Der Brandschutz von Kindertagesstätten stellt hohe Anforderungen an die Sicherheit einer Einrichtung. Vieles ist zu berücksichtigen, zum Beispiel dass kleine Kinder noch nicht gut Treppen hinabsteigen können. Und: Beim Brandschutz gilt das Schottungsprinzip, aber Bewegungsdrang und Kreativität der Kinder sollten nicht unnötig eingeengt werden. Ein schier unlösbarer Konflikt?
Dr. Gerd Geburtig, Prüfingenieur für Brandschutz
Der normale Ablauf in Kitas bringt auf den ersten Blick Konflikte mit dem Brandschutz mit sich. Ein Beispiel dafür ist der starke Bewegungsdrang von Kindern. Er erfordert unter anderem offene Räume, was grundsätzlich dem brandschutztechnischen Schottungsprinzip widerspricht. Heutzutage wird eine wohnungsähnliche Situation mit zusammenhängenden Räumen gestaltet, die gemeinsam mit einem „Spielflur“ zu einer Nutzungseinheit verschmelzen.
Kinder können sich nicht ohne Weiteres aus dem Gebäude entfernen. Der Träger der Einrichtung muss weiterhin garantieren, dass unberechtigte Personen keinen unkontrollierten Zugang zur Kita haben. Diese Vorsichtsmaßnahmen widersprechen allerdings der Grundvoraussetzung des Brandschutzes, nämlich im Gefahrenfall das Gebäude ungehindert verlassen zu können.
Hinzu kommt, dass kleinere Kinder das Treppensteigen noch nicht selbstständig oder nur langsam bewältigen können. Deshalb ist für sie die Treppe als üblicher Rettungsweg nicht frei von Gefahren. Für die Betreuung der unter Dreijährigen kommen daher nur eingeschossige Gebäude infrage. Möglich sind auch zweigeschossige Gebäude mit alternativen Rettungswegen wie Rettungsbalkonen, auf denen man sich im Brandfall längere Zeit gefahrfrei aufhalten kann. Im Einzelfall eignen sich auch Rettungsrutschen (siehe Abb. 1).
Bei erdgeschossigen Betreuungseinrichtungen sollten Gruppenräume ferner über direkte Ausgänge nach draußen verfügen. Um zügig die Vollständigkeit einer Evakuierung überprüfen zu können, ist ein Sammelplatz unbedingt notwendig (siehe Abb. 2). Nicht zuletzt übt Feuer auf viele Jungen und Mädchen einen Reiz aus − insbesondere kleinere Kinder reagieren bei Brand irrational. Sie fliehen nicht, sondern verharren oftmals beim Feuer. Wichtig ist daher, dass Erzieherinnen und Erzieher regelmäßig an Schulungen teilnehmen und Übungen durchführen.
Kindgerechte Rettungswege
Die Planung der Evakuierung sowie die Gestaltung der Rettungswege sind Themen, die regelmäßig zu kontroversen Diskussionen führen. Grundsätzlich sollten zwei, sowohl kindgerechte als auch für die Feuerwehr nutzbare, Rettungswege zur Verfügung stehen. Ob die Evakuierung über eine zweite Treppenanlage oder über eine Evakuierungsrutsche erfolgt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab (siehe Abb. 3).
Soll eine Evakuierungsrutsche eingesetzt werden, müssen die Angriffswege für die Feuerwehr unbedingt gesondert geprüft werden. Die Rettungswege müssen unabhängig von der Rutsche nutzbar sein. Möglich sind zum Beispiel ein Rettungspodest (siehe Abb. 4) oder bei zweigeschossigen Gebäuden ein ausgewiesenes Rettungsfenster. Im Fall einer „Bypass“-Lösung, bei der ein zweiter Rettungsweg über die benachbarte Nutzungseinheit führt, ist abzuklären, ob die jeweiligen Rettungswege immer unverschlossen und im Gefahrenfall begehbar sind. Das kann zum Beispiel durch den Einbau von Blindzylindern (siehe Abb. 5) oder organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden.
Abgeschlossene Flure unerwünscht
In Anlehnung an die Musterbauordung (§ 36 (1)) ist es möglich, in Kindertagesstätten mit einer Bruttogeschossfläche von maximal 400 Quadratmetern Nutzungseinheiten ohne notwendigen Flur zu schaffen. Denn die zu betreuenden Kinder spielen hauptsächlich und nehmen einen möglichen Brand unmittelbar wahr. Während des Mittagsschlafes halten sich die Erzieherinnen und Erzieher ohnehin in unmittelbarer Nähe der Kinder auf und können im Gefahrenfall sofort reagieren.
Bei Nutzungseinheiten ohne Flur ist darauf zu achten, dass ausreichend Gänge für den Normalbetrieb sowie für die Evakuierung zur Verfügung stehen. Diese Gänge müssen unbedingt freigehalten werden (siehe Abbildung 6).
