Wo täglich ein- und ausgelagert, sortiert und umhergefahren wird, entstehen im rauen Arbeitsalltag oftmals kleinere und größere Schäden. Aus Angst vor den Folgen melden Mitarbeiter oft nicht, wenn an Regalstützen und ‑streben Macken entstehen. Doch die Tragfähigkeit der Regale nimmt mit jeder Beule oder Delle ab. Immer wieder ereignen sich Unfälle, wenn beschädigtes Lagerinventar der Belastung nicht mehr standhält. Lesen Sie, wie Sie Schäden vermeiden und was Sie bei einer Inspektion beachten müssen.
Leila Haidar
„An unseren 18 Standorten wird das Thema Sicherheit großgeschrieben. Wir folgen verbindlichen Standards, auch in den ausländischen Niederlassungen“, betont Volker Pfeiffer, Qualitäts- und Schadensmanager bei der Seifert Logistics GmbH mit Hauptsitz in Ulm. Und Thomas Sowa, Geschäftsführer des Verbands für Lagertechnik und Betriebseinrichtungen, ergänzt: „Nur wenn Sorgfalt und akribisches Arbeiten höchste Priorität haben, ist die Sicherheit der Mitarbeiter garantiert.“ Sicheres Arbeiten im Betrieb ist durch eine Vielzahl an Vorschriften und Normen reguliert. Der TÜV Süd empfiehlt, Regalanlagen gemäß den Bestimmungen der DIN EN 15635 zu errichten und überprüfen zu lassen. Im Schadensfall kann sonst der Lagerbetreiber haftbar gemacht werden.
„Wir verweisen unsere Kunden bei Unsicherheiten stets auf diese Norm“, sagt Verkaufsleiter Carl-Josef Lohse von Vogelsang Lagertechnik aus Marienheide. Der Regalhersteller fertigt unter anderem Paletten‑, Kragarm- und Einfahrregale in hoher Qualität aus Stahl der Güte 253 und besser. Diese müssen im Betrieb, so will es der Gesetzgeber, einmal in zwölf Monaten durch einen geprüften Regalinspekteur kontrolliert werden. Außerdem sollte der Lagerbetreiber regelmäßig eigene Sichtprüfungen durchführen, „das kann bis zu einmal in der Woche erfolgen“, sagt Lohse.
Inspektionen extern vergeben
Logistikdienstleister Seifert mit 11.500 Quadratmetern Lagerfläche am Hauptsitz Ulm, auf denen 40 Mitarbeiter tätig sind, gibt Sichtprüfungen und Regalinspektionen an einen externen Dienstleister. „Wir wollen sicher gehen, dass das Berichtswesen nicht durch unser Budget oder die Interessen der Verantwortlichen beeinflusst wird“, erläutert Sicherheitsexperte Pfeiffer. Einen Bericht, der keine Mängel auslässt und den Zustand der Einrichtung nicht beschönigt, erhält Pfeiffer jeden Monat. Etwaige Mängel müssen schnellstens durch einen Fachbetrieb beseitigt werden. Denn selbst zu schweißen oder zu verschrauben, erlaubt die DIN EN 15635 nicht. „Es darf nur von einem Fachbetrieb ausgetauscht werden. Sonst erlischt außerdem die Gewährleistung durch den Hersteller“, sagt Lagertechnik-Spezialist Lohse. Idealerweise kontaktiert der Kunde seinen Hersteller oder Händler, der dann einen Austausch in Auftrag gibt. Auch wenn die gesetzliche Garantiezeit abgelaufen ist, rät Lohse zu diesem Vorgehen. „Das kann auch mal ein paar Euro mehr kosten, denn die Qualität eines Fachbetriebs ist immer teurer als wenn man selbst flickt“, weiß der Verkaufsleiter. Dennoch lohne sich die Investition spätestens im Schadensfall. „Wir investieren gerne in die Sicherheit unserer Angestellten“, sagt Pfeiffer. Indem das Ulmer Unternehmen mit 700 Mitarbeitern und einem Umsatz von 100 Millionen Euro alle Sicherheitsinspektionen extern vergibt, stellt es sicher, dass die Fachleute, die monatlich prüfen, stets einsatzbereit und auf dem neuesten Wissensstand sind. „Eigene Leute müssten wir weiterbilden und ersetzen, wenn sie krank werden, im Urlaub sind oder das Unternehmen verlassen“, erläutert Pfeiffer seine Strategie. Investiert hat Seifert Logistics zusätzlich in IT-Unterstützung. In den Ulmer Hallen lagern neben Pharmaprodukten Verpackungsmaterialien und Glasscheiben für Busse. Ein Lagerleitsystem berechnet bei jeder Einlagerung, ob die Tragfähigkeit des Regals weiterhin gewährleistet ist und warnt, wenn das zulässige Höchstgewicht erreicht ist.
„Wichtig ist außerdem, dass die Mitarbeiter für den Schadensfall sensibilisiert sind“, betont Lohse von Regalbauer Vogelsang. Vorsichtiges Fahren ist für Staplerfahrer meist selbstverständlich. Aber wenn doch einmal eine Palette das Lagerinventar rammt, sollte ein Vorfall sofort gemeldet werden.
