Joschka Fischer fährt den neuesten E‑BMW und ist beeindruckt. Mal sehen, ob durch den viel beachteten Werbe-Clip die Zulassungszahlen von KFZ mit Elektro- oder Hybridantrieb in die Höhe schnellen. Zu erwarten ist aber schon, dass in Zukunft mehr Elektro-Autos auf unseren Straßen fahren. Deren Sicherheit behandelte ein Fachgespräch, das die BGHM zusammen mit der DGUV parallel zur A+A 2013 organisiert hatte.
Dr. Walter Eichendorf, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der DGUV und Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats, DVR, brachte die Zuhörer gleich zu Beginn in Erstaunen: „Stellen Sie sich eine neue technische Entwicklung vor, ein Kraftfahrzeug, angetrieben von einem hochtoxischen, hochexplosiven Stoff – nämlich Benzin“. Ein Gleichnis, das zeigt, wie vorsichtig wir bei Neuentwicklungen sind, aber wie selbstverständlich wir mit bekannten Gefährdungen umgehen, ja diese gar nicht mehr wahrnehmen. Elektromobilität gehöre die Zukunft, betonte Eichendorf, auch wenn es Risiken gebe. Es bestehe aber die Verpflichtung der Prävention und Risikoobservation. Man müsse schonungslos nach Gefährdungen suchen, betroffen seien alle Unfallversicherungsträger.
Sehr breit war dann auch das Spektrum der Referenten und Themen, die ganz verschiedene Aspekte sicherer E‑Mobilität berücksichtigten. Von der Produktion über sichere Pedelecs, Gefährdungen für Feuerwehr und Rettungskräfte bis zum Einsatz von E‑Nutzfahrzeugen.
Produktion: Montagebereich ist elektrische Betriebsstätte
Über Sicherheit bei der Produktion sprach Michael Helmold von der VW AG. Er wies auf Gefährdungen durch Strom und Lichtbögen hin und wie man diesen begegnet. Die Hauptgefahr bestehe bei Montage der Antriebsbatterie. Der Montagebereich gelte als elektrische Betriebsstätte, Mitarbeiter würden über Gefahren unterrichtet. Um der Gefährdung durch Lichtbögen zu begegnen, sei unter anderem Essen und Trinken untersagt, PSA und Gesichtsschutz müssen getragen werden. Weitere Maßnahmen seien Betriebsanweisungen und Arbeitsanweisungen sowie ein F90-Lager für Zellen, die nicht sofort verarbeitet werden. Elektrofachkräfte erhielten eine zweitägige Grundausbildung zum Arbeiten unter Spannung; alle vier Jahre würden die Kenntnisse geprüft. Die Qualifikationsanforderungen nennt die BGI/GUV‑I 8686.
Service: Qualifizierung von Fachkräften
Sicherer Service war das Thema von Werner Steber, Referent der Abteilung Technik, Sicherheit, Umwelt des ZDK, Zentralverbandes des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes, das die Interessen der KFZ-Werkstätten vertritt. Er gab zu bedenken: „Unfälle mit Benzin sind die Schlimmsten“. Im Übrigen habe es schon immer Strom im Auto gegeben, nämlich durch Lichtmaschinen, die Drehstromgeneratoren sind. Er erläuterte ein Hochvolt (HV)-Qualifizierungskonzept des ZDK, das im ersten Teil die Qualifizierung zum Fachkundigen für Hochvolt eigensichere Systeme beinhaltet. HV-eigensicher bedeutet, dass durch technische Maßnahmen am Fahrzeug ein vollständiger Berührungs- und Lichtbogenschutz gegenüber dem HV-System gewährleistet ist. Dies trifft auf Serienfahrzeuge zu. Der Fachkundige muss u. a. wissen, wie er ein Auto spannungsfrei schaltet, und dass orangefarbene Kabel tabu sind. Der zweite Teil der Qualifizierung vermittelt Kenntnisse, wie unter Spannung gearbeitet werden kann. Steber nannte als gutes Hilfsmittel beim ADAC erhältliche Rettungskarten, in denen das gesamte Hochvoltsystem skizziert ist.
Pedelecs: Breitere Radwege nötig
Im Gegensatz zu den Kfz haben sich bei Fahrrädern Elektroantriebe schon durchgesetzt. Im Januar 2013 gab es bereits rund 700.000 so genannte Pedelecs, wie Christian Kellner vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) erwähnte. Der größte Teil sind sogenannte Pedelec 25, die als Fahrräder gelten, und für die keine Helmpflicht besteht. Die Verantwortung der Systembetreiber für einen sicheren Straßenverkehr nehme zu, so Kellner. Das sind Straßenbau, KFZ-Hersteller, Polizei und Arbeitgeber. Durch die schnelleren und schwereren Pedelecs, die zudem öfter überholen, bestehe ein Bedarf an schlaglochfreien und breiteren Radwegen. Kellner wies außerdem auf Mängel bei Pedelecs hin, so hätten Verbraucherschützer Rahmenbrüche durch höhere Belastung festgestellt, ebenso Mängel an Bremsen und es seien Batteriebrände vorgekommen. Eine DGUV-Information zum Thema Pedelec 25 wird derzeit erarbeitet und soll in diesem Jahr erscheinen. Der DVR hat einige Forderungen aufgestellt, darunter die Entwicklung geeigneter Helme, Aufklärungsaktionen sowie eine Altersbegrenzung.
