2012 gab es in Deutschland rund 970.000 meldepflichtige Arbeitsunfälle. Gerade das Lager ist mit seinen Regalen und Transportsystemen nicht ungefährlich. Arbeitgeber müssen Konsequenzen fürchten, wenn sie ihre Beschäftigten gefährden. Dabei lassen sich viele Unfälle leicht verhindern.
Tonnenschwere Kartons auf dem obersten Regalboden, großes, aber trotzdem leichtes Gebinde ganz unten. Diese Fehler machen unerfahrene Lagermitarbeiter öfters. Auf diese Art passieren in deutschen Lagerräumen viele Unfälle. Denn obwohl extrem stabil, fallen Regale schneller um, als den Lagermitarbeitern klar ist. Das weiß Michael Schröter wie kaum ein anderer. Der Produktverantwortliche Arbeitssicherheit kümmert sich mit rund 580 anderen Fachkräften für Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizinern im Fachbereich Industrie, Bau und Immobilien der Dekra Automobil GmbH um das Thema Arbeit und Gesundheit. Seit 20 Jahren ist er im Geschäft und berät Arbeitgeber, Betriebs- und Personalräte, Führungskräfte und Mitarbeiter darin, Arbeiten sicherer zu machen.
Grundvoraussetzung für die Sicherheit der Regale ist, dass sie entsprechend den Angaben der Hersteller aufgebaut werden. Das sie lotrecht auf stabilem Boden stehen, ist noch das Geringste. Wer Höhen der Regalböden oder auch die Anzahl der Fächer ändert, kann die Tragfähigkeit des Regals stark beeinflussen und destabilisiert dann die Konstruktion insgesamt. Auf einen Anfahrschutz für Flurförderfahrzeuge zu verzichten, wäre fahrlässig. „Denn kommt es zum Zusammenstoß von Regal und Transporter, kann das Regal beschädigt werden, auch wenn die Schäden zunächst kaum sichtbar sind.“ Mitarbeiter müssten nach solchen Unfällen das Regalsystem genau auf Schäden untersuchen und auch Kleinigkeiten reparieren.
Gefährliche Instabilität
Zu stark, asymmetrisch oder mit Überhang beladene Regale führen zu gefährlicher Instabilität. „Nicht selten fällt die Ware herunter, wird beschädigt oder verletzt Personen“, erzählt der 52-Jährige weiter. Die Vorgaben des Gesetzgebers sind hier glasklar. „Unternehmer stehen immer in der Verantwortung. Sie müssen grundsätzlich die Sicherheit der Arbeitsumgebung sicherstellen und dafür sorgen, dass ihre Leute Arbeits- und Betriebsmittel ordnungsgemäß verwenden.“
So müssen Arbeitgeber für alle Bereiche zunächst eine Gefährdungsbeurteilung erstellen und schriftlich regeln, wie Gefährdungen zu begegnen ist. Dabei können sie Aufgaben an geeignete Mitarbeiter delegieren.
Liegt die Gefährdungsbeurteilung beispielsweise bei einer Betriebsbesichtigung durch die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Aufsichtsdienste nicht vor, drohen Bußgelder.
Mitarbeiter sensibilisieren
Egal ob Paletten‑, Kragarm‑, Einfahr- oder Durchlaufregal: Unternehmer müssen ihre Lager prüfen lassen und das dokumentieren. Es gibt zwei verschiedene Prüfungen: Zum Einen die Experteninspektionen durch eine befähigte Person, die einmal jährlich durchgeführt werden müssen. Zum Anderen Inspektionen und Sichtprüfungen, die in kürzeren Zeitabständen erfolgen sollten.
Während interne Prüfungen in der Regel hauseigene, speziell weitergebildete Mitarbeiter machen, nutzen Unternehmen für die Experteninspektion oft Sachverständigenorganisationen wie die Dekra, erfahrene Monteure der Hersteller, Wartungsfirmen oder entsprechend qualifiziertes Personal des Betreibers. Nicht nur die Qualifikation der Prüfer ist wichtig. „Die Prüfer dürfen in keinem Fall beeinflusst, unter Druck gesetzt oder benachteiligt werden“, betont Schröter. Insgesamt sei das Prüfen jedoch kein Hexenwerk. Schon mit gesundem Menschenverstand ließen sich 90 Prozent aller Schäden erkennen. „Die Mitarbeiter müssen aber dafür sensibilisiert und entsprechend eingewiesen werden. Die Betriebsanweisungen und Unterweisungen sind die ganze Kunst.“
Wartung ist wichtig
Da Unternehmen in jedem Fall Geld für die Sicherheit in ihrem Lager ausgeben müssen, ist die Frage, auf welche Art sie dabei sparen können: Wie so oft im Paket. Denn neben den Regalen selbst sind auch Fenster, Türen und Tore prüfungspflichtig. „Unternehmer zahlen für Prüfungen und Wartungen ihrer Lager, Tore und so weiter eine Menge. Oft sind zu viele Servicebetriebe an einem Objekt tätig, das lässt sich reduzieren“, sagt Matthias Vossenkuhl. Die Erfahrung des technischen Unternehmensberaters: „Viel zu oft kaufen Unternehmer externes Know-how falsch ein. Durch die Bündelung von Wartungs- und Prüfungsarbeiten lassen sich Synergieeffekte erzielen.“ Werden etwa Tore nicht fachgerecht gewartet, sei der Verschleiß höher. „Ein neues Tor wird dann schneller fällig. Von den Gefahren durch Fehlfunktionen für Mensch, Maschine oder Waren ganz zu schweigen.“
Wer seine Prüfungen auslagere, sollte Dienstleister wählen, die auch eine Mängelbehebung anbieten. Vossenkuhls Tipp: „Machen Sie mit Ihrem Dienstleister eine Bestandsaufnahme.“ Welche Anlagen liegen vor; Wie sieht der Service aus und welche Wartungskosten fallen an. Sinnvoll sei zudem, die Prüfbücher zur Hand zu haben, damit klar werde, was bereits repariert wurde. Derzeit hat der Geschäftsführer von Visio 24 an die 50 Servicelizenznehmer, die auch herstellerunabhängige Wartungsarbeiten rund ums Gebäude ausführen können. Denn der gelernte Schreiner und Handelsfachwirt hat sich seit dem Jahr 2001 auf Dienstleistungen im Handwerk spezialisiert. „Überall, wo Personen unterwegs sind, müssen Regale, Tore, Türen und Fenster geprüft und gewartet werden“, sagt der 37-Jährige.
