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Fremder, was tust Du da?

Fremdfirmen im Betrieb
Fremder, was tust Du da?

Fremder, was tust Du da?
Auch Mitarbeiter von Fremdfirmen sollten gut im Betrieb integriert werden, damit sowohl die Arbeit rund läuft als auch das Arbeitsschutzniveau für alle gleich hoch ist. Foto: © blobbotronic – stock.adobe.com
Wer trägt wie und warum die Ver­ant­wor­tung für Mitar­beit­er von Fremd­fir­men? Der Geset­zge­ber hat in ver­schiede­nen Geset­zen und Verord­nun­gen die Ver­ant­wor­tung geregelt, doch in der Prax­is kommt es oft genug zu Fehlern im regelkon­for­men Miteinan­der. Und diese lan­den bei Arbeit­sun­fällen mit Per­so­n­en­schaden lei­der öfters vor Gericht.

Fremder. Das klingt nach einem, den der Sher­iff anspricht, nur mal so, damit der weiß, dass man sich hier bei uns anständig ben­immt. Auf den man auf­passen muss, weil er sich in der Stadt nicht gut ausken­nt und die lokalen Sit­ten und Gebräuche unge­wohnt find­et. Der seine Sachen regeln und dabei nichts kaputtmachen soll. Und Stress will man mit ihm auch nicht haben. Damit das auch wirk­lich klappt, haben viele Unternehmen so einen Sher­iff: Den Fremd­fir­menko­or­di­na­tor. Zugegeben, Sher­iff klingt markiger, aber der Koor­di­na­tor braucht keinen Colt und trägt wohl in der Regel auch keinen Ansteck­stern. Wichtig ist er auch ohne solche Sta­tussym­bole, wie man bei einem Blick in die Recht­sprechung erken­nen kann (und die erfasst ja immer nur die Fälle, in denen es Stre­it gibt, also einen kleinen Auss­chnitt der Realität).

Schwere Verletzung

So wurde beispiel­sweise ein Lei­har­beit­nehmer schw­er ver­let­zt, als er eine Daten­leitung im Schaltschrank ein­er Spritz­guss­mas­chine einziehen wollte. Er stieß laut Unfal­lanzeige an eine Zange, die fiel in den Schaltschrank, und der wiederum war nicht span­nungs­frei, so dass explo­sion­sar­tig ein Licht­bo­gen ent­stand und den Mon­teur schw­er ver­bran­nte. Was soll­ten wir anders machen, so der Ober­mon­teur, die Spritz­guss­mas­chine war ja im Probe­be­trieb. Es sei gängige Prax­is, bei solchen Arbeit­en nicht freizuschal­ten. Ein biss­chen was müsse der Lei­har­beit­nehmer schon selb­st über Arbeitssicher­heit wis­sen. Diese Argu­men­ta­tion ist natür­lich nicht zuläs­sig, entsch­ied das Ver­wal­tungs­gericht Regens­burg (Gerichts­bescheid vom 08.07.2014 – RO 5 K 14.495, BeckRS 2014, 53806). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Unfall sich tat­säch­lich so zuge­tra­gen hat wie in der Unfal­lanzeige geschildert. Das hat­te das betr­e­f­fende Unternehmen näm­lich bestrit­ten und darauf hingewiesen, dass gar nicht klar sei, ob der Unfall hätte ver­hin­dert wer­den kön­nen. Mag sein, antwortete das Gericht, aber gegen Unfal­lver­hü­tungsvorschriften ver­stieß das Vorge­hen so oder so. Es ließ deshalb eine weit­ge­hende Anord­nung durch das Gewer­beauf­sicht­samt zu: Kün­ftig musste stets span­nungs­frei gear­beit­et werden.

