Immer mehr Patientinnen und Patienten interessieren sich für alternative Heilmethoden. Manche schwören regelrecht auf „sanfte“ Medizin, oft aus Angst vor starken Nebenwirkungen von Medikamenten aus der Schulmedizin. Wie wirken eigentlich Homöopathie, Akupunktur und manuelle Therapie und wann ist ihr Einsatz sinnvoll?
Britta Surholt
Medizin und technischer Fortschritt sind in der Behandlung von Krankheiten ein großer Segen. Ob schnell wirksame Antibiotika, zuverlässige Schmerzmittel oder verlässlich anschlagendes Kortison – die Liste heilender Substanzen ist unendlich lang. Kaum eine Erkrankung kann nicht bekämpft werden, gegen fast jeden Erreger ist ein Präparat erhältlich oder eine Behandlung möglich.
Doch immer mehr Menschen setzen auf die Natur und ihre Heilkräfte. Oftmals aus Angst davor, allzu „rabiat“ gegen harmlose Erkrankungen vorzugehen. Lieber erst mal sanft anfangen, ehe man schließlich mit härteren Geschützen auffährt. Dr. Susanne Griem-Schlicht, Allgemeinmedizinerin aus Hamburg, kennt die Beweggründe, warum die sogenannte sanfte Medizin heute schon von jedem zweiten Patienten genauer erfragt wird: „Wer bereits längere Krankheitsgeschichten hinter sich hat – und beispielsweise ständig neue Erkältungen mit nach Hause bringt – ist es irgendwann leid, den zehnten Hustensaft oder das x‑te Antibiotikum einnehmen zu müssen. Das ist ja auch verständlich.“ „Allerdings muss trotzdem immer auch vernünftig agiert werden“, so die Ärztin weiter. „Einen Bluthochdruck nicht mit den vom Arzt verschriebenen Medikamenten zu behandeln, weil man lieber die Naturheilkunde nutzen möchte, ist also sicher nicht richtig. Als ergänzende Therapie hingegen ist die Homöopathie fast immer hilfreich.“
Welche Behandlungs-Alternativen bestehen – wie sie wirken und wann sie sinnvoll zum Einsatz kommen können, lesen Sie auf den nun folgenden Seiten.
Die Homöopathie hat immer mehr Anhänger
Laut einer Umfrage von Allensbach nutzen bereits weit mehr als 50 Prozent der erwachsenen Deutschen homöopathische Arzneimittel. Das sind mehr als doppelt so viele wie vor 40 Jahren.
In der Homöopathie wird nicht ein einzelnes Krankheitssymptom, sondern der Mensch als „Gesamtsystem“ gesehen. Der Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann (1755 – 1843) ging mit seinen Lehren davon aus, dass Gesundheit eine geheimnisvolle Lebenskraft ist, die den ganzen Körper beseelt. Ist diese Energie ungestört, können alle Krankheitsattacken erfolgreich abgewehrt werden. Machen sich jedoch Krankheitsanzeichen bemerkbar, ist das – laut Hahnemann – immer ein Zeichen für eine Grundstörung im Organismus. Rüttelt man die gelähmten Vitalkräfte wieder wach, kann sich der Körper auch wieder wehren.
Die Grundidee der Homöopathie ist: Ähnliches muss mit Ähnlichem behandelt werden. Ein Mittel also, das an einem gesunden Menschen in hoher Dosierung bestimmte Krankheitssymptome verursachen würde, kann bei einem Kranken in niedriger Dosierung einen Reiz auslösen, der die Krankheit auslöscht.
Wie funktioniert das?
Von Mediziner-Kollegen musste (und muss) sich Hahnemann heftige Kritik für sein so ganz anderes Heilverfahren gefallen lassen. Warum sollte die Arzneimitteltherapie mit einem Mal keine Gültigkeit mehr haben?
