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Der sichere Umgang mit Erdraketen - Hinweise für die Praxis

Tipps für den sicheren Umgang
Der Umgang mit Erdraketen: Fluch oder Segen?

Der Ein­satz von Erdraketen – manch­mal auch Boden­durch­schlagsraketen genan­nt – ist eine sehr effek­tive Meth­ode, Rohre mit graben­los­er Tech­nik zu ver­legen. Ihre Nutzung birgt aber etliche Gefahren und erfordert eine Rei­he von Maß­nah­men, um diesen vorzubeugen.

In der Ver­gan­gen­heit war in den Medi­en immer wieder von schw­eren oder gar tödlichen Unfällen im Zusam­men­hang mit Erdraketen berichtet wor­den. Dabei wur­den häu­fig unterirdisch ver­legte Elek­troleitun­gen beschädigt und es kam zu einem Span­nungsüber­tritt auf das Erdraketen­sys­tem. Dies ist beson­ders gefährlich, da sich der Bedi­ener der Erdrakete bei sein­er Arbeit in einem „engen, leit­fähi­gen Raum“ befind­et. Berührt er die Anlage, kann sofort ein tödlich­er Strom über ihn in die Erde fließen.
 
Aber zuerst ein­mal Genaueres zur Arbeitsweise ein­er Erdrakete. Ein – fach­lich richtig genan­nt – Boden­ver­drän­gung­sham­mer, dient dazu, Leitun­gen unter­schiedlich­ster Art zu ver­legen, ohne einen Graben ausheben zu müssen. Er wird auf­grund der raketenähn­lichen Form auch „Erdrakete“ genan­nt. Auch wenn das Ver­fahren viele Vorteile gegenüber herkömm­lichen Ver­legemeth­o­d­en im Graben aufweist, müssen ver­schiedene Aspek­te beachtet wer­den, um das Gefahren­po­ten­tial, welch­es sich bei dieser beson­dere Meth­ode ergibt, zu minimieren.
 
Wenn Leitun­gen oder Kabel in einem offe­nen Graben ver­legt wer­den müssen, passiert es oft, dass Verkehr­swege wie Straßen, Eisen­bahn­lin­ien oder Ein­fahrten zu unter­queren sind. Dabei ergeben sich zwangsweise Prob­leme durch Verkehrs­be­hin­derun­gen. Diese Behin­derun­gen kön­nen min­imiert wer­den, wenn man mit ein­er „Erdrakete“ unter dem betr­e­f­fend­en Verkehr­sweg „hin­durch schießt“ und sich dadurch an dieser Stelle den Ver­lege­graben, Zeit und gegebe­nen­falls auch Kosten spart. Effek­tiv ist das Ver­fahren auch deshalb, weil die Bohrung und der Rohreinzug in der Regel in einem Arbeits­gang erfol­gen. Es wird für Gas, Fer­n­wärme, Wass­er, Abwass­er und Telekom­mu­nika­tion eingesetzt.

Mit Druckluft betrieben

Die Erdrakete wird mit Druck­luft vom Baustel­lenkom­pres­sor mit ca. 6 – 7 bar Betrieb­s­druck angetrieben. Ein Schlagkol­ben treibt das röhren­för­mige Gehäuse durch Erdre­ich und Gestein. Das Erdre­ich wird ver­drängt und es entste­ht eine Erdröhre.
 
Die wichtig­ste Eigen­schaft eines Boden­ver­drän­gung­sham­mers ist seine Ziel­ge­nauigkeit. Deshalb unter­schei­det man zwei Erdraketensysteme:
  • 1. Der Kol­ben schlägt auf das Gehäuse und treibt somit die gesamte Erdrakete in einem Stoß nach vorn (star­res System).
  • 2. Der Kol­ben schlägt zuerst auf einen beweglichen Meißelkopf und danach auf das Gehäuse. Die Erdrakete wird in zwei Arbeitss­chrit­ten vor­wärts bewegt. Dieses Ver­fahren wird 2‑Taktverfahren genan­nt und gilt als beson­ders ziel­ge­nau. Dabei schlägt beim ersten Takt der Schlagkol­ben zunächst auf den Meißelkopf, der im ersten Takt vorau­seilend die Bohrung erstellt und dabei anste­hende Hin­dernisse zertrüm­mert. Der zweite Takt zieht das Gehäuse mit dem anhän­gen­den Rohr (Schutz- oder Medi­en­rohr) im gle­ichen Arbeits­gang nach. Außer muf­fen­losen Kurz- oder Lan­grohren bis DN 160 aus Kun­st­stoff oder Met­all kön­nen auch Kabel direkt oder nach der Bohrung einge­zo­gen wer­den. Der Rohreinzug ist auch im Rück­wärts­gang möglich.
Dieses Ver­fahren zur unterirdis­chen Leitungsver­legung ist in fast allen Böden ein­set­zbar. Nur in moori­gen Böden und nicht ver­dräng­barem Fest­gestein ist der Ein­satz nicht möglich. Mit ihm kön­nen Rohrleitun­gen von Län­gen bis zu 15 m ver­legt werden.