For­mal gese­hen ging es dabei nicht um Fremd­fir­menko­or­di­na­tion, weil entliehene Mitar­beit­er aus Sicht des Arbeitss­chutzes rechtlich Mitar­beit­er des entlei­hen­den Unternehmens sind. Bei der Arbeit­nehmerüber­las­sung ist der Entlei­her sehr weit­ge­hend für das Woh­lerge­hen der Frem­den ver­ant­wortlich. Geregelt ist das in § 11 Abs. 6 Arbeit­nehmerüber­las­sungs­ge­setz. Für die sicher­heitliche Betra­ch­tung ist das allerd­ings gle­ichgültig, denn machen wir uns nichts vor: Genau­sogut hätte der Lehrling eines Dien­stleis­ters ver­bren­nen kön­nen. Und auch rechtlich wirkt sich das nicht aus, für Fremde ist näm­lich der Auf­tragge­ber mitver­ant­wortlich. Er muss sich, so heißt es in § 8 Abs. 2 Arbeitss­chutzge­setz, „vergewis­sern, dass die Beschäftigten ander­er Arbeit­ge­ber, die in seinem Betrieb tätig wer­den, hin­sichtlich der Gefahren für ihre Sicher­heit und Gesund­heit während ihrer Tätigkeit in seinem Betrieb angemessene Anweisun­gen erhal­ten haben.“ Das geht beispiel­sweise durch eine Ein­weisung (VG Stuttgart, Beschluss vom 13.10.2010 – 7 K 2625/10, BeckRS 2010, 55602).

Noch ein Fall

Gründlich schiefge­gan­gen war dies in einem Fall, über den das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied. In einem chemis­chen Betrieb wur­den Lauge­tanks mit ein­er Spritzpis­tole lack­iert, und zwar so hinge­bungsvoll, dass die Mitar­beit­er des Dien­stleis­ters nicht bemerk­ten, wie warm es an den Tanks wurde. Bis zu 60 °C näm­lich, und das wiederum führte zu kräftiger Ther­mik: Durch den entste­hen­den Farb­nebel wur­den auch die Autos der Mitar­beit­er auf dem 200 Meter ent­fer­n­ten Betrieb­spark­platz gefärbt. Über das 20 Meter hohe Fir­menge­bäude hinweg.

Natür­lich musste der Dien­stleis­ter den Schaden erset­zen, aber man kann bekan­ntlich einem nack­ten Mann nicht in die Tasche greifen – der Dien­stleis­ter und sein sprüh­freudi­ger Mitar­beit­er waren pleite. Also fragte man sich, ob nun das Chemie­un­ternehmen zahlen musste. Auf den ersten Blick eine über­raschende Frage, auf den zweit­en nicht so sehr, denn dass Arbeit­ge­ber Schutzpflicht­en für Eigen­tum ihrer Arbeit­nehmer haben, ist nichts Neues. Und wo eigentlich der Sher­iff ist, wenn man ihn braucht, war bei dem Spek­takel sich­er eine Frage, die mehr als einem Mitar­beit­er durch den Kopf ging. Der hätte da doch zwis­chen­hauen kön­nen! Kön­nen schon, aber müssen nicht, entsch­ied das Bun­de­sar­beits­gericht (BAG, Urteil vom 25. 5. 2000 – 8 AZR 518/99, NZA 2000, 1052). Denn beim Arbeitss­chutz geht es aus rechtlich­er Sicht nicht um Eigen­tum, son­dern um Leben und Gesund­heit. Und davon abge­se­hen ist Arbeitss­chutz bei Frem­dar­beit­ern in erster Lin­ie Auf­gabe deren Arbeit­ge­bers, hier also der Lack­ier­fir­ma. § 8 Abs. 2 Arbeitss­chutzge­setz half hier sowieso nicht weit­er: Er zielt nicht auf den Schutz der eige­nen Mitar­beit­er, son­dern der Fremden.

