Flucht- und Rettungswege sind dazu da, dass man schnell und möglichst unkompliziert ein brennendes Haus verlassen kann. Sie dienen der Selbstrettung, der Fremdrettung und schließlich dem Feuerwehrangriff. Und sie sollen schnell zu finden, übersichtlich und frei von Hindernissen sein. Diese Folge unserer Brandschutzserie will ein paar Fakten zu diesen speziellen Wegen vermitteln.
Gesetzliche Grundlagen
Paragraph 33 (1) der Musterbauordnung (MBO) schreibt vor: Jede Nutzungseinheit mit mindestens einem Aufenthaltsraum im Geschoss muss zwei von einander unabhängige Rettungswege ins Freie aufweisen oder einen Sicherheitstreppenraum (zum Beispiel mit Druckbelüftung) mit Vorraum.
Paragraph 33 (2) MBO sagt sinngemäß: Bei jeder Nutzungseinheit, die nicht zu ebener Erde liegt, muss der erste Rettungsweg über eine notwendige Treppe führen.
Der erste Rettungsweg bildet somit den baulichen Rettungsweg und muss gemäß § 4 Absatz 4 Satz 1 der Arbeitsstättenverordnung ständig brandlastfrei gehalten werden. (Kennen Sie das auch, dass im sogenannten „baulichen Rettungsweg“ zum Beispiel in Hotels Sitzmöbel, Gestellwagen mit Reinigungsmitteln, Wäschekörbe oder Ähnliches stehen? Dies sollte natürlich nicht sein!)
Türen und Notausgänge müssen sich laut § 3 Absatz 1 – Anhang, Abschnitt 2.3 der Arbeitsstättenverordnung nach außen öffnen lassen (Kein Mensch will im Falle einer Panik die Tür ins Freie erst einmal nach innen aufziehen).
Abschnitt 5.5.2 der Industriebaurichtlinie (IndBauR) besagt. Jeder Produktions- und Lagerraum mit einer Fläche von mehr als 200 m² muss mindestens zwei Ausgänge aufweisen. Schauen Sie sich in Ihrer Firma die Lager- und Produktionsräume mit den oben genannten Ausmaßen mal an; sollten Sie nur einen Ausgang entdecken, so sprechen Sie mit Ihrem Brandschutzbeauftragten.
Außerdem sind nach Abschnitt 2.5.1.3. der Richtlinie für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln (RABT) in Tunneln Flucht- und Rettungswege zu berücksichtigen. Diese sind dann auch zu kennzeichnen und zu beleuchten, wobei der Fluchtweg im Verkehrsraum zum Notausgang und der Rettungsweg vom Notausgang direkt oder über sichere Bereiche ins Freie führt. Bei einer Tunnellänge von mehr als 400 m sind alle 300 m Notaus-gänge anzuordnen. Wenn Sie mal durch einen langen Tunnel fahren, so sehen Sie an der Seite der Fahrbahn eben immer in regelmäßigen Abständen die Hinweisschilder. Glücklicherweise kann man sich, zumindest in Deutschland, auf diese gängige Praxis verlassen.
Anforderungen an Rettungswege
Rettungswege sollen der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorbeugen. Sie sollen sogar der Entstehung eines Brandes vorbeugen. Natürlich sollen sie die Rettung von Mensch und Tier ermöglichen und schließlich wirksame Löscharbeiten ermöglichen.
Sie müssen eine gute „Standfestigkeit“ für die Dauer der Flucht haben. In der Praxis heißt das, dass sie in F30 oder F90 ausgeführt werden. Zur Erinnerung: „F90“ bedeutet, dass das betreffende Bauteil einem Feuer mindesten 90 Minuten widersteht.
In Rettungswegen sollte kein Raucheintritt stattfinden. Dies ist bei der Konstruktion von Türen und Öffnungen zu beachten. Und sie sind ständig frei zu halten. Sie dürfen also nicht abgeschlossen werden. Nichts ist unangenehmer, als im Falle eines Brandes vor einem verschlossenen Rettungsweg zu stehen.
Rettungswege müssen dauerhaft gekennzeichnet sein. Diese Kennzeichnung soll eben auch im Dunkeln gut zu sehen sein. Sie muss also im Falle der Dunkelheit beleuchtet oder nachleuchtend sein. Auf der Messe A+A in Düsseldorf waren zahlreiche Firmen zu sehen, die professionelle Nachleuchtesysteme entwickeln und anbieten. Elektrisch beleuchtete Rettungsweghinweise müssen bei Netzausfall eine ausreichende Sicherheitsbeleuchtung aufweisen.
Notwendige Flure
Notwendige Flure sind übrigens Flure, über die Rettungswege von Aufenthaltsräumen zu Treppenräumen notwendiger Treppen oder zu Ausgängen ins Freie führen. Flure innerhalb von Wohnungen oder anderen Nutzungseinheiten vergleichbarer Größe sind hingegen keine notwendigen Flure. Gleiches gilt für Flure innerhalb von Nutzungseinheiten, die einer Büro- oder Verwaltungsnutzung dienen und deren Nutzfläche in einem Geschoss nicht mehr als 400 m² beträgt.
