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Damit die Lebensqualität und die Gesundheit von Menschen in Schichtarbeit langfristig gewährleistet bleiben, sind Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen gefordert. Insbesondere bei Nacht- oder Wechselschichten ist Vorsicht geboten. Auf Faktoren wie ungestörter Schlaf, Ernährung und Bewegung können die Arbeitenden selber Einfluss nehmen. Andere Faktoren wie die Schichtplangestaltung können Arbeitnehmer nur im Einklang mit dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmervertretern beeinflussen.
Schichtarbeit, Nacht- und Wochenendarbeit betrifft zwar immer noch vorwiegend Beschäftigte im produzierenden Gewerbe, aber auch immer mehr Dienstleistungsberufe. Nicht mehr nur Maschinen sollen rund um die Uhr laufen, die Menschen erwarten auch Sicherheit, medizinische Versorgung und Pflege rund um die Uhr. Und natürlich wollen sie als Kunden König sein, nicht zu einer gewissen Uhrzeit, sondern 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Dr. Brigitte Steinke, Referentin für Betriebliches Gesundheitsmanagement bei der Techniker Krankenkasse, bemerkt: „In der ständig wachen Welt haben die Tageszeiten als natürliches Signal für Wachsein und Schlafen stark an Bedeutung verloren. Ursprünglich hat die Natur den Menschen als tagaktives Lebewesen vorgesehen. Entsprechend ist der Mensch tagsüber auf Aktivität und nachts auf Ruhe programmiert.“
Innere Uhr steuert den Körper
Jeder Mensch hat eine innere Uhr, die wichtige Körperfunktionen wie Herzschlag, Stoffwechsel, Verdauung und Körpertemperatur steuert. Die innere Uhr sagt dem Menschen nicht nur, dass er gegen Abend müde wird, sie teilt auch jedem inneren Organ den individuellen Schichtplan zu. Alle Körperrhythmen greifen nach dieser Uhr ineinander. Die einzelnen Funktionen sind aufeinander abgestimmt und wiederholen sich tagein, tagaus, immer zur gleichen Tages- oder Nachtzeit. Dabei ticken nicht alle Menschen gleich, sondern die Eigenschaften der inneren Uhr sind von den Genen bestimmt. Es gibt also verschiedene Typen von Menschen: Die Eulen, die gerne spät zu Bett gehen und morgens eher schlecht aus dem Bett kommen und die Lerchen, die Frühaufsteher, die früh am Morgen aktiv sind, dafür sich aber schon früher am Abend zur Ruhe legen. „Bei den verschiedenen Typen funktioniert der individuelle Schichtplan unterschiedlich“, weiß Steinke.
Licht macht aktiv
Ausschlaggebend für den körpereigenen Schichtplan ist das Licht. Es spielt für die Aktivität eine große Rolle. Bei Sonnenaufgang werden Körper und Geist hochgefahren. „Ein winziger Zellhaufen im Gehirn reagiert darauf, welches Licht in welcher Menge auf das Auge trifft und startet das entsprechende Programm durch die Ausschüttung von Hormonen“, erklärt Steinke. Der Ablauf des 24-Stunden-Rhythmus kann dabei nicht verändert werden, vielmehr können die Körperrhythmen nur mit der aktuellen Umwelt synchronisiert werden. Deshalb ist die Anpassung des Menschen an Nachtarbeit und Wechselschicht mit Problemen behaftet. Die Umwelt signalisiert eine Ruhepause, während der Schichtplan Aktivität fordert. Hier kann mit künstlichem Licht Abhilfe geschaffen werden. Licht alleine reicht jedoch nicht aus, um den Menschen gegen seine innere Uhr zur Aktivität zu bewegen. „Was den Menschen zur Schichtarbeit oder vielmehr zur Nachtarbeit befähigt, ist sein Wille“, führt Steinke aus.
Nachtarbeit ist anstrengender
Der Mensch ist also durchaus in der Lage, die innere Uhr zu ignorieren und nachts aktiv zu werden, er muss es nur wollen und sich dafür entscheiden.
Das Problem ist aber: Trotz des Willens läuft der körpereigene Rhythmus weiter: Morgens werden pünktlich die Aufstehhormone ausgeschüttet, auch wenn der Schichtarbeiter gerade erst von der Schicht nach Hause gekommen ist und eigentlich schlafen möchte. Gleiches gilt auch für Leistungstiefs. Ein Leistungstief findet beispielsweise nachts um drei Uhr statt, egal ob der Mensch im Bett liegt oder an der Maschine steht.
