowie eine Trennung von Verladetätigkeiten und Fußgängerverkehr. Sind getrennte Verkehrswege betrieblich bedingt nicht möglich, sollten Gabelstaplerfahrer und Fußgänger regelmäßig über sicheres Arbeiten und Verhalten im Betrieb informiert werden. Nur so lassen sich Betriebsblindheit und gefährliche Routine verhindern.
Prämienpunkte für Extras
Viele Berufsgenossenschaften vergeben Prämienpunkte für Zusatzausstattungen an Staplern, die Fahrern möglichst uneingeschränkte Sicht verschaffen. Hierzu gehören Kamera-Monitor-Systeme, Radar‑, Infrarot- oder Ultraschallsysteme zur Rückraumüberwachung. Außerdem ein blauer Lichtpunkt (Blue Spot), der einem rückwärtsfahrenden Stapler vorauseilt und herannahende Fußgänger auf die Gefahr aufmerksam macht.
Immer wieder ereignen sich schlimme Unfälle mit Gabelstaplern, die absolut unnötig sind. Alle, die mit Staplern oder in deren Nähe arbeiten, sollten und müssen über den sicheren Umgang mit diesen Flurförderzeugen Bescheid wissen. Scheuen Sie sich nicht, unsichere Verhaltensweisen anzusprechen – denn keiner möchte, dass Knochen brechen.
Hohe Anzahl von Arbeitsunfällen
216.906 Arbeitsunfälle beim innerbetrieblichen Transport wurden 2015 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) gemeldet. Flurfördermittel, also Gabelstapler und Materialtransportwagen, sind dabei mit 31.876 die Spitzenreiter. Gabelstapler waren daran in 11.687 Fällen beteiligt, die zu 349 neuen Unfallrenten sowie neun Todesfällen führten.
Sicherheitstipps für den Umgang mit Gabelstaplern
- Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) empiehlt, nur Fahrer einzusetzen, die ausgebildet und befähigt sind, einen Gabelstapler zu steuern. Der Fahrer muss mindestens 18 Jahre alt und körperlich und geistig geeignet sein. Außerdem muss er vom Betrieb schriftlich mit dem Fahren eines Staplers beauftragt werden.
- Beim Fahren auf ausreichende Sicht achten und, wenn nötig, einweisen lassen.
- Gabelstapler immer gegen unbefugte Benutzung sichern, zum Beispiel durch Abziehen des Schlüssels.
- Beim Abstellen des Staplers die Gabelzinken absenken und Gabelspitzen auf den Boden neigen.
- Gabelstapler so fahren, dass ihre Standsicherheit gewährleistet bleibt. Das heißt: angemessene Geschwindigkeit, kein Wenden und Schrägfahren auf Gefällstrecken und Steigungen; Lasten in möglichst tiefer Stellung transportieren.
- Gabelstapler nicht überlasten und Last gegen Herabfallen sichern.
- Fahrerrückhalteeinrichtung nutzen, zum Beispiel Bügeltür schließen oder Beckengurt anlegen.
- Gabelstapler regelmäßig auf Mängel prüfen.
- Innerbetriebliche Verkehrswege einhalten.