Sicherheitskonzepte für Hochvoltsysteme
Wolfgang Gutbrod von der BMW-Group erläuterte Sicherheitskonzepte für Hochvoltsysteme. Die Gefährdungsbeurteilung muss die HV-Komponenten berücksichtigen. Das Wissen der Mitarbeiter muss ermittelt werden und sie müssen geschult werden. Gefährdungen durch Lithium-Ionen-Batterien sind: Elektrolytaustritt, Überladen, Überhitzen, Tiefentladen, Kurzschluss und mechanische Deformation. Zu Schutzmaßnahmen gehört es unter anderem Gefährdungen anzuzeigen, zum Beispiel mit Schildern „Achtung Hochvolt“, bestimmte Tätigkeiten dürfen nur von einer „Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten“ durchgeführt werden. Gutbrod wies auch auf die Schutzmaßnahmen an elektrifizierten Serienfahrzeugen hin. Dazu zählen unter anderem die schutzisolierten (orangen) Hochvoltkabel sowie Hochvoltstecker, der Disconnect-Schalter sowie Chrash-Sensoren am Airbag, die bei einem Unfall zu einer Trennung der 12-Volt-Batterie und des Hochvolt-Energiespeichers vom Bordnetz führen.
Neue Handlungshilfe für Rettungskräfte
Der sichere Umgang von Rettungskräften mit E‑Fahrzeugen war Thema von Wolfgang Kurz, Abteilungsleiter Prävention der Unfallkasse Baden-Württemberg. Feuerwehr und Rettungskräfte begegneten bei E‑Fahrzeugen elektrischen Gefährdungen, Brand- und Explosionsgefahr oder chemischen Gefährdungen. Zwar würde Sicherheit in der Konstruktion von Hochvoltfahrzeugen berücksichtigt, etwa durch „unfallsichere“ Unterbringung der Hochvoltkomponenten, Trennschalter beziehungsweise Disconnect-Schalter – die allerdings bei jedem Modell woanders sitzen – oder Berührungsschutz als Schutz vor Stromschlag. Trotz dieser Vorkehrungen begegneten Feuerwehr und Rettungskräfte bei ihren Einsätzen beschädigten HV-Leitungen, es sei vorgekommen, dass E‑Bikes sich beim Laden selbst entzündeten oder ein Auto habe nach einem Unfall Feuer gefangen, nachdem sich ein Metallstück durch den Unterboden in die Batterie gebohrt hatte. Ganz wichtig sei die Rettungskarte: Seit dem 1. Februar 2013 können Rettungsleitstellen auf Daten des Kraftfahrtbundesamtes zur Kennzeichenabfrage zugreifen. Dies ermöglicht eine eindeutige Zuordnung des Fahrzeugs. Mit der Software SilverDAT FRS ist über die Kennzeichenabfrage der Abruf digitaler Rettungsdatenblätter möglich. Handlungshilfe für Rettungskräfte gibt die in diesem Jahr erschienene BGI/GUV‑I 8664. Sie enthält unter anderem ein Ablaufschema zur technischen Hilfeleistung bei alternativen Antrieben.
Mitarbeiter von Polizei und Feuerwehr in Baden-Württemberg können seit einem Jahr ihr Wissen mit dem E‑Learning-Modul „Notfallkonzeption E‑Mobilität“ erweitern. Judith Heck vom Innenministerium Baden-Württemberg war an der Ausarbeitung beteiligt und führte es vor. Die Online-Schulung sollen alle Einsatzkräfte absolvieren, die unmittelbar mit der Unfallaufnahme, der Rettung von Personen, der Brandbekämpfung und der Bergung von Fahrzeugen betraut sind.
Albert Först von der BGHM berichtete über die BGI/GUV-Information 8686 „Hochvoltsysteme“, an der er mitgearbeitet hat. Bereits im Jahr 2009 war zusammen mit dem Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) ein Flyer erschienen mit dem Titel „Wartung von Hybridfahrzeugen“. Im Jahr 2010 erstellten dann BGHM, BG ETEM, BG Verkehr, VBG (Bahnen) und DGUV zusammen die BGI/GUV‑I 8686. Sie nennt zuerst die elektrischen Gefährdungen, sodann die nötige Qualifizierung für Arbeiten in Entwicklung und Fertigung sowie die Qualifizierung für Arbeiten an Serienfahrzeugen. Arbeiten an HV-Systemen dürfen nur Fachkundige für HV-Systeme an Fahrzeugen, zum Beispiel KFZ-Mechatroniker mit Zusatzqualifikation „Hochvolt“, ausführen.
E‑Busse und E‑Nutzfahrzeuge – leiser und abgasärmer
E‑Nutzfahrzeuge – ist das etwas Besonderes? Derzeit schon, sagte Dr. Klaus Ruff, stellvertretender Präventionsleiter der BG Verkehr. Es gebe zurzeit etwa 250 Hybrid-Omnibusse in Deutschland, auch einige E‑Nutzfahrzeuge seien in Betrieb. Die Fahrzeuge seien deutlich schwerer und teurer, es fehle die Infrastruktur mit Oberleitungen und Ladestationen.
Dies werde sich aber ändern, so seine Einschätzung. Die positiven Aspekte: Durch E‑Nutzfahrzeuge lassen sich regenerative Energien nutzen und Ge- räusch- und Abgasemissionen reduzieren.
Dr. Wolfgang Damberg, Leiter Prävention der BGHM, wies in seinem Schlusswort auf die große Zielgruppe dieses Fachgesprächs hin. E‑Mobilität müsse weiterentwickelt werden, Ziel sei es angstfrei mit ihr umzugehen und klare Verhältnisse zu schaffen.
Verena Manek
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