Die Zeitungen berichten immer wieder über tragische Unfälle bei der Abfallsammlung. Abfallwerker fallen vom Trittbrett oder werden beim Rückwärts- fahren erfasst, aber ebenso immer wieder auch Passanten vom Abfallsammelfahrzeug überrollt. Es gibt viele gefährliche Situationen, um so wichtiger ist es für Fahrer und Ladepersonal, sich umsichtig zu verhalten.
Diese Unfälle sind nicht nur für den Verletzten und seine Angehörigen schlimm. Neben der Verarbeitung von Schuldgefühlen droht dem Fahrer nach einem schweren Unfall meistens eine Anklage des Staatsanwalts wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung. Denn der Fahrer ist immer für sein Handeln verantwortlich. Er muss das Fahrzeug mit der notwendigen Vorsicht führen. Ist er sich nicht sicher, ob der Gefahrenbereich frei ist, muss er anhalten und sich erforderlichenfalls einweisen lassen.
Oft mehrere Unfallursachen
Meistens führen mehrere Ursachen gleichzeitig zu diesen Unfällen. Nur wenn man die möglichen Risiken bei der Abfallsammlung erkennt, kann man sie durch geeignete Maßnahmen auf ein Minimum reduzieren.
Die Abfallsammlung im fließenden Verkehr, das ständige Beschleunigen und Anhalten, enge Straßen und häufig wechselnde Verkehrssituationen stellen hohe Anforderungen an Konzentration und Leistungsfähigkeit des Fahrers und der Abfallwerker.
Jedem Fahrer und Lader dürfte eigentlich klar sein, dass aufgrund der Größe und Unübersichtlichkeit des Fahrzeugs das Rückwärtsfahren ganz besonders risikoreich ist. Und je häufiger man rückwärts fährt, desto mehr steigt das Unfallrisiko.
Deshalb muss das Rückwärtsfahren immer auf das absolute Minimum reduziert werden.
Rückwärtsfahren vermeiden
Die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben deshalb schon im Jahr 1979 in der Unfallverhütungsvorschrift „Müllbeseitigung“ Maßnahmen festgelegt, die das gefährliche Rückwärtsfahren deutlich reduzieren sollen. Danach darf Müll nur abgeholt werden, wenn die Zufahrt zu Müllbehälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist. Das bedeutet im Klartext: Sackstraßen ohne geeignete Wendemöglichkeit dürfen nicht für die Abfallsammlung befahren werden.
Hierzu gibt es aber auch Ausnahmen: „Alte Straßen“ aus der Zeit vor dem 01.10.1979 haben Bestandsschutz, für die neuen Bundesländer gilt entsprechend als Stichtag das Datum der Wiedervereinigung (03.10.1990). Ausgenommen vom Rückwärtsfahrverbot ist natürlich auch das Zurücksetzen für kurze Rangiervorgänge, wie sie zum Beispiel beim Wenden notwendig sind oder beim Entleeren stationärer Abfallbehälter. Dies ist zwar auch nicht ungefährlich, lässt sich jedoch in der Praxis nicht völlig vermeiden. Sofern aber die Möglichkeit besteht, sollte auf das gefährliche Zurückstoßen verzichtet werden.
Während das kurze Zurücksetzen zulässig ist, gilt das Rückwärtsfahrverbot hingegen generell für alle neuen Straßen.
Die tägliche Praxis sieht aber oft ganz anders aus. So muss man leider feststellen, dass immer noch in vielen Straßen unzulässig und auch unnötigerweise rückwärts gefahren wird. Dafür gibt es hauptsächlich zwei Gründe:
- Einerseits dulden manche Unternehmen das unzulässige Rückwärtsfahren aus Rücksicht auf die Anwohner.
- Und andererseits halten sich die Beschäftigten nicht an das Rückwärtsfahrverbot, entweder um die Arbeit etwas zu beschleunigen oder einfach aus Bequemlichkeit.
