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Während Arbeitssicherheitsakteure innerhalb ihrer Werke in Bezug auf die Sicherheit deutliche Verbesserungen erzielen, hatten sie bisher keinen Einfluss auf Unfallgeschehen der Beschäftigten auf dem Arbeitsweg. Dabei liegt hier ein Gefahrenschwerpunkt: Gut 185.000 Menschen wurden im Jahr 2013 auf dem Weg von oder zur Arbeit verletzt. Daher schlossen sich verschiedene regionale Akteure in der Metropolregion Rhein-Neckar zusammen und gewannen 2013 mit ihrer Initiative „Sicherer Arbeitsweg“ den Wettbewerb „Unterwegs – aber sicher!“.
Andrea Stickel
Das Konzept hat sich bewährt und wird von den Projektpartnern weiter verfolgt. Die Idee: Jedes einzelne Unternehmen hat nur begrenzte Möglichkeiten, um die Verkehrssicherheit auf dem Arbeitsweg zu erhöhen – gemeinsam können sie viel bewirken. Um diese Herausforderung erfolgreich anzugehen, müssen viele Protagonisten in einer Region als Partner zusammenarbeiten. Eine solche Zusammenarbeit hat sich in der Metropolregion Rhein-Neckar etabliert.
Das Ziel: weniger Unfälle
Bereits im Jahr 2009 fand sich ein Steuerungskreis zusammen, der aus folgenden Teilnehmern besteht: den Industrie- und Handelskammern Rheinhessen, Rhein-Necker und Pfalz, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, der Metropolregion Rhein-Neckar sowie rund 30 großen Unternehmen dieser Region. Dazu zählen etwa ABB, BASF, Evonic und SAP.
Die Partner haben das gemeinsame Ziel, die Wegeunfälle zu reduzieren. Und so stellen sie gemeinsame Verhaltensempfehlungen auf wie zum Beispiel, dass Fahrradfahrer konsequent Schutzhelme tragen sollen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Sensibilisierung der Beschäftigten in der Region zu sicherem Verhalten auf ihren Arbeitswegen.
Verschiedene Maßnahmen sollen Wegeunfälle verhindern.
Das Ergebnis besteht aus mehreren Modulen:
- 1. Regelmäßiger Best-Practice-Austausch zwischen den Unternehmen
- 2. Vorträge zu sicherem Verhalten auf Verkehrs- und Arbeitswegen
- 3. Gemeinsame Sicherheitsaktionen in der Metropolregion
- 4. Aufbau eines Netzwerks zum Thema „Sicherer Arbeitsweg“
Gefahrenstellen entschärft
Im Rahmen von umfassenden Mobilitätsumfragen wurden auch Punkte zum Thema Verkehrssicherheit aufgenommen. Die Beschäftigten wurden etwa gefragt, wo sie Sicherheitsprobleme auf ihrem Weg zur Arbeit sehen. Daneben wurde das Mobilitätsverhalten der Beschäftigten im Berufsverkehr erfasst, subjektive Gefahrenstellen in der Region identifiziert und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung abgeleitet. Dabei werteten die Experten fast 9.000 Fragebögen aus. Es zeigte sich, dass teilweise bekannte Gefahrenstellen bestätigt wurden und sich die amtlichen Unfallkarten ergänzen lassen. Aber auch recht einfach zu lösende Fälle wurden genannt. So endet beispielsweise beim Netzwerkpartner AbbVie eine Spätschicht um 22:30 Uhr – die Fußgängerampel wurde aber schon um 22:00 Uhr ausgeschaltet. Es genügte quasi ein Anruf, um diese potenzielle Gefährdung zu vermeiden. Heute läuft die Ampel bis 23:00 Uhr. Wenn eine Verbesserung der Straßen und Wege aus technischen oder Kostengründen nicht möglich ist, suchen die Partner nach anderen Lösungen. Dies kann etwa das Aufzeigen alternativer sicherer Wege sein, oder der gezielte Einsatz von Öffentlichem Nahverkehr.
Mehr Zeit, mehr Sicherheit
Die Verkehrspsychologen sind sich einig, dass neben den technischen Maßnahmen insbesondere am Verhalten der Menschen im Straßenverkehr angesetzt werden muss. „Wichtige Faktoren sind dabei beispielsweise die Vermeidung von Zeitdruck sowie die Stärkung von Risikowahrnehmung, Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme“, weiß Dr. Volker Wittneben, Präventionsleiter im Landesverband Südwest der Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV).