Nachtarbeiter müssen gegen Faktoren wie Leistungstiefs ankämpfen, dadurch wird Nachtarbeit anstrengender als Tagarbeit. Steinke erläutert: „Wer nachts die gleiche Leistung bringen will wie tagsüber, muss sich stärker anstrengen, das kostet zusätzliche Energie und kann auf Dauer die Gesundheit beeinträchtigen.“ Zahlen belegen den Anstrengungsfaktor eindeutig: Die physiologische Arbeitsbeanspruchung bei gleicher Tätigkeit beträgt in der Frühschicht 100 Prozent, in der Spätschicht 113 Prozent und in der Nachtschicht 156 Prozent.
Schutzrechte für Nachtarbeiter
Damit auch bei Schichtarbeit die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitenden bestmöglich gewährleistet werden kann, gibt der Gesetzgeber mit dem Arbeitszeitgesetz einen Rahmen vor, in dem bestimmt wird, wer, wann und wie lange arbeiten darf oder muss. Einerseits dient das Gesetz der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten, indem es die maximale tägliche Arbeitszeit ebenso festlegt wie die Mindestruhepausen während der Arbeit. Andererseits trägt das Gesetz dem Bedürfnis nach mehr Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit und damit zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Rechnung. Deshalb räumt es das Recht ein, in einigen Punkten abweichende Regeln festzulegen. Diese Punkte beziehen sich auf Pausenregelungen, auf Ruhezeiten, Ausgleichszeiten und dergleichen. Solche Abweichungen können dazu beitragen, mehr Spielräume und mehr persönliche Handlungsfreiheit zu lassen. Entsprechende Regelungen werden in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag getroffen. Nachtarbeiter genießen bestimmte Schutzrechte. Dazu zählen Arbeitnehmer, die normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht oder Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten.
Aktuelles Urteil zur Schichtarbeit
Ein Urteil vom 9. April 2014 des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zeigt, dass Schichtarbeiter, die aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtarbeit mehr ausführen können, nicht generell arbeitsunfähig sind. Geklagt hatte eine Krankenschwester, die von 1983 bis 2012 im Schichtdienst tätig war. Im Jahr 2012 erkrankte sie und musste Medikamente einnehmen, die sie schläfrig machten, weshalb sie die Nachtschichten nicht mehr ausüben konnte. Ihr Arbeitgeber schickte sie wegen Nachtdienstuntauglichkeit nach Hause, ihr Angebot, nur noch am Tag eingesetzt zu werden, lehnte er ab.
Das Arbeitsgericht hat nun geurteilt, dass das Verhalten des Arbeitgebers nicht rechtmäßig war: Weder sei die Krankenschwester arbeitsunfähig krank noch sei ihr die Arbeitsleistung generell unmöglich. Vielmehr müsse das Krankenhaus bei der Einteilung der Schichten auf die angeschlagene Gesundheit der Klägerin Rücksicht nehmen. Steinke fasst zusammen: „Arbeitnehmer, die gesundheitlich nicht mehr in der Lage sind, in Nachtschichten zu arbeiten, haben nach dem aktuellen Urteil einen Anspruch darauf, von den Nachtschichten befreit zu werden.“ Arbeitnehmer, die nur für Nachtschichten eingestellt werden, lösen dieses Problem nicht. Denn auch sie haben einen Anspruch auf einen Tagesarbeitsplatz, wenn ihre Gesundheit dies erfordert.
Checkliste für Unternehmen
Einige Erkenntnisse zur Schichtarbeit haben sich durchgesetzt, dazu zählt beispielsweise, dass auf eine Nachtschichtenphase eine Erholungsphase folgen sollte. Anhand der folgenden Punkte können Verantwortliche im Unternehmen checken, ob sie die Schichtarbeit möglichst gesundheitsförderlich gestalten.
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- Verfährt das Unternehmen nach dem Grundprinzip: Möglichst wenig aufeinanderfolgende Nachtschichten und gibt es maximal drei Nachtschichten hintereinander?
