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Immer älter, immer weniger, öfters krank

Öffentlicher Dienst
Immer älter, immer weniger, öfters krank

Immer älter, immer weniger, öfters krank
Viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes fühlen sich mit komplexen Entscheidungen und Problemen alleingelassen. Foto: © Dan Race – Fotolia.com
Der Staat ist längst kein Muster­ar­beit­ge­ber mehr. Per­son­al­ab­bau, Über­al­terung der Belegschaften und zahlre­iche Reor­gan­i­sa­tion­sprozesse führen zu hohem Druck auf Beschäftigte. Folge: Der öffentliche Dienst zählt zu den Branchen mit den höch­sten Krankenständen.

Wegen Krankheit fehlte zum Beispiel der durch­schnit­tliche AOK-Ver­sicherte 2011 an elf Tagen im Betrieb. Beschäftigte der Bun­desver­wal­tung kom­men dage­gen auf 19 Krankheit­stage. Um Erk­lärun­gen dafür zu find­en, haben Sebas­t­ian Bran­dl, Pro­fes­sor für Arbeitssozi­olo­gie in Schw­erin, und der Poli­tologe Bern­hard Stel­zl die neusten Stu­di­en zur Arbeit im öffentlichen Dienst aus­gew­ertet. Ihre Gesamtschau zeigt: Von geruh­samen Tagen in der Amtsstube kann bei den meis­ten Staats­be­di­en­steten keine Rede sein.

Per­son­al­ab­bau
Seit Anfang der 1990er-Jahre ist im zivilen öffentlichen Dienst mehr als jede zehnte Stelle wegge­fall­en. Berech­nun­gen ergeben, dass im staatlichen Sek­tor heute knapp 100.000 Stellen fehlen. Berück­sichtigt man, dass rund ein Drit­tel der öffentlich Bedi­en­steten in Teilzeit arbeit­et, dürfte der zusät­zliche Per­son­albe­darf noch höher aus­fall­en. Auch wenn sich die Bedin­gun­gen in den ver­schiede­nen Ver­wal­tun­gen, in Schulen, Feuerwachen oder Kranken­häusern nicht ohne weit­eres ver­gle­ichen lassen, kon­sta­tieren Bran­dl und Stel­zl: „Der Rück­gang der Beschäftigten­zahlen legt einen Anstieg der Belas­tun­gen nahe.“
Junge fehlen
Per­son­al baut der Staat vor allem dadurch ab, dass er auf Neue­in­stel­lun­gen verzichtet. Entsprechend stieg das Durch­schnittsalter im öffentlichen Dienst über den Wert der übri­gen Erwerb­s­bevölkerung. 2010 lag es mit gut 45 um drei Jahre höher. Ein­er Prog­nose zufolge dürften 2020 bere­its 42 Prozent aller Beschäftigten der Bun­desver­wal­tung über 50 sein. Diese Entwick­lung hal­ten die Autoren aus zwei Grün­den für prob­lema­tisch: Erstens schla­gen beru­fliche Belas­tun­gen bei älteren Beschäftigten häu­figer auf die Gesund­heit durch. Zweit­ens kön­nte der Staat Nach­wuch­sprob­leme bekom­men, wenn die näch­sten Pen­sion­ierungswellen anrollen.
Neue Arbeits­for­men
Bil­liger und bürg­er­fre­undlich­er sollte der öffentliche Dienst durch zahlre­iche Umbaut­en in den ver­gan­genen bei­den Jahrzehn­ten wer­den. Für die Beschäftigten bedeutete das häu­fig „erhe­bliche Mehranstren­gun­gen und Verun­sicherun­gen“. Mit der Ver­wal­tungsmod­ernisierung ging vielfach eine „erzwun­gene Sub­jek­tivierung der Arbeit“ ein­her, wie Sozi­olo­gen beobachtet haben. Was zunächst gut klingt – größere Entschei­dungsspiel­räume, weniger Detail­vorschriften -, erweist sich im All­t­ag viel­er Beschäftigter als erhe­bliche Erschw­er­nis: Sie fühlen sich mit kom­plex­en Entschei­dun­gen und Prob­le­men allein­ge­lassen. Auch neue Ansätze zu leis­tung­sori­en­tiert­er Bezahlung scheinen nach Befra­gun­gen von Arbeit­nehmern, Per­son­al­räten und Arbeit­ge­bern nicht die erwün­scht­en Erfolge zu brin­gen. Statt die Moti­va­tion zu erhöhen wer­den solche Instru­mente häu­fig als Aus­druck eines Mis­strauens des Arbeit­ge­bers gegenüber der eige­nen Leis­tungs­bere­itschaft wahrgenommen.
Psy­chis­che Belastungen
Die regelmäßi­gen Beschäftigten­be­fra­gun­gen der Bun­de­sanstalt für Arbeitss­chutz und Arbeitsmedi­zin weisen aus, dass einige Arten von Arbeit­san­forderun­gen und entsprechende psy­chis­che Belas­tun­gen im Staats­di­enst aus­geprägter sind als in der übri­gen Wirtschaft, etwa: ohne hin­re­ichende Schu­lung neue Auf­gaben übernehmen, Ver­fahren verbessern und vieles gle­ichzeit­ig machen. Die Folge sind über­durch­schnit­tlich häu­fige Kopf­schmerzen, Schlaf­störun­gen, Ner­vosität und Reizbarkeit. Da ältere Beschäftigte von solchen Symp­tomen öfter betrof­fen sind als jün­gere, dürfte dies ein Fak­tor zur Erk­lärung der hohen Kranken­stände in vie­len öffentlichen Ein­rich­tun­gen sein. Eine indi­vidu­elle Strate­gie zur Bewäl­ti­gung über­fordern­der Jobs ohne dauernde Krankheit kann Teilzeitar­beit sein. Zumin­d­est für den Pflege­bere­ich liegen Stu­di­en vor, die dies nahele­gen: Die Arbeit­szeit wird nicht nur aus famil­iären Grün­den verkürzt, son­dern auch um den Job über­haupt aushal­ten zu können.
Zwar existieren beim früheren Muster­ar­beit­ge­ber öffentlich­er Dienst dur­chaus Pro­gramme zur betrieblichen Gesund­heits­förderung, so Bran­dl und Stel­zl. Allerd­ings han­dele es sich dabei regelmäßig um Par­al­lel­sys­teme, „die nicht mit den Prozessen, der betrieblichen Arbeits- und Leis­tungsreg­ulierung verknüpft sind“. „Ver­hal­tensori­en­tierte Maß­nah­men“ gin­gen oft am „ver­hält­nisori­en­tierten Hand­lungs­be­darf“ vor­bei. Sprich: Sie set­zen auf Aus­gle­ichs- und Bewäl­ti­gungsstrate­gien und nicht darauf, die Arbeit von Anfang so zu gestal­ten, das sie nicht krank macht. Dazu wäre allerd­ings vielerorts mehr Per­son­al nötig.
Quelle: Sebas­t­ian Bran­dl, Bern­hard Stel­zl: Arbeits­be­din­gun­gen und Belas­tun­gen im öffentlichen Dienst, Arbeitspa­pi­er der Hans-Böck­ler-Stiftung Nr. 290, Sep­tem­ber 2013.
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