Gewissenhaft ausrichten

Um die Erdrakete zu starten, müssen eine Start- und eine Ziel­grube aus­ge­hoben wer­den. In der Start­grube wird die Start­lafette aufge­baut. Mit­tels Peilop­tik wird der Peil­stab in der Ziel­grube anvisiert. Danach wird die Erdrakete in der Lafette in Höhe und Seite ein­justiert. Durch Par­al­lelver­schiebung von zum Beispiel 1,5 m nach oben wird aus der unsicht­baren Bohrlin­ie eine sicht­bare Visier­lin­ie. (siehe Abb. 2) Somit ist der Vor­trieb mit ein­fachen Hil­f­s­mit­teln ziel­ge­nau ein­richt­bar. Die Erdrakete muss sehr gewis­senhaft aus­gerichtet wer­den, denn sie ist nicht steuer­bar. Die beson­dere Aus­bil­dung des Raketenkopfes garantiert eine hohe Lauf­sta­bil­ität und somit eine sehr gute Ziel­ge­nauigkeit. Erdraketen erre­ichen je nach Boden eine Vor­trieb­s­geschwindigkeit bis 15 m/h.
 
Bei Hau­san­schlüssen für Gas, Wass­er, Abwass­er, Strom, Bre­it­band­verk­a­belung (FTTB) kön­nen Erdraketen auch direkt aus dem Haus ges­tartet wer­den. Ein Kopfloch vor der Haus­mauer ist nicht mehr erforderlich.

Gefahr durch Kabel und Leitungen

Nur fach­lich geschulte und unter­wiesene Per­so­n­en dür­fen Arbeit­en mit der Erdrakete aus­führen. Die Ken­nt­nis über Bau­grund und bere­its im Boden liegende Leitun­gen und gegebe­nen­falls über vorhan­dene Hin­dernisse ist entschei­dend für den sicheren und erfol­gre­ichen Ein­satz ein­er Erdrakete.
 
Im Hin­blick auf seine Erkun­dungs- und Sicherungspflicht bei der Durch­führung von Bauar­beit­en hat sich das bauaus­führende Unternehmen rechtzeit­ig vor Baube­ginn bei den Ver­sorgungs­be­trieben nach Exis­tenz und Lage von Ver­sorgungsan­la­gen im Bere­ich der Bau­maß­nahme zu erkundi­gen. Diese Forderun­gen sind in der BGV C22 im § 16 beschrieben. Hier ist nachzulesen:
  1. Vor Beginn von Bauar­beit­en ist durch den Unternehmer zu ermit­teln, ob im vorge­se­henen Arbeits­bere­ich Anla­gen vorhan­den sind, durch die Per­so­n­en gefährdet wer­den können.
  2. Sind Anla­gen nach Absatz 1 vorhan­den, so sind im Benehmen mit dem Eigen­tümer oder Betreiber der Anlage die erforder­lichen Sicherungs­maß­nah­men festzule­gen und durchzuführen.
  3. Bei unver­mutetem Antr­e­f­fen von Anla­gen nach Absatz 1 sind die Bauar­beit­en sofort zu unter­brechen. Der Auf­sicht­führende ist zu verständigen.
Erd­ver­legte Kabel und Leitun­gen sind als unter Span­nung ste­hend zu betra­cht­en, wenn vom Betreiber die Span­nungs­frei­heit nicht aus­drück­lich bestätigt wird.
 
Wie mit erd­ver­legten Kabeln und Leitun­gen umge­gan­gen wer­den muss, kann detail­liert in der BGI 759 „Schutz­maß­nah­men bei Erdar­beit­en in der Nähe erd­ver­legter Kabel und Rohrleitun­gen“ nachge­le­sen werden.

Mindestabstände einhalten

Während des Vor­triebes ver­drängt die Erdrakete den Boden in den Poren­raum des umgeben­den Erdre­ich­es. Daher ist immer eine bes­timmte Überdeck­ung (Abstand zwis­chen Maschi­nenkör­p­er und Ober­fläche) notwendig, um Beschädi­gun­gen der Ober­fläche zu ver­mei­den. Als Richtwert für die Überdeck­ung sollte der 10-fache Maschi­nen­durchmess­er angenom­men werden.
 