Eine notwendige Flurwand ist nach § 38 BauO NRW gefordert bei einer Verbindung vom Aufenthaltsraum zur Treppe, und wenn Büro- oder Verwaltungseinheiten größer als 400 m² sind (s. Abb. 1).
Anforderungen an notwendige Flure
Die Wände sind in F30 (Sie wissen ja jetzt, was das heißt …), in Kellergeschossen sogar in F90 zu konstruieren. Die Verglasung in den Wänden muss mit mindestens F30 ausgeführt sein. Verkleidungen, Dämmstoffe und Unterdecken müssen nicht-brennbar sein. Dabei sind raumabschließende Bauteile (eben Wände) bis an die Rohdecke zu führen. Die Unterdecken sind bei nicht geschützten Leitungsanlagen in F30 durchzuführen. Die Flure müssen, wenn sie länger als 30 Meter sind, durch nicht-abschließbare Rauchschutztüren unterteilt sein.
Die Bodenbeläge müssen mindestens schwer entflammbar – besser nicht brennbar – sein. Türen – wir sprachen darüber – müssen immer in Fluchtrichtung „aufschlagen“. Die Türen zu den Aufenthaltsräumen müssen dichtschließend sein. Dichtschließend meint: Die Tür muss vollwandig sein und eine dreiseitig umlaufende Dichtung haben. Türen zu Lagerbereichen im Kellergeschoss müssen mindestens T30 sein, mit einer F30-Verglasung. Außerdem müssen Installationsschächte eine geschlossene und nicht brennbare Oberfläche haben.
Anforderungen an notwendige Treppenräume
Sie müssen an der Außenwand liegen und Fenster mit 0,5 m² Fläche haben. Die Wände müssen in F90 (<7m Länge) oder in Bauart einer Brandwand (bei >7m Länge) konstruiert sein. Verkleidungen, Dämmstoffe, Unterdecken etc. müssen nicht-brennbar sein. Es muss ein unmittelbarer Ausgang ins Frei vorhanden sein.
Die tragenden Teile der Treppen werden in F90 ausgeführt; Bodenbeläge müssen schwerentflammbar sein.
Die Türen zum notwendigen Flur sind rauchdicht und selbstschließend (DIN 18095). Die Tür zur Nutzungseinheit > 200 m² ist in mindestens T30 auszuführen. Auch die Türen zu den „sonstigen“ Räumen sind dichtschließend und selbstschließend zu realisieren.
Der Treppenraum bedarf einer Sicherheitsbeleuchtung und Entrauchung von 0,5% der Gesamtfläche. Es dürfen KEINE Brandlasten vorhanden sein. Und das notwendige Treppenhaus muss für den zu erwartenden Verkehr ausreichen breit sein. Das verlangt Ziffer 2.3 des Anhanges der Arbeitsstättenverordnung.
Die Rettungsweglänge
Der § 37 der Bauordnung NRW sagt: Von jeder Stelle eines Aufenthaltsraumes sowie eines Kellergeschosses muss mindestens ein notwendiger Treppenraum oder ein Ausgang ins Freie in höchstens 35 m Entfernung erreichbar sein. Messen Sie das in Ihrem Betrieb mal aus!
Im Krankenhaus darf der Rettungsweg laut § 54 BauO NRW – (Sonderbauten) sogar nur maximal 25 Meter betragen. Für Krankenhäuser gilt nach demselben Paragraphen eine maximale Rettungsweglänge von 30 Metern. Bei Versammlungsstätten sind es dann 30 Meter. Am kürzesten darf maximal der Rettungsweg bei Räumen mit explosionsgefährdeten Stoffen sein; hier gelten zehn Meter bis zum Ausgang ins Freie.
In einer Industriehalle mit einer Höhe von <5 Metern beträgt der Rettungsweg maximal 35 Meter; ist der Raum höher >5m und <10m, so darf die maximale Rettungsweglänge 50 Meter betragen.
Die Maximale Länge des Rettungsweges wird übrigens als Luftlinie gemessen, die jedoch nicht durch Bauteile geht. Die tatsächliche Lauflänge beträgt also immer das 1,5‑fache der Entfernung.
Kennzeichnung von Rettungswegen
Auch hier wieder eine Verordnung: Abschnitt 2.3 zum Anhang § 3 Absatz 1 der Arbeitsstättenverordnung sagt: Flucht- und Rettungswege müssen auf möglichst kurzem Weg ins Freie oder einen gesicherten Bereich führen und in angemessener Form dauerhaft gekennzeichnet sein.
Türen im Verlauf von Rettungswegen oder Türen von Notausgängen müssen ebenfalls in angemessener Form dauerhaft gekennzeichnet sein – eigentlich logisch.
Die Sicherheitszeichen müssen dabei jederzeit deutlich erkennbar und dauerhaft angebracht werden. Sie müssen aus solchen Werkstoffen bestehen, die gegen die Umgebungseinflüsse am Anbringungsort widerstandsfähig sind.