Austausch unter Fachkollegen
Ein wichtiger Punkt bestand darin, es Fachkräften für Arbeitssicherheit (SIFAs) zu ermöglichen, sich unternehmensübergreifend zu vernetzen. Damit entstand Raum für Erfahrungsaustausch, für gegenseitige Unterstützung und das Teilen von Best Practice-Lösungen. Hier können die SiFas zum Beispiel über einen gelungenen Verkehrssicherheitstag berichten – und anderen SiFas Tipps für die Organisation geben.
Kollegiale Unterstützung durch SiBe
Präventionsleiter Dr. Volker Wittneben berichtet, dass die Sicherheitsbeauftragten einen besonders wichtigen Baustein im Arbeitsschutzsystem bilden. Sie unterstützen die Arbeit der Vorgesetzten und der Fachkräfte für Arbeitssicherheit vor Ort an den Arbeitsplätzen. „Sie kennen die auszuführenden Arbeiten besser als jeder Außenstehende und stehen als Kollegen den anderen Kollegen mit Rat und Tat zur Seite.“
Plakate als Reaktion auf Unfallanalysen
Verhaltensänderungen benötigen bekanntlich viel Geduld und eine breit gefächerte Ansprache: Die Initiative organisierte Plakataktionen und Verkehrssicherheitstage. Zudem fördert sie sichere Verkehrsmittel und Fahrgemeinschaften und gibt Tipps und Empfehlungen zur Unfallprävention auf Arbeitswegen. So werden mittlerweile in der Metropolregion Rhein-Neckar über 700 Plakate an ausgewählten Standorten für jeweils zwei Wochen aufgestellt. Die Aufstellungsorte legen die teilnehmenden Firmen aufgrund der Rückmeldungen ihrer Beschäftigten direkt mit einem Plakatierer selbst fest. Die Unternehmen tragen dann auch nur die Kosten der von ihnen bestellten Plakate. Ergänzt wird das Angebot durch Hintergrundinformationen zu den einzelnen Motiven, sodass die Plakate auch innerbetrieblich für Gespräche mit den Beschäftigten eingesetzt werden können. Dr. Volker Wittneben erläutert: „Bei den Motiven greifen wir die Schwerpunkte der Unfallanalysen auf und kombinieren sie mit einem charakteristischen Verkehrsmittel und einer jahreszeitlichen Situation.“ So entstanden in einem kleinen Arbeitskreis Motive, die zum Beispiel zu mehr Aufmerksamkeit im Straßenverkehr anregen und für die Gefahren bei der Verwendung von Mobiltelefonen während der Fahrt oder für das richtige Verhalten bei Glätte und Dunkelheit sensibilisieren.
Aktion wird fortgesetzt
„Der Erfolg zeigt sich nicht flüssig und direkt – wir können nur vermuten, dass sich die Sicherheit verbessert hat. Aber: Wenn wir nur ein paar Unfälle verhindern, waren unsere Bestrebungen erfolgreich“, berichtet Jürgen Vogel, Leiter der IHK Pfalz. Und so laufen auch im Jahr 2015 die Aktivitäten weiter. Es gibt eine aktuelle Plakataktion mit neuen Motiven. Neue Akteure schließen sich dem Netzwerk an und es werden gemeinsam neue Ideen geprüft und umgesetzt.
Informationen:
Schriftenreihe Verkehrssicherheit 14: „Risiko raus“ – Fachliche Beiträge zu Themen der Kampagne, www.dvr.de/betriebe_bg/daten/studien2042.htm
Expertenrat
„Auch wenn die Kampagne schon ein paar Jahre zurückliegt, finden Sicherheitsbeauftragte hier noch wichtige Hinweise für relevante Verkehrssicherheitsthemen. Die Inhalte der Broschüre ‚Risiko raus!‘ könnte man als Leitgedanken für die Betriebliche Verkehrssicherheit bezeichnen.“
Expertenrat
„Die Maßnahmen sollten naheliegend, greifbar und finanzierbar sein. Bei der Entschärfung von Gefahrenstellen haben wir immer so realistisch wie möglich über kleine Maßnahmen nachgedacht: Hier eine verbesserte Markierung für den Radweg, dort eine Hecke, die gestutzt wurde, um die Sichtachse zu verbessern.“
Expertenrat
„Bei Verkehrssicherheitstagen soll die praktische Selbsterfahrung im Vordergrund stehen. Keine theoretische Information ist so überzeugend wie die Benutzung eines Kippsimulators oder des Gurtschlittens, wenn es um die Verwendung von Rückhaltesystemen, also zum Beispiel Sicherheitsgurten in Fahrzeugen, geht.“
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