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Gefährdungen in Kanälen und Schächten

Abwassertechnik
Gefährdungen in Kanälen und Schächten

In Kanal­i­sa­tion­san­la­gen und Schächt­en kom­men Unfälle durch gefährliche Atmo­sphäre glück­licher­weise nicht mehr so häu­fig vor wie früher. Wenn es jedoch dort solche Unfälle gibt, sind diese meis­tens sehr schw­er­wiegend, oft sog­ar tödlich. Der fol­gende Beitrag zeigt Unfall­beispiele, und was immer zu tun ist, um die vorhan­de­nen Gefahren zu minimieren.

Gefährdun­gen in Kanälen und Schächt­en der Abwassertech­nik und in Stollen und Schächt­en auf Deponien ergeben sich ins­beson­dere durch die räum­liche Geome­trie der Bauw­erke und die speziellen Risiken durch eine Atmo­sphäre, die tödlich sein kann. Aus diesem Grund müssen die Anla­gen und Bauw­erke so kon­stru­iert wer­den, dass Per­so­n­en sie, soweit nach dem Stand der Tech­nik möglich, nicht betreten müssen. Hierzu gehört es auch, Arbeitsver­fahren für die Inspek­tion und Wartung auszuwählen, bei denen ein Ein­stieg von Per­so­n­en nicht erforder­lich ist.
Bei diesen Arbeit­en kön­nen unvorherse­hbare Kom­p­lika­tio­nen auftreten, die trotz­dem einen Ein­stieg erfordern. Für diesen Fall müssen die gle­ichen Sicher­heits­maß­nah­men vorge­hal­ten wer­den, wie für einen geplanten Einstieg.
Unfall­beispiele:
  • Zwei Beschäftigte ein­er Kläran­lage bewässerten einen Rasen, als sie zu einem ver­stopften Kanal gerufen wur­den. Ein Beschäftigter stieg ohne Sicherungs­maß­nah­men in den Kanalschacht ein um die Ver­stop­fung­sur­sache festzustellen. Der Kanal war sauber, allerd­ings lagen einige Beton­bruch­stücke, die nach ein­er Bau­maß­nahme liegen gelassen wur­den, auf dem Schacht­grund. Diese Stücke wur­den ohne Sicherungs­maß­nah­men manuell ent­fer­nt. Danach wurde der Kanal mit Hochdruck gere­inigt. Nach dem Ende der Arbeit­en fiel einem der Beschäftigten die explo­sion­s­geschützte Kanalleuchte beim Aufwick­eln eines Schlauch­es in den Kanalschacht. Er stieg in den optisch sauberen Schacht ein und wurde kurze Zeit später tot gebor­gen. Er hat­te Faul­gas eingeat­met. Bei diesem Unfall zeigt sich, wie uner­wartet eine gesund­heitss­chädliche und tödliche Atmo­sphäre auftreten kann.
  • Ein Tief­bau­un­ternehmen war über mehrere Tage mit Reparat­u­rar­beit­en an einem Kanal beschäftigt. An einem Mon­tag­mor­gen ließ der Schacht­meis­ter, wie schon so oft, seinen Fach­w­erk­er, mit einem Han­f­seil um den Brustko­rb gesichert, die Steigeisen hinab. Dem Fach­w­erk­er wurde übel, er stieg hoch, sein Kopf ragte schon aus dem Kanal, als er ohn­mächtig wurde und abstürzte. Er kon­nte nur noch tot gebor­gen wer­den. Dieser Unfall zeigt, dass die Beschäftigten einen Teil der Gefährdun­gen kan­nten (Absturzge­fahr), hier­für allerd­ings eine völ­lig ungeeignete Schutz­maß­nahme ein­set­zten. Der Schacht­meis­ter kon­nte die Hal­tekraft nicht aufbringen.
  • Ein Mitar­beit­er stieg in einen Schieber­schacht ein­er Abwasser­druck­rohrleitung ein. Der Schacht war trock­en und sauber. Doch plöt­zlich stand er in Flam­men! Trotz Ret­tungsver­suchen ver­starb er noch an der Unfall­stelle. Im Nach­hinein wurde in dem Schacht eine Sauer­stof­fkonzen­tra­tion von mehr als 30% fest­gestellt, zum Unfal­lzeit­punkt kann sie sog­ar noch höher gewe­sen sein. Dieser Sauer­stoff wurde cir­ca drei Kilo­me­ter von dem Unglück­sort in die Leitung zur Geruchs­be­sei­t­i­gung injiziert. Hätte man dazu Luft anstatt Sauer­stoff ver­wen­det, wäre der Unfall nicht geschehen. Bei sehr hohen Sauer­stof­fkonzen­tra­tio­nen und ölbeschmutzter Klei­dung kann alleine schon die Umge­bung­stem­per­atur die Zündquelle sein!
