Egal ob Computer, Telefon oder Kaffeemaschine – im Büro nutzen Beschäftigte Elektrogeräte wie selbstverständlich. Aber Vorsicht ist geboten: Sind diese defekt, bergen sie erhebliche Risiken für die Belegschaft und können zu enormen Sachschäden sowie Störungen des Betriebsablaufs führen. Deshalb schreibt der Gesetzgeber regelmäßige Prüfungen vor, die recht umfangreich sind. Allerdings lässt sich der Prüfaufwand reduzieren.
Dipl.-Ing. (FH) Rainer Rottmann
Wer hat das nicht schon einmal erlebt: Kaum hat man mit einer Arbeit begonnen, streikt das hierfür notwendige Elektrogerät. Doch ob es lediglich seinen Geist aufgegeben hat oder von ihm Gefahren ausgehen, lässt sich zunächst nicht beantworten. Denn so lange keine offensichtlichen Beschädigungen vorliegen, sind elektrische Gefährdungen nicht erkennbar. Berührt man jedoch ein unter Spannung stehendes Teil, können wegen der schlagartig freigesetzten Energie bereits kurzfristige Berührungen schwerwiegende Folgen haben. Deshalb existieren besonders hohe Schutzanforderungen an Konstruktion und Betrieb elektrischer Anlagen und Geräte.
Gefahr durch wirkungslose Schutzmaßnahmen
Die sicherste Schutzmaßnahme besteht darin, ausschließlich Geräte zu verwenden, die über eine ungefährliche Spannung („Schutzkleinspannung“) betrieben werden. Diese kommen aber nur selten zum Einsatz. Deshalb ist die Isolierung und Abschaltung der Stromversorgung im Fehlerfall umso wichtiger. Dies klingt im ersten Moment zwar selbstverständlich, doch sollte man sich folgende Fakten vor Augen führen:
- Mit der Anzahl der verwendeten Geräte steigt auch die Anzahl möglicher Fehlerquellen.
- Oftmals schützen nur wenige Millimeter Kunststoff oder noch weniger vor den tödlichen Gefahren des elektrischen Stroms.
- Alterung oder Verschmutzung kann die Schutzwirkung der Isolation herabsetzen.
- Kunststoffe können als organische Materialien einen erheblichen Beitrag zur Ausbreitung eines Brandes leisten.
- Der Trend zur Miniaturisierung von Komponenten erschwert die Gewährleistung ausreichender Trennungsabstände.
- Aufgrund des Kostendrucks leidet oftmals die Qualität der Bauteile.
- Insbesondere Geräte aus dem Niedrigstpreissegment können gefälschte CE- und/oder GS-Zeichen aufweisen.
- Schutzleiterverbindungen werden durch Knick- oder Zugbeanspruchung unterbrochen und erreichen durch Korrosion unzulässig hohe Werte.
Eine weitere Schutzmaßnahme ist die über einen Schutzleiter hergestellte, gut leitfähige Verbindung zum Erdpotential (Erdung). Sie soll im Fehlerfall zum einen dafür sorgen, dass sich an den berührbaren Teilen eines Elektrogeräts keine gefährlich hohe Spannung aufbauen kann. Zum anderen soll sie bewirken, dass der Strom möglichst schnell so hohe Werte erreicht, dass vorgeschaltete Schutzeinrichtungen wie Sicherungen oder Fehlerstromschutzschalter in kürzester Zeit ausgelöst werden. Ob diese Schutzmaßnahmen jedoch noch wirksam sind, lässt sich in der Regel nur durch regelmäßig durchgeführte messtechnische Prüfungen nachweisen.
Mängel rechtzeitig feststellen
Bei den Prüfungen werden die Prüffristen, die in der Betriebssicherheitsverordnung und in der DGUV Vorschrift 4 enthaltenen sind, oft als „fest zementiert“ fehlinterpretiert. Prüffristen sind aber vielmehr so zu bemessen, dass zu erwartende Mängel rechtzeitig festgestellt werden. Demnach kann und sollte der für Sicherheit Verantwortliche im Unternehmen also selbst Einfluss nehmen, was jedoch nur durch eine gewissenhafte Berücksichtigung aller Einflussfaktoren gelingt oder − anders ausgedrückt − durch eine ganzheitlich durchgeführte Gefährdungsbeurteilung.