Deren Prinzip – mit einem Medikament gegen eine Krankheit vorzugehen – hatte doch recht gut funktioniert. Aus welchem Grund sollten jetzt extrem verdünnte Dosierungen von Pflanzenextrakten und Mineralien gegen ernstliche Beschwerden wirksam sein?
Aber: Auch wenn sich die Wirkweise nicht wissenschaftlich belegen lässt, mit dem individuell passenden homöopathischen Mittel lässt sich ein Reiz setzen, der den Organismus quasi auffordert, entsprechend zu reagieren. Man spricht daher auch von einer Reiz-Regulations-Therapie.
Wer heilt, hat recht
Für die meisten Menschen, die sich homöopathisch behandeln lassen, sind wissenschaftliche Studien und Testergebnisse nicht wirklich wichtig. Viel bedeutsamer ist ihnen, ob die angewandten Mittel bei ihnen helfen. Ist dies der Fall, überzeugt sie die gute Erfahrung mit der Homöopathie. Gegen (oder für) fast alle Erkrankungen und Beschwerden ist ein Kraut gewachsen! Kinder, die viel mit Schnupfen, Husten, dem Zahnen, zu tun haben, bei kleineren Verletzungen und Prellungen, Stichen oder auch Kreislaufproblemen sorgt die Homöopathie oft sehr gut für Linderung.
Ein erfahrener Homöopath kann beurteilen, ob eine Behandlung gestartet werden sollte. Erkundigen Sie sich vorher bei Ihrer Krankenkasse, ob sie die Kosten für das ausführliche Kennenlerngespräch (der Fachausdruck dafür lautet Anamnese) und alles Weitere übernimmt. Klären Sie außerdem ab, welche Grundvoraussetzungen die Ausbildung des homöopathischen Arztes erfüllen muss. Damit Sie an einen gut ausgebildeten Arzt – beispielsweise mit einem Diplom der DZVhÄ (Deutscher Zentralverein homöopathischer Ärzte) – geraten.
Was bitte heißt D 12?
Alle homöopathischen Mittel werden in unterschiedlichen „Potenzen“ angeboten. Sie werden zur Einnahme mit Wasser oder Alkohol verdünnt, teilweise auch mit Milchzucker verrieben. So paradox es auch erscheinen mag: Mit jeder Potenzierung werden die Mittel stärker verdünnt, teilweise so stark, dass der Ausgangsstoff nicht mehr nachgewiesen werden kann. Nach Vorstellung der Homöopathie werden aber die Mittel dadurch weitaus wirksamer. Als niedrige Potenzen gelten beispielsweise D1 bis D 12 (10- bis 1.000.000.000.000-fache Verdünnung der Urtinktur). Ab der Potenz D 12 und C 12 bis hin zu D 30 bzw. C 30 beginnt der zunehmende Einfluss auf den seelischen Bereich. Höchstpotenzen bewegen sich bis in den 1000-er Bereich hinein.
Akupunktur
Die Kunst, mit Nadeln zu heilen, kommt aus China. Dort wurde schon vor mehr als 2.500 Jahren mit Nadeln gegen die unterschiedlichsten Beschwerden behandelt. Heute ist die Akupunktur vor allem in der Schmerzbehandlung eine anerkannte Leistung.
Ob bei Migräne, Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder chronischen Knieschmerzen durch Arthrose – das Nadeln hilft nachweislich. Und viele Krankenkassen übernehmen bereits die Kosten für ärztlich verordnete Akupunktur.
In der chinesischen Medizin ist Gesundheit ein Gleichgewichtszustand, den es zu erhalten gilt. Bestimmt wird das Gleichgewicht in uns von den Kräften Yin und Yang. Diese beiden erzeugen miteinander im Wechselspiel die Lebensenergie Qi. Diese Energie ist im gesunden Menschen dauerhaft vorhanden und fließt ungestört durch Meridiane. Alle Organe funktionieren nach dieser Lehre nur, wenn Qi fließt und Yin und Yang im Gleichgewicht sind. Krankheiten entstehen, indem der Fluss von Qi stockt. Das Anstechen der Akupunkturpunkte soll dann wieder ein ungestörtes Fließen der Energie ermöglichen.