Ursachen:
Bei den meis­ten tödlichen Unfällen in den beschriebe­nen Arbeits­bere­ichen liegt die Ursache in der tox­is­chen Wirkung (Vergif­tung) der eingeat­meten Atmo­sphäre oder am Sauer­stoff­man­gel. Unfälle durch Explo­sio­nen führen vor­wiegend zu Sach­schä­den, weil die Per­so­n­en in der Regel längst vergiftet oder erstickt sind, bevor die untere Explo­sion­s­gren­ze erre­icht wird.
Gase und Gas­gemis­che, die schw­er­er als Luft sind, bleiben in umschlosse­nen Räu­men liegen. Die eventuell vorhan­dene natür­liche Lüf­tung reicht oft nicht aus, um sie zuver­läs­sig zu beseitigen.
Bei Gas­gemis­chen ist die Dichte, je nach Gaszusam­menset­zung, unter­schiedlich. Faul­gas ist zum Beispiel ein Gas­gemisch (u.a. aus Methan (CH4), Kohlen­diox­id (CO2), Schwe­fel­wasser­stoff (H2S), Sauer­stoff (O2), Wasser­stoff (H2)), das in unter­schiedlich­sten Zusam­menset­zun­gen vorkom­men kann. Die Dichte von Faul­gas wird fast nur von dem Ver­hält­nis CH4/CO2 bes­timmt. Es kann sowohl schw­er­er als auch leichter als Luft sein. Faul­gas, das unkon­trol­liert entste­ht, ist meis­tens schw­er­er als Luft.
Ein Gas­gemisch ent­mis­cht sich alleine auf­grund der Ein­wirkung der Schw­erkraft nicht. Methan (CH4), das leichter als Luft ist, steigt als Bestandteil eines Faul­gas­es nicht nach oben, son­dern bleibt im Faul­gas enthal­ten und führt zu Explo­sion­s­ge­fahren in umschlosse­nen Räumen.
Wichtig zu wis­sen: Beim Faul­gas treten die tox­is­chen Wirkun­gen der einzel­nen Kom­po­nen­ten in Kom­bi­na­tion auf.
Über die Kom­bi­na­tion­swirkung auf den Men­schen liegen zurzeit aber keine detail­lierten Erken­nt­nisse vor.
Woher kommt das Gas?
In umschlosse­nen Räu­men von abwassertech­nis­chen Anla­gen kön­nen Flüs­sigkeit­en, Gase und Dämpfe durch unzuläs­sige Ein­leitun­gen oder bei Stör­fällen einge­bracht wer­den oder infolge von natür­lich ablaufend­en chemis­chen bzw. biol­o­gis­chen Reak­tio­nen entste­hen. In der Regel resul­tieren daraus fol­gende Gefahren:
  • Sauer­stoff­man­gel (O2-Man­gel)
  • Ben­zindämpfe oder Dämpfe ander­er brennbar­er Flüssigkeiten
  • Kohlen­stoff­diox­id (CO2)
  • Schwe­fel­wasser­stoff (H2S)
  • Methan (CH4)
Vorschriften:
  • Für abwassertech­nis­che Anla­gen gilt die Regel „Arbeit­en in umschlosse­nen Räu­men von abwassertech­nis­chen Anla­gen“, GUV‑R/BGR-126.
  • Für Deponien gilt die Regel für „Deponien“, GUV‑R/BGR-127.
  • Für alle Bere­iche gilt die BG-Regel „Behäl­ter, Silos und enge Räume“, BGR 117-T1.
Generell gilt immer: Vor Beginn der Tätigkeit­en muss vom Arbeitgeber/Unternehmer eine Gefährdungs­beurteilung nach dem Arbeitss­chutzge­setz erstellt wer­den, worin alle rel­e­van­ten Gefährdun­gen und die daraus abgeleit­eten Maß­nah­men beschrieben sind. Diese Auf­gabe kann er auf geeignete Führungskräfte über­tra­gen. Die Zusam­me­nar­beit mit Fremd­fir­men muss koor­diniert wer­den. Ins­beson­dere die Regelun­gen der Gefahrstof­fverord­nung, der Betrieb­ssicher­heitsverord­nung und der BioStof­fV müssen dabei berück­sichtigt sein.
Im Hin­blick auf den Explo­sion­ss­chutz sei auf die Tech­nis­chen Regeln der Rei­he TRBS 2152 und für die Ex-Zonenein­teilung im Bere­ich abwassertech­nis­ch­er Anla­gen auf Ziff. 4.1 der Beispiel­samm­lung der BGR-104 hingewiesen.
Bespiele für Schutzmaßnahmen
Organ­isatorische Maßnahmen:
Schon bei der Pla­nung und dem Bau von Anla­gen sind die Aspek­te zu berück­sichti­gen, die die Notwendigkeit für Arbeit­en in diesen Bere­ichen bzw. die Gefährdun­gen reduzieren. Die Beschrei­bun­gen bei der Auf­tragsver­gabe und auch schon bei der Auss­chrei­bung sind hier­für entscheidend!
Betrieb­san­weisung, Erlaubnisschein
Vor Beginn der Arbeit­en hat der Unternehmer in Betrieb­san­weisun­gen Maß­nah­men festzule­gen, die ein sicheres Arbeit­en gewährleis­ten. Für beson­dere Einzelfälle hat er Erlaub­niss­cheine schriftlich zu erteilen.