Mittels dieser kann zum Beispiel erreicht werden:
- Aufdecken von Gefährdungen und Ableiten von Schutzmaßnahmen,
- Ermittlung von Art, Umfang und Fristen erforderlicher Prüfungen,
- Qualifikationsanforderungen des prüfenden Personals feststellen,
- Notwendige Informationen zum Schutz des Personals, welche die Geräte verwenden, ermitteln.
Erfahrungen der Beschäftigten sind entscheidend
Ist man sich der Zielsetzung bewusst, lässt sich durch eine sinnvolle Verknüpfung der Fragestellungen der Aufwand bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung reduzieren. Zudem können dadurch Maßnahmen ermittelt werden, die zum sachgerechten und schonenden Umgang mit den Elektrogeräten und somit zu einer Verringerung des Prüfaufwandes führen. Dabei spielen die Erfahrungen der Beschäftigten eine entscheidende Rolle. Denn sie wissen, welche Zwischenfälle auftreten können und welche Maßnahmen sie vielleicht sogar schon selbst ergriffen haben, um Probleme zu beseitigen. Außerdem fördert das Miteinbeziehen der Belegschaft die Akzeptanz für die Maßnahmen.
Die so gewonnenen Erkenntnisse können auf nahezu allen betrieblichen Ebenen berücksichtigt werden, zum Beispiel:
- bei der Beschaffung: Geräte mit einer hohen Ausfallrate werden zukünftig nicht mehr beschafft. Möglicherweise kann Ersatz auch schneller und unkomplizierter zur Verfügung gestellt werden.
- bei der Einrichtung der Arbeitsplätze: Anschlussleitungen werden zukünftig vor mechanischen Einflüssen geschützt verlegt. Darüber hinaus kann eine ausreichende Anzahl richtig platzierter Steckdosen vorgesehen werden. Dadurch werden überbelastete Mehrfachsteckdosen entbehrlich.
- bei der vorbeugenden Instandhaltung: Typische sich anbahnende Fehler sind bekannt und können im Vorfeld beseitigt werden.
- bei der Lagerung und dem Transport: Zukünftig können geeignete Lager- und Transportbehältnisse bereitgestellt werden.
- bei der Unterweisung der Beschäftigten: Auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung können Arbeitgeber oder Führungskräfte die Beschäftigten für das Erkennen von Gefährdungen sensibilisieren und sie im sachgerechten und sicheren Umgang mit elektrischen Geräten unterweisen.
Auch hinsichtlich der Festlegung von Prüfarten und Prüfumfang bieten sich dem Arbeitgeber Möglichkeiten. Denn oftmals werden bei arbeitstäglich durchgeführten Sicht- und Funktionsprüfungen mehr Fehler aufgedeckt als bei sporadisch durchgeführten messtechnischen Prüfungen. Erstere können auch von unterwiesenen Personen übernommen werden, speziell ausgebildete befähigte Personen widmen sich dann anderen Prüfaufgaben.
Mängel an elektrischen Geräten geben allein betrachtet oft keinen Aufschluss über den Grund ihres Auftretens. In der Gefährdungsbeurteilung enthaltene Erkenntnisse über die Betriebs- und Umgebungsbedingungen können allerdings dabei behilflich sein, die jeweils geeigneten Prüfverfahren auszuwählen. Umgekehrt können die Prüfergebnisse die Gefährdungsbeurteilung optimieren, zum Beispiel durch die Auswertung von Fehlerquoten und ‑schwerpunkten.
