Sie haben Stress? Und sehnen sich deshalb nach Ruhe und Entspannung? Ehrlich gesagt geht das nicht nur Ihnen so. Gefühlt befindet sich jeder Zweite im Stress. Ob berufliche oder schulische Anforderungen, private Konflikte oder Druck im Studium – von einem beschaulichen Alltag kann wohl kaum einer erzählen.
Britta Surholt
Um den negativen Folgen von Stress vorzubeugen, kann Bewegung und Sport durchaus hilfreich sein. Denn die Energie, die quasi zur Verfügung gestellt wird, um Stress zu begegnen, kann im Job „körperlich“ nicht abgebaut werden. Das bedeutet: Der Körper ist auf Angriff oder Flucht eingestellt, Herzfrequenz und Blutdruck steigen. Aber: Flucht ist nicht angeraten. Schließlich muss ja erst ordnungsgemäß der Job erledigt werden …
Somit bleibt der Mensch in „höchster Alarmbereitschaft“ (an seinem Arbeitsplatz) – und dies kann auf Dauer zu den unterschiedlichsten Beschwerden führen. Krankheiten an Haut, Herz, Kreislauf, Magen und Darm, Schlafstörungen, Depressionen oder Burn-out sind nur einige der Erscheinungen, die auf chronischen Stress zurückzuführen sind.
Ruhe als gesunder Gegenpol
Umso wichtiger ist es, den Auslösern von Stress auf die Spur zu kommen. Und diesen dann am besten mit Ruhe und Abstand zu begegnen. Das kann sehr gut gelingen, wenn man entsprechende Entspannungsübungen beherrscht. Entspannung mit Musik kann ebenso gut funktionieren wie leichte Bewegung zum Ausgleich. Wir stellen Ihnen die besten Methoden zur Entspannung vor. Eines sei jedoch noch vorweg gesagt – zum Auspowern und Abreagieren dienen Entspannungs-Techniken nicht. Sie helfen vielmehr dabei, mal ganz neue Wege zu beschreiten. Und somit zum Beispiel eine Lösung zu finden, wenn bestimmte Situationen immer wieder eine Stressreaktion hervorrufen.
Wer nämlich ständig im Stress-Modus ist, wird das auf Dauer nicht nur mental spüren. Auch der Körper meldet irgendwann „Alarmstufe rot“. Bevor es zu vollkommener Erschöpfung kommt, können Sie aber gegensteuern: mit Entspannung.
Besonders tiefe Entspannung verbirgt sich hinter meditativen Methoden. Eine davon ist Body Scan, ein sogenanntes Achtsamkeitstraining. Mit einfachen Übungen lernt man dabei, die Wahrnehmung für den Augenblick zu schärfen.
Wer wirklich bewusst seine alltäglichen Handgriffe und Tätigkeiten „wahrnimmt“ – fühlt, schmeckt und riecht, den Atem kontrolliert, die Körpersprache spürt, der kann auch Stress-Momente bald schon besser „veratmen“. Das Achtsamkeitstraining hilft dabei, weniger grüblerisch, weniger aufbrausend und ärgerlich zu werden, wenn der Tag anstrengend ist. Kurse zum Thema werden von Krankenkassen, aber auch in Sportvereinen und Fitnessstudios angeboten. „Stressbewältigung durch Aufmerksamkeit“ ist ein Training, das als MBSR-Konzept bezeichnet wird. Die Abkürzung steht für Mindfullness-Based-Stress-Reduction. Wer seine Achtsamkeit entsprechend schult, kann den Alltag gelassener, selbstbewusster und entspannter erleben.
Body Scan
Eine besondere Form der Meditation bieten Kurse im Body Scan. Dabei lernen die Teilnehmer, wie sie mit ihrer Aufmerksamkeit durch den ganzen Körper wandern können. Ähnlich wie beim Autogenen Training lenkt man die Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Körperregionen und beruhigt so die Gedankenflut im Kopf, Stress und Hektik. Auf diese Weise kann die Atmung besser kontrolliert werden, sie wird tief und gleichmäßig. Zusätzlich wirkt sich das Training auch auf die Herztätigkeit aus, Blutdruck und Muskelspannung nehmen ab, das Gehirn zeigt weniger „Aufruhr“, gerät zunehmend in einen Entspannungs-Modus.