Freimessen
Der Unternehmer darf mit dem Freimessen nur Per­so­n­en beauf­tra­gen, die über die erforder­liche Sachkunde verfügen.
Messergeb­nisse, die auf gefährliche Atmo­sphäre hin­weisen, sind zu dokumentieren.
Lüf­tung:
Vor Auf­nahme und während der Arbeit­en muss durch Lüf­tung sichergestellt sein, dass an den Arbeit­splätzen in u. R. a. A. (umschlossen­er Raum abwassertech­nis­ch­er Anla­gen) keine gefährliche explo­sions­fähige Atmo­sphäre, kein Sauer­stoff­man­gel und keine Gase oder Dämpfe in gesund­heitss­chädlich­er Konzen­tra­tion auftreten.
Biol­o­gis­che Arbeitsstoffe
Um Gefährdun­gen durch biol­o­gis­che Arbeitsstoffe zu ver­mei­den, müssen geeignete Maß­nah­men ergrif­f­en werden.
Siehe hierzu: Sicher­heit und Gesund­heit bei Tätigkeit­en mit biol­o­gis­chen Arbeitsstof­fen in abwassertech­nis­chen Anla­gen TRBA 220
Elek­trische Gefährdungen
In u. R. a. A. kann eine erhöhte Gefährdung durch elek­trischen Strom infolge der Leit­fähigkeit von Ober­flächen (z.B. feuchte Wände) bestehen.
Gefährdung bei stark­er Wasserführung
Vor Beginn der Arbeit­en sind Schutz­maß­nah­men zu tre­f­fen, um Gefährdun­gen durch die Wasserzuführung zu vermeiden.
Ret­tung
Der Unternehmer hat dafür zu sor­gen, dass die Ver­sicherten bei einem Not­fall in u. R. a. A. die Ret­tungs­maß­nah­men selb­st ein­leit­en können.
Da die tox­is­che Wirkung von z.B.: Faul­gasen sehr schnell ein­tritt, kann man nicht bis zum Ein­tr­e­f­fen der Feuer­wehr warten. Die Betrof­fe­nen müssen sofort aus dem Gefahren­bere­ich geholt werden.
Über­sicht der Vor­sorge- und Ret­tungs­maß­nah­men beim Ein­steigen in umschlossene Räume von abwassertech­nis­chen Anlagen
1m – 5m:
  • Ein Alarm- und Ret­tungs­plan muss vorhan­den sein.
  • Eine Ret­tungsaus­rüs­tung muss vorhan­den sein.
  • Sicherung der Arbeitsstelle.
  • Min­destens eine zweite Per­son muss über Tage anwe­send sein (Sicherungsposten).
  • Freimessen mit geeigneten Messver­fahren, wie z.B. kon­tinuier­liche Mes­sun­gen mit direk­tanzeigen­den Mehrfach-Mess­geräten (z.B. CH4, H2S, O2, CO2), ggf. tech­nis­che Lüftung.
  • Beurteilung, ob noch weit­ere Maß­nah­men auf Grund beson­der­er Gefahren notwendig sind (ggf. Erlaub­niss­chein erstellen).
  • Ret­tungs-/Auf­fang­gurt muss von jedem Ein­steigen­den getra­gen werden.
  • Ständi­ge Seil­sicherung, z.B. Höhen­sicherungs­gerät mit inte­gri­ert­er Ret­tung­shubein­rich­tung und Dreibock.
  • Die Per­so­n­en sollen in ständi­ger Sichtverbindung ste­hen, min­destens aber durch Zuruf oder auf andere Weise sich ver­ständi­gen können.
  • Ist ein Lösen der Seil­sicherung aus betrieblichen Grün­den erforder­lich (z.B. bei einem Aufen­thalt in Räu­men größer­er Aus­dehnung oder mit erschw­erten Fluchtwe­gen) sind frei trag­bare, von der Umge­bungsluft unab­hängig wirk­ende Atem­schutzgeräte (Selb­stret­ter) zur Selb­stret­tung mitzuführen.
  • Beim Öff­nen von geschlosse­nen Sys­te­men muss ein von der Umge­bungsluft unab­hängig wirk­endes Atem­schutzgerät getra­gen werden.
5m – 10m
Zusät­zlich zu den Maß­nah­men für 1 – 5 m:
per­sön­liche Schutzaus­rüs­tung gegen Absturz ver­wen­den. Bei Deponi­eschächt­en müssen Ein­fahrein­rich­tun­gen ver­wen­det werden.
> 10 m
Zusät­zlich zu den Maß­nah­men für
5 – 10 m:
bei Schächt­en ohne Zwis­chen-/Ruhe­p­odeste müssen Ein­fahrein­rich­tun­gen auch bei abwassertech­nis­chen Anla­gen ver­wen­det werden.
Ger­hard Roß
Unfal­lka­sse Nordrhein-Westfalen
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