Prüfpflicht auch für Privat- und Leasinggeräte
Der Arbeitgeber ist für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und der vorgeschriebenen Prüfungen verantwortlich. Darüber hinaus muss er dafür sorgen, dass die Bestimmungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in seinem Betrieb eingehalten werden. Das betrifft auch den Erhalt des sicheren Zustands sowie den sicheren Betrieb elektrischer Anlagen und Betriebsmittel sowie die Umsetzung von Schutzmaßnahmen. Sofern der Arbeitgeber diesen Aufgaben selbst nicht nachkommen kann, hat er sie ganz oder teilweise auf andere Personen zu übertragen (siehe Kasten „Delegation von Aufgaben im Arbeitsschutz“). Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss der Arbeitgeber darüber hinaus entscheiden, wie mit Privatgeräten seiner Beschäftigten zu verfahren ist und welche Maßnahmen dabei zur Abwendung von Gefahren zu treffen sind. Was beispielsweise die Prüfpflicht anbelangt, bleiben ihm zwei Möglichkeiten: Entweder prüft er die privaten Wasserkocher, Radios und Ventilatoren mit oder untersagt generell deren Verwendung im Betrieb.
Das Gleiche gilt für „betriebsfremde“ Elektrogeräte, wie zum Beispiel Leasing-Geräte oder Fremdeigentum. Zu den Leasinggeräten gehören Fotokopierer, Faxgeräte oder Computer; mit Fremdfirmeneigentum sind unter anderem Bodenreinigungsgeräte gemeint. Auch diese Geräte sind regelmäßig zu überprüfen, vor allem wenn die eigenen Beschäftigten durch sie gefährdet werden können. Durch einen entsprechenden Passus im Leasingvertrag oder dem Vertrag mit der Fremdfirma kann die Prüfverpflichtung aber eindeutig dem Eigentümer der Geräte zugewiesen werden. Neben einer rechtlich „sauberen“ Trennung der Verantwortlichkeiten lässt sich hierdurch für das eigene Unter- nehmen auch der Prüfumfang erheblich reduzieren.
Weder Gefährdungsbeurteilung noch Prüfverpflichtung sind ein notwendiges Übel, sondern vielmehr eine Chance für die Optimierung der Betriebsorganisation. Diese stellt in Verbindung mit einer plausibel nachvollziehbaren Gefährdungsbeurteilung die wirksamste Schutzmaßnahme dar, um nicht unabsichtlich eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat zu begehen. Oder wie Goethe es ausgedrückt hat: „Von drückenden Lasten entbindet nur die gewissenhafte Ausführung.“
Vorschriften und Regelwerk
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- Betriebssicherheitsverordnung
- DGUV Vorschrift 4 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“
- DGUV-Regel 100–001 „Grundsätze der Prävention“
Delegation von Aufgaben im Arbeitsschutz
Bei der Delegation von Aufgaben und Pflichten im Arbeitsschutz sind folgende Aspekte zu beachten:
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- Die Beauftragung muss den ausdrücklichen Wunsch des Auftraggebers widerspiegeln und den übertragenen Aufgabenrahmen klar aufzeigen. Lücken oder Überschneidungen zu anderen Kompetenzbereichen sind zu vermeiden.
- Die Beauftragten müssen die übertragenen Aufgaben in eigener Verantwortung ausführen können. Deshalb muss der Arbeitgeber die zur Wahrnehmung der Verantwortung notwendigen Mittel, Befugnisse und Vollmachten ebenfalls übertragen.
- Die Delegation der Aufgaben muss im Rahmen des Sozialadäquaten liegen. Das heißt, sie muss für die Beauftragten „machbar“ sein und insbesondere zu ihren Kenntnissen und Erfahrungen sowie ihrer Stellung im Unternehmen passen.
- Die Delegation muss schriftlich erfolgen und ist von den Beauftragten gegenzuzeichnen. Diese müssen eine Kopie der Vereinbarung erhalten.
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Wurden die Aufgaben nicht im Rahmen des Arbeitsvertrages oder der Stellenbeschreibung übertragen, bedarf es einer nachträglichen Übertragung. Hinweise hierzu enthält die DGUV-Regel 100–001.
Durch die Aufgabendelegation werden zwar betriebliche Fach- und Führungskräfte in die Verantwortungskette mit einbezogen, die Gesamtverantwortung bleibt jedoch beim Arbeitgeber. Er ist vor allem für die Organisation des Arbeitsschutzes in seinem Betrieb verantwortlich und für die Auswahl der Personen, denen er Aufgaben überträgt. Darüber hinaus muss er die von ihm Beauftragten regelmäßig kontrollieren. Kommt der Arbeitgeber diesen Pflichten nicht nach, hat er bei Zwischenfällen mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen.
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