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Früher Rücken, heute Psyche?

DAK-Gesundheit fordert sachliche Debatte über psychische Krankheiten
Früher Rücken, heute Psyche?

Die Krankschrei­bun­gen von Arbeit­nehmern auf­grund psy­chis­ch­er Lei­den erre­icht­en im Jahr 2012 einen neuen Höhep­unkt. Laut aktuellem DAK-Gesund­heit­sre­port haben sich in den let­zten fünf Jahren die Fehlt­age durch Depres­sio­nen und andere psy­chis­che Krankheit­en mehr als verdoppelt.

Die Deutschen sind kein Volk von psy­chisch Kranken, darauf wies die DAK bei der Vorstel­lung ihres aktuellen Gesund­heit­sre­ports hin. Epi­demi­ol­o­gis­che Stu­di­en bele­gen: Psy­chis­che Störun­gen sind seit Jahrzehn­ten in der Bevölkerung nahezu gle­ich ver­bre­it­et. Aber: „Das Bewusst­sein und die Sen­si­bil­ität von Ärzten und Patien­ten diesen Krankheit­en gegenüber haben sich deut­lich verän­dert“, betont Her­bert Reb­sch­er, Chef der Krankenkasse DAK-Gesundheit.

Die DAK-Gesund­heit stellt fest, dass sich die Fehlt­age in den Betrieben deut­lich ver­schieben: Während sich im Jahr 1997 nur jed­er 50. Erwerb­stätige wegen eines psy­chis­chen Lei­dens krank meldete, war es bere­its jed­er 22. im Jahr 2012. Frauen waren dabei fast dop­pelt so häu­fig betrof­fen wie Män­ner. Viele Arbeit­nehmer wer­den heute mit einem psy­chis­chen Lei­den krankgeschrieben, während sie früher mit Diag­nosen wie chro­nis­che Rück­en­schmerzen oder Magenbeschw­er­den arbeit­sun­fähig gewe­sen wären. „Wir brauchen eine ehrliche und sach­liche Debat­te, um diese Entwick­lung in der Arbeitswelt richtig bew­erten zu kön­nen“, erk­lärt Reb­sch­er. „Denn die Arbeit­saus­fälle sind für Betriebe schw­er­wiegend. Psy­chis­che Erkrankun­gen dauern meist lange“. Der DAK-Gesund­heit­sre­port 2013 rollt die Diskus­sion anhand der eige­nen Kranken­stand­s­analyse sowie Befra­gun­gen von über 3.000 Arbeit­nehmern und Ärzten neu auf.
Arbeit­sun­fähigkeits­dat­en geben zuver­läs­sig Auskun­ft über das Aus­maß psy­chis­ch­er Diag­nosen bei Krankschrei­bun­gen. Sie spiegeln allerd­ings nicht zwangsläu­fig die tat­säch­liche Ver­bre­itung psy­chis­ch­er Erkrankun­gen wider. Frank Jaco­bi, Pro­fes­sor an der Psy­chol­o­gis­chen Hochschule Berlin, erläutert: „Es gibt keine Hin­weise darauf, dass heute mehr Men­schen psy­chis­che Störun­gen haben als vor zwanzig Jahren“.
Burnout ist kein Massenphänomen
Seit eini­gen Jahren läuft eine bre­ite öffentliche Debat­te über das Burnout-Syn­drom. Sie hat wesentlich dazu beige­tra­gen, die psy­chis­chen Erkrankun­gen stärk­er in den Fokus zu rück­en. Der DAK-Gesund­heit­sre­port 2013 hin­ter­fragt, ob das The­ma Burnout bei den psy­chis­chen Krankheit­en wirk­lich die Bedeu­tung hat, wie es in der öffentlichen Debat­te häu­fig scheint.
Im ver­gan­genen Jahr hat­ten die Ärzte nur bei jedem 500. Mann und jed­er 330. Frau ein Burnout auf der Krankschrei­bung ver­merkt. „Es gibt offen­sichtlich kein Massen­phänomen Burnout“, betont DAK-Chef Reb­sch­er. „Burnout ist eine Art Risikozu­s­tand und keine Krankheit“. Der Begriff sei allerd­ings durch die bre­ite Berichter­stat­tung in den Medi­en pos­i­tiv­er beset­zt und sozial akzep­tiert­er als eine Depres­sion. Burnout-Betrof­fene hät­ten in der öffentlichen Wahrnehmung meist sehr engagiert gear­beit­et und seien dadurch „aus­ge­bran­nt“. Insofern hat die öffentliche Debat­te dazu beige­tra­gen, dass Arbeit­nehmer beim Arzt leichter über psy­chis­che Beschw­er­den sprechen.
Keine eigen­ständi­ge Krankheit
In der Öffentlichkeit wird das The­ma Burnout häu­fig wie eine eigen­ständi­ge psy­chis­che Krankheit behan­delt. In der Prax­is ver­merken die Ärzte diese Zusatz­di­ag­nose auf der Krankmel­dung meist ergänzend bei Depres­sio­nen und Anpas­sungsstörun­gen. Burnout kann unter ein­er Zusatz­codierung (Z 73) auf der Krankmel­dung beglei­t­end ver­merkt wer­den. Unter dieser Zusatz­codierung wer­den „Prob­leme mit Bezug auf Schwierigkeit­en bei der Lebens­be­wäl­ti­gung“ erfasst.