Hilfreich dabei sind Markierungen auf dem Boden (siehe Abbildung 7). Sie signalisieren Kindern und Beschäftigten, dass der gekennzeichnete Bereich tabu und stets freizuhalten ist. Entscheiden sich Träger für solche Markierungen, müssen sie auch für deren Pflege sorgen und dies entsprechend in der Brandschutzordnung vermerken.
Brandmelder bedingt einsetzen
Flächendeckende Brandmeldeanlagen scheiden für Kindertagesstätten aus. In besonders gefährdeten Bereichen wie Lagerräumen, Werkstätten oder Maisonettebereichen sind Brandmelder zwar durchaus sinnvoll (siehe Abb. 8); im Allgemeinen ist jedoch davon auszugehen, dass die Kinder angemessen betreut und bei einer Gefahrensituation richtig geleitet werden. Keinesfalls sollten Brandmeldeanlagen als Ersatz für eine eingeschränkte Betreuung gesehen werden, die anstelle einer menschlichen Fürsorge auf eine anlagentechnische Überwachung setzt.
Organisatorischer Brandschutz
Damit der Brandschutz im Ernstfall funktioniert, muss er organisatorisch an die konkreten Rahmenbedingungen des Gebäudes angepasst sein. Eine formelle Abarbeitung nach Standardvorgaben ist hier wenig sinnvoll. Die Vorgehensweisen können ebenso individuell wie die Einrichtungen selbst sein und dennoch einen praktikablen Weg in Sachen Brandschutz aufzeigen. Planer orientieren sich aber häufiger als notwendig an Standardvorgaben, die oftmals nicht kindgerecht sind. Ein wenig Fantasie und Kreativität, wie sich neben der aus Gründen des Arbeitsschutzes notwendigen Standardkennzeichnung eine kindgerechte Rettungswegbeschilderung realisieren lässt, sind hier sicherlich angebracht. Möglich ist beispielsweise ein gelber Punkt, der in Augenhöhe der Kinder angebracht wird (siehe Abbildung 9). Die Kinder werden über die Wichtigkeit des betreffenden Punktes – zum Beispiel als Hinweis für einen Fluchtweg – regelmäßig unterrichtet und gehen wie selbstverständlich damit um.
Das „grüne Schild“ über der Tür ist von Kindern ohnehin nicht wahrzunehmen. Kostengünstige Alarmierungseinrichtungen wie Trillerpfeifen befinden sich in der im Bild als Beispiel herangezogenen Kindertagesstätte ebenfalls auf gelben Punkten (siehe Abbildung 10) und werden von den Kindern bei Übungen sofort wahrgenommen.
Zum Gesamtprogramm des organisatorischen Brandschutzes gehört ebenfalls eine auf die jeweilige Altersgruppe zugeschnittene kindgerechte Brandschutzerziehung, die frühzeitig den richtigen Umgang mit Feuer fördert (siehe Abb. 11). So sollen die Kleinen beispielsweise unter Aufsicht lernen, Kerzen anzuzünden. Denn übertriebene Ängstlichkeit führt hier eher zum falschen Ergebnis: Kinder sind den Umgang mit Feuer nicht gewöhnt und können deshalb im Gefahrenfall auch nicht richtig reagieren.
Fazit
Obwohl in beinahe allen Bundesländern die Kindertagesstätten als Sonderbauten zu behandeln sind, gibt es keine allgemein gültige Sonderbauvorschrift oder ‑verordnung. Manchem mag das als Belastung vorkommen; doch eigentlich ist es die Chance, einen kindgerechten individuellen Brandschutz zu planen, der schutzzielorientiert einen angemessenen Weg beschreitet.
Neben den wesentlichen Grundzügen des erforderlichen baulichen Brandschutzes sind die vielfältigen funktionalen Anforderungen an Kindertagesstätten zu beachten, die für die Entwicklung der Kinder außerordentlich wichtig sind. Besonderes Augenmerk ist dabei auf den unverzichtbaren organisatorischen Brandschutz zu richten. Eine bereits frühzeitige Brandschutzunterrichtung im Vorschulalter, die sowohl das Element „Feuer“ besser zu verstehen lehrt als auch angemessen über die möglichen Gefahren unterrichtet, kann ein Leben lang Brandfälle im persönlichen Umfeld des heranwachsenden Kindes vermeiden helfen.
Weitere Informationen u.a.:
- Rheinischer Gemeindeunfallversicherungsverband, Landesunfallkasse Nordrhein-Westfalen und Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.): Hilfestellungen zum Gestalten von sicheren Kindertagesstätten, Düsseldorf 2004.
- Rheinischer Gemeindeunfallversicherungsverband (Hrsg.): Brandschutz- und Notfallkonzepte in Kindertageseinrichtungen, Düsseldorf 2006.
- Landesjugendamt Berlin, Referat Tageseinrichtungen für Kinder und Tagespflege (Hrsg.): Brandschutz in Kindertagestätten (Dokumentation zu einer Informationsveranstaltung), Berlin 2000.
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