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Arbeitschutz erklärt: Das DGUV-Regelwerk

DGUV Vorschriften, Regeln, Informationen, Grundsätze
Das DGUV-Regelwerk

DGUV ste­ht für Deutsche Geset­zliche Unfal­lver­sicherung e. V.. Sie ist seit 2007 der Dachver­band der 9 gewerblichen Beruf­sgenossen­schaften und der 24 Unfal­lka­ssen, den Unfal­lver­sicherungsträgern der öffentlichen Hand. In den Selb­stver­wal­tungs­gremien der DGUV sind Arbeit­ge­ber wie auch Arbeit­nehmer (die Ver­sicherten) vertreten. Die DGUV gibt das soge­nan­nte DGUV-Regel­w­erk her­aus, das oft auch als beruf­sgenossen­schaftlich­es Regel­w­erk beze­ich­net wird. Wie ist dieses Regel­w­erk aufge­baut? Muss mein Betrieb das gesamte Regel­w­erk der DGUV ein­hal­ten? Und was passiert, wenn ich beispiel­sweise DGUV Vorschriften ignoriere? Antworten zu diesen und weit­eren wichti­gen Fra­gen lesen Sie in diesem 1. Beitrag unser­er neuen Serie „Arbeitschutz erklärt”.



Warum darf die DGUV eigene Vorschriften und Regeln verfassen?

Das Arbeitss­chutzrecht in Deutsch­land beruht auf dem soge­nan­nten dualen (zweifachen) Sys­tem. Das bedeutet, dass neben dem staatlichen Arbeitss­chutzrecht durch den Geset­zge­ber der Deutsche Geset­zliche Unfal­lver­sicherung (DGUV) als Unfal­lver­sicherungsträger ein eigenes autonomes Satzungsrecht zuste­ht. Die DGUV ver­ab­schiedet jedoch wed­er Geset­ze noch erlässt sie Verord­nun­gen, son­dern ein diesen staatlichen Rechts­doku­menten unter­ge­ord­netes Regelwerk.

Grund­lage dieses Satzungsrechts ist Sozialge­set­zbuch § 15 SGB VII. Danach dür­fen die Unfal­lver­sicherungsträger unter Mitwirkung der DGUV Vorschriften „über Maß­nah­men zur Ver­hü­tung von Arbeit­sun­fällen, Beruf­skrankheit­en und arbeits­be­d­ingten Gesund­heits­ge­fahren oder für eine wirk­same Erste Hil­fe“ erlassen. Dies soll dann der Fall sein, wenn die Vorschriften zur Präven­tion geeignet und erforder­lich sind und es um Aspek­te geht, die nicht bere­its durch staatliche Arbeitss­chutzvorschriften erfasst werden.

Wie ist das DGUV-Regelwerk aufgebaut?

Das DGUV-Regel­w­erk beste­ht – auch wenn die Beze­ich­nung anders klingt – nicht nur aus Regeln, son­dern gliedert sich in die 4 Kat­e­gorien DGUV Vorschriften, DGUV Regeln, DGUV Infor­ma­tio­nen und DGUV Grund­sätze. Etwas unscharf wer­den alle von der DGUV veröf­fentlicht­en Doku­mente manch­mal als Unfal­lver­hü­tungsvorschriften (UVV) beze­ich­net; dies trifft aber im engeren Sinne nur auf die DGUV Vorschriften zu.

Muss mein Betrieb das gesamte Regelwerk der DGUV einhalten oder ist das freiwillig?

Hin­sichtlich Ihrer Verbindlichkeit bzw. Recht­skraft unter­schei­den sich die Kat­e­gorien des DGUV-Regel­w­erks. Nur die DGUV Vorschriften entsprechen den früheren (verbindlichen) Unfal­lver­hü­tungsvorschriften (UVV). Alle anderen von der DGUV her­aus­gegebe­nen Doku­mente wie Regeln, Infor­ma­tio­nen und Grund­sätze sind nicht in gle­ich­er Weise verbindlich. Somit gilt:

  • DGUV Vorschriften für Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit sind rechtsverbindlich, genau wie die früheren Unfallverhütungsvorschriften.
  • DGUV Regeln, DGUV Infor­ma­tio­nen und DGUV Grund­sätze sind nicht rechtsverbindlich. Eine DGUV Regel kann jedoch rechtsverbindlich wer­den, wenn eine DGUV Vorschrift expliz­it darauf verweist.

Die Unverbindlichkeit sollte nicht zu der Annahme ver­leit­en, dass DGUV Regeln, Infor­ma­tio­nen und Grund­sätze nach Belieben ignori­ert wer­den kön­nten. Sie bieten eine hil­fre­iche Ori­en­tierung im kom­plex­en Arbeitss­chutzrecht, und sich danach zu richt­en wird trotz ihres for­maljuris­tisch frei­willi­gen Charak­ters als sin­nvoll erachtet.

Was passiert, wenn ich DGUV Vorschriften ignoriere?

Die Auf­sichts­di­en­ste der Unfal­lver­sicherungsträger (UVT) über­prüfen das Ein­hal­ten der DGUV Vorschriften. Das kann durch angekündigte oder unangekündigte Besuche und Bege­hun­gen durch Auf­sichts­beamte ein­er Beruf­sgenossen­schaft oder Unfal­lka­sse bei einem Mit­glieds­be­trieb erfol­gen. Auch nach schw­eren oder wieder­holten Arbeit­sun­fällen ist damit zu rech­nen, dass – neben Polizei, Staat­san­waltschaft und den Arbeitss­chutzbe­hör­den – der zuständi­ge Unfal­lver­sicherungsträger den Unfall­her­gang untersucht.

Wer DGUV Vorschriften mis­sachtet, muss mit juris­tis­chen Fol­gen rech­nen. Die Sank­tion­s­möglichkeit­en reichen von Bußgeldern bis zu Geld- und Frei­heitsstrafen, etwa wenn ein Arbeit­sun­fall als fahrläs­sige Kör­per­ver­let­zung gew­ertet wird. Für betrof­fene Betriebe sehr unan­genehm kön­nen auch Regress­forderun­gen wer­den. Dazu kann es kom­men, wenn eine BG oder Unfal­lka­sse die Ver­sicherungsleis­tun­gen (z. B. für die Reha eines Mitar­beit­ers nach einen Arbeit­sun­fall) ver­weigert bzw. zurück­fordert, wenn sich her­ausstellt, dass Ver­säum­nisse im Betrieb zum Unfall und zur Ver­let­zung geführt haben.

Wie kommen die Regeln und Vorschriften der DGUV zustande?

Das beruf­sgenossen­schaftliche Regel­w­erk wird von den Fach­bere­ichen und Sachge­bi­eten der DGUV erar­beit­et. Dies erfol­gt jedoch nicht „im stillen Käm­mer­lein“, son­dern im Aus­tausch mit den Vertretern der Sozial­part­ner und ander­er Inter­es­sen­grup­pen. Somit wirken in den Präven­tions­fach­gremien Vertreter von Min­is­te­rien mit, aber auch Vertreter der Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer, aus der Indus­trie sowie von Her­stellern und Betreibern. Dadurch soll eine ein­heitliche und fach­lich aus­ge­wo­gene Mei­n­ung gefun­den werden.

Die formellen Abläufe beim Erar­beit­en von DGUV Vorschriften und DGUV Regeln vom Entwurf bis zur Inkraft­set­zung sind in den Kapiteln II und III des DGUV Grund­satzes 300–001 nachzulesen.

Was unterscheidet DGUV Regeln, Vorschriften, Grundsätze und Informationen?

DGUV Vorschriften sind verbindliche Vorschriften für Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit. Sie entsprechen den früheren Unfallverhütungsvorschriften.

Beispiele:

 

DGUV Regeln sind fach­liche Empfehlun­gen, die Arbeitss­chutzpflicht­en konkretisieren. Sie sollen prax­is­nah zeigen, wie die (verbindlichen, aber eher abstrakt for­mulierten) Schutzziele von Geset­zen, Verord­nun­gen und Vorschriften erre­icht wer­den. DGUV Regeln beschreiben den Stand der Tech­nik mit Bezug zu bes­timmten Tätigkeit­en, Arbeits­bere­ichen, branchen­spez­i­fis­chen Aspek­ten oder Gefährdungskat­e­gorien. DGUV Regeln kön­nen auch dazu dienen, Lück­en zu füllen und Ori­en­tierung zu bieten in Fällen, in denen es zu sicher­heits- und gesund­heit­srel­e­van­ten Fra­gen keine staatlichen Regelun­gen gibt.

Beispiele:

 

DGUV Grund­sätze enthal­ten grun­dregel­nde Erläuterun­gen, Fes­tle­gun­gen und Ver­fahrens­maßstäbe für arbeitss­chutzrel­e­vante Prozesse und Ver­fahren. Sie bieten die Basis für ein ein­heitlich­es Vorge­hen, z. B. bei Prü­fun­gen oder in der Ausbildung.

Beispiele:

Wo steht die Rechtskraft des DGUV-Regelwerks im Vergleich zum Technischen Regelwerk?

Gemäß einem Leitlin­ien­pa­pi­er zur Vorschriften- und Regelset­zung im Arbeitss­chutz von 2011 sollen Dop­pel­regelun­gen von beruf­sgenossen­schaftlichem und tech­nis­chem Regel­w­erk ver­mieden wer­den. Das Arbeitss­chutzrecht soll nicht unnötig aufge­bläht wer­den und DGUV Vorschriften sollen nur dann und nur zu dem Punkt erlassen wer­den, zu dem es keine entsprechen­den staatlichen Vor­gaben gibt. Dies ist durch eine Bedarf­sprü­fung vor­ab zu klären und ein­er der Gründe, warum immer wieder Doku­mente des DGUV Regel­w­erks zurück­ge­zo­gen und aus­sortiert werden.

Vor diesem Hin­ter­grund soll­ten keine Kon­flik­te oder Wider­sprüche zwis­chen staatlichem und DGUV Regel­w­erk beste­hen. Sollte es jedoch durch noch nicht über­ar­beit­ete ältere Doku­mente zu Zweifels­fällen und Unklarheit­en kom­men, hat das staatliche Arbeitss­chutzrecht grund­sät­zlich Vorrang.

Tech­nis­che Regeln konkretisieren die Vor­gaben staatlich­er Verord­nun­gen, z. B. die Tech­nis­chen Regeln für Arbeitsstät­ten (ASR) bezo­gen auf die Arb­StättV oder die TRBS für die Betr­SichV. Tech­nis­che Regeln sind nicht rechtsverbindlich, aber es gilt die Ver­mu­tungswirkung. DGUV Regeln, Infor­ma­tio­nen und Grund­sätze lösen keine Ver­mu­tungswirkung aus.

Neben den staatlichen tech­nis­chen Regeln gibt der VDI (Vere­in Deutsch­er Inge­nieure) ein eigenes tech­nis­ches Regel­w­erk her­aus. Diese Doku­mente wer­den als VDI-Richtlin­ien veröf­fentlicht und gel­ten als anerkan­nte Regeln der Technik.

Was sind DGUV Branchenregeln?

Branchen­regeln richt­en sich an Betriebe ein­er bes­timmten Branche. Sie enthal­ten keine neu hinzugekomme­nen Sicher­heit­sregeln oder neue Gren­zw­erte oder ähn­lich­es, son­dern fassen die beste­hen­den Arbeitss­chutz-Vor­gaben zusam­men. Ihr Anspruch ist, einen kom­pak­ter Überblick zu liefern, der die staatlichen Regeln wie auch die Inhalte des DGUV-Regew­erks sowie das Erfahrungswis­sen der Beruf­sgenossen­schaften und Unfal­lka­ssen wider­spiegelt. Auch die jew­eils rel­e­van­ten Nor­men oder VDE-Richtlin­ien wer­den einge­bun­den. Branchen­regeln stellen somit eine Art branchen­spez­i­fis­ches Kom­pendi­um oder Nach­schlagew­erk dar.

Beispiele:

Wie kann man den Zahlencode des DGUV-Regelwerks entschlüsseln?

Die Bez­if­fer­ung der DGUV-Doku­mente ist nicht zufäl­lig, son­dern fol­gt einem fes­ten Schema. Jede Vorschrift, Regel, Infor­ma­tion oder Grund­satz erhält eine ein­deutige Num­merierung. Damit ist jedes Doku­ment an sein­er Kenn­zahl (meist 6 Zif­fern mit Binde­strich) iden­ti­fizier­bar. Die Num­merierung der ersten 3 Zif­fern wird wie fol­gt zugeteilt:

DGUV Vorschriften  1 bis 99 xx
DGUV Regeln  100 bis 199  1xx-xxx
DGUV Infor­ma­tio­nen  200 bis 299 2xx-xxx
DGUV Grund­sätze  > 300 3xx-xxx

Weil es (bei Regeln und Infor­ma­tio­nen) mehr als 100 Doku­mente gibt, wird eine zweite Zif­fer­n­folge benötigt, die nach dem Binde­strich erscheint.

Bei Regeln, Infor­ma­tio­nen und Grund­sätzen fol­gt nach der Zif­fer 1, 2 oder 3 auf der ersten Stelle die zweis­tel­lige Kennz­if­fer des zuständi­gen Fach­bere­ichs der DGUV:

  • Kennz­if­fer 01: Bauwesen
  • Kennz­if­fer 02: Bildungseinrichtungen
  • Kennz­if­fer 03: Energie Tex­til Elek­tro Medienerzeugnisse
  • Kennz­if­fer 04: Erste Hilfe
  • Kennz­if­fer 05: Feuer­wehren, Hil­feleis­tun­gen, Brandschutz
  • Kennz­if­fer 06: Gesund­heit im Betrieb
  • Kennz­if­fer 07: Gesund­heits­di­enst und Wohlfahrtspflege
  • Kennz­if­fer 08: Han­del und Logistik
  • Kennz­if­fer 09: Holz und Metall
  • Kennz­if­fer 10: Nahrungsmittel
  • Kennz­if­fer 11: Organ­i­sa­tion von Sicher­heit und Gesundheit
  • Kennz­if­fer 12: Per­sön­liche Schutzausrüstungen
  • Kennz­if­fer 13: Rohstoffe und chemis­che Industrie
  • Kennz­if­fer 14: Verkehr und Landschaft
  • Kennz­if­fer 15: Verwaltung

Damit ist an den 3 Zif­fern vor dem Binde­strich jed­erzeit abzule­sen, zu welch­er Kat­e­gorie ein Doku­ment gehört und aus welchem Fach­bere­ich es stammt. So ste­ht etwa 113–020 für eine DGUV Regel (1 an erster Posi­tion) und ist dem Fach­bere­ich „Rohstoffe und chemis­che Indus­trie“ (Kennz­if­fer 13 an zweit­er und drit­ter Posi­tion) zuge­ord­net. Die 020 nach dem Binde­strich ist die indi­vidu­elle Num­merierung dieser Regel zu Hydraulik-Schlauchleitungen.

Darüber hin­aus wer­den – in ver­gle­ich­sweise sel­te­nen Fällen – fol­gende Num­mernkreise für spezielle The­men­bere­iche ver­wen­det wie folgt:

  • DGUV Infor­ma­tion 240-xxx = Hand­lungsan­leitun­gen für die arbeitsmedi­zinis­che Vor­sorge (HAL)
  • DGUV Infor­ma­tion 250-xxx = Aspek­te der arbeitsmedi­zinis­chen Vorsorge
  • DGUV Infor­ma­tion 251-xxx = Aspek­te der SiFa-Ausbildung

Was ist aus den früheren BGI, BGR, BGV usw. geworden?

Die DGUV hat ihr kom­plettes Regel­w­erk im Jahr 2014 umbe­nan­nt. Damit sind die lange als BGI xxx, BGV xxx, BGR xxx usw. bekan­nten Doku­mente zwar nicht ver­schwun­den, aber sie haben andere Beze­ich­nun­gen gemäß der oben dargestell­ten Sys­tem­atik erhal­ten. Die früher oft recht unhan­dlichen Beze­ich­nun­gen wie etwa „BGR/GUV‑R 241“ gibt es nicht mehr.

Inhaltlich hat sich allein durch die Umbe­nen­nung nichts geän­dert. Unab­hängig davon wer­den die Doku­mente des DGUV Regel­w­erks jedoch immer wieder über­ar­beit­et, teils zurück­ge­zo­gen, teils wieder neu her­aus­gegeben. Arbeitss­chützer soll­ten daher darauf acht­en, dass die für den eige­nen Betrieb rel­e­van­ten Vorschriften und Regeln usw. in aktueller Ver­sion vor­liegen. Wo in einem Betrieb der Arbeitss­chutz noch auf Basis von BGI/GUV‑I xx o. ä. organ­isiert und umge­set­zt wird, ist für jeden Prüfer schnell erkennbar, dass das hier vorge­hal­tene Regel­w­erk nicht auf dem neuesten Stand ist.

Die beste Nachricht kommt ganz zum Schluss: Im Gegen­satz zu DIN-Nor­men oder VDE-Richtlin­ien gibt es das kom­plette und aktuelle Regel­w­erk der DGUV zum kosten­losen Down­load.

Autor: Fried­helm Kring

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