Alle Sicherheitsaspekte versucht deshalb etwa Markus Klein im Blick zu behalten. „Theoretisch bräuchte ein Mittelständler gerne mal 30 Sicherheitsbeauftragte, um alle Aspekte qualifiziert abzudecken. Mehr als manches Unternehmen Mitarbeiter hat“, sagt der Prokurist des IT-Dienstleisters Bükotec. Am Standort Altdorf sind auf 30 Quadratmetern Lagerfläche immerhin Waren im fünfstelligen Bereich gelagert. Von Mäusen über Tastaturen bis zu Tonern. Auch Klein inspiziert sein Lager regelmäßig. Schwerer als die Vorschriften der Berufsgenossenschaft wiegen für ihn jedoch Auflagen von Versicherungen. Klein: „Vergitterte Fenster, Metalltüren und Sicherheitsschlösser sind bei uns Pflicht.“ Aufgrund möglicher Wasserschäden dürfen Regalböden zudem erst 15 Zentimeter über dem Boden montiert werden.
Und im 200 bis 300 Quadratmeter großen Zwischenlager nebenan wird zudem Hardware entsprechend den Kundenwünschen zusammengestellt oder eingerichtet. „Hier arbeiten wir als IT-Experten mit Zugriffskontrollen und Videoüberwachung und dokumentieren alles entsprechend.“ Grundsätzlich lagert Klein Sicherheits-themen nach Möglichkeit aus. Nicht nur beim Datenschutz sondern auch beim Transport. „Da kann es schon einmal vorkommen, dass die Ware über uns und unseren Zulieferer doppelt versichert ist“, so Klein. Doch er geht lieber auf Nummer sicher. Immerhin sind pro Lkw schon einmal Waren im Wert von 200.000 bis 300.000 Euro unterwegs.
Gabelstapler und Fußgänger
Neben Unfällen auf der Straße sind zudem innerbetriebliche Transportwege eine große Gefahrenquelle. „Unfälle mit Gabelstaplern und Fußgängern kommen immer wieder vor“, sagt Dekra-Experte Schröter. Kreuze ein Transportweg direkt ein Tor oder eine Türe, seien Kollisionen vorprogrammiert. „Mindestens ein Meter Distanz zwischen Tor und Transportweg sind deshalb Pflicht.“ A und O ist das Licht im Lager. Nur so kann der Fahrer eines Gabelstaplers Fußgänger oder Hindernisse frühzeitig erkennen. Und die Gänge sollten gerade verlaufen. „Ein Tipp an Lageristen: Stolperstellen vermeiden und Bodenbeläge nach ihrem Verwendungszweck auswählen“, rät er.
Beispiel Ausgleichsstufen: Diese lassen sich durch schwarz-gelbe Markierungen oder Beleuchtung entschärfen. Schröter weiter: „Die Trennung von Fuß- und Transportwegen durch entsprechende Markierungen sollte selbstverständlich sein.“ Damit werde verhindert, dass sich Stapler und Fußgänger in die Quere kommen. Die Breite der Wege für den Fußgängerverkehr ist übrigens in der Arbeitsstätten-Richtlinie ASR A1.8 geregelt. Nutzen beispielsweise bis zu 20 Personen den Verkehrsweg, beträgt die lichte Breite des Weges für den Fußgängerverkehr einen Meter.
Regelungen entschlackt
In den vergangenen Jahrzehnten liefen beim Arbeitsschutz staatliche Gesetzgebung und Regelungen etwa durch Unfallversicherungsträger immer wieder parallel. Im unübersichtlichen Regelwerk fanden sich Arbeitgeber nur schwer zurecht. „Aber wir machen große Fortschritte“, sagt Schröter. Denn Bund, Länder und die gesetzlichen Unfallversicherungsträger haben in den letzten Jahren gemeinsam eine konzertierte Aktion gestartet. „Durch die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) werden die verschiedenen Vorschriften transparenter, übersichtlicher und von Doppelregelungen befreit“, so Schröter. Auch viele Informationen, die heute zum Thema erhältlich seien, seien praxisnah. Als Beispiel nennt der Arbeitssicherheitsexperte die Broschüre „Sicherheit von Regalen“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Die gibt es im Internet kostenfrei als PDF-Download.
Daniela Reichart
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