Bei unzureichender natürlicher Beleuchtung am Anbringungsort der Sicherheitszeichen muss die Erkennbarkeit durch künstliche Beleuchtung der Sicherheitszeichen sichergestellt werden.
Ist auf Grund anderer Rechtsvorschriften eine Sicherheitsbeleuchtung nicht erforderlich, muss auf Rettungswegen die Erkennbarkeit der dort notwendigen Rettungszeichen durch Verwendung von langnachleuchtenden Materialien auch bei Ausfall der Allgemeinbeleuchtung für eine bestimmte Zeit erhalten bleiben.
In jeder Tunnelröhre sind einseitig am Notgehweg – vorzugsweise auf der Seite der Notausgänge – Leuchten anzubringen, die der Fluchtwegkennzeichnung und der Brandnotbeleuchtung dienen. Die Bodennotleuchte ist bei Tunneln mit einer Länge >400 m erforderlich.
Fluchtwegkennzeichnung und Brandnotleuchte sind einzeln oder kombiniert in einer Leuchte im Abstand von >25 m bündig in die Tunnelwand einzulassen. Lässt das Bauwerk diesen Einbau nicht zu, sind alternativ flache auf die Wandfläche aufgesetzte Leuchten zu verwenden, die nicht in den Verkehrsraum ragen dürfen und so gestaltet sein müssen, dass eine Verletzung flüchtender Personen ausgeschlossen ist.
Die Sicherheitskennzeichnung
Wie alles im Leben, sind natürlich auch die Sicherheitskennzeichnungen genormt. Abbildung 2 zeigt das Kennzeichen für den „Rettungsweg“ (E13).
Mindestlaufbreiten von Treppen
Tabelle 1 nennt uns die Mindestlaufbreiten für verschiedene Szenarien:
Man erkennt hier schon, dass mit wachsender Nutzungsintensität auch die vorgeschriebene Treppenmindestlaufbreite erheblich steigt. Dies ist zum Beispiel auch bei Paniksituationen wichtig. Grundsätzlich gehen solche Maße in die Planung auch von Fußballstadien mit ein. Gerade hier sind ausreichend breite Treppen überlebenswichtig.
Der zweite Rettungsweg
Paragraph 17 (4) der Musterbauordnung (MBO) sagt sinngemäß. Bei jeder Nutzungseinheit, die nicht zu ebener Erde liegt, darf der zweite Rettungsweg über eine mit Hubrettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle der Nutzungseinheit führen. Sollte jedoch kein „Rettungsgerät“ vorhanden sein, so muss ein zweiter Rettungsweg baulich geschaffen werden.
Anforderung
Das Fenster, aus dem gerettet werden soll, muss eine sogenannte Anleiterbarkeit besitzen und es muss vor allen Dingen deutlich erkennbar sein. Das Mindestmaß des Fensters muss 90 cm mal 120 cm sein. Auf der Erde muss eine Aufstellfläche für die Hubrettungsfahrzeuge gegeben sein, und natürlich muss ein Sichtkontakt der vom Brand Betroffenen zu den Feuerwehrleuten bestehen. Abbildung 3 zeigt eine typische Anleitersituation über den zweiten Rettungsweg (das Fenster).
Die Sicherheitsbeleuchtung
Nach Ziffer 2.3 Abs. 1 des Anhangs zur ArbStättV sind Fluchtwege und Notausgänge mit einer Sicherheitsbeleuchtung auszurüsten, wenn das gefahrlose Verlassen der Arbeitsstätte bei Ausfall der Allgemeinbeleuchtung nicht mehr gewährleistet ist.
Nach Ziffer 3.4 Abs. 3 ebenda müssen Arbeitsstätten, in denen Beschäftigte bei Ausfall der Allgemeinbeleuchtung Unfallgefahren ausgesetzt sind, eine Sicherheitsbeleuchtung besitzen.
Die Sicherheitsbeleuchtung ist eine Art der Notbeleuchtung. Sie schaltet sich bei Störungen der Stromversorgung ein und ist batteriebetrieben. Rettungswege, Räume und Arbeitsplätze sind dann während betrieblich erforderlicher Zeiten mit einer vorgegebenen Mindestbeleuchtungsstärke beleuchtet.
Die Sicherheitsbeleuchtung für Rettungswege ist eine Beleuchtung, die Rettungswege während der betriebserforderlichen Zeiten mit einer vorgeschriebenen Mindestbeleuchtungsstärke beleuchtet, um das gefahrlose Verlassen der Räume oder Anlagen zu ermöglichen.
Die Sicherheitsbeleuchtung für Arbeitsplätze mit besonderer Gefährdung ist eine Beleuchtung, die das gefahrlose Beenden notwendiger Tätigkeiten und eben das rasche Verlassen des Arbeitsplatzes ermöglicht.
Sie hat eine Einschaltverzögerung mit einer Zeitspanne, die zwischen dem Ausfall der allgemeinen künstlichen Beleuchtung bei Störung der Stromversorgung und dem Erreichen der erforderlichen Beleuchtungsstärke der Sicherheitsbeleuchtung vergeht.
Thomas Bosselmann
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