Sichern und bergen
Dass Betriebsleiter verunsichert sind und zu sehr auf die Kosten schauen, stellen Hersteller und Händler von Schutzausrüstung oft fest. Das schwäbische Unternehmen Carl Stahl verkauft inzwischen einen Großteil seiner Sicherheitstechnik über die intensive Beratung vor Ort. So ist das Hebe‑, Seil- und Sicherheitstechnikunternehmen häufig in Hochregallagern und bei Logistikern gefragt. Erfahrung der Sicherheitsberater von Carl Stahl ist, dass sich Unternehmen rechtlich meist in einer Grauzone bewegen und aus Kostengründen erst tätig werden, wenn etwas passiert ist. Was viele nicht wissen: Ab der Höhe von einem Meter müssen Arbeiter durch ein Geschirr, Geländer oder Gerüst gesichert sein. Das gilt natürlich auch für die Sichtprüfung hoher Regaleinrichtungen. Das Bewusstsein für Gefahren fehlt, denn oft ist jahrzehntelang nichts passiert. Entsprechend resultieren für Carl Stahl häufig Aufträge aus Anregungen und Beanstandungen der Berufsgenossenschaften, die diese den für Sicherheit Verantwortlichen und Produktionsleitern geben. Beiträge in Fachzeitschriften, Schulungen oder Abstürze im eigenen Betrieb oder persönlich bekannten Firmen motivieren zum weiteren Nachdenken und Handeln. Dennoch werden Sicherheitslösungen noch immer vorrangig als Kostenfaktor gesehen. Dabei machten sich die Wenigsten bewusst, dass ein Hängetrauma binnen 20 Minuten tödlich sein kann. Inzwischen zieht deshalb vor allem die Nachfrage nach Bergungshilfen an. Und neben festen Gerüsten oder Geländern, die kollektiv Schutz bieten, setzen viele Kunden auf persönliche Schutzausrüstung, die kurzfristig angebracht wird. Diese Ausrüstungen werden in Hallen von oben, an Fassaden horizontal oder auf Dächern vertikal angewandt und sichern den Einzelnen mit Brust- und Hüftgurten.
Weiterführende Informationen
Fachinformation zum Thema Regalsicherheit als PDF zum Downloaden auf den Seiten des TÜV Süd. Ansprechpartner für fachliche Fragen:
Dipl.-Ing. Detlef Burghammer
Tel.: 0731–4915–291 oder 0160–3601608
Auszug aus der Betriebssicherheitsverordnung
Rechtsgrundlage für die Sicherheit in Lägern ist die Betriebssicherheitsverordnung. Sind die Anforderungen der DIN EN 15635 erfüllt, kann man davon ausgehen, dass auch die Betriebsmittelverordnung zufrieden gestellt ist. Unter anderem sind für die Regalinspektion folgende Abschnitte wichtig:
§ 10 Prüfung der Arbeitsmittel
(1) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die Arbeitsmittel, deren Sicherheit von den Montagebedingungen abhängt, […] geprüft werden. Die Prüfung hat den Zweck, sich von der ordnungsgemäßen Montage und der sicheren Funktion dieser Arbeitsmittel zu überzeugen. Die Prüfung darf nur von hierzu befähigten Personen durchgeführt werden.
(2) Unterliegen Arbeitsmittel Schäden verursachenden Einflüssen, die zu gefährlichen Situationen führen können, hat der Arbeitgeber die Arbeitsmittel […] durch hierzu befähigte Personen überprüfen und erforderlichenfalls erproben zu lassen. Der Arbeitgeber hat Arbeitsmittel einer außerordentlichen Überprüfung durch hierzu befähigte Personen unverzüglich zu unterziehen, wenn außergewöhnliche Ereignisse stattgefunden haben, die schädigende Auswirkungen auf die Sicherheit des Arbeitsmittels haben können. Außergewöhnliche Ereignisse im Sinne des Satzes 2 können insbesondere Unfälle, Veränderungen an den Arbeitsmitteln, längere Zeiträume der Nichtbenutzung der Arbeitsmittel oder Naturereignisse sein. Die Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 sind mit dem Ziel durchzuführen, Schäden rechtzeitig zu entdecken und zu beheben sowie die Einhaltung des sicheren Betriebes zu gewährleisten.
(3) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Arbeitsmittel nach Änderungs- oder Instandsetzungsarbeiten, welche die Sicherheit der Arbeitsmittel beeinträchtigen können, durch befähigte Personen auf ihren sicheren Betrieb geprüft werden.
Zehn Tipps für ein sicheres Lager
- Lager immer nach DIN EN 15635 einrichten und umbauen.
- Jährliche Überprüfung durch geprüften Regalinspekteur durchführen lassen.
- Reparatur und Austausch sollte nur durch Fachbetrieb stattfinden. Bestenfalls mit dem Hersteller Kontakt aufnehmen. Sonst droht Entzug der Gewährleistung.
- Evtl. Sichtprüfung und jährliche Inspektion an einen externen Dienstleister auslagern, das kann Aufwand und Kosten sparen.
- Regelmäßig eigene Sichtprüfung auf Macken und Kratzer durchführen.
- Mitarbeiter dafür sensibilisieren, dass sie entstandene Schäden schnell melden.
- Ab der Arbeitshöhe von einem Meter Mitarbeiter durch Gurte und Sicherungssysteme schützen.
- Bergungshilfen bereithalten.
- Mitarbeiter in Sicherheitsfragen und in der Handhabung von Systemen schulen.
- Sich von Zeit zu Zeit einen externen Rat zu Sicherheitsmaßnahmen einholen und auf jedenFall präventiv tätig werden. Nicht warten, bis etwas passiert!
Unsere Webinar-Empfehlung
22.02.24 | 10:00 Uhr | Das Bewusstsein für die Risiken von Suchtmitteln am Arbeitsplatz wird geschärft, der Umgang mit Suchtmitteln im Betrieb wird reflektiert, sodass eine informierte Entscheidung über Maßnahmen zur Prävention von und Intervention bei Suchtmittelkonsum am Arbeitsplatz…
Teilen: