Neue Materialien wie etwa leichtere Kohlenfaserverbundwerkstoffe stellen in der Automobilindustrie neue Anforderungen an die dort eingesetzten Technologien und Systeme. Das gilt selbstverständlich auch für Schienenverteiler-Systeme zur sicheren und flexiblen Energieverteilung in Industrieanlagen. Doch fehlen vielfach Langzeit-Erfahrungen unter produkt-ionsspezifischen Umgebungsbedin-gungen im Automotive-Bereich. Für den Einsatz des Schienenverteiler-Systems LD aus der Produktfamilie Sivacon 8PS hat Siemens deshalb zusammen mit einem Automobil-hersteller einen Praxistest in Carbonstaub-haltiger Atmosphäre durchge-führt. Dabei wurde eine Belastung von zwanzig Betriebsjahren simuliert – mit beruhigenden Ergebnissen.
Carsten Schwarz
Hohes Energievolumen, zahlreiche Verbraucher, große Distanzen und hohe Flexibilität: Die Gründe, bei der elektrischen Energieverteilung in industri-ellen Anlagen und Infrastrukturen auf Schienenverteiler-Systeme statt auf herkömmliche Kabel zu setzen, sind vielfältig. Deshalb gelten Schienenverteiler-Sys-teme auch in der Automobilindustrie als die deutlich bessere Alternative.
Neue Herausforderung in der Automobilindustrie
Gerade in der Automotive-Branche vollzieht sich derzeit ein Wandel zum vermehrten Einsatz neuer Werkstoffe. Insbesondere leichtere Kohlenfaserverbundwerkstoffe ersetzen in der Produktion zunehmend Metalle. Ohne Einbußen bei der Festigkeit reduziert sich das Gewicht der entsprechenden Bauteile damit erheblich. Der Kraftstoffverbrauch der Autos wird geringer.
Neue Werkstoffe verändern naturgemäß die Produktionsverfahren. Das bringt neue Umgebungsbedingungen mit sich, die auch die Schienenverteiler-Systeme betreffen. So stellt sich konkret die Frage, ob diese in einer Carbonstaub-haltigen Atmosphäre dauerhaft das gewohnte Maß an Sicherheit bei der Energieversorgung gewährleisten.
Bisher existiert noch keine Norm, die diese Frage beantworten würde. Deshalb hat Siemens in Zusammenarbeit mit einem großen deutschen Automobilhersteller einen gemeinsamen Testzyklus durchgeführt. Ziel der Versuchsreihe war die systematische Überprüfung der Carbonstaub-Verträglichkeit am Beispiel des Schienenverteiler-Systems LD aus der Produktfamilie Sivacon 8PS. Dazu wurde eine Belastung simuliert, die einer Betriebsdauer von 20 Jahren entspricht. Auch nach dieser Phase sollte das System noch ohne Beeinträchtigungen bei Funktion und Sicherheit arbeiten.
Prüfaufbau und ‑durchführung
Die Versuche fanden in einer abgeschotteten Prüfkammer statt. Dort wurden verschiedene Komponenten des Schienenverteiler-Systems in unterschiedlichen Aufbaulagen installiert: Exemplarische Stromschienenlängen, ‑winkel, und ‑Klemmverbindungen ließen sich damit in horizontaler und vertikaler Position untersuchen. Eine weitere Prüfsituation bildete werksseitig verbaute Eckverbindungen bei Richtungsänderungen ab.
Als Referenzwert für die Carbonstaub-Belastung diente die in den technischen Regeln der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) festgelegte maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK). Die absolute Menge wurde auf eine 20-jährige Betriebsdauer hochgerechnet und in die Prüfkammer eingebracht. Dort sorgte ein Lüfter dafür, dass der Staub fortwährend aufgewirbelt und in Bewegung gehalten wurde.
Die Prüfdauer betrug in Anlehnung an DIN EN 60529 24 Stunden. Die Norm regelt verbindlich die Eignung von elektrischen Betriebsmitteln gegenüber Umwelteinflüssen wie Spritzwasser und Staub. Nach dem 24-stündigen Prüfzyklus wurde zunächst der finale Übergangswiderstand der geprüften Teile gemessen. Anschließend fand eine Hochspannungsprüfung bei 3,5 kV statt. Dieser Wert erfüllt die in der aktuellen Norm DIN EN 61439 geforderten 2,2 kV nicht nur, sondern übertrifft sie noch deutlich.
Ergebnis: volle Funktionsfähigkeit
Die Tests ergaben: Auch unter der neuen Belastungsart durch Carbonstaub bleiben die Vorteile des luftisolierten Schienenverteiler-Systems voll erhalten. Weder an den Stromschienen noch an den Klemmen konnte der Carbonstaub signifikant eindringen. Der vergleichende Isolationstest zeigte keinerlei Unterschiede zwischen den Zuständen mit und ohne Carbonstaub-Belastung. Zudem konnten sich keine funktionskritischen Kurzschlussbrücken durch Staubablagerungen bilden. Ein Grund dafür ist die Epoxidbeschichtung der Stromleiter-Oberflä-chen. Außerdem zeichnen sich luftventilierte Schienenverteiler-Systeme durch große Luft- und Kriechstrecken aus, die ebenfalls Staubablagerungen verhindern.
Charakteristische Vorteile
Schienenverteiler ersetzen nicht nur das klassische Kabel durch feste Stromschienen, sondern auch herkömmliche zentrale Verteiler durch verbrauchernah angeordnete Schutzorgane. Daraus ergeben sich charakteristische Eigenschaften, die sich systematisch für die Elektroplanung in Produktionsanlagen nutzen lassen:
- Hohe Flexibilität: Die linienförmig angeordneten Verbraucher gewährleisten eine hohe Flexibilität. Bei Änderungen und Erweiterungen des Versorgungssystems, z.B. durch neue Anlagenteile, ergibt sich ein entschei-dender Pluspunkt: Sind diese bei Kabeln aufwändig, etwa weil Parallelleitungen nötig werden oder weil sie gar eine Neuinstallation erfordern, können Schienenverteiler-Systeme bei Bedarf sogar unter Spannung (vorbehaltlich nationaler Normen – in Deutschland gemäß DIN EN 50110–1 / VDE 0105–1) verändert, ergänzt und ausgetauscht werden. Anders als bei der Installation von Kabeln entstehen dadurch keine Stillstandzeiten. Die Energieversorgung kann flexibel den Erfordernissen angepasst werden.
- Geringer Platzbedarf: In Industrieanlagen geht der Trend zu immer kleineren Technik- und Betriebsräumen. Versorgungssysteme müssen in der Regel auf engstem Raum installiert werden. Dort bieten Schienenvertei-ler-Systeme große Vorzüge. Während Biegeradien, Häufung, Verlegeart und Strombelastbarkeit bei Kabellösungen zu enormem Platzbedarf führen, ist er bei den kompakten, konturgleich zur Gebäudestruktur geführten Schienenverteiler-Systemen äußerst gering. So lassen sich beispielsweise auch 90-Grad-Winkel realisieren und damit Ecken optimal ausnutzen. Durch die in Linienform angeordneten Verbrau-cher reduzieren sich die Distanzen gegenüber der Sternform bei Leitungen von vornherein.
- Hohe Sicherheit für Personen und Gebäude: Die Ausführung als bauartgeprüfte Niederspannungs-Schaltge-rätekombination nach IEC 61439 sowie das Stahl- bzw. Aluminiumgehäuse der Schienenverteiler garantieren, anders als Kabellösungen, hohe Betriebssicherheit und Kurzschlussfestigkeit. Die Brandlast beträgt nur rund 30 Prozent gegenüber einer herkömmlichen Kabelinstallation und ist damit annähernd vernachlässigbar. Darüber hinaus sind Schienenverteiler grundsätzlich PVC- und Halogen-frei ausgeführt.
- Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV): Gegenüber Kabeln punkten Schienenverteiler-Systeme mit einer im Schnitt um den Faktor 3 geringeren Emission von elektromagnetischen Feldern. Entsprechend höher ist die elektromagnetische Verträglichkeit. Einfache Planung und schnelle Montage: Mit modular aufgebauten Schienenverteiler-Systemen lässt sich die Energieverteilung in großen Industriekomplexen verlässlich planen und schnell montieren. Erfordern Kabellösungen lange Montagezeiten und hohen Personalaufwand bei niedrigem Umsatz, reduzieren Schienenverteiler-Systeme die Montagezeiten deutlich.
- Mit den insgesamt fünf verschiedenen Schienenverteiler-Systemen der Produktfamilie Sivacon 8PS erschließt Siemens die genannten Vorteile für unterschiedlichste Anwendungsbereiche. Ihre Kommunikationsfähigkeit ermöglicht dabei auch die Anbindung an die Industrie- und Gebäudeautomation. Das Spektrum beginnt bei der Energieversorgung für Beleuchtungsanlagen und Kleinverbraucher ab 40 Ampere und reicht bis zur Übertragung großer Energiemengen mit Stromstärken bis 6.300 Ampere.
Schienenverteiler-Systeme von Siemens
Das System LD für 1.100 Ampere bis 5.000 Ampere ist ausgelegt für den Einsatz in industriellen Anwendungen wie zum Beispiel in der Automobil- und Schwerindustrie, aber auch in der Solarzellen-Produktion oder auf Schiffen. Das luftventilierte System bietet sich aus mehreren Gründen für den Einsatz in Produktionsstraßen an: etwa durch seine kompakte Bauart und durch hohe Kurzschlussfestigkeiten bei gleichzeitigem sprinklergeprüftem Wasserschutz.
Fazit
Neue Werkstoffe stellen auch neue Anforderungen an Schienenverteiler-Systeme in Produktionsanlagen. Ein Test von Siemens und einem großen Automobil-hersteller belegt die generelle Eignung des luftisolierten Schienenverteiler-Systems LD aus der Produktfamilie Sivacon 8PS selbst über eine simulierte Betriebs-dauer von 20 Jahren. Die wirtschaftliche, flexible und sichere Energieverteilung ist damit auch an Carbonstaub-haltigen Einsatzorten zuverlässig möglich.
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