Letztlich ist dieses Training eine Art Mediation. Man lernt, Empfindungen, Gefühle und Gedanken umzulenken. Ist man beim Training abgelenkt und kommt nicht so recht ins Meditieren, lernt man mit der Zeit, wie man sich wieder zurück begibt auf den „Achtsamkeits-Pfad“.
In unangenehmen Situationen, die im Alltag Stress bereiten, ist diese Fähigkeit dann ausgesprochen nützlich. Denn man ist schließlich in der Lage, selbst darüber zu bestimmen, ob und wie man auf immer größer werdende Aktenberge reagiert. Aus freundlicher Distanz betrachtet lässt sich ein Stress-Moment jedenfalls besser aushalten als wenn man unmittelbar und ohne Lenkung reagiert.
Tai-Chi
In China ist Tai-Chi ein Volkssport, der gern auch in großen Gruppen absolviert wird. Der Anblick ist eindrucksvoll. Denn beherrscht man die langsamen und sehr bewusst auszuführenden Bewegungs-Abfolgen, bewegen sich die Menschen synchron. Anspannung, Entspannung, Bewegung und Gegenbewegung werden in fließender Manier vollführt. Alle Übungen erfordern Konzentration – auf sich selbst, die richtige Abfolge der Bewegungen und das Halten der Balance. Chinesen bezeichnen Tai Chi auch als innere Kampfkunst. Einer Legende nach sollen die Bewegungen an einem Kranich und einer Schlange beobachtet worden sein, die sich in einen Kampf miteinander begeben hatten. Heute sorgt Tai-Chi für ein besseres Körpergefühl und wirkt sich zudem positiv auf die Psyche aus. Der Körper kommt zur Ruhe, man entspannt auch psychisch spürbar.
Qigong
Mit Übungen aus dem Qigong wird sogar in der Traditionellen Chinesischen Medizin gearbeitet. Denn die Übungen sind gut für den Bewegungsapparat und die Konzentration – außerdem wirken sie meditativ. Mit dem Begriff Qigong bezeichnet man alle Übungen, mit denen sich die Lebensenergie (übersetzt ins Chinesische = Qi) im Körper steuern und beeinflussen lässt. Gong heißt übersetzt Arbeit oder Pflege. Somit steht Qigong für die „Arbeit mit der Lebensenergie“. Die Lebensenergie wird – so die Überzeugung in der Chinesischen Medizin – nicht von außen gestärkt, sondern hauptsächlich von innen durch jeden Menschen selbst beeinflusst.
Es gibt einfache, aber auch sehr anspruchsvolle Bewegungsabläufe. Sowohl Kinder, als auch Jugendliche, Erwachsene und ältere Menschen können Qigong erlernen und einstudieren. Je nachdem, ob besondere Beschwerden vorliegen, können die Übungen auch wie eine Behandlung eingesetzt werden. So lassen sich krankmachende Verspannungen lösen, chronische Schmerzen verbessern oder Stressoren ausfindig machen. Regelmäßiges Üben ist in jedem Fall Voraussetzung dafür, dass Qigong seine Langzeitwirkung entfalten kann. Wenige Minuten Training am Tag reichen. Die Abwechslung von Übungen der Ruhe und Übungen, die in Bewegung ausgeführt werden, macht den besonderen Effekt des Trainings aus.
Tipp: Die positiven Auswirkungen von Qigong auf stressbedingte Beschwerden ist erwiesen. Daher übernehmen viele Krankenkassen die Kosten für Präventionskurse. Erkundigen Sie sich, ob Sie an einem Kurs teilnehmen können, für den Sie nicht allein die Kosten aufbringen müssen.