- Stehen den Mitarbeitern nach einer Nachtschichtenphase mindestens zwei frei Tage zur Verfügung, damit sie eine möglichst lange Erholungszeit haben?
- Wird bei der Schichtplanung darauf geachtet, dass die Mitarbeiter möglichst viele freie Wochenenden haben oder dass sie mindestens 48 Stunden freie Zeit am Stück haben mit mindestens einem Wochenendtag frei?
- Verhindert das Unternehmen lange Schichtrotationen und bevorzugt es vorwärtsrotierende Schichtpläne?
- Beginnt die Frühschicht möglichst spät?
- Haben die Beschäftigten eine möglichst konstante Wochenarbeitszeit?
- Hängt die Länge einer Schicht von der Belastung der Tätigkeit ab?
- Wurde eine Belastungsanalyse durchgeführt, so dass die Verantwortlichen wissen, wie anstrengend welche Tätigkeiten in welcher Schicht sind?
- Ist die Schichtplangestaltung für alle Beteiligten möglichst vorhersehbar und durchschaubar?
- Werden spontane Veränderungen möglichst vermieden und Veränderungen im Schichtplan möglichst frühzeitig angekündigt?
- Bekommen die jeweiligen Schichtarbeiter den Schichtplan möglichst frühzeitig ausgehändigt?
- Erlaubt das Unternehmen Flexibilität? Können die Schichtarbeiter Schichten verschieben oder tauschen?
Tipps für Schichtarbeiter
Wie Schichtarbeiter die alltäglichen Probleme des Schichtdiensts in den Griff bekommen und dabei noch möglichst gesund bleiben, zeigen die folgenden Tipps.
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- Wählen Sie für Ihr Schlafzimmer den ruhigsten Raum in der Wohnung.
- Stellen Sie Telefon und Türklingel ab.
- Versuchen Sie Nachtbedingungen in Ihrem Schlafzimmer herzustellen. Halten Sie es kühl und dunkel.
- Schauen Sie im Bett nicht fern, lesen, essen und arbeiten Sie nicht im Bett.
- Gehen Sie je Schicht zu einer festen Zeit ins Bett und stehen Sie ebenso zu einer bestimmten Zeit auf.
- Versuchen Sie, nach der letzten Nachtschicht möglichst schnell wieder in den normalen Rhythmus zu kommen.
- Lassen Sie Ihren Tagschlaf nicht durch andere Verpflichtungen zu kurz kommen.
- Ihre Hauptschlafphase sollte nicht kürzer als vier Stunden sein. Insgesamt sind sieben Stunden Schlaf pro Tag wichtig für Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit.
- Probieren Sie den Schlaf in Schichten. Schlafen Sie vier Stunden, unternehmen Sie dann etwas mit Ihrer Familie und legen Sie am späten Nachmittag eine zweite Schlafschicht ein.
- Verzichten Sie vier Stunden vor dem Schlafengehen auf koffeinhaltige Getränke.
- Vermeiden Sie Alkohol und Schlafmittel als Einschlafhelfer. Diese mindern den Erholungswert des Schlafes.
- Essen Sie mindestens drei und am besten fünf kleine Mahlzeiten am Tag.
- Nehmen Sie kurz vor dem Schlafengehen nicht zu große Mengen zu sich.
- Trinken Sie mindestens zwei bis drei Liter täglich.
- Treiben Sie Sport und sorgen Sie für regelmäßige Bewegung. Viele Sportarten wie Joggen oder Radfahren können Sie zu beliebigen Uhrzeiten ausüben ohne auf Mitstreiter oder Öffnungszeiten angewiesen zu sein.
- Suchen Sie nach einem Sportpartner in ihrer Schicht, so lassen sich gemeinsame sportliche Aktivitäten gut koordinieren.
- Wenn Ihr Arbeitgeber einen Fitnessraum oder Betriebssport anbietet, dann nutzen Sie diese Angebote.
- Integrieren Sie Bewegung in Ihren Alltag: Nehmen Sie die Treppe statt des Fahrstuhls.
- Versuchen Sie, so oft wie es geht, an den gemeinsamen Mahlzeiten in der Familie teilzunehmen.
- Gleichen Sie die fehlende Quantität mit Qualität aus, planen Sie frühzeitig schöne Ausflüge, sodass diese auch bei Ihrem Schichtplan eingehalten werden können.
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