Bürger aufklären und Verständnis wecken
Würden alle Entsorgungsunternehmen immer konsequent entsprechend der Unfallverhütungsvorschrift vorsorgen, könnte in weitaus mehr Straßen heute nicht mehr hineingefahren werden. Häufig ist damit jedoch schon erheblicher Ärger vorprogrammiert. Die Anwohner beschweren sich dann, weil sie nicht einsehen wollen, dass sie ihren Abfallbehälter an der nächsten Straßeneinmündung bereitstellen sollen. Diese Auseinandersetzungen mit den Bürgern möchten sich manche Entsorgungsbetriebe aber sparen. Also unternimmt man nichts und überlässt die Beschäftigten ihrem Schicksal. Dies darf und muss häufig gar nicht so sein. Oft reicht es aus, wenn man den Bürgern einfach mal verdeutlicht, dass es hier nicht nur um den Schutz der Versicherten geht. Gerade Laien ist meistens nicht klar, dass der Fahrer hoch oben im Fahrerhaus viele Bereiche um sein Fahrzeug herum gar nicht einsehen kann. Dadurch sind Passanten, insbesondere ältere Menschen und Kinder, bei der Rückwärtsfahrt gefährdet.
In vielen Fällen finden sich durchaus tragbare Kompromisse, indem man zum Beispiel Bereitstellungsplätze für Behälter anlegt, die von Anwohnern und Ladepersonal leicht erreicht werden können. Auch durch Umgestalten einer Straße oder den Bau eines Wendehammers lässt sich die Situation entschärfen.
Zeitersparnis mit schlimmen Folgen
Häufig wäre das Rückwärtsfahren erst gar nicht notwendig, wenn man gewisse Umwege in Kauf nehmen würde. Umwege kosten aber Zeit. Und obwohl die Fahrer richtig unterwiesen wurden, fahren manche von ihnen aus Zeitersparnis rückwärts und erhöhen damit das Unfallrisiko deutlich.
Allerdings muss man auch einräumen, dass es oft zu unerwarteten Situationen kommt. Wenn enge, verkehrsberuhigte Straßen rücksichtslos durch Falschparker blockiert werden, haben die Fahrer häufig gar keine andere Wahl, als rückwärts zu fahren. In solchen Fällen helfen nur noch rigorose Maßnahmen, wie zum Beispiel das Abschleppen, denn schließlich muss nicht nur die Müllabfuhr, sondern im Rettungsfall auch die Feuerwehr durchkommen können.
Immer wieder stellt man fest, dass auch Wendehämmer durch geparkte PKW blockiert sind. Ein Parkverbot am Abfuhrtag zu bestimmten Uhrzeiten kann das Zuparken wirksam verhindern.
Rückwärts nur unter bestimmten Bedingungen
Wie oben erwähnt, dürfen sogenannte „alte Straßen“, bei denen vor dem Stichtag bereits Rückwärtsfahren erforderlich war, weiterhin so befahren werden, allerdings nur, wenn bestimmte Mindestanforderungen erfüllt werden. Dazu gehört, dass die Rückwärtsfahrstrecke nicht mehr als 150 m beträgt. Die Straße muss dazu so breit sein, dass der Fahrer gefahrlos vom Lader eingewiesen werden kann. Der Einweiser muss sich in ausreichendem Abstand neben dem Fahrzeug auf trittsicherem Untergrund und im Sichtbereich des Fahrers (Außenspiegel) aufhalten können. Außerdem muss rechts und links zu festen Hindernissen ein Mindestsicherheitsabstand von 0,5 m eingehalten werden.
Ist die Straße kurvig oder hat sie große Fahrbahnunebenheiten, reicht dieser Abstand häufig nicht aus und muss entsprechend größer sein.
Zum Einweisen gehören auch klare Absprachen und einheitliche Zeichen zur Verständigung. Die Einweisevorgänge müssen deshalb regelmäßig geübt werden. Vor der Sammeltour muss sich der Fahrer mit den Ladern deutlich absprechen, wie der Arbeitsablauf sein soll. Besonders wichtig ist dies bei neuen Mitarbeitern und Einsätzen in neuen Abfuhrgebieten.
Verboten: Mitfahren auf dem Trittbrett beim Rückwärtsfahren
Das Rückwärtsfahren stellt hohe Anforderungen an die Konzentration des Fahrers und des Einweisers und ist deshalb immer nur ein Kompromiss. Häufig haben die Einweiser Schwierigkeiten, mit dem Fahrzeug Schritt zu halten und besonders, wenn es bergauf geht, ist das Einweisen kaum zumutbar. So verwundert es nicht, dass die Einweiser beim Rückwärtsfahren auch auf dem Trittbrett mitfahren möchten. Wenn man mit einer Hand einweisen soll und dann nur eine Hand zum Festhalten hat, reicht eine Bodenwelle aus, um vom Fahrzeug zu fallen. Der tödliche Unfall ist damit quasi schon vorprogrammiert. Obwohl das Mitfahren auf dem Trittbrett bei der Rückwärtsfahrt äußerst gefährlich und deshalb grundsätzlich verboten ist, wird dieses Verbot jedoch immer wieder missachtet.
Sicherheitstechnik ist sinnvoll
Seit Mitte der neunziger Jahre müssen erstmals in Verkehr gebrachte Abfallsammelfahrzeuge Trittbrettüberwachungseinrichtungen haben, die das Rückwärtsfahren bei besetztem Trittbrett zwangsläufig verhindern. Dies erfolgt zum Beispiel durch Gewichtserkennung bei besetztem Trittbrett. Leider gibt es für jede technische Lösung mindestens so viele Ideen, wie man diese manipulieren oder umgehen kann. Die Hersteller stehen quasi ständig in einer Art Rüstungswettlauf mit den Bedienern, um ihre Sicherheitssysteme gegen Manipulationen zu schützen.
Bedauerlicherweise gibt es immer wieder Menschen, die vor nichts zurückschrecken und sogar Manipulationen an den Steuerungen der Fahrzeuge vornehmen.
Auch wenn es in erster Linie gut gemeint ist, weil man damit die Arbeit für den Lader erleichtern oder schneller vorankommen will, sind diese Manipulationen keinesfalls Kavaliersdelikte.
Tödlicher Unfall durch Manipulation
Vor kurzem kam es zu einem tödlichen Unfall bei der Rückwärtsfahrt, bei dem beide Trittbretter manipuliert worden waren. Vermutlich wollte der Lader dabei unzulässigerweise auf dem Trittbrett mitfahren, stürzte aber ab und wurde sofort überrollt.
Der Staatsanwalt wird in einem solchen Fall nicht nur den Fahrer wegen fahrlässiger Tötung anklagen. Er wird auch prüfen lassen, wer die Manipulationen an der Sicherheitseinrichtung vorgenommen hat und ob derartige Manipulationen im Betrieb stillschweigend geduldet werden. Dies kann für alle Beteiligten böse Folgen haben. Die tägliche Kontrolle der Sicherheitseinrichtungen und das Melden von Mängeln sind daher sehr wichtig. Ratsam sind auch stichpunktartige Kontrollen der Sicherheitseinrichtungen durch die Vorgesetzten.
Schon 10 km/h kann zu schnell sein
Aber nicht nur bei der Rückwärtsfahrt, auch vorwärts kann es zu Unfällen kommen.
Zum Beispiel wenn sich die Lader nicht richtig festhalten und der Fahrer durch seine Fahrweise seine Kollegen auf den Trittbrettern unnötigen Beschleunigungen aussetzt. Zwar ist das Fahren bei besetztem Trittbrett technisch auf 30 km/h begrenzt, die Unfallverhütungsvorschrift erlaubt jedoch nur maximal 20 km/h.
Und unter manchen Bedingungen können bereits schon 10 km/h viel zu schnell sein.
So können Bodenwellen schon bei geringer Geschwindigkeit dazu führen, dass das Trittbrett aufsetzt und der Lader schwer verletzt wird.
Eine gefährliche Unsitte ist es auch, wenn der Fahrer bereits losfährt, bevor der Standplatz auf dem Trittbrett sicher eingenommen wurde. Auch die Angewohnheit mancher Lader, während der Trittbrettfahrt eine Zigarette zu rauchen, geht nur solange gut, bis der Fahrer unerwartet einem Hindernis ausweicht oder plötzlich stark abbremst.
Trittbretter abschaffen?
Wegen häufiger Unfälle wurden in England die Trittbretter bereits vor mehr als zwanzig Jahren verboten und stattdessen Fahrzeuge mit Niederflurkabinen angeschafft. Dieses Beispiel hat sich herumgesprochen. Auch andere europäische Länder drängen darauf, dass durch eine Änderung in der Europäischen Norm für Abfallsammelfahrzeuge ein Trittbrettverbot in ganz Europa durchgesetzt wird.
Leider hat die Sache einen Haken. Während der Sammelfahrt werden täglich bis zu 15 km zurückgelegt. Diesen Weg müssten die Lader entweder hinter dem Fahrzeug herlaufen oder im Fahrerhaus mitfahren. Der Weg vom Fahrzeugheck bis zur Fahrerkabine beträgt aber schon etwa 10 m. Meistens lohnt es sich gar nicht, für eine so kurze Strecke ins Fahrerhaus einzusteigen. Das Durchschnittsalter des Ladepersonals wird bekanntlich auch immer höher. Der ein oder andere Lader wäre wahrscheinlich gar nicht in der Lage, eine Sammeltour ohne Trittbrettbenutzung durchzuhalten. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Situation bei fehlenden Trittbrettern häufig noch verschlimmert würde. Denn was liegt näher, als sich bei fehlendem Trittbrett eine andere Mitfahrmöglichkeit, zum Beispiel auf der Schüttung, zu suchen, die aber noch weniger Stand- sicherheit bietet.
Manchmal sieht man auch, dass ein Lader sogar auf dem Einstieg vom Fahrerhaus mitfährt. Dadurch verdeckt er nicht nur die Sicht auf den Außenspiegel, sondern wird, wenn er herunterfällt, auch gleich vom Vorderrad überrollt. Die Trittbretter am Fahrzeugheck abzuschaffen, wäre deshalb auf jeden Fall die falsche Lösung.
Rahmenbedingungen verbessern
Stattdessen sollen Fahrer und Lader ihren Vorgesetzten melden, wenn die Rahmenbedingungen für die Sammelfahrt schlecht sind und verbessert werden müssen.
Die tägliche Abfahrtkontrolle muss auch den sicheren Zustand der Trittbretter und der Haltegriffe einschließen. Treten unterwegs Mängel auf, so müssen diese gemeldet und so schnell wie möglich abgestellt werden.
Die Betriebsleitung muss eine deutliche Reduzierung der Rückwärtsfahrstrecken, und zwar auf das absolut Notwendige, organisieren und regeln. Lösungsvorschläge sollte sie mit den Sicherheitsbeauftragten beraten.
Eine vorausschauende, vorsichtige Fahrweise ist unbedingt erforderlich.
Dies setzt immer voraus, dass die Beschäftigten umfangreich und gewissenhaft geschult sind und dass sie vor allen Dingen ausreichend Zeit bekommen, ihr Arbeitspensum zu erledigen.
Als Verantwortlicher darf der Fahrer falsches Verhalten der Kollegen auf dem Trittbrett nicht dulden, sondern muss sie unmittelbar darauf ansprechen.
Nur dadurch können Unfälle wirksam reduziert werden.
Dipl.-Ing. Heinz-Peter Hennecke BG Verkehr
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