Anders als bei der Arbeit­nehmerüber­las­sung muss der Auf­tragge­ber Fremd­fir­men über betrieb­sspez­i­fis­che Gefahren informieren, damit diese ihre eigene Ver­ant­wor­tung in Sachen Arbeitss­chutz wahrnehmen kön­nen – übernehmen muss der Auf­tragge­ber die Ver­ant­wor­tung nicht. Die grundle­gende Regelung hier­für find­et sich in § 8 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz:

Wer­den Beschäftigte mehrerer Arbeit­ge­ber an einem Arbeit­splatz tätig, sind die Arbeit­ge­ber verpflichtet, bei der Durch­führung der Sicher­heits- und Gesund­heitss­chutzbes­tim­mungen zusam­men­zuar­beit­en. Soweit dies für die Sicher­heit und den Gesund­heitss­chutz der Beschäftigten bei der Arbeit erforder­lich ist, haben die Arbeit­ge­ber je nach Art der Tätigkeit­en ins­beson­dere sich gegen­seit­ig und ihre Beschäftigten über die mit den Arbeit­en ver­bun­de­nen Gefahren für Sicher­heit und Gesund­heit der Beschäftigten zu unter­richt­en und Maß­nah­men zur Ver­hü­tung dieser Gefahren abzustimmen.

Flankiert wird das durch § 13 Betrieb­ssicher­heitsverord­nung in der aktuell gel­tenden Fas­sung, und in dessen Absatz 3 taucht nach dem Vor­bild von § 3 Baustel­len­verord­nung die Bes­tim­mung auf, gegebe­nen­falls einen Koor­di­na­tor zu bestellen – das rechtliche Zuhause des Sher­iffs. Ein guter Rat für Unternehmen ist deshalb, die eige­nen Tätigkeit­en von denen fremder Unternehmen sauber zu tren­nen. Anson­sten entste­ht eine Gemen­ge­lage der Ver­ant­wor­tung für Arbeit­sor­gan­i­sa­tion und Arbeitsmit­tel. Der Sher­iff hat die Frem­den zu informieren und auf sie zu acht­en. Eine fre­undliche Ansprache beim Here­in­re­it­en in die Stadt also. Erledi­gen müssen sie ihre Sachen selbst.

Außer­dem ein Zunick­en beim Vor­beire­it­en, hal­lo, ich bin auch hier. Damit es kein Durcheinan­der auf der Straße gibt, denn für die Ord­nung auf der Straße ist nicht die Fremd­fir­ma ver­ant­wortlich. Die muss sich so benehmen, wie man es ihr sagt und wie es sich all­ge­mein gehört. Um das Miteinan­der muss sich der Auf­tragge­ber küm­mern. Denn die organ­isatorischen Schnittstellen sind risikoträchtig. Man­gel­nde Infor­ma­tions­flüsse haben schon Mitar­beit­er das Leben gekostet, wie die anwaltliche Prax­is zeigt. Ein­drucksvoll auch ein Fall des Ober­lan­des­gerichts Ros­tock (Urteil vom 08.07.2011 – 5 U 174/10, BeckRS 2011, 19707): Ein Fremd­mi­tar­beit­er wird schw­er ver­let­zt, als der Betrieb­smeis­ter eine Förder­ban­dan­lage ein­schal­tet, weil er meinte, dazu ohne weit­ere Abstim­mung berechtigt zu sein. Ein Warn­schild hat­te er bei­seite geräumt.

Für so etwas braucht man einen, der den Überblick hat. Der seine Straßen ken­nt und darauf achtet. Auf die geschäfti­gen Esel­skar­ren, die spie­len­den Kinder, die alten Müt­terchen und die jugendlichen Row­dies. Fre­unde macht man sich dabei nicht unbe­d­ingt. Das wis­sen auch Arbeitss­chützer. Am Ende reit­et der Held eben sin­gend in den Son­nenun­ter­gang: ein armer ein­samer Cowboy.

 


Autor:

Dr. Michael Neupert
Recht­san­walt

Küm­mer­lein, Simon & Partner
Recht­san­wälte mbB

Michael.Neupert@kuemmerlein.de

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