Mehr als 350 Akupunkturpunkte liegen auf den insgesamt zwölf Meridianen, den Leitbahnen, die unsere Lebensenergie transportieren. Jeder dieser Punkte ist einem Organ oder einer Körperstelle zuzuordnen. Je nachdem, was man mit einer Akupunktursitzung erreichen möchte, werden mehrere Stellen am Körper „genadelt“. Nach den Erkenntnissen der Neurobiologie wirkt Akupunktur positiv auf unser Nervensystem. Die Reizung der Akupunkturpunkte regt schmerz- und entzündungshemmende Mechanismen an. Außerdem wird auch die Durchblutung angeregt.
Nach Akupunktursitzungen konnte jeweils eine erhöhte Produktion körpereigener Endorphine nachgewiesen werden. Sicherlich eine Erklärung dafür, warum das Setzen von Nadeln so erfolgreich Schmerzen lindern kann.
So läuft eine Akupunktursitzung ab
Ob Schlafstörung oder Morbus Crohn, Heuschnupfen oder Depression. – Setzt der behandelnde Arzt die Nadeln an die richtigen Stellen, ist der „heilende“ Effekt zumeist gleich nach der Sitzung spürbar.
Um Kreislaufprobleme zu vermeiden, findet die Akupunktur liegend in einer entspannten Position statt. Die Nadeln, die verwendet werden, sind hauchdünne sterile Einmalnadeln. Die Nadeln sind so fein, dass der Einstich kaum weh tut. Es ist lediglich ein leichter Pieks zu spüren, das Eindringen der Nadel in die Haut hingegen spürt man nicht. An der Einstichstelle kann allerdings ein Kribbeln spürbar werden oder auch ein Ziehen. Reagiert man sehr stark auf den Reiz, bildet sich um die Nadel ein roter Hof – ähnlich einem Mückenstich. Wenn für eine Behandlung alle Nadeln gesetzt sind (meist werden etwa acht bis 15 Akupunkturpunkte je Sitzung „in Angriff genommen“), bleiben die Nadeln zwischen 15 und 45 Minuten in ihrer Position. Falls eine intensivere Wirkung gewünscht ist, können die Nadeln gedreht und bewegt werden. Auch schwache Stromimpulse können über die Nadeln verabreicht werden.
Wenn die Nadeln nach der Ruhezeit wieder entfernt werden, bleiben kaum sichtbare Einstiche zurück, eventuell auch mal ein kleiner Bluterguss. Die Wirkung der Akupunktur beispielsweise auf Schmerzen hält nach einer Sitzung durchaus längere Zeit an. Oftmals ist auch auf Dauer Heilerfolg möglich. Bei Kindern kann statt der Behandlung mit Nadeln auch mit einem niedrig dosierten Laser gearbeitet werden. So bleibt den Kleinen die Angst vor den „Pieksern“ erspart.
Manuelle Therapie
Wer wegen Verspannungen zur Behandlung geschickt wird, erhält meist Anwendungen wie Massagen oder auch Krankengymnastik. So jedenfalls lauten die Begriffe, die uns seit Jahren geläufig sind.
Ist von Manueller Therapie die Rede, können wir uns darunter zunächst nicht ganz so viel vorstellen. „Manus“ kommt aus dem Lateinischen und heißt übersetzt Hand. Es wird also mit der Hand behandelt. Daher werden auch die beiden Behandlungsmethoden Chirotherapie und Osteopathie unter dem Oberbegriff Manuelle Therapie zusammengefasst.