Vor eini­gen Jahren spielte Burnout kaum eine Rolle. Die Zusatz­codierung wurde noch im Jahr 2004 so gut wie gar nicht auf der Krankmel­dung ver­merkt. Bis 2012 lässt sich – auch bed­ingt durch das geringe Anfangsniveau – ein steil­er Anstieg verze­ich­nen. Ins­ge­samt wer­den durch die Zusatz­codierung Krankschrei­bun­gen mit einem Vol­u­men von etwa zehn Aus­fall­t­a­gen pro 100 Erwerb­stätige begrün­det. Zum Ver­gle­ich: Die Depres­sion verur­sacht mit 85 Fehlt­a­gen pro 100 Arbeit­nehmer mehr als acht Mal so viele Ausfalltage.
Ständi­ge Erre­ich­barkeit führt zu Depression
Beru­fliche Tele­fonate außer­halb der Arbeit­szeit sind sehr viel weniger ver­bre­it­et, als die öffentliche Debat­te ver­muten lässt. Über die Hälfte (51,7 Prozent) der Befragten wer­den nie von Kol­le­gen oder Vorge­set­zten außer­halb der Arbeit­szeit angerufen. Nur ein knappes Drit­tel ist gele­gentlich (sel­tener als ein­mal pro Woche) mit Anrufen konfrontiert.
Fast jed­er Sech­ste wird jedoch ein­mal pro Woche oder öfter außer­halb der Arbeit­szeit angerufen. Alarmierend ist, dass schon ein mit­tleres Aus­maß an Erre­ich­barkeit (bis zu ein­mal pro Woche) nach Feier­abend mit einem erhöht­en Risiko ver­bun­den ist, an ein­er psy­chis­chen Störung zu erkranken. Noch höher ist das Gesund­heit­srisiko für die etwa acht Prozent der ständig erre­ich­baren Mitar­beit­er: Jed­er Vierte von ihnen lei­det unter ein­er Depres­sion. Das sind rund zwei Prozent der Arbeit­nehmer. „Für diese kleine Gruppe hat der Weg­fall der Gren­ze zwis­chen Beruf und Pri­vatleben einen hohen Preis“, betont Rebscher.
Im Ver­gle­ich zur tele­fonis­chen Erre­ich­barkeit empfind­en die Befragten die Belas­tung durch E‑Mails geringer. Auch wenn zwei Drit­tel der Beschäftigten nicht ständig per E‑Mail erre­ich­bar sind, liest mehr als jed­er Zehnte (11,7 Prozent) täglich oder fast täglich dien­stliche E‑Mails außer­halb der Arbeit­szeit. Allerd­ings fühlen sich zwei von drei dieser Per­so­n­en dadurch nicht belastet.
Psy­chis­che Prob­leme bleiben Stigma
Der DAK-Gesund­heit­sre­port zeigt fern­er, dass beim Ter­min mit ihrem Hausarzt zwei Drit­tel der betrof­fe­nen Patien­ten von sich aus psy­chis­che Erkrankun­gen als Ursache für ihr Lei­den nen­nen. Nur bei 20 Prozent der Gespräche fragte der Hausarzt selb­st nach psy­chis­chen Prob­le­men. Deut­lich häu­figer hät­ten die Medi­zin­er ihre Patien­ten auf die kör­per­lichen Belas­tun­gen der Arbeit angesprochen.
Auf­fäl­lig ist, dass das The­ma der psy­chis­chen Erkrankun­gen in der Arbeitswelt weit­er­hin stärk­er stig­ma­tisiert wird als im ver­traut­en ärztlichen Gespräch. Ein Ver­gle­ich zwis­chen 2004 und 2012 zeigt: Es find­et keine Entstig­ma­tisierung psy­chis­ch­er Erkrankun­gen im Betrieb statt. Das Ver­ständ­nis von Mitar­beit­ern und Kol­le­gen für psy­chis­che Prob­leme wird im Jahr 2012 eher pes­simistisch eingeschätzt als 2004. „Hier beste­ht drin­gen­der Hand­lungs­be­darf für Betriebe und betrof­fene Mitar­beit­er, das The­ma mehr als bish­er aus der Tabu­zone her­auszu­holen“, fordert Rebscher.
Immer weniger Platz für nicht so Leistungsfähige
Die in die aktuelle Studie ein­be­zo­ge­nen Ärzte sehen in Arbeitsverdich­tung, Konkur­ren­z­druck und lan­gen Arbeit­szeit­en eine Ursache für mehr Krankschrei­bun­gen mit psy­chis­chen Diag­nosen. Aus Sicht der Medi­zin­er gibt es für nicht so leis­tungs­fähige Mitar­beit­er immer weniger Platz in der Arbeitswelt. Prekäre und kurzfristige Beschäf­ti­gungsver­hält­nisse ver­schär­fen psy­chis­che Belas­tun­gen. Depres­sio­nen und andere seel­is­che Erkrankun­gen wer­den nach Erfahrun­gen der Ärzte vom Patien­ten immer mehr als Grund für eine Krankschrei­bung akzep­tiert. Fern­er führt fehlen­der sozialer Rück­halt außer­halb der Arbeitswelt zu man­gel­nder Wider­stands­fähigkeit gegenüber psy­chis­chen Beschwerden.
Die Branchen „Gesund­heitswe­sen“ sowie „Öffentliche Ver­wal­tung“ weisen über­pro­por­tion­al viele Fehlt­age auf­grund psy­chis­ch­er Erkrankun­gen auf.
Für den Gesund­heit­sre­port hat die DAK-Gesund­heit die Krankschrei­bun­gen von 2,7 Mil­lio­nen erwerb­stäti­gen Ver­sicherten mit Hil­fe des IGES Insti­tuts aus Berlin ausgewertet.
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