Autogenes Training
Autogenes Training beruhigt vor allem das vegetative Nervensystem. Das Autogene Training ist nicht ganz neu – schon im Jahr 1928 hat es der Berliner Nervenarzt Johannes H. Schultz entwickelt. Krankenkassen erkennen die Wirkung dieser Autosuggestion meist an und erstatten daher die Kursgebühren oder übernehmen sie zumindest teilweise. Erkundigen Sie sich, bevor Sie einen qualifizierten Lehrer gefunden haben, ob Ihre Krankenkasse das Autogene Training bezahlt. Das Training funktioniert wie eine Selbsthypnose. Von der positiven Wirkung der Übungen können auch schon Kinder profitieren.
Indem die Aufmerksamkeit in mehreren Schritten „gelenkt“ wird, können Körper und Geist ganz wunderbar entspannen. Die Konzentration richtet sich auf die Atmung, den Herzschlag und auf unterschiedliche Körperteile. Profis haben die gedanklichen Trainingseinheiten irgendwann so verinnerlicht, dass sie sie sogar in einer kurzen Mittagspause oder auch beim Sitzen im Café anwenden können. Man arbeitet mit immer gleichen Formeln wie beispielsweise „Mein rechter Arm wird ganz schwer!“ Die Übungen sind sehr einfach zu erlernen, allerdings sollte man sie wirklich regelmäßig anwenden, damit schließlich „autogen“ (also selbstständig) ein Entspannungszustand herbeigeführt werden kann.
Anleitungen (auf CD) gibt es sehr viele. Zum Einstieg sollte man am Besten einen Kurs besuchen, um zu klären, wie man mit den Übungen zurechtkommt. Falls Sie hohen Blutdruck günstig beeinflussen möchten oder Schlafstörungen ein Ende bereiten wollen, sprechen Sie auch darüber mit der Trainingsleiterin oder dem Trainingsleiter.
Progressive Muskelrelaxation
Ähnlich wie das Autogene Training lenkt auch diese Entspannungsmethode die Aufmerksamkeit. Sie konzentrieren sich auf sich selbst, spüren, wie Muskeln entspannen und ganz locker werden. Auch beim Training zur „Muskelrelaxation“ (so lautet der Fachbegriff für Entspannung) gibt es eine vorgeschriebene Abfolge von Übungen. Immer liegt das gleiche Prinzip zu Grunde: Die Muskeln werden angespannt und anschließend bewusst wieder locker gelassen. Der Effekt ist so deutlich spürbar, dass die Übenden schnell lernen, wie sie Entspannung gezielt herbeiführen können. Übungseinheiten von zehn bis 20 Minuten Dauer sind vollkommen ausreichend.
Weitere Informationen:
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- Body Scan können Sie ausprobieren auf den Seiten der Techniker Krankenkasse. Unter wwww.tk.de, Webcode 612168, lässt sich der Body Scan als MP3-Datei herunterladen.
- Ebenfalls als MP3-Datei ist auch die Progressive Muskelentspannung erhältlich. In kurzer und in langer Übungs-Version. Unter www.tk.de, Webcode 036272.
- www.qigong-gesellschaft.de
- www.taiji-europa.de
Gegen Kopfschmerzen
Auch gegen Kopfschmerzen/Migräne wirkt Autogenes Training erwiesenermaßen – verschiedene Studien haben dies belegen können. Ob auch bei Ihnen gezielte Entspannung ein Weg zu weniger Migräne-Attacken sein könnte, besprechen Sie bitte mit Ihrem Arzt und/oder der Kursleitung.
Meditation macht gelassen
Interessant: Wer regelmäßig meditiert (nichts anderes ist Body Scan), ist gelassener und entspannter. Hirnforscher haben außerdem nachgewiesen, dass sich dank Meditation auch die Konzentrationsfähigkeit und das Selbstbewusstsein weiter ausprägen. Schon nach wenigen Wochen Meditation vergrößern sich die beteiligten Hirnareale nachweislich.
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