Wieder ins Lot bringen
Verspannte Muskeln, die Schmerzen bereiten, eine verschobene Statik mit schiefer Schulter vom täglichen Taschetragen, eine schlechte Haltung vom ständigen Sitzen am PC – hier kann die Manuelle Medizin Wunder wirken. Mit der Kraft der Hände erfühlt der Therapeut, welche Gelenke nicht ausreichend beweglich oder verschoben sind. Ist die Muskulatur beispielsweise an der rechten Schulter so verkrampft, dass man nicht nur schief sitzt, sondern auch in Schonhaltung läuft, kann das Auswirkungen bis in die Hüfte und die Knie haben. Sogar die Atmung kann beeinträchtigt sein, weil man den Brustkorb beim Atmen nicht mehr richtig öffnet.
Der Chirotherapeut kann in solch einem Fall helfen, indem er versucht, die blockierten Gelenke und Muskeln von außen zu lösen. Gezieltes Dehnen gehört hier zur Behandlung, aber auch das Lösen der Bewegungsblockaden durch gekonnte Manipulations-Griffe. Vom Gefühl her sprechen Betroffene gern davon, sie seien „eingerenkt“ worden. Dabei hat aber nur ein leichter Impuls dafür gesorgt, wieder in die richtige Position zu gelangen.
Wenn sanfter Druck hilft
Die Osteopathie umfasst die manuelle Diagnostik und Therapie am Bewegungssystem, den inneren Organen und am Nervensystem. Als sanfte, ganzheitliche Heilmethode verzichtet die Osteopathie auf Apparate, Spritzen und Medikamente.
Die Therapie stellt den Abbau von Blockaden und die Wiederherstellung des Gleichgewichts aller Körpersysteme in den Mittelpunkt. Eine ganz zentrale Rolle dabei spielen die Selbstheilungskräfte des Patienten.
Während hierzulande Zusatzausbildungen dazu berechtigen, als Osteopath arbeiten zu dürfen, gibt es in den USA, Großbritannien und Frankreich bereits eigene Studiengänge für diesen Beruf.
Weitere Informationen unter:
- www.homoeopathie-liste.de
- www.akupunktur-patienten.de (Was kostet Akupunktur und wann macht sie Sinn?)
Ich möchte die Nadeln behalten!
Als Christina Brecht (38) zum ersten Mal zur Akupunktursitzung bei ihrer Hausärztin ging, war sie sehr aufgeregt. Ihr Heuschnupfen war erneut so massiv aufgetreten, dass sie sich akut Hilfe verschaffen wollte.
Akupunkturpunkte an den Händen, den Ohren und im Gesicht sollten mit Nadeln versehen werden – das machte Christina ziemliche Angst. Aber sehr zu ihrem Erstaunen, taten die Einstiche überhaupt nicht weh. „Nicht einmal die Nadeln links und rechts über meinem Mund waren schlimm“, erzählt sie begeistert. „Ich habe sofort gespürt, dass ich wieder Luft durch meine Nase bekomme. Denn in den Augenbrauen steckten auch Nadeln. Deren Wirkung war wirklich unverzüglich spürbar.“
Am liebsten wäre sie mit den Nadeln aus der Praxis gegangen – so gut half das asiatische Prozedere. Zehn Sitzungen haben die stark allergische Frau wunderbar durch den Sommer gebracht. „Im Jahr darauf habe ich schon im März – also bevor alles blüht – die ersten Sitzungen gebucht. So war ich gut gewappnet für die Heuschnupfen-Saison und musste kaum Medikamente nehmen“, erzählt Christina Brecht.
Wer zahlt?
Einige Krankenkassen erstatten ihren Versicherten inzwischen auch die Kosten für alternative Medikamente. Erkundigen Sie sich, welche Qualifikation ihr homöopathischer Arzt haben muss, damit Leistungen abgerechnet werden können. Die Techniker Krankenkasse (TK) erstattet zum Beispiel auch Arzneimittel der Phytotherapie (Kräutermedizin) und Anthroposophie.
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