Auch der Abstand zu vorhan­de­nen Leitun­gen sollte im Hin­blick auf das gewählte Ver­fahren der Neu­ver­legung oder Sanierung ein­er Leitung geprüft wer­den. Der Min­destab­stand zu vorhan­de­nen Leitun­gen richtet sich nach Vor­gaben und möglichen Son­der­vorschriften der jew­eili­gen Netz-und Leitungsbetreiber.
 
Je nach Bodenbeschaf­fen­heit gibt es unter­schiedliche Rohreinzugsmethoden:
  • Nachträglich­er Rohreinzug/-schub von Schutz- oder Pro­duk­trohren (bei bindigen/standfesten Böden)
  • Sofortver­rohrung von PVC-Kurz- oder PE-Lan­grohren (bei nicht bindi­gen Böden

Sicherheitsmaßnahmen im Bereich von Elektrokabeln

Trotz gewis­senhafter Erkun­dung, sorgfältiger Vor­bere­itung und vorschriftsmäßiger Aus­führung der Vor­trieb­sar­beit­en ist es in der Ver­gan­gen­heit passiert, dass vorhan­dene Fremdleitun­gen von Erdraketen getrof­fen wur­den. Es müssen daher eine ganze Rei­he von Schutz­maß­nah­men vorgenom­men wer­den, wenn mit strom­führen­den Anla­gen im Unter­grund zu rech­nen ist. In der Regel sind mehrere Maß­nah­men erforder­lich. Als Erstes ist der Ver­lauf vorhan­den­er Leitungssys­teme zu erkun­den. Bei einem unklaren Ver­lauf von Leitun­gen im Unter­grund sind Ortun­gen durchzuführen. Gegebe­nen­falls sind auch Such­schlitze erforder­lich. Kann der Ver­lauf von Leitun­gen nicht exakt bes­timmt wer­den, kann es auch notwendig sein, diese Ver­sorgungssys­teme kurzfristig abzuschalten.
 
Durch Auf­steck­en eines Kopfes mit inte­gri­ertem Sender oder durch einen einge­baut­en Sender am Raketen-Anschlusss­chlauch ist auch eine Ortung der Erdrakete möglich. So lässt sich der Bohrver­lauf überwachen. Bei Abwe­ichun­gen von der Soll­trasse kann die Mas­chine zurück­ge­fahren und neu ange­set­zt werden.
Das Tra­gen geeigneter Schutzk­lei­dung reduziert die Ver­let­zungs­ge­fahr des Maschi­nenbe­di­eners durch zum Beispiel strom­führende Gegenstände.
 
Neben den aktiv von Per­son­al und Auf­sicht zutr­e­f­fend­en Schutz­maß­nah­men, gibt es auch tech­nis­che Möglichkeit­en, um im Unglücks­fall eine lei­t­ende Verbindung zwis­chen strom­führen­der Leitung und Bedi­ener zu ver­hin­dern. Dies sind:
  • Ver­wen­dung nichtlei­t­en­der Druck­luftschläuche (Raketen-Anschlusss­chlauch, langer Druckluftschlauch)
  • Anbau eines Iso­la­tion­sadapters an das Nachziehstahl­seil zur Unter­brechung der Stromüber­tra­gung (Nur bei Ver­wen­dung des Zube­hörs zum direk­ten Einzug von PVC-Kurzrohren erforderlich!)
Ein wesentlich­er Aspekt der Unfal­lver­hü­tung ist die kon­tinuier­liche Unter­weisung der Mitar­beit­er in sicher­heit­srel­e­van­ten Belan­gen von Tech­nik und Anwen­dung. Dazu gehört auch, dass Arbeit­sun­fälle und deren Ursachen analysiert wer­den, damit Bedi­ener von Erdraketen für mögliche Gefahren sen­si­bil­isiert wer­den und mit der entsprechen­den Sorgfalt an Vor­bere­itung und Aus­führung der Arbeit­en herangehen.
 
Ver­hal­tensregeln und Schutz­maß­nah­men sind auch in der Betrieb­san­weisung der Erdrakete zu ver­ankern. Die Betrieb­san­weisung muss selb­stver­ständlich am Arbeit­sort vorhan­den sein.
 
Autor:
Dipl.-Ing. Hans-Joachim Kuhnsch
Beruf­sgenossen­schaft der Bauwirtschaft (BG Bau)
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